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Christian Marek und Peter Frei geben einen souveränen Überblick über 10.000 Jahre Historie eines menschheitsgeschichtlich hochbedeutenden Territoriums, wo sich der Prozess der Sesshaftwerdung des Menschen vollzog. Seit dem Auftreten der altorientalischen Hochkulturen lag es im Kraftfeld der Großreiche. Ägypter, Hethiter, Urartäer, Lykier, Karer, Phryger, Lyder, Assyrer, Griechen, Perser und Römer haben das Gebiet geprägt, das mit über 750.000 km2 ziemlich genau dem Staatsgebiet der heutigen Türkei entspricht. Hier fand der Zug der Zehntausend statt, hier wurde das Geld erfunden, hier kämpfte…mehr

Produktbeschreibung
Christian Marek und Peter Frei geben einen souveränen Überblick über 10.000 Jahre Historie eines menschheitsgeschichtlich hochbedeutenden Territoriums, wo sich der Prozess der Sesshaftwerdung des Menschen vollzog. Seit dem Auftreten der altorientalischen Hochkulturen lag es im Kraftfeld der Großreiche. Ägypter, Hethiter, Urartäer, Lykier, Karer, Phryger, Lyder, Assyrer, Griechen, Perser und Römer haben das Gebiet geprägt, das mit über 750.000 km2 ziemlich genau dem Staatsgebiet der heutigen Türkei entspricht. Hier fand der Zug der Zehntausend statt, hier wurde das Geld erfunden, hier kämpfte Alexander der Große, hier zerfleischten sich die Diadochen, hier schuf Pompeius seine Neuordnung des Ostens, hier blühten Dichtung und Philosophie, hier missionierte der Apostel Paulus, hier verbreiteten sich die Häresien des Christentums. All diese und viele weitere Aspekte der Geschichte Kleinasiens in der Antike werden in diesem einzigartigen, reich bebilderten und mit zahlreichen Karten, Stammbäumen und Herrscherlisten ausgestatteten Werk lebendig und anschaulich dargestellt.
Autorenporträt
Christian Marek ist ein deutscher Althistoriker und Epigraphiker.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.08.2010

Die ersten Schlachten und Taten
Fulminant: Christian Marek erzählt die Geschichte Kleinasiens vom Neolithikum bis zur Spätantike
Neunhundertvierzig Seiten, allein mehr als 260 davon den „Anhang“ aus Anmerkungen, Bibliographie, Quellenverzeichnis, Herrscherlisten und Register umfassend – bereits beim ersten Durchblättern präsentiert sich das Buch als ein Monument, das Respekt abnötigt und zum Verweilen einlädt. Dabei beginnt es ausgesprochen zurückhaltend: Mit guten Gründen hätten „weitaus Berufenere“ davon abgesehen, sich an eine Geschichte des antiken Kleinasiens zu wagen, ja sie hätten ein solches Vorhaben sogar sicherlich missbilligt, so liest man am Ende der Einleitung – und staunt. Denn der Verfasser belässt es zunächst einmal bei dieser radikalen Infragestellung des eigenen Tuns. Doch am Ende der Lektüre ist man klüger, denn die folgenden fast 1000 Seiten sprechen für sich: Eine aus minutiöser Kenntnis von Landschaft, Quellen, Forschungsliteratur und wissenschaftsgeschichtlichen Zusammenhängen erwachsene Gesamtdarstellung, wie sie im modernen, auf die schnelle und dicht getaktete Einwerbung möglichst umfangreicher Drittmittel fixierten Wissenschaftsbetrieb Seltenheitswert besitzt.
Marek hat sich vorgenommen, seine Geschichte Kleinasiens ganz aus den Quellen zu entwickeln. Dabei ist ihm eine ungemein farbige und zugleich facettenreiche Darstellung gelungen, in der neben gerafften Überblickskapiteln immer wieder Abschnitte zum Innehalten stehen, um die antiken Zeugnisse selbst sprechen zu lassen und mikroskopische Einblicke in Politik und Administration, in Religion, Kultur und verschiedenste Probleme des Alltags zu geben. Den konzeptionellen Rahmen des Buches stellt Kleinasien dar, also jenes Gebiet, das ungefähr dem Territorium des heutigen türkischen Staates entspricht, aber der Autor sieht darin weit mehr als lediglich einen geographischen Zusammenhang. Für ihn befand sich das antike Kleinasien in einer singulären Vermittlerposition zwischen Osten und Westen, und es sind vor allem jene Momente, in denen Orient und Okzident direkt aufeinanderprallen, an denen er markante Zäsuren definiert: Die Perserkriege im frühen 5. Jahrhundert v. Chr., die Schlacht bei Actium zwischen Octavian als dem Repräsentanten des „Westens“ und Marcus Antonius als Herrn über den „Osten“ 31 v. Chr. oder auch die ersten Konflikte zwischen Römern und persischen Sassaniden im 3. Jh. n. Chr. Kleinasien steht für Marek aber nicht nur sinnbildlich für Konfrontationen, sondern vor allem auch im Sinne einer Brücke für Vermittlung und Austausch sowie für langfristige, teils Jahrhunderte umfassende Transformationsprozesse. Dazu zählt die von der Westküste ausgehende allmähliche Durchdringung des Landes mit griechisch geprägten Städten, die vor allem von den hellenistischen Herrschern, dem römischen Feldherrn Pompeius und später den Caesaren gefördert worden sei und sich langfristig als Alternative zum Modell des gebietsübergreifenden Flächenstaates durchgesetzt habe. Sicher, auch die römische Administration kontrollierte weite Territorien, aber sie tat dies, indem sie sich auf das inzwischen dicht gespannte Netz von Städten stützte.
Ein weiteres Leitmotiv der Darstellung stellt die zumeist fruchtbare Spannung von Einwanderung und Autochthonie dar, deren Auswirkungen an zahlreichen Beispielen diskutiert werden, sei es an der Herkunft der Hethiter, der Entstehung des Perserreiches, am Alexanderzug und den nachfolgenden Diadochenkämpfen, dem Einfall der keltischen Galater oder auch der allmählichen Etablierung Roms als neuer Vormacht im Osten.
Gefasst wird all dies in einem Durchgang durch die anatolische Geschichte, der sich vom Neolithikum bis zum Beginn der Spätantike erstreckt.
Dabei ist sich der Verfasser der Bedeutung seines Gegenstandes durchaus bewusst. Schon das erste Kapitel ist ebenso selbstbewusst wie programmatisch „Kleinasien und antike Weltgeschichte“ überschrieben. Aber auch im weiteren Verlauf der Darstellung werden immer wieder zentrale Momente nachdrücklich markiert, etwa die erstmalige „Herausbildung eines internationalen Staatensystems“ in der Hethiterzeit, die Schlacht bei Qadeš zwischen Hethitern und Ägyptern als „erste Schlacht der Weltgeschichte“, der wenig spätere „erste erhaltene Friedensvertrag der Weltgeschichte“ (dessen Kopie heute im Sitzungssaal der Vereinten Nationen zu sehen ist), die langfristigen Auswirkungen der Perserherrschaft oder auch die zentrale Bedeutung der Mithradatischen Kriege für die römische und kleinasiatische Geschichte. In einem Buch, das über mehrere Jahrtausende ausgreift, sind solch klare Standortbestimmungen nötig – sie tragen dazu bei, auch jenen Lesern, die nicht wie Fachwissenschaftler mit der Materie eng vertraut sind, die nötige Orientierung zu geben. Nicht nur dadurch gelingt es Marek, sein reichhaltig dokumentiertes Buch für beide Lesergruppen attraktiv zu gestalten. Auch der Umgang mit wissenschaftlich kontroversen Themen erfolgt ebenso gekonnt wie charmant.
Nach der Darlegung der altanatolischen Geschichte mit besonderen Schwerpunkten auf der Organisation des Hethiterreiches und seinen Nachfolgern wie Phrygern und Lydern sowie einem Überblick über die Anfänge der griechischen Besiedlung Kleinasiens und den Aufstieg des Perserreiches gewinnt die Schilderung ab den Perserkriegen merklich an Tempo. Auch hier setzt Marek eine markante Zäsur, denn von nun an sei eine generelle Umorientierung Kleinasiens von Osten nach Westen zu beobachten – der orientalische Einfluss gehe zurück. Im Folgenden wechseln sich knappe Ereignisüberblicke mit ausführlichen Kapiteln zur Organisation von Herrschaft und Verwaltung, zu Religion und kulturellen Phänomenen, insbesondere zu Kunst und Literatur, ab. Man erfährt Wissenswertes über die „tiefe Innerlichkeit“ der hethitischen Religion, den historischen Hintergrund des mythischen Königs Midas, die Struktur des Seleukidenreichs, über mutmaßliche Menschenopfer bei den Galatern, die Statthalterschaft Ciceros in Kilikien oder auch die fehlende Eindeutigkeit des lateinischen Terminus „provincia“ (der keineswegs immer „Provinz“ bedeutete).
Immer dann, wenn der Verfasser auf Inschriften oder archäologische Monumente zurückgreifen kann, gewinnt seine Darstellung eine besondere Dichte. Die nicht immer leicht nachvollziehbare hellenistische Geschichte Kleinasiens wird mit großer Detailfreude und ohne Scheu vor klaren Bewertungen vorgestellt. Während Marek den meisten hellenistischen Herrschern zugesteht, einen Ausgleich insbesondere mit den Städten gesucht zu haben, fällt sein Urteil über die langsam nach Osten vordringende neue Vormacht Rom weniger schmeichelhaft aus – vor allem mit Blick auf die Habgier und Brutalität einzelner Römer.
Erst in der Kaiserzeit habe sich dies verändert, und nun habe das römische Friedensregiment zumindest während der ersten zwei Jahrhunderte seit Augustus den Rahmen geschaffen für die Entwicklung einer wirtschaftlichen Prosperität, wie sie die Bevölkerung im vormodernen Kleinasien später nicht mehr erlebt habe, basierend unter anderem auf einem Straßennetz, das bis ins späte 19. Jahrhundert seinesgleichen gesucht habe. Gerade für die Phase der römischen Kaiserzeit widmet der Verfasser auch dem Alltag der Bevölkerung, die weiterhin alles andere als homogen ist, längere, quellengesättigte Abschnitte. Hier geht es zum einen um generelle Phänomene wie das seit der hohen Kaiserzeit zunehmende Auftreten von Wundermännern – sie stehen exemplarisch für neue religiöse Orientierungen, die letztlich auch eine der Grundlagen für die Ausbreitung des Christentums darstellten. Zum anderen gelingt es Marek aufgrund seiner außergewöhnlichen Quellenkenntnis immer wieder, zu vielfältigen Themen des Alltags spannendes Material zu präsentieren, etwa zur vielfach greifbaren Auseinandersetzung mit der stets drohenden Gefahr eines plötzlichen Todes. Eindrucksvoll etwa die Grabinschrift für ein dreijähriges Kind aus Kolophon, die berichtet, wie der Onkel den Jungen mit zu einem Brunnen nahm, das Kind hineinfiel, der Onkel, gedrängt durch das Wehklagen von Mutter und Amme, hinterhersprang, aber nur noch den Leichnam bergen konnte.
Einzelmomente wie dieser bieten zwar kurze, aber doch lebhafte und eindrückliche Einblicke in die Lebenswelten der anatolischen Bevölkerungen über mehrere Jahrtausende hin. Christian Marek hat sich nicht in ihnen verloren. Er hat sie zu einer fulminanten Darstellung gebündelt und in eine große Erzählung gegossen, die solide auf den Quellen ruht und von gut durchdachten, stimmigen Leitgedanken getragen wird.
MISCHA MEIER
CHRISTIAN MAREK: Geschichte Kleinasiens in der Antike. Verlag C. H. Beck, München 2010. 941 Seiten, 44 Euro.
Der Onkel sprang dem
Dreijährigen in den Brunnen nach,
aber er konnte nur noch den
Leichnam heraufholen
Das Königstor in Hattusa, der Hauptstadt der Hethiter. Sie war 1834 von einem französischen Reisenden entdeckt worden, 1906 begannen Grabungsarbeiten unter Leitung von Hugo Winckler. Foto: Reiner Harscher/laif
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Mischa Meier kann gar nicht oft genug sagen, wie hervorragend er diese Geschichte Kleinasiens in der Antike findet. Alles sei solide dokumentiert, "lebhaft und eindrücklich" erzählt und nach der Lektüre sei man viel schlauer als zuvor. In seinem Opus magnum erzählt der Althistoriker Christian Marek die Geschichte Kleinasiens, erklärt der Rezensent, mit seiner Schanierfunktion zwischen Ost und West, immer wieder seien hier Orient und Okzident aufeinander gestoßen, in den Perserkriegen oder bei der Schlacht von Actium zwischen Marc Anton (Ost) und Octavian (West). Ein weiteres Leitmotiv erkennt Meier darin, wie Marek die ewigen Kämpfe zwischen Einwanderern und eingesessener Bevölkerung darstellt (Hethiter, Galater, Diadochenkämpfe). Und da Marek auch wissenschaftliche Kontroversen gekonnt verarbeite, kann der Rezensent dieses Buch sowohl Wissenschaftlern als auch dem interessierten Publikum empfehlen.

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