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Als Melitta von Stauffenberg im Januar 1943 von Hermann Göring höchstpersönlich das Eiserne Kreuz II. Klasse erhält, ist dies der vorläufige Höhepunkt einer fast unglaublichen Karriere. Nicht nur beherrscht sie als Testfliegerin und Ingenieurpilotin alle damals bekannten Flugzeugtypen, hat sagenhafte zweitausend Sturzflüge absolviert, selbst ausgewertet und so den Bombenkrieg der Luftwaffe perfektioniert - sie bewahrt auch ein Geheimnis: «Flugkapitän Gräfin Stauffenberg» ist nach den Kriterien der Nazis eine «Halbjüdin». Nur mit Hilfe von ganz oben gelingt es ihr, den Fängen der Rassenjustiz…mehr

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Produktbeschreibung
Als Melitta von Stauffenberg im Januar 1943 von Hermann Göring höchstpersönlich das Eiserne Kreuz II. Klasse erhält, ist dies der vorläufige Höhepunkt einer fast unglaublichen Karriere. Nicht nur beherrscht sie als Testfliegerin und Ingenieurpilotin alle damals bekannten Flugzeugtypen, hat sagenhafte zweitausend Sturzflüge absolviert, selbst ausgewertet und so den Bombenkrieg der Luftwaffe perfektioniert - sie bewahrt auch ein Geheimnis: «Flugkapitän Gräfin Stauffenberg» ist nach den Kriterien der Nazis eine «Halbjüdin». Nur mit Hilfe von ganz oben gelingt es ihr, den Fängen der Rassenjustiz zu entkommen. Für einige Jahre kann sie sich sicher wähnen - bis sie nach dem 20. Juli 1944 in Sippenhaft genommen wird. Enkelin eines jüdischen Textilhändlers aus Odessa, Schwägerin des späteren Hitler-Attentäters, Stuka-Amazone, tragische Heldin ihrer Zeit: Melitta von Stauffenbergs Geschichte erscheint fast wie ein Spiegelbild des totalitären 20. Jahrhunderts, das Eric Hobsbawm das «Zeitalter der Extreme» genannt hat. Ihre Liebe zum feingeistigen Althistoriker Alexander von Stauffenberg war genauso bedingungslos wie ihre Hingabe an die Fliegerei, die ihr am Ende zum Verhängnis wird. Thomas Medicus beschreibt auf der Grundlage bisher unbekannter Quellen dieses ebenso faszinierende wie radikale Leben. Ein einzigartiges Frauenschicksal - und ein dramatisches Kapitel deutscher Geschichte.

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Autorenporträt
Thomas Medicus, geboren 1953 in Gunzenhausen, studierte Germanistik, Politikwissenschaften und Kunstgeschichte. Nach seiner Promotion schrieb er u. a. für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", war Feuilletonredakteur des Berliner "Tagesspiegel" sowie stellvertretender Feuilletonchef der "Frankfurter Rundschau". Thomas Medicus lebt als freier Publizist in Berlin und in Dolgie/Polen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.03.2012

Frau, Fachkraft,
Fliegerin
Thomas Medicus erzählt das Leben der Ingenieurpilotin
Melitta von Stauffenberg  Von Johannes Willms
Wie bekannt, ging eine bürgerliche und technikbegeisterte Elite dem Nationalsozialismus dienstbeflissen auf den Leim. Deren Phänotyp ist der Leibarchitekt des Führers, der spätere Rüstungsminister Albert Speer, der neben Hitler und Goebbels den wohl größten Anteil daran hatte, dass das „Tausendjährige Reich“ zwölf Jahre bestand. Unter der großen Schar von Wissenschaftlern und Technikfreaks, die sich auf den Spielwiesen tummelten, die ihnen ein auf Maximierung des militärischen Zerstörungspotentials versessenes Regime zur Verfügung stellte, waren auch einige Frauen. Wenn sie „ihren Mann“ standen, aber dennoch mit weiblicher Grazie bestachen, dann erfreuten sie sich des mit manchen Vorteilen garnierten Vorzugs, dass das Regime sich mit ihnen ostentativ schmückte.
Das galt zumal für Frauen, die sich in der männlichen Domäne der Fliegerei tummelten. Eine von ihnen war Melitta Schiller, die 1903 in Krotoschin im westpreußischen Posen als drittes von fünf Kindern des Königlich Preußischen Landesbauinspektors geboren wurde. Unter den rund 50 Geschlechtsgenossinnen, denen es bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs gelang, im Flugwesen zu brillieren, behauptet Melitta Schiller in vieler Hinsicht eine Ausnahmestellung. Die Gründe, die dafür den Ausschlag gaben, hat Thomas Medicus in einer brillant geschriebenen und dokumentierten Biographie entfaltet, die erhellt, was unvorstellbar erscheint: die Pathogenese einer deutsch-jüdischen Assimilation in Zeiten des massenmörderischen Antisemitismus. Das mutet ungeheuerlich an, allein der Lebensweg der Melitta Schiller, wie ihn Thomas Medicus akribisch schildert, liefert dafür die unumstößliche Evidenz.
Melitta Schillers Vorfahren väterlicherseits waren Juden aus dem galizischen Brody. Der Großvater, Moses Hirsch, ließ sich 1860 in Leipzig nieder, wo er unter dem neuen Namen Moritz Schiller als erfolgreicher Inhaber eines Handelsgeschäfts reüssierte. In Leipzig wurde auch Melittas Vater Michael geboren, der als Kind zwar die dortige Israelitische Grundschule besuchte, aber dann konsequent den Weg der Assimilation, den der Vater bereits zaghaft eingeschlagen hatte, weiterging und Ingenieurwissenschaften studierte. Nach Abschluss des Studiums ließ sich Michael Schiller taufen und nahm die protestantische Konfession an. Der Glaubenswechsel war die Voraussetzung für seine Anstellung als preußischer Beamter. Ein letzter Schritt zur Assimilation war die „Mischehe“ mit der Tochter eines protestantischen Schulrats.
Aber trotz der „reichsdeutsch-preußischen Identität“, in die, wie Thomas Medicus schreibt, Michael Schiller „wie in einen maßgeschneiderten Anzug hineinschlüpfte“, war dieser raschen Assimilation sehr viel „Mimikry“ eigentümlich, die „anderswo als in der Provinz Posen nicht so leicht funktioniert hätte“. Die Erklärung dafür ist einleuchtend, denn Krotoschin war ein Ort der preußisch-deutschen Diaspora im überwiegend polnisch besiedelten Posen. Hier fiel es einem konvertierten Juden trotz des herrschenden Antisemitismus leichter, sich als beamteter Ingenieur in die lokale Elite zu integrieren. Deren Angehörige repräsentierten eine kulturelle und politisch unbedingt patriotisch, deutsch-national eingefärbte Norm, die Michael Schiller auch seinen Kindern vermittelte: vorbehaltlose Anpassung als unverzichtbare Voraussetzung für den eigenen Erfolg.
Das war eine Lehre, die Melitta Schillers Leben beherrschte. Ihrer mathematischen Begabung folgend begann sie 1922 in München ein naturwissenschaftliches Studium, das sie 1927 als Diplomingenieurin im Fach „Technische Physik“ abschloss. Damit hatte sie das Entrée-Billet für eine Karriere in der deutschen Luftfahrtindustrie erworben, die sich Ende der 20er Jahre zu entwickeln begann. Unter anderen jungen Frauen, die sich damals für die Fliegerei begeisterten und zu Tagesberühmtheiten wurden, war sie jedoch die einzige, die diese Leidenschaft mit ingenieurwissenschaftlichem Erkenntnisinteresse verband.
Das war die entscheidende Voraussetzung dafür, dass Melitta Schiller zu einer unverzichtbaren Fachkraft avancierte, sobald die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen und die deutsche Flugzeugindustrie mit dem Ziel ankurbelten, eine schlagkräftige Luftwaffe zu entwickeln. Diesem Ziel diente die junge hochbegabte Frau, die nach den Nazi-Rassegesetzen als „Halbjüdin“ und damit als Paria galt, unter Einsatz ihres Lebens, das sie bei mehreren tausend von ihr absolvierten Stürzflügen immer wieder neu aufs Spiel setzte, um unter anderem das Zielvisier der Sturzkampfbomber zu verbessern. Das Regime dankte ihr dies neben einem guten Gehalt 1937 mit der Ernennung zum Flugkapitän und dekorierte die „Soldatin ohne Uniform“ im Januar 1943 mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse, das ihr Hermann Göring anheftete. Dass eine Frau, eine Fliegerin zumal, diese Auszeichnung erhielt, war höchst ungewöhnlich, weshalb es auf der Hand liegt, dass in dieser Phase des Krieges damit propagandistische Absichten verfolgt wurden.
Eine intelligente Frau wie Melitta Schiller konnte, so muss man vermuten, weder so blindnaiv noch so unpolitisch sein, dass ihr nicht die zahlreichen Widersprüche, in denen sie lebte, ja die existentielle Gefahr, der sie als Testpilotin und „Halbjüdin“ permanent ausgesetzt war, zu schaffen machten. Davon konnte jedoch, wie Thomas Medicus überzeugend darlegt, keine Rede sein. Was sie vor der Wahrnehmung aller Widersprüche und Gefahren schützte, war nicht nur professionelle Leidenschaft, sondern vor allem auch der unbedingte Wille zur Anpassung um den Preis einer das eigene Selbst verleugnenden Mimikry, den ihr der Vater vorgelebt und eingeimpft hatte. Dafür steht nicht zuletzt die Ehe ein, die sie im Sommer 1937 mit dem Stefan-George-Jünger und Althistoriker Alexander Schenk Graf von Stauffenberg schloss.
Trotz aller scharfsinnigen Mutmaßungen, die ihr Biograph anstellt, dieses Rätsel einer Ehe zweier nach Herkommen und Interessen völlig unterschiedlicher Charaktere zu erhellen, so ist auch hier Anpassung und Mimikry von ihrer Seite als plausibles Motiv anzusehen.
Ihre Ehe konfrontierte Melitta mit etwas, was sie bislang ignoriert hatte, denn als ihr Mann einen Lehrstuhl antreten wollte, musste er den „Ariernachweis“ seiner Frau vorlegen. Jetzt kam auf, dass Melitta nach den Rassegesetzen der Nazis ein „jüdischer Mischling ersten Grades“ war. Das hätte die Verbeamtung verhindert, es sei denn, er ließe sich scheiden, was er aber als Ehe- und Ehrenmann ablehnte. Dank guter Beziehungen gelang es Melitta jedoch diesen Ehe und Existenz bedrohenden „Makel“ zu löschen: Das „Reichssippenamt“ erklärte sie als „reichsblütig“, eine Ausnahmeregelung, in deren Genuss, wie Thomas Medicus mitteilt, von rund 10 000 Antragstellern zwischen 1935 und 1941 weniger als 300 gelangten.
Spätestens damit stellte sich dem Biographen die Frage, wie es „um Melittas Loyalität angesichts des mörderischen Antisemitismus eines Staates bestellt war, dessen Verfolgung sie soeben durch einen staatlichen Gnadenakt entkommen war“. Die Antwort ist, wie der bisherige Lebensweg erahnen lässt, nicht Aufbegehren oder gar Widerstand, sondern Steigerung der bereits überdurchschnittlichen Leistungsbereitschaft, um zu vermeiden, dass „Zweifel an ihrer Treue zur nationalsozialistischen Volks- und Wehrgemeinschaft aufkommen“ konnten.   Im Lichte dieses Verhaltens scheint es unwahrscheinlich, dass Melitta in das Attentat auf Hitler eingeweiht war, das der Bruder ihres Mannes, Claus von Stauffenberg, verübte. Eine nach dem 20. Juli 1944 verbreitete Legende behauptet, sie hätte das Flugzeug steuern wollen, mit dem ihr Schwager ins Führerhauptquartier fliegen sollte, um den Anschlag auszuführen. Das sind jedoch, wie Medicus zeigt, lediglich opportune Vermutungen, zu denen Alexander von Stauffenberg einen wirkungsmächtigen symbolischen Beitrag leistete. In einer dem Vorbild Georges verpflichteten raunenden Poesie errichtete er „das Standbild einer Trinität des Widerstands aus Claus, Berthold und Melitta von Stauffenberg, das monumental in unerreichbare moralische Himmelshöhen emporragt“.
Diese Legende mit überzeugenden Einwänden, Beweisen und Argumenten zu widerlegen, ist keineswegs das geringste Verdienst dieser Biographie, mit der die so grauenhaft gescheiterte deutsch-jüdische Assimilation am Beispiel der Diplomingenieurin Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg aus so bislang nicht gekannter Perspektive beleuchtet wird.
Vorbehaltlose Anpassung war
der Preis für die deutsch-
jüdische Assimilation
Nicht Aufbegehren oder gar
Widerstand, sondern Steigerung
der Leistungsbereitschaft
Thomas Medicus
Melitta von Stauffenberg
Ein deutsches Leben. Rowohlt Berlin, Berlin 2012. 413 Seiten, 22,95 Euro.
Melitta von Stauffenberg absolvierte mehrere tausend Sturzflüge, auch um das Zielvisier der Sturzkampfbomber zu verbessern. Hier ist sie auf dem Flugplatz Gatow zu sehen (um 1943). Foto: Wenka-Maria Hagemeister
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.03.2012

Der dritte Feuerstoß
Thomas Medicus über Melitta von Stauffenberg, Schwägerin des Hitler-Attentäters

Beim Namen Stauffenberg denken viele sofort an den Hitler-Attentäter Claus, vielleicht auch an seinen älteren Bruder Berthold. Der Völkerrechter beim Oberkommando der Kriegsmarine stand als Mitverschwörer des 20. Juli 1944 vor dem Volksgerichtshof, endete am 10. August schrecklich am Galgen in Plötzensee. Dessen Zwillingsbruder war der in Würzburg (und später bis zu seinem Tode 1964 in München) lehrende Althistoriker und Dichter Alexander von Stauffenberg, der mit Ehefrau Melitta nach dem gescheiterten Umsturzversuch - wie die allermeisten Verwandten der Widerständler, ob jung oder alt - in "Sippenhaft" kam.

Die Diplomingenieurin und Testpilotin Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg, mit dem Titel eines Flugkapitäns sowie dem Eisernen Kreuz II. Klasse und dem Goldenen Pilotenabzeichen der Luftwaffe ausgezeichnet, konnte bereits am 2. September 1944 auf Weisung des Reichsführers-SS ihre Tätigkeit als Vorstand der "Versuchsstelle für Flugsondergerät" in Gatow fortsetzen. Sie durfte sogar ihren Ehemann und andere Stauffenbergs, vor allem die Witwen von Claus und Berthold sowie deren Kinder, in verschiedenen Haftanstalten, Lagern und Heimen besuchen. Wie auch am 8. April 1945, als sie von Regensburg aus mit einer Bücker 181 startete, um "Sippenhäftling" Alexander wiederzusehen.

Zur besseren Orientierung flog sie entlang der Bahnstrecke Straubing - Passau, bis plötzlich ein amerikanisches Jagdflugzeug auftauchte. Der Publizist Thomas Medicus fühlt sich in diese Situation ein und hebt die Schnelligkeit der P-51 Mustang hervor: "Auch die am blauen Himmel über dem niederbayerischen Donautal einsam dahinziehende Melitta hat keine Chance. Dass sie nur ein unbewaffnetes Sportflugzeug fliegt, bedeutet keinen Schutz vor einem militärischen Angriff. Der Pilot der P-51 gibt zwei Feuerstöße aus seinen vier in den Flügeln sitzenden Maschinengewehren ab. Keine zwei Kilometer von der in einem Bogen südöstlich fließenden Donau entfernt kippt die Bücker nach links ab und stürzt auf einen Acker." Dies beobachten in Straßkirchen zwei Männer und fahren mit ihren Fahrrädern zur Absturzstelle. "Bitte, helfen Sie mir", sind Melittas letzten Worte. Auf dem Weg ins Straubinger Krankenhaus ist sie "ihren unsichtbaren Verletzungen stumm erlegen". Laut Medicus starb die erst 42 Jahre alte Ingenieurpilotin "in der Sprache ihrer Zunft" den "Fliegertod". Als junges Mädchen soll sie sich in Posen während des Ersten Weltkrieges gewünscht haben, einmal "als Fliegerin ins Feld zu gehen". Im unbewaffneten Sportflugzeug abgeschossen zu werden sei "angesichts ihrer Selbstaufopferung für die Sippenhäftlinge" ungerecht gewesen.

Das Leben der fliegenden Gräfin wird nun trotz dürftiger Quellenlage besichtigt und wortreich seziert. Die am 9. Januar 1903 im westpreußischen Krotoschin geborene Melitta Schiller war Enkelin eines jüdischen Großhändlers aus Odessa. Ihr Vater, ein Baurat, konvertierte zum Protestantismus. Melitta studierte Technische Physik in München, machte Anfang der zwanziger Jahre einen Segelfliegerschein und genoss früh die Förderung von Ernst Udet, dem legendären Jagd- und Kunstflieger, dem Kriegs- und Filmhelden, der sich dann als Hermann Görings überforderter Generalluftzeugmeister Ende 1941 das Leben nehmen sollte.

Bald kam der Motorflug hinzu, wobei Medicus herausstellt, dass Melitta nicht zu den "rekordsüchtigen jungen Frauen" gehörte, die damals durch Langstreckenrekorde und Abenteuerrouten im Scheinwerferlicht der Medien standen. Bei ihr spielten Wissenschaft und Forschung eine entscheidende Rolle. Die Aerodynamikerin mit sämtlichen Flugzeugführerscheinen lernte ihren späteren Mann 1931 bei einer Hochzeitsfeier kennen. Der stark vergeistigte Alexander - wie seine Brüder Claus und Berthold noch ganz im Banne des "monosexuellen Kreises" um den Dichter Stefan George - und die mittlerweile in der Rüstungsindustrie tätige Flugpionierin heirateten 1937. Bei der Eheschließung hatte Melitta wohl falsche Angaben gemacht und geriet deshalb ein Jahr später ins Visier von NS-Sippen-Nachforschern, die dem Würzburger Geschichtsprofessor im Mai 1940 mitteilten, dass seine Frau "jüdischer Mischling mit zwei der Rasse nach voll jüdischen Großeltern" sei. Umgehend bemühte sich Melitta um "eine Befreiung vom Nürnberger Reichsbürgergesetz". Bedeutsam könnte hier Udets Protektion gewesen sein, meint Medicus. "Als die Bescheinigung der ,Deutschblütigkeit' durch den ,Führer' am 25. Juni 1941 auf dem Tisch lag, setzte Melitta ihre Teststurzflüge für den deutschen Endsieg wie in all den Tagen, Wochen und Monaten zuvor fort. Drei Tage vorher war die Wehrmacht in die Sowjetunion einmarschiert, begannen die Einsatzgruppen ihr Morden, entwickelte sich der Krieg gegen die Sowjetunion zum Vernichtungs- und Rassenkrieg."

Bisher war in Werken des Widerstandsforschers Peter Hoffmann, aber auch in der 1990 erschienenen sehr informativen Biographie von Gerhard Bracke über die Fliegerin die These vertreten worden, dass Melitta Stauffenberg in die Umsturzpläne ihrer Schwäger eingeweiht gewesen sei und bereitgestanden habe, den Hitler-Attentäter Claus ins "Führerhauptquartier" nach Ostpreußen und zurück zu fliegen. Der quellenkritische Autor Medicus sieht darin zu Recht eine Legende, die vor allem auf Jutta Rudershausen zurückgeht, eine Schwester Melittas. Sie verfasste zum 70. Geburtstag für die Wochenzeitung "Die Zeit" einen Gedenkartikel und konnte danach ihr Manuskript "Frau in den Wolken" an das ZDF verkaufen, das auf dieser Grundlage und prominent besetzt das Dokumentarspiel "Fliegen und Stürzen" drehte - ausgestrahlt am 6. Januar 1974 zur besten Sendezeit.

Den Geschwistern Klara Schiller, Otto Schiller und Jutta Rudershausen sei es nach 1945 darum gegangen, die Fliegerin zur Widerstandskämpferin zu stilisieren. Sie wollten die jüdische Herkunft der Familie nach wie vor "unter den Tisch fallen" lassen und manche eigene nationalsozialistische Verstrickung "unter den Teppich" kehren. Klara habe 1975 versucht, Marion Gräfin Dönhoff als Herausgeberin für ein Buchprojekt über Melitta zu gewinnen. Doch die "Zeit"-Chefin winkte wegen Arbeitsüberlastung ab - nach Medicus nur ein Vorwand, weil sie zu klug war, "um sich an solch einem undurchsichtigen Fall die Finger zu verbrennen. Vielleicht wusste sie sogar von der ,Gleichstellung' und ahnte, welche Machenschaften damit verbunden sein konnten". Mit der Absage sei "das Unternehmen ,Gräfin nobilitiert Gräfin', in dem die eine der anderen postum die höheren Weihen einer Beteiligung am 20. Juli verleiht, endgültig gescheitert".

Der totale Staat habe den Schillers totale berufliche Entfaltungsmöglichkeiten geboten, so das harte Resümee. Melitta schloss "einen unpolitischen Pakt mit dem Nationalsozialismus". Mit Bekanntwerden ihrer Herkunft "drohten ihr die Verfolgungen und Diskriminierungen, denen ,Mischlinge' im NS-Staat ausgesetzt waren. Ihre ,Gleichstellung' mit ,Deutschblütigen' bewahrte sie davor." Hätte sie nicht alles darangesetzt, aus ihrer Haft nach dem 20. Juli freizukommen, dann "hätte sie zusammen mit ihrem Mann Alexander von Stauffenberg als Geisel der SS sogar überleben können. Darauf aber schien es Melitta von Stauffenberg nicht anzukommen." Anfang 1945 konnte jeder Flug ihr letzter sein. "Ob ihre Verzweiflung an jenem 8. April, an dem sie den Tod fand, größer war als ihr Mut, weiß niemand." Aufmerksame Leser erinnern sich: Zwei Salven gab der amerikanische Pilot einst ab, und mit einem dritten Feuerstoß - samt Häme über die Schiller-Geschwister - will ein wenig sensibler Biograph die Gräfin endgültig vom Himmel holen. Vergeblich.

RAINER BLASIUS

Thomas Medicus: Melitta von Stauffenberg. Ein deutsches Leben. Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2012. 414 S., 22,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als "grauenhaft gescheitertes" Beispiel deutsch-jüdischer Assimilation bezeichnet Johannes Willms das Leben der Melitta von Stauffenberg, von dem Thomas Medicus in seiner "brillant geschriebenen" und bestens dokumentierten Biografie erzählt. Geboren als Melitta Schiller war sie die Tochter eines zum Christentum konvertierten jüdischen Ingenieurs aus Leipzig, die als Testpilotin zu einer der Vorzeigepilotinnen des Dritten Reichs wurde. Als sich ihr Mann, der Althistoriker Alexander Schenk Graf von Stauffenberg, der Bruder des Hitler-Attentäters, verbeamten lassen wollte, erklärte sie das "Reichssippenamt" in einer Ausnahmeregelung für "reichsblütig" (!). Willms entnimmt der Darstellung von Medicus, dass sich Melitta von Stauffenberg für diesen Wahnwitz mit 150-prozentiger Anpassung bedankte. Dass sie in die Attentatspläne eingeweiht gewesen soll, verabschiedet Willms nach dieser Biografie getrost ins Reich der Legenden.

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