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In glänzend lakonischem Stil geschrieben handelt es sich um die Form eines fiktiven Gesprächs. Sein Thema: die moderne Macht unter verwaltungstechnischen Bedingungen. Macht definierte Schmitt als »soziales Geflecht« und »eigenständige Größe«.
Jeder Machthaber ist, so Carl Schmitt, »auf Berichte und Informationen angewiesen und von seinen Beratern abhängig. Eine Unmenge von Tatsachen und Meldungen, Vorschlägen und Vermutungen dringt Tag für Tag und Stunde für Stunde auf ihn ein. Aus diesem flutenden, unendlichen Meer von Wahrheit und Lüge, Wirklichkeiten und Möglichkeiten kann auch der…mehr

Produktbeschreibung
In glänzend lakonischem Stil geschrieben handelt es sich um die Form eines fiktiven Gesprächs. Sein Thema: die moderne Macht unter verwaltungstechnischen Bedingungen. Macht definierte Schmitt als »soziales Geflecht« und »eigenständige Größe«.

Jeder Machthaber ist, so Carl Schmitt, »auf Berichte und Informationen angewiesen und von seinen Beratern abhängig. Eine Unmenge von Tatsachen und Meldungen, Vorschlägen und Vermutungen dringt Tag für Tag und Stunde für Stunde auf ihn ein. Aus diesem flutenden, unendlichen Meer von Wahrheit und Lüge, Wirklichkeiten und Möglichkeiten kann auch der klügste und mächtigste Mensch höchstens einige Tropfen herausschöpfen.«

Schmitts Denken kreiste um Fragen der Macht, der Gewalt und der Verwirklichung des Rechts. Sein umfangreiches Werk ist von politischen Philosophen und Staatsdenkern wie Hobbes, Machiavelli, Rousseau, Donoso Cortés, Sorel und Pareto prägend beeinflusst. Das »Gespräch über die Macht« nimmt eine herausragende Stellung durch seine nachhaltige Wirkung ein.

Autorenporträt
Carl Schmitt (1888-1985) war einer der einflussreichsten deutschen Staats- und Völkerrechtler und politischen Philosophen des 20. Jahrhunderts. Gleichermaßen bekannt wie umstritten hatte er sich als einer der heftigsten Kritiker der Weimarer Republik, als »Kronjurist des Dritten Reiches« (Waldemar Gurian) und »geistiger Quartiermacher« des Nationalsozialismus (Ernst Niekisch) kompromittiert und wird doch als »Klassiker des politischen Denkens« (Herfried Münkler) immer wieder neu rezipiert.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.06.2008

Das Ohr des Souveräns
Carl Schmitt stellt sich selbst die Machtfrage
Das Buch hat ein schmales, hohes Format, wie man es zum Beispiel bei Weinführern gerne wählt, damit der Gentleman es stets in seinem Jackett bei sich trägt – schließlich kann jederzeit eine Situation eintreten, in der man eine gute Flasche Wein auswählen muss. Auch das hier anzuzeigende Buch kann man wie ein Handbrevier immer bei sich tragen: es funktioniert wie ein Begleiter, der immer kühlen Kopf bewahrt und einen ohne Flausen in allen Machtfragen berät.
Carl Schmitts „Gespräch über die Macht und den Zugang zum Machthaber” sollte ursprünglich ein echtes Gespräch sein, für das der NWDR aber vergeblich einen Gesprächspartner suchte: Damals, in den frühen fünfziger Jahren, hatte Carl Schmitt gerade erst die Nürnberger Prozesse mit erheblichen Blessuren hinter sich, war unter Wegfall aller Versorgungsbezüge aus dem Staatsdienst entlassen worden, publizistisch isoliert und richtete sich mit einer produktiven Giftigkeit in der Schmollecke ein, als gäbe es keinen anregenderen Ort für einen scharfzüngigen Denker. . .
Aus welchen Gründen auch immer – es gab Absagen von Raymond Aron, von Arnold Gehlen und von Helmut Schelsky. In dieser Situation bewies sich Schmitt als Meister des Befreiungsschlags und schlug dem verantwortlichen Rundfunkredakteur vor, das Gespräch alleine zu bestreiten und sich einen fiktiven Gesprächspartner, den jungen Studenten, selbst zu kreieren. Das so entstandene „Gespräch” wurde 1954 mit professionellen Sprechern als brillantes „Hör-Denkspiel”, wie es Friedhelm Kemp nannte, ausgestrahlt. Wenig später folgte eine Buchfassung.
Wie man auf Minenfelder lockt
Das Schwefelige, das die historische Figur Schmitt umgibt, setzte dieser, die öffentliche Meinung überbietend, in diesem inszenierten Gespräch selbst grell ins Licht. Für ihn, der zeitlebens ein unverbesserlicher Selbststilisierer war, bot die theatralische Form des Dialogs die ideale Bühne. Das Gruselige der Macht durfte nicht kleingeredet werden, damit derjenige an Größe gewinnt, der dem Phänomen unerschrocken in die Augen schaut. Vom Rundfunksprecher, welcher das „Gespräch” mit allerlei entschuldigenden Vorbemerkungen anmoderierte, stellte Schmitt denn auch befriedigt fest, dieser habe geklungen, „als käme jetzt etwas, was Gott verboten hat”.
Dieses „Gespräch über die Macht und den Zugang zum Machthaber” hat nun Klett-Cotta in einer schönen Ausgabe wiederaufgelegt. Weil der fingierte Gesprächspartner ein junger Student ist, gilt es, die Frage der Macht möglichst voraussetzungslos zu erörtern. Schmitt, didaktisch versiert und vom pädagogischen Eros erfüllt, genießt es, einen jungen Menschen auf das Minenfeld seines Denkens zu locken.
Das Gespräch nimmt seinen Ausgang mit der Überlegung, woher die Macht stammt. Sie komme weder von Gott, der bekanntlich tot sei, noch von der Natur, die für den Menschen alles Furchteinflößende verloren habe. Folglich spiele sich „alles, was die Macht und ihre Ausübung anbetrifft, nur zwischen Menschen ab”. Diese tauschten, ganz wie Thomas Hobbes es beschrieben hat, Schutz gegen Gehorsam. Solange der Machthaber die Machtunterworfenen zu schützen vermag, leisten sie ihm Gehorsam. Kann er den Schutz nicht mehr garantieren, wird der Gehorsam aufgekündigt.
Dies ist soweit eine konventionelle Betrachtungsweise. Schmitt will aber auf etwas anderes hinaus. Denn die Macht mag zwar von den Menschen stammen – einmal in der Welt, entfalte sie jedoch ihre Eigengesetzlichkeit. Zwar werde die Macht durch den Konsens der ihr Unterworfenen geschaffen, sie gewinnt dann aber einen „Mehrwert”, durch den sie den Konsens ihrerseits zu bewirken vermag: „Sie ist mehr als die Summe aller Zustimmungen.” Auf diesen Punkt kommt es Schmitt an. Die Macht ist eine selbständige Größe – und zwar nicht nur mit Blick auf den Konsens, der sie geschaffen hat, sondern ebenso mit Blick auf den Machthaber selbst. Auch diesem sind gegenüber der Eigengesetzlichkeit der Macht die Hände gebunden.
Dies vor allem deshalb, weil selbst der absolute Fürst auf Zuträger, Berater und Informanten angewiesen ist. Tausend Interessen liegen dem Machthaber in den Ohren und lösen immer mehr auf, was seine eigene, souveräne politische Entscheidung hätte sein sollen: „Eine Unmenge von Tatsachen und Meinungen, Vorschlägen und Vermutungen dringt Tag für Tag und Stunde für Stunde auf ihn ein. Aus diesem flutenden, unendlichen Meer von Wahrheit und Lüge, Wirklichkeiten und Möglichkeiten kann auch der klügste und mächtigste Mensch höchstens einige Tropfen herausschöpfen.”
Das aber heißt: Wer sich Zugang zum Machthaber verschafft, hat immer schon Teil an dessen Macht. Carl Schmitt gelingt es auf faszinierende Weise, die Frage nach dem Zugang zum Machthaber zur eigentlichen Wesensfrage der Macht überhaupt zu machen. Macht ist dann nämlich etwas, was sich in Kreisen um ein Machtzentrum herumlegt. Sie ist nicht mehr genau abgegrenzt, über Vermittlungen partizipiert jeder an ihr. Jenen, die die Macht gerne moralisch verdächtigen und die er in diesem Gespräch der Läppischkeit überführen möchte, bietet Schmitt so einen Machthaber, der zum Feindbild nicht taugt, weil er nurmehr in einem Netz von Einflüsterungen agiert. Wenn die Macht wesenhaft eine soziale Relation ist, gibt es keinen Alleinbesitz der Macht, sondern nur eine abgestufte Struktur der Machtteilhabe.
Das kann Schmitt, dem Verteidiger des Souveränitätsgedankens, naturgemäß nur zum Teil gefallen. Aber er will in diesem Gespräch, wie er anmerkt, nicht moralisch bewerten, sondern nur sehen, was Sache ist: „Vor jedem Raum direkter Macht bildet sich ein Vorraum indirekter Einflüsse und Gewalten, ein Zugang zum Ohr, ein Korridor zur Seele des Machthabers.” Die direkte Macht des Machthabers wird also unterspült und aufgeweicht von den indirekten Einflüssen seiner Antichambre. Hier sitzen die Höflinge, die Strippenzieher, die Ränkeschmiede, die Botschafter, die Mätressen, die Lobbyisten, die PR-Berater, die Leibärzte. Gegen diese indirekte Macht ist kein verfassungsrechtliches Kraut gewachsen. Man kann die Machtwege noch so sehr zu institutionalisieren versuchen, am Ende ist der kreatürliche Körper des Machthabers von Menschen umgeben, die sein Ohr haben, obwohl sie sozusagen keine Verfassungsorgane sind.
Schmitts Buch hat nichts von seiner Aktualität verloren: Weil das Küchenkabinett immer auch ein perfekter Projektionsraum ist, können in den Phantasien der Zeitgenossen Figuren aus dem Umkreis der Macht mythische Größe gewinnen: Bei Helmut Kohl war es seine Bürochefin Juliane Weber, bei Angela Merkel ist es ihre Büroleiterin Beate Baumann. Kohl übrigens wurde in seinem Umkreis gerne als „Selbstwähler” tituliert. Auch dies berührt die Frage nach dem Zugang zum Machthaber. Kohl, der jeden Kreisvorsitzenden telefonisch ohne Vermittlung persönlich anwählte, konnte sich stets die Loyalität der Basis erhalten, weil diese umgekehrt spürte, sein unmittelbares Ohr zu haben.
Überhaupt: Was früher die Antichambre war, ist heute das Handy. Von Angela Merkel gibt es viele Photos, die sie eine SMS lesend und beantwortend zeigen. Den Zugang zur Kanzlerin hat, wer ihre Handynummer besitzt und ihr während einer Sitzung des Bundestags die entscheidenden Informationen zukommen lässt. Die Rede eines Abgeordneten führt selten zu auffallenden Verhaltensänderungen, eine piepsend eintreffende SMS dagegen kann für Bewegung sorgen.
Carl Schmitt führt als allgemeine Beispiele für indirekte Machteinflüsse die Pilotfische der Haie an und die Haushälterin im katholischen Pfarrhaus. Die permanenten Einflüsterungen sind für den Machthaber natürlich eine Plage. Aber auch der lauteste Wutausbruch gegen die Camarilla schafft einem diese nicht vom Hals. Friedrich der Große, bemerkt Schmitt, war am Ende seines Lebens so misstrauisch, dass er nur noch mit seinem Kammerdiener Fredersdorff offen sprach. Der Brave wurde so zu einer einflussreichen Figur.
Indem Schmitt die Macht des Machthabers als stark gebundene darstellt, will er die Macht als Eigenwirklichkeit keineswegs kleinreden. Im Gegenteil: Gerade in der Neuzeit hätten die Machtmittel so zugenommen, dass nun die Macht jedes Menschenmaß übertreffe. Deshalb sei auch die Frage, ob die Macht gut oder böse sei, naiv: „Die Macht ist stärker als jeder Wille zur Macht, stärker als jede menschliche Güte und glücklicherweise auch stärker als jede menschliche Bosheit.” Man hört Schmitt förmlich glucksen vor Freude, wie er mit dieser wahrhaft außermoralischen Betrachtung dem jungen Studenten, aber auch dem braven Bürger wieder eine Gänsehaut über den Rücken gejagt hat.IJOMA MANGOLD
CARL SCHMITT: Gespräch über die Macht und den Zugang zum Machthaber. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2008. 95 Seiten, 16 Euro.
Wer die Handy-Nummer der Bundeskanzlerin besitzt, hat den direktesten Zugang zum Machthaber. Foto: Marc Darchinger
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Das "Schweflige" der historischen Figur Carl Schmitt sieht Ijoma Mangold in diesem fiktiven Gespräch richtig schön zur Geltung kommen. Wenn Schmitt didaktisch Macht als Tauschabkommen (Schutz gegen Gehorsam) erörtert und ihre Eigengesetzlichkeit noch für den Souverän als relevant ausgibt, lauscht Mangold fasziniert. Wie Schmitt durchaus gegen seine eigenen Überzeugungen Macht dezentralisiert, indem er prüft, "was Sache ist", dies und sein Jacketttaschen-Format machen das Buch für Mangold zum Handbrevier in Machtfragen.

© Perlentaucher Medien GmbH