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Was klingt wie ein grausames Märchen, ist bitter und wahr: Es war einmal ein sechsjähriger Junge mit schwarzer Haut, der wurde von seinen Eltern für dreiundzwanzig Euro verkauft. Eine fremde Frau nahm Toumani mit in die große Stadt. Dort traf er Alissa, die sein Schicksal teilte, und bekam einen Plastikohrring als Pfand. Toumani wurde verkauft an einen grausamen Mann, dem er fortan dienen musste. Er lernte rohe Gewalt kennen und Willkür, verlor erst sich selbst, dann beinahe sein Leben. Gerettet aus höchster Gefahr von der Hand eines Jungen mit Namen Iman, verlor Toumani ein Bein - und gewann…mehr

Produktbeschreibung
Was klingt wie ein grausames Märchen, ist bitter und wahr: Es war einmal ein sechsjähriger Junge mit schwarzer Haut, der wurde von seinen Eltern für dreiundzwanzig Euro verkauft. Eine fremde Frau nahm Toumani mit in die große Stadt. Dort traf er Alissa, die sein Schicksal teilte, und bekam einen Plastikohrring als Pfand. Toumani wurde verkauft an einen grausamen Mann, dem er fortan dienen musste. Er lernte rohe Gewalt kennen und Willkür, verlor erst sich selbst, dann beinahe sein Leben. Gerettet aus höchster Gefahr von der Hand eines Jungen mit Namen Iman, verlor Toumani ein Bein - und gewann einen Freund auf Leben und Tod. Doch Iman trug schwer am eigenen Schicksal. Nicht schwarz, nicht weiß, von der Mutter verstoßen, ging sein Blick in die Ferne. Er kannte nur eine Hoffnung: die Flucht. Bis eines Nachts Alissa ihn ansah und festhielt, obwohl sie zu Toumani gehörte.
Autorenporträt
Ryad Assani-Razaki wurde 1981 in Benin geboren. Seine literarische Bildung verdankt er in großen Teilen der Bibliothek seiner Mutter. 2004 wanderte er nach Québec aus, studierte Informatik und arbeitet seither in großen Computerfirmen in Toronto und Montreal. Nach einem preisgekrönten Erzählungsband ist Iman sein erster Roman, der 2011 den Preis Robert-Cliche für das beste Debüt gewann.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Mit Ryad Assani-Razakis Buch "Iman" hat Rezensentin Bernadette Conrad einen fulminanten und nachhallenden Debütroman gelesen, den sie mit Nachdruck empfehlen möchte. Sie folgt hier zunächst der Geschichte des kleinen Toumani, der von seinen Eltern verkauft und von seinem brutalen Sklavenhalter erst misshandelt, dann in einen Kanalschacht geworfen wird, wo die Ratten an ihm nagen, bis ihn der junge Iman findet und sich von nun an um ihn kümmert. Im Mittelpunkt der Erzählung steht die Frage, wie aus purem Überleben die Möglichkeit entstehen kann, ein eigenes erfülltes und glückliches Leben zu gestalten, berichtet die Kritikerin, die auch Imans grausame Kindheitsgeschichte gebannt und bewegt liest. Neben der einfühlsamen und überzeugenden psychologischen Figurengestaltung lobt Conrad insbesondere das furiose Finale, das viele Fragen offen lässt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.04.2014

Gruppenbild mit Unglück
Ryad Assani-Razaki beschreibt Afrikas Gegenwart

Im Grunde erzählt der Roman "Iman" die Geschichte von 23 Euro: Für diese Summe verkauft Toumanis Vater seinen Sohn ins Unglück. Mit einem Gesicht, das "zu einer Maske erstarrt" ist, zählt er die Geldscheine. Toumani muss in die Stadt ziehen und einem fremden Herrn dienen. Er gerät an Monsieur Bia: "Die beste Zeit meines Lebens war vorbei." Von seinem sadistischen Peiniger ausgerechnet Apollinaire getauft, wird Toumani das Opfer von Räuschen, in denen "Alcools" sehr handfeste Folgen zeitigen: In Gewaltorgien prügelt sein Herr sich das Unglück aus dem Leib. Die letzte überlebt Toumani zwar mit Mühe und Not, aber die Brutalität kann sich in seinem Körper einnisten, wie der Leser ganz am Ende von Ryad Assani-Razakis fulminantem Debütroman erfährt. Toumanis Geschichte ist ein beeindruckendes Gleichnis auf die afrikanische Gegenwart.

Aus wechselnden Perspektiven erzählt Assani-Razaki die Schicksale dreier Jugendlicher, die durch Bande der Freundschaft, der Liebe und schließlich des Hasses aneinander gebunden werden. Toumani wird durch Iman gerettet: Der Vierzehnjährige zieht den sieben Jahre Jüngeren aus dem Kanalschacht, in den Monsieur Bia ihn halbtot geworfen hatte. Iman pflegt ihn gesund; Toumani, um ein Bein ärmer, dankt es dem Älteren mit einem Gefühl, das weit abgründiger ist als Freundschaft. Iman ist leicht zu lieben: ein charismatischer, attraktiver Jüngling, der sich schon dadurch von seiner Umwelt abhebt, dass er Sohn eines Franzosen ist. Er schlägt sich durch, ist loyal, aber letzten Endes indifferent: Von seiner Mutter verstoßen, träumt er von einem anderen Leben, das für ihn in Europa spielt; die aussichtslose Liaison mit einer Weißen verstärkt ihn darin. Toumani hingegen ist zu gedanklichen Fluchten nicht mehr in der Lage und beäugt die Phantasien mit Misstrauen und Eifersucht.

Zum nunmehr erwachsenen Duo stößt Alissa hinzu; Toumani kennt sie aus der Zeit bei der Kinderhändlerin. Die Zuneigung aus früheren Jahren hat Alissa sich bewahrt: Sie ist eine verheißungsvolle Wiederkehr des Glücks aus Kindertagen. Alissa ist nicht nur wunderschön, sondern auch selbstlos und bereit, einen Krüppel zu lieben, der in einer Wäscherei ackert und eine Baracke am Rande eines Slums behaust; sie ist die Einzige, der man zutraut, der Misere etwas abzugewinnen. Allerdings begehrt Iman die Schöne ebenfalls, und - schlimmer noch - Toumani stehen die eigenen Ängste im Wege: Er ist das erschreckende Beispiel dafür, wie Elend und Gewalt zur Selbstsabotage führen. Die drei verstricken sich in Gefühle, die von einem Extrem ins andere schlagen.

Ryad Assani-Razaki, 1981 in Benin geboren, hat Informatik studiert und lebt in Kanada. Sein Lebenslauf hat wenig mit dem seiner drei Helden zu tun. Umso beeindruckender ist die Wirkung von hautnaher Authentizität, die an "City of God" erinnert - "Iman" hätte das Zeug zu einer ähnlich gelungenen Verfilmung. Assani-Razaki will jedoch mehr als Realitätseffekte: Das Liebesdreieck wird durch Imans Familiengeschichte mit einer zeitlichen Tiefe versehen, die den Roman gleich mehrfach in die afrikanische Historie stellt. Großmutter Hadscha, eine gläubige Muslimin, und Mutter Zainab, eine eiserne Egoistin, schildern ihre Schicksale und erweitern das Panorama. Assani-Razaki schafft eine Ahnenreihe von Unglück und emotionaler Kälte, die das Geschehen in der Vergangenheit verankert: Die turbulenten Jahre der afrikanischen Unabhängigkeit und der politischen Terrorregime, die den Kern der Romane Ahmadou Kouroumas darstellen, zeichnen sich im Hintergrund ab; eine Reverenz an den Autor von "Der letzte Fürst" lässt sich erahnen.

Für Assani-Razaki ist die postkoloniale Situation zwar in den Hintergrund gerückt, dennoch ist sie der Fokus, der die Gegenwart zu verstehen erlaubt: "Ich wusste nicht, was aus seinen Träumen geworden war, aus unser aller Träumen. Waren die Neger tatsächlich zu Afrikanern geworden?", fragt sich Großmutter Hadscha. Wenn ja, so lautet die harte Antwort des Romans, dann nur wenige, und das um einen hohen Preis. Wenn ja, dann dadurch, dass Gewalt perpetuiert und Teil jeder Glückssuche wurde.

So konkret die Geschichte wirkt: Sie ist allgemein gehalten, Stadt und Land sind namenlos. Ähnlich unbestimmt, ja unfassbar ist die Titelfigur: "Wenn er mit mir sprach, sah er oft durch mich hindurch, als wären seine Worte an jemanden gerichtet, der hinter mir stand. Anfangs störte mich das, aber bald gewöhnte ich mich daran. Man gewöhnt sich schnell an Iman. An seine Freundlichkeit, seine geschmeidigen Bewegungen, seine Gelassenheit. Iman war so ruhig wie ein stiller See." Die Unnahbarkeit, die charismatisch wirkt, ist Ausdruck einer völligen Unverfügbarkeit: "Seine Gefühle verschloss er tief in seinem Herzen. Sein Körper war ein Panzerschrank, und niemand hatte den Schlüssel dazu, nicht einmal er selbst."

Wofür steht Iman? Der Name wirft die Frage auf, denn ein Motto zu Beginn des Romans lässt den "Gesandten Allahs" sagen: "Wahrlich, der Glaube (Iman) wird immer wieder nach Al-Madina zurückfinden, wie eine Schlange, die immer wieder zu ihrem Loch zurückfindet." Suggeriert der Roman eine allegorische Lesart: Iman als die Projektionsfläche, die den Anderen den Glauben ermöglicht? Das wird angedeutet, als Toumani von seiner Rettung durch Iman erzählt. Zum Glück spielt die Lesart, die das dichte Geschehen auf eine Parabel reduzieren würde, später keine Rolle mehr - wenn nicht jene, den Leser dazu zu ermuntern, den kämpfenden und leidenden Figuren allgemeine Bedeutung abzugewinnen. So mysteriös Iman, Toumani und Alissa sich und dem Leser mitunter erscheinen, so universell ist ihr Schicksal: Die Spannung zwischen Rätsel und Erkenntnis, das ist begeisternde Literatur.

NIKLAS BENDER

Ryad Assani-Razaki: "Iman". Roman.

Aus dem Französischen von Sonja Finck. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2014. 320 S., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.05.2014

Die Mitgefühl-Maschine
Ryad Assani-Razakis Debütroman „Iman“ erzählt die atemberaubende
Geschichte dreier Jugendlicher in Westafrika, die ihr Unglück abschütteln wollen
VON JUTTA PERSON
Gaben gibt es nicht, und wenn doch, dann steckt in jedem Geschenk auch ein Gift, eine heimliche Aufforderung, etwas zurückzuschenken – oder das selbstgemachte schlechte Gewissen des Beschenkten, der die eigene Dankbarkeit nur schwer aushalten kann. Im Fall von Toumani, der Hauptfigur in Ryad Assani-Razakis faszinierend-verstörendem Debütroman „Iman“, ist die Sache noch komplizierter: Sein Leben verdankt er eben jenem Freund namens Iman, der Toumani, als er schon halbtot war, eigenhändig aus einem Kanalschacht befreit hat.
  Genauer gesagt, hat Iman sich in diesen Müllschacht abseilen lassen, dem misshandelten Jungen die Hand gereicht und Toumani wortwörtlich aus dem Dreck herausgezogen. Willkommen in einem namenlosen Land, das dem westafrikanischen Benin ähnelt, und in einem Roman, den der aus Benin stammende, heute in Kanada lebende Autor auf Französisch „La main d’Iman“, Die Hand Imans, genannt hat.
  Kompliziert wird die Angelegenheit vor allem, weil Toumani beginnt, seinen Freund so sehr zu verehren und sogar zu lieben, – auch wenn das in diesem lakonischen, klugen Buch nie so gesagt wird – dass er ihn beinahe auch hasst. Er wünscht sich die Aufmerksamkeit des Menschen, der ihm das Leben gerettet hat, und wird immer wieder enttäuscht. Die Dritte im Bunde ist das Mädchen Alissa, das Toumani liebt: Der aber traut sich nicht und versucht, Alissa seinem Freund Iman zum Geschenk zu machen, damit sie wieder quitt sind. Ein Ablasshandel mit Gefühlen, dem ein älterer Handel mit Menschen zugrunde liegt – eingebettet in das Sehnsuchtsklima eines ganzen Landes, in dem alle irgendwie rauswollen, aus der eigenen Misere, aus der unverschuldeten Unmündigkeit, oder aus dem Land selbst, in dem zwar nicht alles schlecht ist, aber auch gar nichts wirklich gut.
  Als Kinder werden Toumani und Alissa von ihren Eltern in die Stadt verkauft, wo sie wie kleine Haussklaven die Wohnungen ihrer neuen Ernährer sauber halten müssen, im Glücksfall eine Ausbildung machen dürfen und so ihre Ursprungsfamilie auf dem Land mitfinanzieren; eine durchaus gängige Praxis, wie Ryad Assani-Razaki unlängst bei einer Lesung im Berlin-Neuköllner Heimathafen erklärte. Die eurozentrische Beurteilungs-, Bemitleidungs- und Empörungsmaschine wollte er allerdings gerade nicht bedienen, und tatsächlich hätte man viel verloren, läse man diesen Roman nur als Dokument einer sozialen Realität, die in weitestmöglicher Ferne vom satten Europa liegt.
  Assani-Razaki, Jahrgang 1981, hat Benin im Jahr 2004 verlassen, Informatik studiert und arbeitet heute als Programmierer in Toronto und Montréal; er kennt den westlichen Blick auf den afrikanischen Kontinent und natürlich porträtiert er auch die Realität einer Gesellschaft, die von Armut, von patriarchalen Familienstrukturen und vom Glauben geprägt ist. Jenseits der Wirklichkeit ist es aber gerade das Unwirkliche, das in dieser Geschichte interessiert – die Fluchtphantasie, von der jede einzelne Figur auf andere Weise angetrieben wird. „Einen Menschen beherrscht man am besten, indem man kontrolliert, was ihn glücklich macht. Die Weißen beherrschen uns, indem sie uns unsere eigenen Träume verkaufen“, denkt sich Toumani, als er von den Auswanderungsplänen Imans erfährt.
  Iman hat einen europäischen Vater, seine Haut ist heller als die der anderen; auch deshalb, so unterstellt ihm Toumani, will er weg. Iman wirkt immer seltsam abwesend, seine Augen wandern umher, „als suchte er die Umgebung nach einem Lebenszweck ab“. Gleichzeitig scheint der Junge, dessen Name „der Glaube“ bedeutet, so etwas wie eine schöne Seele zu sein, etwas Jesusartiges haftet ihm an; Toumani fühlt sich bei einer Koranstelle, die vom Propheten Isa (also von Jesus) handelt, an ihn erinnert. Und doch kippt Toumanis Sehnsucht immer wieder in wildesten Groll; die Gelassenheit des Freundes, meint er einmal zu verstehen, sei im Grunde Gleichgültigkeit. „Iman kümmerte sich um mich wie eine auf Mitgefühl programmierte Maschine.“
  Das ist ziemlich ungerecht, aber der Roman hütet sich davor, die Emotionen seiner Figuren zu bewerten. Wie die Jungen riskiert auch das Mädchen einen radikalen Befreiungsversuch, und alle werden dabei auf je eigene Art unglücklich. In Alissas Fall kommt hinzu, dass Frauen gesellschaftlich nicht viel mehr sind als Gefäße, die Männer trösten und Kinder austragen. Und trotzdem: Die Welle aus Zorn, Verzweiflung und Sehnsucht ist so mächtig, dass auch das Unglück irgendwie überrollt wird. Vor allem aber ist „Iman“ auch ein Roman über Migration – oder genauer gesagt, über das, was mit den Träumen passiert, wenn sie dem dauernden Hin und Her, der Flieh- und Schwerkraft des Dableibens oder Weggehens ausgesetzt sind. Schon im Inhaltsverzeichnis beginnt ein komplexes Spiel mit diesen Triebfedern: Die letzten Buchstaben aller Kapitel bilden, in großen Lettern ausgestellt, das Wort „Immigration“. Die Dinge und sogar die Wörter werden zu Fanalen, zu Gradmessern, die den Abstand zum ersehnten Land benennen.
  Sonja Finck hat dieses Romandebüt – der bisher nicht ins Deutsche übersetzte Erzählungsband „Deux Cercles“ (Zwei Kreise) ging ihm voraus – in eine wunderbar schnörkellose Sprache übersetzt, die nie kitschig wird und trotzdem immer ums große Ganze kreist. Der alte Leuchtturm am Hafen etwa erscheint Alissa wie ein großes „I“ und wie eine Erinnerung an Iman, der von hier aus verschwunden ist: „I wie Iman. Daran würde ich von nun an immer denken, wenn ich zum alten Hafen kam.“ Das Kapitel heißt Illusion.
Ryad Assani-Razaki: Iman. Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Sonja Finck. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2014. 317 Seiten, 22,90 Euro.  
Ein Ablasshandel mit Gefühlen,
dem ein älterer Handel
mit Menschen zugrunde liegt
Die Dinge und die Wörter werden
zu Gradmessern, die den Abstand
zum ersehnten Land benennen
Raus aus der unverschuldeten Unmündigkeit, mit allen Mitteln – Straßenverkauf mit Benzinflaschen in Cotoyou, Benin.
Foto: Getty Images/Dan Kitwood
Ryad Assani-Razaki, geboren 1981 in Benin. In der Bibliothek seiner Mutter versorgte er sich mit Literatur, 2004 wanderte er aus, heute arbeitet er in großen Computerfirmen in Toronto und Montréal. Foto: Wagenbach/Philippe Matsas/Opale
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