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Neuroökonomie ist eine neue Forschungsrichtung, in der ökonomische Fragestellungen: Kaufverhalten, Entscheidungen, Restriktionen etc. mit Methoden der neuroscience bearbeitet werden, wesentlich mit Hilfe 'magnetic resonance imaging' (MRI). Dabei werden Gehirnaktivitäten von Probanden in Problemlösungssituationen gescannt. Es ist, neben der experimentellen Mikroökonomie, die zweite Laborabteilung der Ökonomie. Neuroökonomie ist der Blick ins Innere des Gehirns, d.h. in die black box des homo oeconomicus. Die Forschung steht erst am Beginn. Die erstaunlichste Tatsache ist der affective turn: die…mehr

Produktbeschreibung
Neuroökonomie ist eine neue Forschungsrichtung, in der ökonomische Fragestellungen: Kaufverhalten, Entscheidungen, Restriktionen etc. mit Methoden der neuroscience bearbeitet werden, wesentlich mit Hilfe 'magnetic resonance imaging' (MRI). Dabei werden Gehirnaktivitäten von Probanden in Problemlösungssituationen gescannt. Es ist, neben der experimentellen Mikroökonomie, die zweite Laborabteilung der Ökonomie. Neuroökonomie ist der Blick ins Innere des Gehirns, d.h. in die black box des homo oeconomicus. Die Forschung steht erst am Beginn. Die erstaunlichste Tatsache ist der affective turn: die Emotionen werden zu einem Grund für Handlungen und Entscheidungen. Die rational choice, die klassisch auf Vernunftgründe basiert, gerät in einen erweiterten Motivraum. Methodisch ist das die interessanteste Wendung. Die Neuroökonomie wird unsere Auffassungen von entscheiden, wählen, rational choice ändern. Und nicht über eine theoretische Neueinschätzung, sondern aufgrund empirischer Belege. Das Buch gibt im deutschen Sprachraum einen ersten Überblick, auch in der Beschreibung von etwaigen Grenzen dieses Ansatzes. Inhalt Birger P. PriddatVom Nutzen der Neuroeconomics Hans J. MarkowitschNeuroökonomie - wie unser Gehirn unsere Kaufentscheidungen bestimmt Cornelia Hain, Peter Kenning, Marco Lehmann-WaffenschmidtNeuroökonomie und Neuromarketing. Neurale Korrelate strategischer Entscheidungen Grit Hein, Christoph HenningWahrnehmung im Gehirn. Limits, Optimierungen und ihre Implikationen für die Neuroökonomie Utz HelmuthNeuroökonomik des Vertrauens Alihan KabalakEntscheidungen über Symbole. Was die Ökonomie von der Neurowissenschaft nicht lernen kann Peter Kenning, Peter Mohr, Hilke PlassmannWas kostet Angst? Eine neuroökonomische Studie zum Home-Bias Andreas HuchlerDie Blackbox des Konsumentengehirns öffnen. Versuch einer soziologischen Erklärung des Neuro-(Marketing-) Hypes Birger P. PriddatThe affective turn in economics: Neuroeconomics
Autorenporträt
Dr. Birger P. Priddat ist Professor für Politische Ökonomie an der "Zeppelin University" Friedrichshafen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.06.2008

Linkshirnlastige Manager
Das Potential der Neuroökonomie ist noch diffus

Das öffentliche Gezerre um ihre (zu) hohen Vergütungen haben Top-Manager bislang ohne Abschürfungen überstanden. Sie sollten sich allerdings nicht zu sicher wähnen. Die "black box" der Managergehirne ist dabei, geöffnet zu werden. Die neuen bildgebenden Verfahren der Hirnforschung können das. Ist ein Vorstandsvorsitzender tatsächlich sein Geld wert, wenn etwa die rechte Hälfte seines dorsolateralen präfontalen Cortex, also der Ort, der bei Entscheidungen unter Unsicherheit aktiviert wird, nicht stärker entwickelt ist als bei einem gewöhnlichen Sachbearbeiter?

Sollte man den Vertriebsvorstand nicht sofort feuern, wenn sein Corpus callosum, das Faserbündel, das die beiden Hirnhälften verbindet, nur unterdurchschnittlich zwischen den beiden Hemisphären vermittelt und er dadurch viel zu "linkshirnlastig" agiert? Und was ist mit dem Chef-Logistiker, dessen Inselrinde nicht richtig funktioniert und er deshalb vielleicht zu blauäugig mit Offerten umgeht? Das Problem ist nur, dass die Neuroethik, eine der Bindestrich-Wissenschaften, die wir der aktuellen Hinwendung zum "Neuronalen" verdanken, schon nach "Schutz und Geheimhaltung" ruft.

Das ist auch einer der Gründe dafür, dass die Neuroökonomik, die den Anspruch erhebt, durch Biologisierung ökonomisch relevanten Verhaltens die allzu simplen Modelle rund um den Homo oeconomicus hinter sich zu lassen, nicht überall Begeisterung auslöst. Genau in diesem Spannungsfeld zwischen Aufbruch zu neuen ökonomischen Ufern und Skepsis bis Argwohn siedeln sich die Beiträge an, die Birger P. Priddat (Zeppelin University, Friedrichshafen) zu einem Überblicksband zusammengefasst hat.

Den Reigen eröffnet der Gedächtnisforscher Hans J. Markowitsch (Bielefeld). Er verbindet neurowissenschaftlich Bekanntes mit eigenen Befunden, woraus sich unschwer erahnen lässt, dass der Konsument der Zukunft noch "gläserner" sein wird als heute. Auch werden sich die Adepten des Marketings wohl weniger mit Regressions- und Clusteranalysen herumplagen als vielmehr gekonnt die Klaviatur von Amygdalae & Co. beherrschen müssen.

Für Marco Lehmann-Waffenschmidt (TU Dresden) und seine Mitautoren steht die Neuroökonomik noch an ihrem Anfang. Zwar seien - unbeschadet ethischer Bedenken - "gezielte Beeinflussungsversuche in neuronale Abläufe in greifbare Nähe gerückt". Dennoch reichten die bisherigen Forschungen nicht aus, um menschliches Verhalten jenseits des neuronalen "Wo?" auch im Hinblick auf das "Wie?" zu verstehen.

Grit Hein (Berkeley) und Christoph Henning (St. Gallen) berichten von erfolgreichen Experimenten, die kontrollierte Verarbeitung von Reizen (zum Beispiel: "Kann ich mir dieses Produkt leisten?") in automatische Prozesse ("Ich kaufe das Produkt, weil ich es kenne") zu überführen. Marketing könnte damit endgültig den "Piloten" umgehen, der ja immer in begrenzte Aufmerksamkeit investieren muss, und direkt den "Autopiloten" in uns ansteuern und zum Kauf bewegen. Der mündige Konsument und Mitgestalter von Marken bliebe dabei wohl auf der Strecke.

Utz Helmuth (St. Gallen) nimmt das Phänomen Vertrauen unter die neurowissenschaftliche Lupe. Damit stößt er auch einige herkömmliche Annahmen der Ökonomik vom Sockel. So sei die Entscheidung, jemandem zu vertrauen, weder das Ergebnis eines rein vernunftgeleiteten Abwägens von Nutzen und Risiko, noch ähnele sie einem Glücksspiel, bei dem die Risikobereitschaft des Vertrauenden ausschlaggebend ist. Wenn etwa die Emotionen gegenüber der Vernunft immer das letzte Wort zu haben scheinen und zudem unsere Präferenzen nicht stabil sind, sondern vom aktuellen Hormonspiegel - und hier vor allem von der Wohlfühlsubstanz Oxytocin - abhängen, dann sei hier sehr wohl ein Umdenken angebracht.

Für Alihan Kabalak (Friedrichshafen) ist die neurowissenschaftliche Suppe dünn. Da die Neuroökonomik zum Beispiel keine sozialen Beziehungen erforschen könne, beschränke sich ihr Beitrag zur Aufdeckung von Handlungsmotiven auf den trivial gewordenen Hinweis, dass Emotionen eine wichtige Rolle spielen.

Peter Kenning (Münster) fragt: "Was kostet Angst?" Er meint die Angst vor Fehlentscheidungen, die Anleger regelmäßig beachtliche Renditepunkte kostet, wenn sie etwa den Fehler des "Home-Bias" begehen und einen zu großen Teil ihres Vermögens in heimische Wertpapiere investieren. Experimente mit Probanden in der MRT-Röhre scheinen eines zu bestätigen: Angst, gekoppelt mit Risikoaversion, ergibt einen Persönlichkeitstyp, der gar nicht anders anlegen kann. Für Anbieter ausländischer Wertpapiere lege dies eine Strategie des "Angstabbaus" und für die Wirtschaft insgesamt eine Erziehung zur Kapitalanlage nahe.

Andreas Huchler (Friedrichshafen) spielt auf den Minderwertigkeitskomplex der akademischen Ökonomie an, die mit Hilfe der Neuroökonomik ihren Anspruch auf "harte Quasi-Naturwissenschaftlichkeit" zu stärken suche. Neben die Zahlen kämen die maschinell erzeugten Bilder. Der Philosoph Birger P. Priddat weist zum Schluss dem Gehirn seinen konstruktivistischen Platz zu: "Welt ist nicht einfach die Addition einer Serie von Beobachtungsdaten. Welt selbst ist Deutung."

HEINZ K. STAHL

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