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Mirjam Pressler erzählt
von Hannas Odyssee
Wie kann ein Mensch in schwierigen, scheinbar aussichtslosen und menschenunwürdigen Lebenssituationen bestehen? Statt Antworten für ihre Buchhelden zu finden, erzählt Mirjam Pressler ihre Geschichten, die, ob fiktional oder biographisch angelegt, immer von tiefer Emotionalität getragen werden. In ihrem neuen Roman Ein Buch für Hanna sind es die Erinnerungen und Erzählungen einer jüdischen Frau, die vierzehnjährig, als Opfer des NS-Terrors eine sechs Jahre dauernde Odyssee durch Europa antreten musste. Mirjam Pressler traf sie 30 Jahre lang, bis zu ihrem Tod, jedes Jahr in einem Kibbuz in Galiläa. Es beginnt damit, dass die junge Hanna 1939 von Mitgliedern des Habonim, eines zionistischen Jugendbundes, darauf vorbereitet wird, wie zuvor schon ihre Schwester nach Israel auszuwandern. Ihre Mutter stimmt nur widerstrebend zu: „Diese Zionisten verdrehen den Kindern den Kopf. Reden ihnen ein, wie gut alles wird, wenn sie dahin zurückgehen, wo unsere Vorväter hergekommen sind. Ins Gelobte Land. In die neue alte Heimat. Als ob ein Jude je eine Heimat gehabt hätte.“
Doch plötzlich verändert sich die politische Situation, die englische Mandatsregierung in Palästina reduziert auf Drängen der Araber die jüdischen Einwanderungszahlen, und die Repressalien gegen die jüdische Bevölkerung in Deutschland nehmen zu. Der Bund beschließt, dass Hanna mit ihrer Gruppe junger jüdischer Frauen im Mai 1939 nach Dänemark ausweichen soll, um dort in einem Zeltlager auf ihre Ausreise nach Palästina zu warten. Der Kriegsbeginn vereitelt die Pläne, dänische Familien in Kopenhagen nehmen die Jugendlichen auf. Doch nach der Besetzung Dänemarks 1940 müssen sie sich auf der Insel Fünen verstecken. Hanna kann das harte Leben auf einem Bauernhof nur ertragen, weil sich die Magd liebevoll um sie kümmert und weil sie sich immer wieder mit den Märchen von Hans Christian Andersen tröstet.
Mirjam Pressler entwickelt in dieser Geschichte eine erzählerische Intensität, die der Gefühlswelt der jugendlichen Hanna entspricht. Ein gelungener Balanceakt zwischen literarischer Distanziertheit und unvermittelter Sentimentalität. Betroffen machen besonders die inneren Monologe von Hannas Leidensgefährten, zum Beispiel von Mira, schwierige Freundin und gleichzeitig ihr Schutzengel seit dem Beginn dieser Odyssee. Sie wird sie nicht überleben, denn drei Jahre später nimmt das Schicksal der Gruppe eine schreckliche Wendung. In der Nacht vom 1. auf den 2. Oktober werden in einer spektakulären Aktion, unter Mithilfe der deutschen Botschaft in Kopenhagen, 7000 der 8000 dänischen Juden nach Schweden in Sicherheit gebracht. Doch Hanna und ihre Freundinnen zählen nicht zu den Geretteten. Die Deportation zusammen mit 481 Dänen und die Zeit im KZ Theresienstadt überleben sie nur, weil sie als Gruppe zusammenhalten und weil Hanna einen Arzt findet, der ihren Typhus heilt. Im April 1945 werden sie in der Rettungsaktion der „Weißen Busse“ des schwedischen Roten Kreuzes zusammen mit den überlebenden Dänen nach Schweden gebracht.
Hannas Odyssee endet erst 1948, als sie nach zwei Jahren in einem Internierungslager der Engländer auf Zypern endlich Israel erreicht. Ein schwieriger Neuanfang erwartet sie, aber sie erinnert sich an Miras Worte: „Los Hanna, du schaffst das, Aufgeben gilt nicht.“ (ab 14 Jahre ) ROSWITHA BUDEUS–BUDDE
MIRJAM PRESSLER: Ein Buch für Hanna. Beltz & Gelberg 2011. 349 Seiten, 17,95 Euro.
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