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Spirou als Widerstandskämpfer
Mit dem extralangen dritten Kapitel seines hochgelobten Comicromans "Spirou oder: die Hoffnung" treibt Émile Bravo Spirous und Fantasios Jugendzeit im von den Deutschen besetzten Belgien weiter voran. Immer deutlicher entwickelt sich aus dem geistigen ein praktischer Widerstand der beiden gegen die Nationalsozialisten, wobei Bravo auf Menschlichkeit statt Heldenhaftigkeit setzt.
Der Kampf gegen den Faschismus
Abenteuer, Humor, historische Fakten und philosophische Reflexionen verbinden sich in "Spirou oder: die Hoffnung" zu einer ebenso klugen wie mitreißenden Auseinandersetzung mit dem Totalitarismus.
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Produktbeschreibung
Spirou als Widerstandskämpfer

Mit dem extralangen dritten Kapitel seines hochgelobten Comicromans "Spirou oder: die Hoffnung" treibt Émile Bravo Spirous und Fantasios Jugendzeit im von den Deutschen besetzten Belgien weiter voran. Immer deutlicher entwickelt sich aus dem geistigen ein praktischer Widerstand der beiden gegen die Nationalsozialisten, wobei Bravo auf Menschlichkeit statt Heldenhaftigkeit setzt.

Der Kampf gegen den Faschismus

Abenteuer, Humor, historische Fakten und philosophische Reflexionen verbinden sich in "Spirou oder: die Hoffnung" zu einer ebenso klugen wie mitreißenden Auseinandersetzung mit dem Totalitarismus.
Autorenporträt
Émile Bravo wurde 1964 in Paris geboren und debütierte 1988 als Comic-Künstler. Bereits 1990 begann die Zusammenarbeit mit dem Autor Jean Regnaud, mit dem u.a. die Serie 'Aleksis Strogonov' und 'Meine Mutter ist in Amerika... ' entstanden. 2009 erschien sein 'Spirou Spezial'-Band 'Porträt eines Helden als junger Tor' - dieser Episode folgte der viel beachtete und gelobte Vierteiler 'Spirou oder: die Hoffnung', dessen finaler Band im Jahr 2022 erschien. Für seine deutschsprachigen Geschichten erhielt er u.a. den Deutschen Jugendliteraturpreis 2010 für 'Meine Mutter ist in Amerika... ' und für 'Das tapfere Prinzlein und die sieben Zwergbären' 2012 den Max und Moritz-Preis. Für Bravo bildet die Verschmelzung von Comic und Kinderbuch einen zentralen Punkt seiner Arbeit.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.01.2022

Wie man Zeitgeschichte zeichnet

Einer erzählt fiktional, einer dokumentarisch, einer auf der Grundlage eines Zeitzeugenberichts: Die neuen Bände von Émile Bravo, Reinhard Kleist und Jacques Tardi führen vor, was Comics historiographisch zu bieten haben.

Comics tun sich längst in allen Erzählsparten um: Sie können klassisch fiktional, autobiographisch, satirisch, adaptierend, dokumentierend, kommentierend, beobachtend sein. Doch je selbstverständlicher dieses breite Spektrum von Buchhandel und Publikum wahrgenommen wird, desto interessanter ist es, wenn Comicautoren durch Persönlichkeit und Werk noch für etwas stehen: für ein ästhetisches Prinzip, eine Erzählweise, ein Thema. Das zeigen die jüngsten Alben von drei Großmeistern des europäischen Comics: Jacques Tardi, Reinhard Kleist und Émile Bravo.

Wobei man noch eine Autorin ergänzen muss, keine einschlägig bekannte, aber eine hochinteressante, denn Tardis neuer Comic verdankt sein Szenario der Ehefrau des Zeichners, Dominique Grange. Es ist deren eigene Geschichte, obwohl die Hauptfigur in "Elise et les nouveaux partisans" (Elise und die neuen Partisanen) einen anderen Namen trägt. Aber diese Hauptfigur, eine in der maoistischen französischen Linken engagierte Sängerin, teilt mit Grange nicht nur die Biographie, sondern auch die Diskographie: "Les nouveaux partisans" war der 1968 geschriebene Protestsong, der Grange in den folgenden Jahren berühmt machte. Und Tardi war es, der für sie als überzeugter Linker schon vor der Heirat, nämlich ab 1981, Plattencover entwarf. Nun erzählen beide gemeinsam französische Zeitgeschichte.

Das ist für Tardi nichts Neues. Der 1946 geborene Zeichner machte sich seinen Namen zwar mit der abgedrehten Detektivinnenserie "Adèle", aber die war vor dem Hintergrund des Frankreichs vor und nach dem Ersten Weltkrieg angesiedelt und bei aller Fantastik der Handlung auch ein bitterböses Porträt der damaligen Gesellschaft. Berühmt aber wurde Tardi mit seinen Comics über den Ersten Weltkrieg: "Grabenkrieg", "Die wahre Geschichte vom unbekannten Soldaten", "Soldat Varlot", "Elender Krieg". Letzterer war eine gezeichnete Dokumentation in vier Teilen (für jedes Kriegsjahr einer) nach dem Szenario eines Historikers, und mittlerweile hat Tardi mit der dreibändigen Biographie seines Vaters als Soldat ("Ich, René Tardi") auch einen Comic über den Zweiten Weltkrieg vorgelegt, der ihm größtes Lob von Historikern sowie den renommierten deutschen Einhard-Preis, eine Auszeichnung für historische Biographik, eingebracht hat. Mit etwas Glück wird der Preis ihm Mitte März in Seligenstadt übergeben.

Dann ist mit "Elise ou les nouveaux partisans" gleich die nächste gezeichnete Biographie aus seiner Feder da, und es ist hochinteressant, zu sehen, wie Tardi darin für die Geschichte des Arbeiteraufstands, den die Ereignisse von "Achtundsechzig" in Frankreich darstellten, Bilder findet, die nicht nur in der unverkennbaren Strichführung, dem unigrau getönten Schwarz-weiß und den markant vereinfachten Gesichtern der Figuren, die Linie seiner Historien-Comics wiederaufnehmen, sondern bisweilen auch dezidiert Motive daraus zitieren, so etwa beim oben rechts abgebildeten Polizeieinsatz vom 3. Mai 1968 im Quartier Latin von Paris, der zum Schluss der Seite eine für Tardis Erster-Weltkrieg-Comics typische Bildkomposition enthält. Wie die ganze Seite auch nicht nur im Stil von "Grabenkrieg" gehalten ist, sondern zudem die Ähnlichkeiten der jeweiligen Situationen hervorhebt: Gewaltexzesse, Zerstörung der Umgebung durchs Kampfgeschehen, albtraumartige Angriffswellen des Gegners. Grange und Tardi reihen das Scheitern der proletarischen Achtundsechziger-Bewegung in die großen Katastrophen des zwanzigsten Jahrhunderts ein - erzählerisch und grafisch.

Was ist Wahrheit? Das ist hier dreimal die Frage. "Elise" ist ein Zeitzeugenbericht, also subjektiv-authentisch, doch wie man Zeitgeschichte auch darstellen kann, führt Émile Bravo mit dem dritten Teil seines auf insgesamt mehr als dreihundert Seiten angelegten Zyklus "Spirou oder: die Hoffnung" vor. Die 1938 begründeten Abenteuer des Brüsseler Hotelpagen Spirou sind ein Klassiker des belgischen Comics, und an ihrer Fortschreibung haben viele Autoren mitgewirkt, aber Bravo zeichnet sich ihnen allen gegenüber durch einen Realitätsbezug aus, den es vor ihm bei "Spirou" nicht gegeben hat. Bereits 2008 hatte er im Album "Porträt des Helden als junger Tor" dem Pagen eine Kriegsjugend angedichtet - naheliegend bei einem fiktiven Leben, über das erstmals 1938 berichtet worden war. Die deutsche Besatzung von 1940 bis 1944 war für Belgien ein nationales Drama in der Auseinandersetzung um Widerstand oder Kollaboration, und genau diese Dichotomie hat Bravo nun zum Gegenstand seines 2018 begonnenen Zyklus gemacht, der im kommenden Mai mit dem vierten Band abgeschlossen werden soll.

Als ganz besondere Komponente in den Erzählkosmos von "Spirou" hat der 1964 als Sohn spanischer Exilanten in Paris geborene Bravo ein reales individuelles Schicksal eingeführt: das des deutschen jüdischen Malers Felix Nussbaum und seiner Frau Felka, denen die Flucht nach Belgien gelungen war, wo sie dann aber in der Besatzungszeit aufgespürt, deportiert und in Auschwitz ermordet wurden. Vor dem Hintergrund dieses entsetzlichen Geschehens entfaltet sich ein Comic, den Bravo geradezu in Trauer taucht: abgestumpfte dunkle Farben, winzige Panels, die auf den Seiten so eng arrangiert sind, wie es die Situation in den Verstecken der Nussbaums war. Dort werden sie von Spirou, der sich anfangs unfreiwillig einer Widerstandsbewegung anschließt, mit Lebensmitteln und Malutensilien versorgt. In die Szenen der Besuche des Pagen sind Bilder von Felix Nussbaum einmontiert - ein Authentizitätssignal als Menetekel in der traditionell aufs Amüsement von Kindern und Jugendlichen ausgerichteten "Spirou"-Serie.

Der Schatten der Shoah liegt aber nicht nur über den Nussbaums, sondern auch über Spirou selbst, denn seine Geliebte, ein jüdisches Mädchen namens Kassandra, ist schon aus Brüssel in den Osten abtransportiert worden. Die Frage, ob der Lagertod explizit in die sonst so heile Welt von "Spirou" Einzug halten wird, lässt Bravo offen: Schon seit dem Ende von Teil 1 ist Kassandra verschleppt, und jeder der bislang erschienenen drei Bände begann und endete mit einer jeweils halbseitigen Eisenbahnszene - der in Film, Kunst und Literatur gängigen Erzählmetapher für die Deportationen der Nazis. Ein einziges weiteres Mal nur bricht Bravo im aktuellen Band seine ansonsten kleinteilig gefügte Seitenarchitektur auf, wenn Spirou im Winter 1943 zum ersten Mal große alliierte Bombergeschwader gen Deutschland fliegen sieht: auf einem ebenfalls halbseitigen Bild, aber ohne jeden Text und mit hellblauem Himmel als Ausdruck der im Titel des Zyklus beschworenen Hoffnung, die im bisherigen Verlauf der Handlung noch immer enttäuscht worden ist. Als wär's ein Tardi-Kriegscomic, findet der dritte Teil von Bravos "Spirou" seinen dramaturgischen Höhepunkt im gemeinsamen Leid - der Belgier, Exilanten und deutschen Besatzer - unter einem alliierten Bombenangriff auf Brüssel.

Zeitzeugenbericht, Fiktion mit realen Einsprengseln - und nun noch ein drittes Beispiel für Auseinandersetzungen des Comics mit der Zeitgeschichte ist ein dokumentarischer Band über David Bowie. Geschrieben und gezeichnet hat ihn der einundfünfzigjährige Berliner Reinhard Kleist, der schon mit Musikerbiographie-Comics über Johnny Cash und Nick Cave internationale Erfolge feierte. Man könnte eine Masche vermuten, fielen die jeweiligen Resultate nicht so unterschiedlich aus - weniger erzählerisch als grafisch, denn für "Starman", den ersten Band seines auf zwei Teile angelegten Bowie-Projekts, hat Kleist seine charakteristische Schwarz-weiß-Ästhetik à la Will Eisner zugunsten eines Farbspektakels aufgegeben, das der von ihm hier behandelten Karrierephase Bowies gerecht wird. Anfang der Siebziger hatte der britische Sänger die Kunstfigur Ziggy Stardust als einen außerirdischen Erlöser geschaffen und diese Illusion auf der Bühne konsequent gelebt. Der resultierende Zwiespalt im Privatleben ist das Thema von "Starman" - und war es auch schon im erst vor zwei Jahren erschienenen Comic "Bowie: Sternenstaub, Strahlenkanone und Tagträume" des Amerikaners Michael Allred, der exakt dieselbe Zeit im Leben des Popstars zum Gegenstand hatte.

Kleist ließ sich dadurch nicht beirren und nutzte weniger als Allred die halluzinierenden Texte und Bühnenshows von Bowie als Bildinspirationen, sondern bediente sich Fotos und vor allem D. A. Pennebakers Dokumentarfilm "Ziggy Stardust and the Spiders from Mars" (1982) als Vorlagen. Zugunsten der Farben, die er mit Hilfe des Koloristen Thomas Gilke applizierte, nahm Kleist das intensive Schwarz früherer Arbeiten zurück und glättete seine Linien. Doch das, was er erzählt, bleibt durch die psychischen Abgründe des Geschehens widerspenstig und rau. In den Folgejahren, die Bowie nach Berlin führen sollten und Thema von Kleists zweitem Teil werden, dürfte sich das Ganze mauerstadtgerecht wieder entfärben.

Geschichte, wie sie diese drei Comics erzählen, ist nicht gefällig. Sie ist schockierend und doch auch schillernd: in der bei allem proletarischen Pathos romantischen Existenz von Elise bei Grange und Tardi, in Bravos Verquickung von Fakten und Fiktion und in Kleists gezeichneter Feier eines Künstlers, der keine Rücksichten nahm auf andere oder sich selbst. Näher kommt man den jeweiligen Wahrheiten schwerlich. ANDREAS PLATTHAUS

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"Bravo gelingt mit seinem [...] Comicepos [...] das Kunststück, Spirou und Fantasio glaubwürdig in einem historischem Zusammenhang agieren zu lassen und dabei den Charakteren mehr Tiefe zu verleihen." Ralph Trommer Tagesspiegel 20220728