Die Klassiker der Soziologie hatten die Religionssoziologie als einen zentralen Teil der Gesellschaftstheorie angesehen, und zwar auch und gerade dort, wo ihnen die moderne, angeblich so religionsfern gebaute Gesellschaft vor Augen stand. Der vorliegende Band, an dem Niklas Luhmann bis kurz vor seinem Tod gearbeitet hat, erneuert diesen Anspruch, indem er die Religion als autonomes Kommunikationssystem innerhalb der modernen Gesellschaft beschreibt.
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
In einer Sammelrezension bespricht Niels Werber die drei nachgelassenen Bände "Die Religion der Gesellschaft", "Die Politik der Gesellschaft" (beide bei Suhrkamp) sowie "Organisation und Entscheidung" (Westdeutscher Verlag), ohne im einzelnen zwischen den Bänden zu unterscheiden. Zunächst legt Werber dar, dass Luhmann mit diesen Werken seine Theorie abschließt und in gewisser Weise auch krönt, denn nach Werber muss man die Sphären der Politik, also des Souveräns, und der Religion, also Gottes, zumindest im landläufigen Sinn als die alles überwölbenden ansehen - während Luhmann (und mit ihm Werber) allerdings betont, dass gesellschaftlichen Subsysteme wie Religion und Politik, aber auch Wissenschaft oder Kunst, ihre Autonomie haben. Besonderen Wert legt Werber in seiner Besprechung darauf, dass Luhmann Oberbegriffe wie Religion oder Politik, die für ihn gesellschaftliche Systeme bezeichnen, scharf unterscheidet von "Organisationen" wie Kirche oder Parlament - auch wenn sich diese Organisationen selbst gern mit den Sphären, innerhalb derer sie existieren, in eins setzen. Hier geht Werber besonders auf die "Kontrollillusion" der Politiker ein, die ernstlich glauben, in andere gesellschaftliche Systeme wie etwa die Wirtschaft eingreifen zu können. Folgt man Werbers Darstellung von Luhmanns System, so bewegen sich Politiker (aber parallel etwa auch Kirchenleute) dagegen wie Goldfische in einem Aquarium und verwechseln es mit der Welt. Indirekt ist daraus zu schließen, dass erst ein Politiker, der Luhmann versteht, versteht, was er ist - wir sehen schon vor unserem innern Auge, wie die Bundestagsabgeordneten an ihren Parlamentsbänken heimlich den Luhmann aus der Tasche holen, um ihn zu studieren!
© Perlentaucher Medien GmbH
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