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Sieben Jahre alt ist Bakhita, als sie aus ihrem Dorf im Sudan entführt wird. Damals heißt sie noch anders, doch die Erinnerung an ihren Namen verblasst mit jedem Jahr, in dem sie verschiedenen Herren dienen muss. Die Freundschaft mit Binah ist ihr in dieser Zeit der größte Halt, obwohl das Mädchen nicht Bakhitas Sprache spricht. Als ein italienischer Konsul Bakhita kauft, erkennt die junge Frau ihre Chance, das Schicksal zu wenden: Sie setzt alles daran, mit ihm nach Italien zu kommen. Hier hört sie erstmals von Jesus Christus und beschließt, dem "gekreuzigten Sklaven" als einzigem Herrn zu…mehr

Produktbeschreibung
Sieben Jahre alt ist Bakhita, als sie aus ihrem Dorf im Sudan entführt wird. Damals heißt sie noch anders, doch die Erinnerung an ihren Namen verblasst mit jedem Jahr, in dem sie verschiedenen Herren dienen muss. Die Freundschaft mit Binah ist ihr in dieser Zeit der größte Halt, obwohl das Mädchen nicht Bakhitas Sprache spricht. Als ein italienischer Konsul Bakhita kauft, erkennt die junge Frau ihre Chance, das Schicksal zu wenden: Sie setzt alles daran, mit ihm nach Italien zu kommen. Hier hört sie erstmals von Jesus Christus und beschließt, dem "gekreuzigten Sklaven" als einzigem Herrn zu dienen. Doch selbst als die Menschen sich an den Anblick der schwarzen Nonne gewöhnen, stehen die Spuren der Vergangenheit Bakhita ein Leben lang auf den Körper geschrieben und erinnern sie an die Familie, die sie hinter sich lassen musste.

Josephine Bakhita (1869-1947) wurde von Johannes Paul II. heiliggesprochen. Véronique Olmi zeichnet das ergreifende und zugleich erhebende Porträt einer Frau, der es gelingt, allen Härten zum Trotz ihr eigenes und das Leben anderer zu retten.
Autorenporträt
Véronique Olmi wurde 1962 in Nizza geboren und lebt heute in Paris. Die ausgebildete Schauspielerin hat zahlreiche Theaterstücke verfasst und ist eine der bekanntesten Dramatikerinnen Frankreichs. Ihre Romane sind internationale Bestseller, so z. B. Das Glück, wie es hätte sein können. Bakhita wurde in Frankreich von der Presse hochgelobt und war ein großer Verkaufserfolg.

Claudia Steinitz übersetzt seit dreißig Jahren Literatur aus dem Französischen, unter anderem von Albertine Sarrazin, Virginie Despentes und Yannick Haenel.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.01.2020

Ihre Demut ist gemischt mit Kraft

Ein Martyrium, das nicht zur Märtyrerin machte: Véronique Olmi erzählt in ihrem Roman "Bakhita" von einer noch immer rätselhaften afrikanischen Heiligen.

Versteht man ein Menschenleben am besten durch Einfühlung, durch direkte emphatische Identifikation? Oder eher aus der Distanz, über Umwege und Leerstellen? Diese psychologische Grundsatzfrage muss sich jeder Autor stellen, der eine Figur entwirft. Véronique Olmi hat sie klar beantwortet: Distanz und Kontrast lässt sie links liegen, stürzt sich Hals über Kopf in ihre Figuren, voll des wortreichen Mitgefühls.

Für unsere in literarischen Dingen emotionsskeptische Zeit ist klar: Es droht die Tempo-Taschentuch-Falle. Für Olmi ist diese ein Preis, den sie offensichtlich zu zahlen gewillt ist; eine große Leserschaft dankt es ihr, vermutlich aus nichtliterarischen Gründen. Zur Ehrenrettung muss man sagen, dass ihre Texte im besten Sinne des Wortes packend sind.

"Bakhita" erzählt eine wahre Geschichte, die der ersten afrikanischen Heiligen, die keine Märtyrerin war: Madre Gioseffa Margherita Fortunata Maria Bakhita (1869 bis 1947). In Olgossa im sudanesischen Darfur geboren, wird sie als siebenjähriges Mädchen geraubt und versklavt. Ihre Heimat wird sie nie wiedersehen, ihre Sprache hat sie bald verlernt, den Namen vergessen; die Sklavenhändler taufen sie ironischerweise Bakhita, "die Glückliche".

Sie tritt einen Kreuzweg an: Entführung, Vergewaltigung, Gefängnis, Flucht und erneuter Raub, die erbarmungslose Sklavenkarawane, dann der Sklavenmarkt von El Obeid. Das Mädchen wird zum Objekt und erfährt in kürzester Zeit die schlimmsten Grausamkeiten, die Menschen einander antun können. Sie dient den Kindern eines arabischen Stammesführers und der Frau eines türkischen Generals, die sie mit Narben verziert, eine lebensgefährliche Tortur. Mit dreizehn Jahren verkauft man sie an den italienischen Konsul, der wegen des Mahdi-Aufstands nach Italien ausreist.

Auch dort bleibt die nunmehr Sechzehnjährige Sklavin, bis sie dank der Bemühungen von Stefano Massarioto, eines humanistischen Lokaljournalisten, zu den Canossianerinnen in Venedig kommt, zunächst, um die Rückkehr ihrer Herrin mit dem ihr anvertrauten Kind abzuwarten. Aber Bakhita fühlt sich dort geschützt und fasst ihren ersten wirklichen Entschluss: Sie will im Katechumenenhaus bleiben. Das ficht sie durch, erringt ihre Freiheit und entscheidet sich für ein Leben im Orden.

Der zweite Teil berichtet von Bakhitas Leben in Venedig und später in Schio, wo sie 28 Jahre als Köchin, Sakristanin und Pförtnerin lebt, bevor ihre Geschichte aufgeschrieben und verbreitet wird. Bakhita wird ein Star, den die Schwestern zu Werbezwecken durch ganz Italien schicken, um Unterstützung für ihre Missionsarbeit zu erhalten. Die alternde Nonne spielt das Spiel mit, obwohl ihr Körper den Dienst versagt und sie Ruhe sucht.

Tragisch ist, dass sie, um andere Sklaven freikaufen lassen zu können, sich abermals zum Objekt macht, zum schwarzen Kuriosum, welches das faschistische Italien halb bewundernd, halb erschauernd begafft. Diese Schilderungen sind gelungen, Olmi, die vom Drama herkommt, hat ein Gespür für die Abgründe von Inszenierungen.

"Bakhita" greift eine Textgattung auf, die sich in Frankreich einer diskreten, aber andauernden Konjunktur erfreut: die literarische Heiligenlegende. Da wären aktuell die so knappen wie brillanten Erzählungen Pierre Michons oder Philippe Vassets "Legende" (2016); Marie NDiaye hat in der dritten Geschichte von "Drei starke Frauen" (2009) mit Khady Demba eine beeindruckende Migranten-Märtyrerin geschaffen. Olmis Vorgehen ist weit biographischer als das der genannten Autoren; anders als kirchliche Instanzen sucht sie aber nicht die Eignung für Selig- oder Heiligsprechung zu belegen. Der Glaube zeigt sich zwar früh und eindrücklich: "Und plötzlich geschieht es. Ein ganz zartes Licht, eine Hand in ihrem Inneren nimmt ihren Schmerz - den ihrer Seele und den ihres Körpers -, hüllt sie ein, ohne sie zu stoßen, wie ein herabsinkender Schleier." Dennoch stellt er nicht den wichtigsten Aspekt des Romans dar.

Dessen Zentrum ist die Leere, die durch Raub und Versklavung entsteht: die Abwesenheit der Familie sowie der Personen, von denen Bakhita später gewaltsam getrennt wird, darunter besonders Kinder, die sie nicht zu beschützen vermag. Das Wechselspiel von Wunden und Demütigungen auf der einen sowie Widerstandsgeist und stiller Kraft auf der anderen Seite bildet den Kern einer fragilen Identität. Olmi kreist um das, was ihr Bakhitas Besonderheit scheint: "Sie bleibt ein Rätsel. Demut gemischt mit Kraft."

In der Gestaltung der prägenden Erfahrung verliert Olmi mitunter die Kontrolle. Mit teils unkonventionellen Bildern, die sie in zerhäckselte Sätze packt, versucht sie, das Innere ihrer Figur eindringlich darzustellen: "Man hat ihr die Brust bis zum Herzen geöffnet, man hat es ihr ausgerissen, und jetzt sieht sie. Wovon es voll ist. Was sie schützte, was sie zurückhielt, um nicht zu sterben. Ihre Mutter. Nicht die Jungfrau, nein, die Frau, die morgens auf dem Stamm eines umgestürzten Baobab sitzt."

Aber Emotionsproduktion qua Atemnot läuft ins Leere und verweist auf grundsätzliche Probleme; darum ist der Preisregen, der in Frankreich auf "Bakhita" niederrieselte, nicht nachvollziehbar. Dennoch ist es ein spannender, informativer Roman: Sklaverei und Heiligenleben sind komplexe Themen, die es Olmi erlauben, manche Ambivalenz der Moderne auszustellen.

NIKLAS BENDER

Véronique Olmi: "Bakhita". Roman.

Aus dem Französischen von Claudia Steinitz.

Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2019. 416 S., geb., 25,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Ein wichtiger, interessanter Text über das Leben einer Frau, an deren Schicksal sich auch das Verhältnis der Europäer zu Afrika zeigen lässt.« Dirk Fuhrig Deutschlandfunk Kultur, 11.12.2019