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"Über Wachstum und Form ist das größte Prosawerk der Wissenschaft des 20. Jahrhunderts." Stephen Jay Gould Erschrecken Sie nicht! In diesem Buch geht es um Biologie, Physik und Mathematik, aber es handelt von der Schönheit lebendiger Gestalt und ist reich bebildert. D'Arcy Wentworth Thompson war nicht nur Biologe und Morphologe, sondern auch ein geistesgeschichtlich ungemein beschlagener Mann - und dazu ein begnadeter Erzähler. 1917 erstmals erschienen, bietet Über Wachstum und Form einen einzigartigen Zugang zu den Phänomenen des Lebens. Mit Hilfe der Mathematik und der Physik ergründet…mehr

Produktbeschreibung
"Über Wachstum und Form ist das größte Prosawerk der Wissenschaft des 20. Jahrhunderts." Stephen Jay Gould Erschrecken Sie nicht! In diesem Buch geht es um Biologie, Physik und Mathematik, aber es handelt von der Schönheit lebendiger Gestalt und ist reich bebildert. D'Arcy Wentworth Thompson war nicht nur Biologe und Morphologe, sondern auch ein geistesgeschichtlich ungemein beschlagener Mann - und dazu ein begnadeter Erzähler. 1917 erstmals erschienen, bietet Über Wachstum und Form einen einzigartigen Zugang zu den Phänomenen des Lebens. Mit Hilfe der Mathematik und der Physik ergründet Thompson beispielsweise, warum kleine Tiere stärker schwitzen als große, warum wir auch mit mehr Beinen nicht schneller laufen könnten, warum größere Vögel schneller fliegen als kleine und warum Gelatinetropfen, die in eine härtende Flüssigkeit fallen, künstliche Medusen oder Quallen bilden. Thompsons Buch ist ein Meisterwerk von großem intellektuellem Reichtum. Seine anschauliche Entzifferung der geometrischen Sprache im Buch der Natur, seine stilvolle Prosa, die Verschmelzung von Naturwissenschaft und Geistesgeschichte werden jeden begeistern, der einen wachen Sinn für die Wunder des Lebens hat.
Autorenporträt
Anita Albus lebt als Malerin und Schriftstellerin in München und in Burgund. Berühmt wurde sie vor allem durch ihre augentäuschenden Naturdarstellungen, die vielfach ausgestelt wurden. Zugleich mit der Malerei hat sich Anita Albus der Literatur gewidmet, einen Roman und Erzählungen geschrieben und mehrfach ausgezeichnete Essays verfaßt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.03.2006

Der weitgeschwungene Bogen der sandigen Bucht
Biologie der guten Form: D'Arcy Wentworth Thompsons Klassiker der Morphologie / Von Henning Ritter

Überall lauern Fallen für Darwinisten. Eine von Gegnern der Evolution Darwinschen Typus mit besonderer Hartnäckigkeit aufgestellte Falle ist die Behauptung, daß es in der Evolution neben immer neuer Variation auch Wiederkehr des Gleichen gebe. Dieser scheinbar harmlose Gedanke ist ein Angriff auf die eherne Regel der Darwinschen Evolutionstheorie, daß Zufallsvariation und natürliche Auslese Wiederholung strikt ausschließen. Die Evolution ist ohne Plan und ungerichtet, und wer die Wiederkehr des Gleichen nachweisen will, macht sich verdächtig, auf der Suche nach einer ordnenden Kraft zu sein, welche die Entwicklung lenkt und ihre eine vorbestimmte Richtung gibt.

Stephen Jay Gould, der brillanteste Cicerone durch die Evolution als Spiel ungelenkter Zufälle, hat immer wieder auf die Häresie der Ordnung aufmerksam gemacht, die in jüngster Zeit in der Lehre vom "intelligent design" fröhliche Urständ feiert. Zwei Auffassungen des Lebens, einmal als zielloses Spiel der Variation und zum anderen als Wiederkehr des Gleichen, stehen einander unversöhnlich gegenüber, obwohl die gewöhnliche Auffassung vom Leben sagen würde, daß es zugleich immer neu und eine Wiederkehr des immer Gleichen ist.

Stephen Jay Gould hat aber auch gesehen, daß man der Frage der Wiederholung in der Evolution nur eine etwas feinere Wendung zu geben braucht, um auf dem Boden des Darwinismus bleiben zu können. Ein Denker, dem diese subtile Wendung der evolutionstheoretischen Häresie gelang, war der britische Biologe D'Arcy Wentworth Thompson, der sich in seinem Opus magnum "Über Wachstum und Form" ("On Growth and Form") auf die Suche nach "wiederholter guter Form" in der Biologie begab. In diesem Klassiker der morphologischen Gestaltforschung sah Gould zwar ein rückwärtsgewandtes, sogar ein reaktionäres Werk, nicht aber eine visionäre Bedrohung des Darwinismus des zwanzigsten Jahrhunderts. Vor allem aber sah er darin, wie sein der deutschen Ausgabe beigegebenes Vorwort ausweist, ein unbestreitbar brillantes Werk.

Kaum ein anderes Buch der Biologie des zwanzigsten Jahrhunderts hat solche Elogen auf sich gezogen wie dieses monumentale Werk, das 1917 in erster und 1942 in zweiter Auflage erschien und dabei von rund achthundert auf elfhundert Seiten anwuchs. Es ist heute nur noch in einer gekürzten Ausgabe von fünfhundert Seiten greifbar, die auch der deutschen Übersetzung zugrunde liegt.

Der Zoologe, der an einer kleinen schottischen Universität lehrte und in der akademischen Welt lebenslang ein Schattendasein führte, ist dennoch auf eine merkwürdige Weise berühmt geworden, da sein wachsender Ruhm an seiner Unbekanntheit wenig änderte. Er war ein echter Außenseiter auch darin, daß er zu Beginn seiner Laufbahn vor der Wahl stand, ob er nun Professor der Mathematik, der Klassischen Philologie oder der Zoologie werden wollte. Als er sich für letzteres entschied, gab er seine beiden anderen Spezialitäten nicht auf.

Er wußte sie in seinem Werk sogar zu verbinden, wie es sonst kaum je geschieht: Als Zoologe war er Mathematiker, indem er eine mathematische Morphologie erfand, als Kenner des Griechischen übersetzte er Aristoteles' "Historia animalium", studierte umfassend die Quellen zur griechischen Zoologie und blieb überhaupt der griechischen Auffassung der Natur treu, die er mit den modernen Naturwissenschaften verband. Das Werk dieses langen Forscherlebens ist wegen der ungewöhnlichen Weite theoretischer Inspirationen als ein philosophisches anzusehen: eine Philosophie der guten Form in der Biologie.

Der große Biologe Sir Peter Medawar hat über D'Arcy Wentworth Thompson einen oft zitierten Satz gesagt, der ihm wie ein Adelsprädikat anhängt: Sein Buch "Über Wachstum und Form" sei "unbestritten die beste literarische Schöpfung in der Geschichte der Naturwissenschaften, die jemals in englischer Sprache erschienen ist". Und Stephen Jay Gould blieb dahinter kaum zurück, wenn er den Verfasser den "vielleicht bedeutendsten Universalgelehrten des zwanzigsten Jahrhunderts" nannte, ein Ehrentitel, der freilich nicht ohne eine gewisse Zweideutigkeit ist, da die letzten Universalgelehrten schon Jahrhunderte tot sind. Es verbirgt sich darin eine Distanzierung, die auch in dem Vorbehalt zum Ausdruck kommt, daß die Bildung des Autors für den Leser ein Hindernis darstelle. Denn gleich auf der ersten Seite seines Buches zitiert Thompson einen Satz Kants über die Chemie als Wissenschaft (in der Originalausgabe auf deutsch, mit englischer Übersetzung), dann folgt ein lateinisches Zitat von Roger Bacon, ein italienisches von Leonardo da Vinci und wiederum ein lateinisches. Und so geht es weiter mit Pascal und Goethe und immer wieder mit antiken Autoren, die für D'Arcy Thompson Stimmen einer geistigen Gegenwart sind. Vor allem aber ist all dies nicht Bildungsprunk, der abschrecken könnte, sondern lebendiger Ausdruck einer gedanklichen Aktualität, die es verschmäht, sich in die zeitgenössische Welt einschließen zu lassen. Nicht Bildung ist deswegen vom Leser gefordert, sondern die Bereitschaft zur unbefangenen Aufmerksamkeit.

In einer biographischen Miniatur, die Anita Albus, Malerin und zuletzt Autorin eines naturgeschichtlichen Buches über seltene Vögel, dieser Ausgabe beigefügt hat, wird vollends deutlich, was es mit diesem Universalgelehrten auf sich hat. Er war in der Biologie der letzte einer langen Reihe von Naturhistorikern, die in den Naturalienkabinetten der Frühen Neuzeit ihre erste Heimat gefunden hatten als Sammler und Beobachter, die sich in der Meditation über ihre Raritäten und Kuriositäten ein Bild vom Ganzen der Natur zu machen suchten, oft genug als Melancholiker nachsinnend über die natürliche Ordnung der Dinge.

Man braucht nur ein paar der Titel von kleineren Arbeiten dieses Autors auf sich wirken zu lassen: "Der Maulwurf in der Antike", "Die Geburt der Ozeanographie", "Die griechischen Winde", "Sonnenschein und Flöhe" oder auch "Sonntagmorgen (Ein Besuch im Findelhaus)". Der Anachronismus wird in solchen Themen sofort faßbar, man fühlt sich in die Zeit Fechners oder Okens versetzt. Und so findet sich auch auf jeder Seite des großen Buches ein Sinn für Schönheit als Gegenstand der Theorie, wie er längst obsolet geworden ist. Schönheit ist eine Kategorie der morphologischen Forschung, Goethes kleine Schrift über die Metamorphose der Pflanzen gibt davon sprachlich eine eindrucksvolle Vorstellung. Und bei D'Arcy Thompson lernt man überall, daß "gute Form" von funktionalen Betrachtungsweisen nicht zu trennen ist, vor allem aber auch nicht von jenen mathematischen Transformationen, die der Autor im Schlußteil seines Buches graphisch darlegt, gleichsam von Hand, weil ihm das Instrument des Computers noch nicht zur Verfügung stehen konnte.

D'Arcy Wentworth Thompson gehört nicht zu jenen wissenschaftlichen Autoren, die mit ihren Thesen prunken, die auf jeder Seite beweisen und widerlegen. Vielmehr entfaltet er sein Thema implizit, mit feinem Takt gegenüber dem Leser. So rückt er erst ganz am Ende mit der These seines Buches heraus, mit der er den Leser unaufdringlich schon auf dem ganzen Weg vertraut gemacht hatte. Und auch jetzt formuliert er sie ganz diskret: Er habe zeigen wollen, "daß es eine bestimmte Seite der Morphologie gibt, die der Morphologe noch wenig beachtet, die ihm aber bei seinem Studium und für sein Verständnis von Wachstum und Form behilflich, ja sogar unentbehrlich ist".

Soll es das gewesen sein? Die auf organische Formen angewandte Mathematik ist die Sache selbst, denn zugrunde liegt ihr die Behauptung, daß physikalische Kräfte die Organismen direkt formen, während innere oder genetische Kräfte lediglich das Rohmaterial hervorbringen, aus dem dann in Stufen und programmierten zeitlichen Abläufen nach physikalischen Prinzipien gebaut werde. Man versteht, daß so wache Darwinisten wie Stephen Jay Gould sofort die Herausforderung witterten, die den absoluten Vorrang von Zufall und Anpassung in Frage stellte. Man versteht dann auch, warum der unbedingte Gefolgsmann Darwins den Morphologen Thompson gerne als einen pythagoreischen Philosophen charakterisierte. In seinem eigenen Feld der mathematischen Morphologie wirkte er dagegen keineswegs antiquiert, war er nicht rückständig, sondern seiner Zeit voraus. So klingt es gelegentlich sogar prophetisch, wenn er schreibt: "Solange die ,Zufallsvariation' und das ,Überleben der Tauglichsten' als grundlegende und befriedigende Hypothesen in der Philosophie der Naturwissenschaften verankert bleiben, so lange werden diese befriedigenden und einleuchtenden Ursachen zur Folge haben, daß eine gewissenhafte und eifrige Forschung zum großen Schaden und zur Verzögerung zukünftiger Entdeckungen gehemmt wird."

Und doch vermag dies alles nichts daran zu ändern, daß D'Arcy Wentworth Thompson ein geborener Außenseiter war, wie ihn die moderne Wissenschaft mit ihren Ansprüchen unbegrenzter Kommunikation kaum zulassen kann. Erstaunlich ist dabei weniger die Skurilität seiner Forscherinteressen als die Tatsache, daß er sie am Ende doch erstaunlich konfliktlos mit produktiver Forschung auf dem Boden der zeitgenössischen Biologie verbinden konnte. Deswegen erscheint es auch denkbar, daß die Zukunft dieses Autors gerade erst begonnen hat. Das Pendel zwischen Zufall und Ordnung, zwischen Variation und Gestalt hat ein eigenes Zeitmaß. Nachdem die Evolutionstheorie die produktive Energie der Prozesse von Variation und Anpassung im ungeheuren Ausstoß des Lebens nachgezeichnet hat, könnte der Blick wieder einmal auf jene nicht weniger mächtigen Ordnungen gelenkt werden, die D'Arcy Thompson ins Auge faßte - auf die Dauer im Vergänglichen.

Das Gebiet des Morphologen hat er in einem poetischen Kürzel umrissen, nicht um es der Zuständigkeit strenger Forschung zu entziehen, sondern um dieser eine komplexe Aufgabe anzuweisen: "Die Meereswogen, die kleinen Kräuselwellen am Ufer, der weitgeschwungene Bogen der sandigen Bucht zwischen den Ausläufern des Festlandes, die Konturen der Hügel, die Form der Wolken, sie stellen uns vor so viele Rätsel der Form, so viele morphologische Probleme."

D'Arcy Wentworth Thompson: "Über Wachstum und Form". Vorgestellt von Anita Albus nach der von John Tyler Bonner besorgten Ausgabe. Vorwort von Stephen Jay Gould. Aus dem Englischen von Ella M. Fountain und Magdalena Neff. Die Andere Bibliothek. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2006. 477 S., 181 Abb., 2 Tafeln, geb., 34,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Auch wenn von D'Arcy Wentworth Thompsons "Klassiker der morphologischen Gestaltforschung" mit ursprünglich elfhundert Seiten in der vorliegenden Übersetzung nur noch fünfhundert übrig sind: Henning Ritter freut sich mächtig nicht nur über den hier dokumentierten historischen Versuch einer Vereinigung von Variation und Wiederholung, von Zufall und Ordnung innerhalb der Evolutionstheorie, sondern auch über "den Sinn für Schönheit als Gegenstand der Theorie, wie er längst obsolet geworden ist". Bedenken, die vielseitige Bildung des Autors könnte dem Leser in die Quere kommen, möchte Ritter zerstreuen. Pascal und Goethe, Kant und da Vinci und all die antiken Autoren, die der Band zitiert, seien "lebendiger Ausdruck einer gedanklichen Aktualität". Nicht Bildung sei hier gefordert, sondern Bereitschaft zur unbefangenen Aufmerksamkeit. Der dann auch auch die "gute Form" nicht entgeht - äußerlich bei diesem Werk, das, so Ritter, seine These implizit und mit Takt gegenüber dem Leser entfaltet, wie inhaltlich.

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