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Sie waren auf einem Wüstentrip - Baptiste, seine Eltern und seine zwei kleinen Brüder -, als sie von einer Gruppe Dschihadisten entführt wurden. Nach Wochen der Gefangenschaft hat Baptiste als Einziger die Freiheit wiedererlangt. In einer hartnäckigen Befragung versucht ein Ermittler, ihm Einzelheiten aus der Zeit seiner Geiselhaft zu entlocken. Nur widerwillig lässt sich der Junge darauf ein, und es scheint zunächst, als habe er vieles verdrängt. Doch Stück für Stück enthüllt sein Gedächtnis, was ihm während seiner Gefangenschaft widerfuhr. Er ist überzeugt, nicht mehr Baptiste zu sein,…mehr

Produktbeschreibung
Sie waren auf einem Wüstentrip - Baptiste, seine Eltern und seine zwei kleinen Brüder -, als sie von einer Gruppe Dschihadisten entführt wurden. Nach Wochen der Gefangenschaft hat Baptiste als Einziger die Freiheit wiedererlangt. In einer hartnäckigen Befragung versucht ein Ermittler, ihm Einzelheiten aus der Zeit seiner Geiselhaft zu entlocken. Nur widerwillig lässt sich der Junge darauf ein, und es scheint zunächst, als habe er vieles verdrängt. Doch Stück für Stück enthüllt sein Gedächtnis, was ihm während seiner Gefangenschaft widerfuhr. Er ist überzeugt, nicht mehr Baptiste zu sein, sondern den Namen eines Wüstenfuchses zu tragen: Yumai. Meisterhaft versteht es Alain Blottière, den Leser immer tiefer in die Mäander von Baptistes Erinnerung zu ziehen, bis schließlich eine bittere Wahrheit sichtbar wird. In starkem, geradezu paradoxem Kontrast dazu steht die betörende Schönheit der Wüste, wie sie der Junge auch erlebt hat, ihre Magie, die ihm aller Angst und Gewalt zum Trotz Zuversicht gab.
Autorenporträt
Alain Blottière, geboren 1954 in Neuilly-sur-Seine, lebt in Frankreich und in Ägypten. Seit "Saad" (1980) sind die Wüste und die Jugend, die mit der Gewalt in der Welt konfrontiert ist, wiederkehrende Themen in seinem literarischen Schaffen, für das er zahlreiche Preise erhielt. "Comment Baptiste est mort" (2016) ist sein achter Roman. Alain Blottière wurde dafür 2016 mit dem Grand Prix Jean Giono, dem Prix Décembre und dem Prix Mottart der Académie française ausgezeichnet. www.alainblottiere.free.fr.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.06.2020

Stockholm-Syndrom in der Sahara
Ein Junge wird zum Fuchs: Alain Blottières Roman "Wie Baptiste starb" orientiert sich an einer realen Entführungsgeschichte

Alain Blottière ist dem deutschen Publikum kein Begriff, und sein Roman "Wie Baptiste starb" scheint wenig Beachtung zu finden. Zwei Chancen werden damit verpasst: Erstens ist diese Übersetzung von Blottières achtem Roman die erste ins Deutsche, wenn man von einem Ägypten-Band absieht; angesichts des französischen Erfolgs von "Le Tombeau de Tommy" (Tommys Grab, 2009) - einem Roman über den Widerstandskämpfer Thomas Elek beziehungsweise einen Jungen, der sich mit ihm identifiziert - ist das bedauerlich. Zweitens verwandelt "Wie Baptiste starb" ein brisantes Thema unserer Zeit in eine hochspannende Geschichte.

Der Titel sagt es schon: "Wie Baptiste starb" erzählt den Tod von Baptiste - allerdings erfolgt dieses Ableben psychisch und symbolisch. Der vierzehnjährige Baptiste wird mit seiner Familie - den Eltern und den jüngeren Brüdern Clément und Louis - in der Mandi-Wüste (Sahara) von einem Trupp islamistischer Nomaden entführt und gefangen gehalten. Die Mutter wird verschleiert, sie hungern und dürsten, Erpresservideos werden gedreht; Frankreich lehnt eine exorbitant hohe Lösegeldforderung ab.

Baptiste, der sich mit seiner frömmelnden Mutter und seinem schwächelnden Vater schwertut, gerät in den Bann von Amir, dem Anführer der Gruppe; das Terrain scheint ideal für ein Stockholm-Syndrom. Der unberechenbare Amir und seine Gefolgsleute, darunter gleichaltrige Kindersoldaten, interessieren sich für den blonden Jungen, der alt genug zum Töten ist. Sie lehren ihn das Einmaleins des Terroristendaseins: Schießen mit einer AK-47, Arabisch, Koransuren. Baptiste wagt einen Fluchtversuch, ein letztes Aufbäumen, bevor er zu Yumai wird, einem Fuchs aus einem Märchen, sein "Kriegername". Er wird von seiner Familie, besonders seinem Lieblingsbruder Louis, getrennt.

Die Vorgänge, die von der Entführung einer französischen Familie in Kamerun 2013 inspiriert sind, werden im Nachhinein rekonstruiert. Der Erzählmodus wechselt: Gespräche zwischen Baptiste und einem anonymen Dialogpartner (offensichtlich einem Militärexperten oder Terrorermittler) alternieren mit einer Er-Erzählung, in der Baptiste Erinnerungen nachhängt. In den Gesprächen will der Ermittler den Ablauf rekonstruieren und Informationen zum Aufenthaltsort der Entführer erhalten, angeblich, um den Rest der Familie wiederzufinden. Baptiste antwortet zögerlich: Offenbar identifiziert er sich mit seiner neuen Identität als Yumai und will über die Ereignisse kaum reden. Seine Gefühle sind ambivalent, halb sieht er sich als Krieger, halb fühlt er sich als Gefangener.

Im Zentrum steht die Psyche des bockigen Heranwachsenden: "Ja ich verheimliche manche Dinge vor Ihnen ich habe es Ihnen schon gesagt, ich möchte sie für mich behalten es ist geheim. - Du sprichst wie ein Kind aber ich habe den Eindruck, du bist kein Kind mehr was meinst du bist du noch ein Kind?" Die absehbaren Schwierigkeiten bei der Befragung eines Traumatisierten werden durch altersübliche Schamschwellen und Individualisierungsversuche gesteigert. Manche Heimlichtuerei ist harmlos, etwa als Baptiste Details einer Scheinhinrichtung verschweigt, doch rasch wird klar, dass andere Geheimnisse schwerer wiegen. Spürbar ist Baptistes Versuch, seine zerbrechliche Identität und das Besondere der Erfahrung zu schützen. Sein Gegenüber weiß nicht recht mit dem sturen, schweigsamen Jungen umzugehen; auch die Großmutter, bei der Baptiste nun wohnt, ist überfordert, seine Zukunft völlig offen.

Verbergen will der Junge scheinbar - so suggerieren es die intim gehaltenen Er-Erzählungen - besonders die Momente, in denen er in der Wüste ausgesetzt wurde. Es handelt sich um eine Art Initiationsritus. Die Landschaft ist berückend schön, der "Friedhof einer Welt", mit dem sich der Junge, der sein bisheriges Leben zu Bruch gehen sieht, identifiziert: "Er erinnert sich sehr gut daran, dass er damals einen Schrei ausstiess, einen langen, durchdringenden, wilden Schrei, voller Entsetzen angesichts des Totengesangs dieser grandiosen, verzweifelten Landschaft." Die Schilderung setzt einen lyrischen Kontrapunkt zu den dichten Befragungen, die Baptiste immer näher rücken.

Der 1954 geborene Blottière kombiniert in "Wie Baptiste starb" seine Leidenschaft für Nordafrika und sein Interesse für die fragile Identität Heranwachsender. Überzeugend ist der Roman erstens durch die Gestaltung eines Themas, das die letzten Jahrzehnte über die Bildschirme geflackert ist und die Öffentlichkeit bewegt hat; so viele anspruchsvolle Texte über Geiselnahmen gibt es dennoch bisher nicht. Zweitens zieht der Roman, der 2016 mit dem Grand Prix Jean Giono, dem Prix Décembre und dem Prix Mottart der Académie française ausgezeichnet wurde, eine fein austarierte Linie zwischen Distanz und Nähe: Einerseits lässt Blottière keinen Zweifel daran, dass sein Held ein halbes Kind ist, das es nicht besser weiß oder kann, weil es bis in den Kern seiner Persönlichkeit manipuliert wurde. Andererseits führt er den Leser an Baptiste heran, macht dessen Empfindungen und Reserven plausibel; er meidet dabei jede Gefälligkeit, Anbiederung, Sentimentalität.

Die Frage nach Einfühlung und Verantwortung wird am Ende brennend, als klar wird, wie weit die Manipulationen geführt haben. Das literarische Experiment, das William Golding in "Herr der Fliegen" (1954) mit einer Gruppe angestellt hat, exerziert Blottière an einem Einzelnen: Er schlüpft in die Mentalität eines Heranwachsenden, schwächt zivilisatorische und emotionale Hemmungen und führt ihn in den moralischen Abgrund. Überdeutlich wird dabei, welch barbarisches Potential in einem Heranwachsenden - und damit in jedem Menschen - steckt. Der Roman rumort einem eine ganze Weile in Kopf und Magen.

NIKLAS BENDER

Alain Blottière: "Wie Baptiste starb". Roman.

Aus dem Französischen von Margret Millischer. Lenos Verlag, Basel 2019. 202 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Es ist höchste Zeit, den französischen Autor Alain Blottiere auch hierzulande zu entdecken, meint Rezensent Niklas Bender. Gut, dass immerhin Blottieres achter Roman wenigstens auf Deutsch vorliegt, fährt er fort - und verspricht eine so "brisante" wie spannende Geschichte: Lose auf einer realen Entführungsgeschichte beruhend erzähle der Autor die Geschichte von Baptiste, der mit seiner Familie bei einem Wüstentrip von islamistischen Nomaden entführt wird, in den Bann der Truppe gerät, von der Familie getrennt und zum Kindersoldaten ausgebildet wird und schließlich von einem nicht näher beschriebenen Terrorermittler befragt wird. Gerade in den Gesprächen offenbart sich dem Rezensenten die ganze Wucht des Romans: Wie Bottiere die "Psyche des bockigen Heranwachsenden" ausleuchtet, die Traumata, die Manipulation durch die Entführer, die Geheimnisse und Scham über das Erlebte, findet Bender bewundernswert. Poetische Landschaftsschilderungen und eine überzeugende, nie sentimentale Figurenzeichnung haben den Kritiker zudem nachhaltig beeindruckt.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Alain Blottière bringt uns in den Kopf eines Jugendlichen, der das Unaussprechliche durchlebt hat. Die Satzbrocken, die er seinem Gesprächspartner hinwirft, sind Poesie, die Geschichte, die er dem Leser anvertraut, ein schmerzvolles Geheimnis.« (L'Obs)