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4 Kundenbewertungen

Jesper Humlin hat es nicht leicht. Er ist ein gefeierter Lyriker, doch sein Verleger besteht darauf, daß er endlich einen Kriminalroman schreibt. Seine Freundin will ein Kind von ihm, der Kurs seiner Wertpapiere ist gefallen, und seine über achtzigjährige Mutter hat eine Agentur für Telefonsex eröffnet. Dann lernt er bei einer Lesung im Boxclub eines alten Freundes Tea-Bag und ihre Freundinnen kennen. Tea-Bag ist ein schwarzes Flüchtlingsmädchen aus dem Sudan. Sie und ihre Freundinnen wollen Schriftstellerinnen werden und bei Jesper Humlin in die Lehre gehen. Nach und nach erfährt er ihre…mehr

Produktbeschreibung
Jesper Humlin hat es nicht leicht. Er ist ein gefeierter Lyriker, doch sein Verleger besteht darauf, daß er endlich einen Kriminalroman schreibt. Seine Freundin will ein Kind von ihm, der Kurs seiner Wertpapiere ist gefallen, und seine über achtzigjährige Mutter hat eine Agentur für Telefonsex eröffnet. Dann lernt er bei einer Lesung im Boxclub eines alten Freundes Tea-Bag und ihre Freundinnen kennen. Tea-Bag ist ein schwarzes Flüchtlingsmädchen aus dem Sudan. Sie und ihre Freundinnen wollen Schriftstellerinnen werden und bei Jesper Humlin in die Lehre gehen. Nach und nach erfährt er ihre Geschichten: von Tea-Bag und dem unsichtbaren Affen, von Tanja, der Russin, die massenhaft Handys klaut und mit dem Dietrich hantiert wie andere Frauen mit dem Lippenstift, und von Leyla, die einen jungen Schweden liebt und vor dem Zorn ihrer iranischen Sippe flieht. Als Jesper Humlin versucht, die Mädchen vor der Polizei in Sicherheit zu bringen, beschwört er ungeahnte Verwicklungen herauf ...
Autorenporträt
Henning Mankell, geboren 1948 in Härjedalen, war einer der großen schwedischen Gegenwartsautoren, von Lesern rund um die Welt geschätzt. Sein Werk wurde in über vierzig Sprachen übersetzt, es umfasst etwa vierzig Romane und zahlreiche Theaterstücke. Nicht nur sein Werk, sondern auch sein persönliches Engagement stand im Zeichen der Solidarität. Henning Mankell lebte abwechselnd in Schweden und Mosambik, wo er künstlerischer Leiter des Teatro Avenida in Maputo war. Er starb am 5. Oktober 2015 in Göteborg. Seine Taschenbücher erscheinen bei dtv.    
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.04.2003

Keine Metapher zu verzollen
Larmoyantes Vibrato: Henning Mankell tut des Guten zuviel

Noch nie hat Henning Mankell sich selbst so preisgegeben wie in seinem neuen Buch, das mit dem Verzicht auf eine Gattungsbezeichnung die Schwebe zwischen Fiktion und Dokumentation hält. Und noch nie ist ihm ein Buch derart mißraten. Sein Protagonist und fiktiver Verfasser ist der von erotischen und literarischen Krisen, von seiner Eitelkeit und seinem Verleger gebeutelte Jesper Humlin, ein erfolgreicher Autor, der sich weigert, einen Kriminalroman zu schreiben. Während eines Schreibkurses für Einwanderer lernt er Flüchtlingsmädchen kennen, die aus Afrika, Rußland und dem Mittleren Osten nach Schweden gekommen sind, mit zerstörten Lebensgeschichten und beschädigten Identitäten. Eine von ihnen hat sich, halb aus Angst, halb aus Trotz, den Unsinnsnamen "Tea-Bag" zugelegt; ihre Geschichte und ihre Beziehung zu Humlin bilden das Zentrum des Buches. An dessen Ende werden die Mädchen zwar kaum etwas geschrieben, dafür aber viel erzählt und dem Autor Stoff nicht nur für ein neues Buch, sondern auch für eine neue Lebenseinstellung geliefert haben.

Er wolle, beschließt der Dichter Humlin, den Flüchtlingen "helfen, ihre eigenen Geschichten zu erzählen". Hätte er das nur getan und nicht diese Hybridform aus Roman und Reportage gewählt! Denn das Mißglückteste an diesem mißglückten Unternehmen sind die Ich-Erzählungen der drei Einwanderinnen, deren unliterarische Spontaneität der Erzähler nicht genug betonen kann, die dann aber doch immerfort reden, als hätten sie zuviel Mankell gelesen. Ernstlich spricht hier eine afrikanische junge Frau von "dem seltsamen Gefühlsleben des weißen Mannes" und den Augen ihrer Großmutter, "Augen, von denen man langsam wie in einen Wasserfall hineingesogen wurde und dann geradewegs in ihre Seele hineintrieb".

Unbegreiflich, wie diesem Schriftsteller, der so lange in Afrika gelebt und so Kluges darüber geschrieben hat, solche Sätze aufs Papier geraten konnten. Unbegreiflich erst recht, daß ausgerechnet ihm immer wieder Klischees unterlaufen, die direkt aus dem Vorrat des Kolonialromans stammen. Das Weibliche, das Dunkle, die Mutter Erde gehen auch in dieser Geschichte manche unangenehmen Verbindungen ein. Dann erkennt der Erzähler, daß "ihre Stimme die Stimme der Erde war, der Erde und des Schmerzes", dann kann er "nicht umhin festzustellen, daß sie einen sehr schönen Körper hatte", und dann läßt er sie selbstvergessen ihren Gedanken nachhängen, "während sie sich ihren schwarzen Körper einseifte" - aber hätte ihm nicht auffallen müssen, wie deplaziert hier das Adjektiv ist?

Von der ersten Seite an sind es die falschen Metaphern, die jedes Bemühen um Authentizität durchkreuzen. Hier zieht sich "ein Bilderreigen der Erinnerungen", zwischen "Mauern aus Angst", durch einen "Laderaum voller Träume", und da ist das erste Kapitel noch längst nicht vorüber. Auf die Frage, wie lange sie sich schon in Schweden aufhalte, antwortet Tea-Bag: "Ein paar Monate. Oder tausend Jahre." Das larmoyante Vibrato, das in den Wallander-Romanen schon eine fast selbstironische Qualität gewonnen hatte - in dieser todernsten Geschichte klingt es auf einmal unerträglich.

Fast alles an diesem Buch ist falsch, nur die Absichten sind es nicht. Dasselbe humanitäre Engagement, das der Autor seit vielen Jahren mit seiner Theaterarbeit in Zimbabwe wie mit seinen beiden ungleich gelungeneren Afrika-Romanen bewiesen hat, bildet zweifellos Grundlage auch dieses Buches. Es erzählt von entsetzlichem Elend, von Erniedrigungen und Entwürdigungen, es soll aufrütteln durch Einfühlung, und es soll die Gefühlsverwirrungen eines populären Schriftstellers offenlegen. Es ist getragen von Hilfsbereitschaft, vom Wunsch, den Untergetauchten und Illegalen in den Vorortghettos und den Sammellagern Europas zur Sprache zu verhelfen, und es ist bemüht, nichts zu beschönigen, auch die Charaktere der Heldinnen nicht. Das Ergebnis gerade dieses Bemühens aber bringt immer neue Kolportagen hervor. Deren Tiefpunkt ist der nicht nur erzählerisch völlig deplazierte Einfall, die greise Mutter des Helden als Telefonhure zu präsentieren, die ihre Rente allnächtlich durch obszöne Gespräche mit alten Herren aufbessert; ein ebenso geschmackloses wie blindes Motiv.

Einen Lichtblick gibt es aber doch, und das ist die mit den Flüchtlingserzählungen nur sehr lose verknüpfte Satire auf den Literaturbetrieb, die überraschend prägnant und witzig geraten ist. Mankells Nachbemerkung erwähnt einige unabgeschlossene Erzählungen, die "in die Buchseiten eingewoben" seien; diese Passagen gehören offensichtlich dazu. Und sie allein geben Anlaß zur Zuversicht, für den schreibenden Helden wie für die unverdrossenen Liebhaber des Moralisten Mankell. Denn trotz der "Gewitterwolken, die ständig an seinem inneren Himmel hingen", und obwohl "die Freiheit immer auf der Flucht ist" - am Ende wartet doch das "Wunder, das Liebe ist".

HEINRICH DETERING

Henning Mankell: "Tea-Bag". Roman. Aus dem Schwedischen übersetzt von Verena Reichel. Zsolnay Verlag, Wien 2002. 381 S., geb., 23,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Eine fast schon skurrile Tragikomödie
Der neue Mankell ist kein Krimi! Aber die Mankell-Fans, die auch gerne mal ein anderes Buch in die Hand nehmen, werden nicht enttäuscht sein. Sie dürfen ihren Lieblingsautor von einer ganz neuen Seite kennenlernen: von seiner witzigen. Weil aber auch seine ernste, kritische Sicht nicht fehlt, ist aus seinem neuen Roman eine fast schon skurrile Tragikomödie geworden. Mit satirischem Humor nimmt Henning Mankell den Literaturbetrieb auf die Schippe - man erkennt den Insider - , während er gleichzeitig engagiert und bewegend vom Untergrundleben illegaler Einwanderer erzählt. Zwei Welten wie sie gegensätzlicher nicht sein könnten.
Die Niederungen der Literatur
Zwischen die gerät Jesper Humlin, seines Zeichens Poet. Jesper Humlin, ein eitler Pfau und Hypochonder, der einige vielbeachtete Gedichtbändchen veröffentlicht hat, schwebt in den höheren Sphären der Literatur. Die soll er nach dem Willen seines verschrobenen Verlegers Olof Lundin nun verlassen und einen Kriminalroman schreiben. Nicht Kunst, sondern Auflage ist gefragt! Während Jesper Humlin sich noch ziert, läuft die Vermarktung seines Dichter-Krimis bereits auf Hochtouren. Schlimmer noch: Alle um ihn herum wollen plötzlich Bücher schreiben - meistens Krimis. Sein Börsenmakler, der ihn arm gemacht hat, ebenso wie seine 87-jährige Mutter, die Telefonsex anbietet, und zu guter Letzt auch noch seine Freundin Andrea. Nicht auszudenken, wenn einer von denen mehr Erfolg hätte als er!
Eine Achterbahnfahrt der Gefühle
Dann lernt Jesper Humlin auf einer Lesereise die junge Afrikanerin Tea-Bag, die Russin Tanja und Leyla aus dem Iran kennen. Plötzlich findet sich der Literat in der Welt der "modernen Höhlenmenschen", Menschen, die illegal in seiner Heimat Schweden leben. Jesper Humlin spürt, dass die drei Mädchen Geschichten bergen, die noch nie geschrieben wurden. Langsam lässt er sich auf Tea-Bag, Tanja, Leyla und ihr Leben im Versteck ein und sie erzählen ihm nach und nach ihre erschütternden Schicksale. Für den Leser wird der Spagat zwischen Spaß und bitterem Ernst manchmal zu einer regelrechten Achterbahnfahrt. Da hat man gerade erst über einen Börsenmakler gelacht, der auch noch die dramatischsten Kursverluste schönredet und dann liest man so einen Satz: "Denn so hoch wird der Berg aus zusammengepressten Leichen auf dem Boden des Meeres einmal sein, ...dass der Gipfel sich wie ein neues Land aus dem Meer erheben wird und das Fundament aus Schädeln und Rippen wird die Brücke zwischen den Kontinenten schlagen..."
(Rosina Wälischmiller)
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Noch nie ist Mankell ein Buch derart missraten, konstatiert Rezensent Heinrich Detering. Fast alles an diesem Buch, das mit dem Verzicht auf eine Gattungsbezeichnung die Schwebe zwischen Dokumentation und Fiktion hält, findet Detering falsch, "bloß seine Absicht nicht". Die Grundlage des Buchs bildet das gleiche humanitäre Engagement, das Mankell auch mit seiner Theaterarbeit in Zimbabwe und zwei Afrika-Romanen bewiesen hat, die Detering "ungleich gelungener" fand. Im vorliegenden Buch stößt sich der Rezensent jedoch immer wieder an Klischees, die, wie er findet, "direkt aus dem Vorrat des Kolonialromans" stammen. Anhand der Schicksale von Flüchtlingsmädchen aus Afrika, Russland und dem Mittleren Osten, die ein fiktiver Schriftsteller aufgezeichnet hat, erzähle das Buch von entsetzlichem Elend, von Erniedrigungen und Entwürdigungen. Es solle aufrütteln durch Einfühlung, "doch von der ersten Seite sind es die falschen Metaphern, die jedes Bemühen um Authentizität durchkreuzen". Hätte Mankell nicht "diese Hybridform aus Roman und Reportage" gewählt, vielleicht wäre es anders gekommen. Denn Mankells "Protagonist und fiktiver Erzähler" ist, wie wir lesen "der von erotischen und literarischen Krisen, von seiner Eitelkeit und seinem Verleger gebeutelte" Jesper Humlin, und in der " mit den Flüchtlingserzählungen nur sehr lose verknüpften Satire auf den Literaturbetrieb" sieht Detering denn auch einen überraschen prägnant und witzig geratenen Lichtblick dieses an Tiefpunkten reichen Romans.

© Perlentaucher Medien GmbH
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"Ich könnte es nicht ertragen, wenn ich nicht jeden Tag einmal richtig lachte. "Tea-Bag" bietet mir Raum für den satirischen Humor, den ich in mir trage." Henning Mankell

"Überzeugte Mankell-Fans bekommen hier alles geboten, was ihr Herz begehrt, im Verbund mit einer neuen, überraschenden Zutat: trockenem, skurrilem Humor." Andrea Bollinger, Der Bund, 13.02.03

"Wieder einmal zeigt Mankell, dass er auch ohne Verbrecher und Kommissar Wallander zu fesseln vermag. Ein mit Ironie verfeinerter und zugleich bewegender gesellschaftskritischer Roman." Gala, 20.02.03