An einem Samstag hat die Ziege Liese das Grünfutter satt - sie will etwas Neues probieren. Sie frisst alles, was sie findet: Hundefutter, Katzenmilch und die Unterhose des Bauern. Das bekommt Liese nicht gut. Am Sonntag fühlt sie sich ziegenelend, und die Genesung dauert eine ganze Woche. Doch kaum ist wieder Samstag und auf dem Bauernhof (fast) alles beim Alten, entdeckt Liese die Stiefel des Bauern ...
Petr Horácek weiht in das Wesen der Ziege ein
Vorsichtig, ganz vorsichtig nähert sich die Hand mit den Grasbüscheln einer Lücke im Zaun. Doch noch bevor der streng riechende Ziegenbock mit seiner rauhen Zunge das Grün ergattern kann, lässt die kleine Hand es fallen - vorsichtshalber.
Es könnte sein, dass das Kind nach der Lektüre von "Liese frisst alles!" etwas mutiger darauf wartet, dass die Ziegen auf dem gewohnten Spazierweg mit Knurpsen und Knirschen seine milden Gaben verschlingen. Denn wer den Appetit dieser Tiere schon kennt und Liese alsbald kennenlernt, der wird auch im Vorschulalter messerscharf schließen, dass es besser ist, Lieses Brüder und Schwestern mit ausreichend Grünzeug zu füttern. Auf dass sie nicht in Versuchung geraten wie Petr Horáceks Ziege, deren Neugier beinahe zur Katastrophe führt. Aber nur beinahe.
Mag sein, es liegt daran, dass Liese, anders als die eingezäunten Ziegen am Rande der Stadt, frei herumlaufen kann auf dem Bauernhof, den der tschechisch-britische Illustrator und Autor in leuchtenden Farben, aber alles andere als überladen ins Bild gesetzt hat. Da locken das Hundefutter, die Katzenmilch und die Schuhe des Bauernmädchens gleichermaßen: Horácek erzählt seine Geschichte von der Ziege Liese, die eines Samstags beschließt, statt Grünfutter endlich einmal etwas Neues zu fressen, scheinbar schlicht drauflos. Ein Satz je Seite genügt, um, ganz aus Ziegensicht, Lieses heuschreckenartigen Fresszug über den Bauernhof zu schildern.
Schlicht auf den ersten Blick, zeigt sich der zarte Witz seiner Bilder dann auf den zweiten und dritten: Der lange Ziegenhals, der quer über eine Doppelseite entlang der Wäscheleine nach der gelbgepunkteten Unterhose des Bauern schnappt. Oder das Elend der magenkranken Liese, die nicht nur rot, gelb, grün, blau wird, sondern deren digestive Not die nach innen gedrehten Beine eindeutig belegen. Und erst recht die blaue Zunge, die, anatomisch fast erschreckend korrekt, allerdings knallblau, aus dem Maul der verfressenen Ziege ragt, die alle viere in den ebenso knallblauen Himmel reckt.
Nach einer Woche des Katarrhs und der Genesung, die Horácek von vorn und im Profil dokumentiert, ist alles wieder gut. Nur leider reicht keine Kinderhand ein wenig Gras. Und so kann man sich denken, wie die Geschichte weitergeht.
EVA-MARIA MAGEL
Petr Horácek: "Liese frisst alles!"
Aus dem Englischen von Seraina Staub. Atlantis Verlag, Zürich 2017. 32 S., geb., 14,95 [Euro]. Ab 4 J.
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»Ein lustiges Bilderbuch, in dem man auch eine ganze Menge lernt!«
Landeszeitung für die Lüneburger Heide
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