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"Wenn es alle betrifft, dann ist ja jeder ein Rassist!"
«Papa, was ist ein Fremder? Wieso haben manche Menschen schwarze Haut und andere Menschen weiße Haut? Sind Ausländer anders als wir? Ist Rassismus normal? Könnte auch ich zu einer Rassistin werden? Was können wir denn tun, damit die Menschen einander nicht hassen, sondern gern haben?» Diese und andere schwierige Fragen stellt die zehnjährige Mérièm ihrem Vater, dem berühmten französisch-maghrebinischen Schriftsteller Tahar Ben Jelloun. Und der Vater erklärt der Tochter in einem einfachen und anschaulichen Gespräch, wie…mehr

Produktbeschreibung
"Wenn es alle betrifft, dann ist ja jeder ein Rassist!"
«Papa, was ist ein Fremder? Wieso haben manche Menschen schwarze Haut und andere Menschen weiße Haut? Sind Ausländer anders als wir? Ist Rassismus normal? Könnte auch ich zu einer Rassistin werden? Was können wir denn tun, damit die Menschen einander nicht hassen, sondern gern haben?» Diese und andere schwierige Fragen stellt die zehnjährige Mérièm ihrem Vater, dem berühmten französisch-maghrebinischen Schriftsteller Tahar Ben Jelloun. Und der Vater erklärt der Tochter in einem einfachen und anschaulichen Gespräch, wie Fremdenfeindlichkeit und Rassismus entstehen und welche Folgen sie haben: wie Vorurteile in Diskriminierungen münden können; wann Rassismus und Kolonialismus zu Sklaverei und Völkermord geführt haben; aber auch, dass niemand als Rassist geboren, sondern erst durch die Verhältnisse dazu gemacht wird.
Autorenporträt
Der marokkanische Schriftsteller Tahar Ben Jelloun gilt als bedeutendster Vertreter der französischsprachigen Literatur aus dem Maghreb. Seine beiden Kinderbücher Papa, was ist ein Fremder? und Papa, was ist der Islam? wurden Bestseller. Der Autor lebt mit seiner Frau und seinen vier Kindern in Paris und Marokko. Der Illustrator Charley Case ist ein junger belgischer Künstler und Weltenbummler, der bereits "Papa, was ist ein Fremder?" illustriert hat..
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.06.1999

Toleranz, ein Kinderspiel
Tahar Ben Jelloun spricht mit seiner Tochter

Worte der Toleranz und ein dazu imaginiertes, gebannt zuhörendes Kindergesicht sind die wirkungssicheren Ingredienzen zu dieser publizistischen Aufklärungsoperation. Aus der im Pariser Seuil-Verlag angelaufenen Reihe "Wie sag' ich's meinem Kinde?" über Republik, Religion, Einwanderungspolitik und andere Gesellschaftsthemen ist dieser Band über Rassismus und Fremdenhaß von Tahar Ben Jelloun der einzige, der internationalen Erfolg hatte. Das ihm zugrunde liegende Toleranzideal ist so global angelegt, daß es in alle jeweils landesüblichen Rahmen politischer Korrektheit paßt. Es entspringt einer Art rousseauistischem Prinzip mit umgekehrten Vorzeichen: Alle Menschen sind von Natur aus dem Fremden gegenüber mißtrauisch, können aber durch kulturelle Vermittlung zueinander finden. Wenn es bis heute doch immer wieder zu Konflikten kommt, liegt das nur daran, daß man einfach noch zuwenig voneinander weiß.

Das durch das Buch sich ziehende Zentralmotiv heißt entsprechend: Bildung und Erziehung. Das Kind soll früh lernen, daß eigene wie fremde Anwandlungen zu Fremdenhaß mehr dumm als böse sind und durch noch besseres Kennenlernen überwunden werden können. "Nimm zum Beispiel unsere Nachbarn hier in Paris. Sie haben uns lange mißtraut, bis wir sie eines Abends zum Couscous-Essen eigeladen haben", belehrt der Vater die Tochter. Gutnachbarlich hätte man da zusammen geredet und gelacht - und nun "fühlen wir uns wohl miteinander". Toleranz als Grundbefindlichkeit einer mal Couscous, mal Fritten verzehrenden Weltgesellschaft: ein Kindermärchen im lieblichen Schein einer rundum aufgeklärten Humanität.

Auf dem Pariser Boulevard Saint-Germain oder im Frankfurter Westend mag dieses gutgemeinte Märchen durchaus wahr werden. Da kommt man über das multikulturelle Modell des spätmittelalterlichen Cordoba oder des modernen marokkanischen Fès schnell miteinander ins Gespräch. Ob diese Gemeinsamkeit aber auch dort fruchtbar wird, wo sie sich auf gemeinsame Arbeitslosigkeit, Lärmbelastung und sonstige Alltagsmühen beschränkt, bleibt beim vornehmen Abstraktionsniveau dieses Buchs fraglich. Den Verkaufserfolg beschieden ihm jedenfalls wohl hauptsächlich jene, die von vornherein schon überzeugt waren, daß Rassentheorien wissenschaftlich haltlos, daß Kulturen und Völker immer schon ein Ergebnis von Mischung sind und daß der Begriff "Rasse" am besten durch den der unterschiedlich ausgeprägten "Menschheit" zu ersetzen sei.

Es ist begrüßenswert, daß das in Dialogform verfaßte Buch des in Paris lebenden marokkanischen Romanautors Tahar Ben Jelloun immer wieder um eine möglichst kinderverträglich einfache Definition der Zentralbegriffe "Rassismus", "Fremdsein", "Diskriminierung", "Fundamentalismus", "Kolonialismus" sich bemüht. Die Sorge vor einer schleichenden Infizierung des politischen Diskurses durch latent fremdenfeindliche Ideen gibt Tahar Ben Jelloun als Hauptmotiv seines Buchs an. Sein Ziel ist es, den Fremdenhaß als gesellschaftliches Krankheitssymptom aus Angst, Unwissenheit, Dummheit und Unehrlichkeit für seine jugendlichen Leser durchschaubar zu machen.

Entstanden ist das Buch nach einer jener Demonstrationen, mit denen Pariser Intellektuellenkreise vor zwei Jahren gegen das unselig restriktive Ausländergesetz des damaligen Innenministers Debré protestierten. Etwas vom multikulturell gutgelaunten Optimismus jener Veranstaltungen, die sich lieber an edle Absichten als an konkrete Problemlagen hielten, ist auch in dieses Buch eingesickert. Mit seinen braven Anregungen, nicht mehr "polnische Wirtschaft", "gelbe Gefahr" und "getürktes Interview" zu sagen, zerrinnt einem das Buch oft zur unverfänglichen Vorstellung, Fremdenhasser seien einfach dumm, ängstlich und humorlos. Mitunter läßt der Autor sich zu Albernheiten hinreißen wie: Kinder aus Mischehen seien "im allgemeinen schön". Kinder aus homogenen Ehen, so schließen wir, sind es also weniger - ein rhetorischer Unfug, der frühere Diskriminierungsgefälle umgepolt reproduziert.

Die vermischungseuphorische Fröhlichkeit spaziert auch in Form der bunten Klecksmännchen von Charley Case durchs Buch, die der deutschen Ausgabe beigefügt wurden. Die Übersetzung von Christiane Kayser ist im allgemeinen korrekt, manchmal etwas unbeholfen und in einzelnen Fällen obskur: Die zum Rassismus gehörende Versuchung, wider besseres Wissen die Ausländer als Sündenböcke für seine eigenen persönlichen Schwierigkeiten verantwortlich zu machen, heißt nicht "schlechter Wille" (mauvaise foi), sondern Unehrlichkeit. Eine etwas weniger konsensheischende Argumentation, wie Daniel Cohn-Bendit sie im Nachwort gibt, wäre dem Buch zuträglich gewesen. Rückkehr aus den Utopien der Schulreform zu festen Klassenverbänden, Einführung der Ganztagsschule in Deutschland, fordert Cohn-Bendit und würde die versammelten fünfzehn Innenminister Europas am liebsten zu Nachhilfestunden bei Tahar Ben Jelloun über Toleranz verdonnern. Man könnte sich aber auch einen etwas strengeren Lehrer vorstellen.

JOSEPH HANIMANN

Tahar Ben Jelloun: "Papa, was ist ein Fremder? Gespräch mit meiner Tochter". Aus dem Französischen übersetzt von Christiane Kayser. Mit Illustrationen von Charley Case und einem Nachwort von Daniel Cohn-Bendit. Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 1999. 110 S., geb., 29,80 DM.

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