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Präzise, überraschende und respektvoll perfide Porträts großer Autoren - aus weiblicher Sicht.
Die Klassiker der Literatur: In der erdrückenden Mehrzahl sind sie männlich. Eine Ödnis für Leserinnen? Keineswegs! Die virtuose Leserin Ulrike Draesner präsentiert uns ihre ganz eigene Ruhmeshalle männlicher Autoren: präzise, überraschende und respektvoll perfi de Porträts von Helden wie Heinrich von Kleist, Thomas Mann, Karl Valentin und vielen anderen.
Männer haben es schwer. Denn sie müssen Helden sein. Nicht wenige der »klassisch« gewordenen Autoren haben sich in kriegerischen, heldischen
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Produktbeschreibung
Präzise, überraschende und respektvoll perfide Porträts großer Autoren - aus weiblicher Sicht.

Die Klassiker der Literatur: In der erdrückenden Mehrzahl sind sie männlich. Eine Ödnis für Leserinnen? Keineswegs! Die virtuose Leserin Ulrike Draesner präsentiert uns ihre ganz eigene Ruhmeshalle männlicher Autoren: präzise, überraschende und respektvoll perfi de Porträts von Helden wie Heinrich von Kleist, Thomas Mann, Karl Valentin und vielen anderen.

Männer haben es schwer. Denn sie müssen Helden sein. Nicht wenige der »klassisch« gewordenen Autoren haben sich in kriegerischen, heldischen Rollen versucht. Aber hat das Schreiben nicht per se etwas Unheroisches, ja Subversives? Ulrike Draesner spürt den Ursprüngen der Idee vom Helden nach, sie zeigt Schriftsteller in ihren heldischen und hinreißend unheldischen Posen und erzählt mit stupendem Wissen und großer Originalität von ihren Leseabenteuern. Und wie schon bei den Essays zu den »Schönen Frauen«, wo sich Flaubert unter die Autorinnen gemogelt hat, darf sich mit Tania Blixen auch eine Autorin zu den heimlichen Helden gesellen.
Autorenporträt
Ulrike Draesner, 1962 in München geboren, wurde für ihre Romane, Essays und Gedichte vielfach ausgezeichnet. Zuletzt erhielt sie den Großen Preis des Deutschen Literaturfonds (2021) für ihr Gesamtwerk, das multimediale Arbeiten und Übersetzungen einschließt. Die Jahre 2015 bis 2017 verbrachte Draesner in England. Nach verschiedenen internationalen Gastdozenturen und Poetikvorlesungen ist sie seit April 2018 Professorin am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Draesner lebt mit ihrer Tochter in Berlin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Nicole Henneberg kann gar nicht sagen, welcher der "schönste und spannendste" Essay von Ulrike Draesners "Heimliche Helden" ist. Die Kritikerin ist schlichtweg begeistert von den ebenso klugen wie humorvollen Essays, die die auch im Bereich der bildenden Kunst und in den Naturwissenschaften bewanderte Autorin hier zusammengetragen hat. Und so liest sie mit größtem Vergnügen Draesner literarische, psychologische und vor allem äußerst persönliche Interpretationen und Leseerfahrungen zu Werken etwa von Kleist, Joyce, Thomas Mann bis zu Hans-Joachim Schädlich und Gerhard Falkner. Henneberg hat geradezu das Gefühl, die Autorin schaue ihren Kollegen "behutsam und neugierig" zugleich über die Schultern: So erfährt sie etwa, wie viele der Autoren Zweifel, Trauer und eigenes Begehren "heimlich" in ihren Figuren und Texten zu verstecken versuchten - etwa Thomas Mann, der laut Draesner seine erotischen Sehnsüchte auch noch im "Felix Krull" offenbarte. Draesners Buch ist ein "unerschöpfliches" Leseerlebnis, lobt die Kritikerin.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.07.2013

Exakt
getaktet
Ulrike Draesners gesammelte
Essays über Literatur
Wie schreibt man Essays über Literatur? Ulrike Draesner, Germanistin, Übersetzerin, Lyrikerin und Romanautorin, bringt für diese Aufgabe die besten Voraussetzungen mit. In ihrem aktuellen Buch versammelt sie mit Ausnahme von zwei neu geschriebenen Beiträgen Aufsätze über so unterschiedliche Dichter wie Wolfram von Eschenbach, Kleist oder Gottfried Benn, die sie an verstreuten Orten bereits zuvor veröffentlicht hat.
  Draesner hat sich bekanntlich immer schon für das Verhältnis der Literatur zu den neuen Medien und zur Naturwissenschaft interessiert. Sie hat nach dem öffentlichen Bild von Dichterinnen gefragt und das Verhältnis von Poesie und Physiologie erforscht. Beide Blickrichtungen sind auch im vorliegenden Band präsent. In ihrem Beitrag über das Nibelungenlied – Draesner hat über den „Parzival“ promoviert – schlägt sie vor, das Heldenepos wie ein Computerspiel zu betrachten. Die Protagonisten treten immer zusammen mit anderen Recken auf und bilden einen kollektiven Körper. In ihrer noch recht rudimentären Individualität erscheinen sie den Gestalten eines Computerspiels verwandt. Siegfried und Hagen, so Draesner, seien Figuren zwischen Mensch und Maschine, charakterisiert durch ein unterschiedliches Management im Umgang mit Informationen. In der Verfremdung wird der mittelalterliche Text neu lesbar.
  Und ebenso hat die Naturwissenschaft ihren Platz in diesem Buch. Draesner stellt den Insektenforscher Jean-Henri Fabre vor, der versuchte, seine lebenslangen Feldversuche mit Bienen, Raupen und Larven in einer minutiös beschreibenden Prosa festzuhalten. Die Autorin folgt seinem Versuch, Wissenschaft zu erzählen, eine Balance zu finden zwischen Nähe und Kontrolle, Subjektivität und Objektivität.   
  In Johann Peter Hebels Kalendergeschichten wiederum entdeckt die Autorin ein Leitmotiv: das Kästchen. Die Geschichten seien nicht nur selbst Tagesbehältnisse, sondern Hebels Erzählen insgesamt sei ein Kästchen, durchzogen von Motiven wie Haus, Schiffsbauch, Keller, Bergwerk und Grab. Die Grundfrage lautet: „Wie kann etwas in etwas anderem gefasst oder gefangen sein, bewahrt oder versteckt?“
  Ähnlich eindringlich ist Draesner Kleist auf der Spur. Für zentral in dessen Werk hält sie die Metapher des Blitzes. Der Blitz charakterisiert nicht nur das zu Kleists Zeit in der deutschen Literatur neu entstehende Genre der Novelle, sondern auch seine „drängende, scharf gedachte Prosa“ und sein kurzes Leben insgesamt. Eine Figur im „Käthchen von Heilbronn“ heißt nicht von ungefähr Graf Wetter vom Strahl. „Stark fokussieren“ sei Kleists Verfahren. In der „Marquise von O. . .“ sieht Draesner das Werfen und Stoßen als eine dem Blitz verwandte Bewegung. In einem fort würden Feuer, Blitze oder auch Spermien hervorgeschleudert, Pistolenkugeln abgeschossen. Die Modernität dieses Schriftstellers liege darin, dass er sich in Schnitt und Regie, in der Konzentration auf Gesten und knappen Wortwechsel auskenne. „Kein Kafka ohne Kleist“, schreibt Draesner. Besondere Aufmerksamkeit scheint ihr in dieser Novelle eine inzestuös anmutende, schillernde Szene zwischen Vater und Tochter wert zu sein, die von der Spannung zwischen plastisch ausgemaltem Skandal und gleichzeitiger Verharmlosung lebt.
  Ein weiterer Aufsatz gilt Gottfried Benn. Ausgehend von der autobiografischen Schrift „Doppelleben“ wird hier der Dichter als Figur der Widersprüche porträtiert. Benn hatte anfangs zweifellos mit den Nationalsozialisten sympathisiert, sich dann aber für die innere Emigration entschieden; die Volksgenossen verachtete er als Spießer. „Doppelleben“ bleibt ambivalent. Der Dichter sucht nach dem Krieg nach Rechtfertigungen für sein Verhalten während des Dritten Reichs und weicht Fragen zugleich aus; der Text sei eine Mischung aus „Klarheit und Nebelwurf“. So skizziert die Autorin ein Stück deutscher Geistesgeschichte und seiner Verstricktheit.
  Ein Kapitel des Essays beschäftigt sich mit Benns Verhältnis zu den Frauen, das von mehreren Ehen, Promiskuität und nicht zuletzt Einsamkeit geprägt war. Am Ende bleibt nur wenig Platz, um auf die Schönheiten von Benns Lyrik einzugehen. Am Beispiel Karl Valentins deckt Draesner dann eine geheime Verwandtschaft zwischen Komik und Lyrik auf: „Kurze Texte sind gnadenlos, sie müssen exakt getaktet sein, allemal, wenn jemand lachen soll.“
  Draesner schreibt äußerst anschaulich über Literatur und bemüht sich gleichzeitig um begriffliche Klarheit. Ihre Texte könnten sich in der Literaturwissenschaft sehen lassen, haben aber einen literarischen Sound. Im Unterschied zum Gros der akademischen Philologie schwimmen sie in keinem vorgegebenen Diskurs mit, sondern suchen nach einer eigenen Perspektive. Den Werken der Vergangenheit kann man nahekommen, wenn man sich ins Ungeschützte der Gegenwart begibt und den Sprung in die Erzählung wagt – das beweist Ulrike Draesners bemerkenswerte Essayistik.
EBERHARD GEISLER
Ulrike Draesner: Heimliche Helden. Über Heinrich von Kleist, James Joyce, Thomas Mann, Gottfried Benn u. v. a. Luchterhand Literaturverlag, München 2013. 368 Seiten, 19,99 Euro, E-Book 15,99.
Draesner findet einen
eigenen Zugang – jenseits vom
akademischen Diskurs
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.08.2013

Skispringer mit Hermesbeinen

Die Geheimnisse anderer entlarvend, die eigenen Heimlichkeiten nicht ganz verbergend: In ihren klugen und gewitzten Essays zur Literatur macht Ulrike Draesner den Leser zum Helden.

Ich lese Literatur, weil ich die Rückwirkungen der Kategorienaufweichung in mein Leben nicht missen möchte", schreibt die Schriftstellerin Ulrike Draesner in ihrem Essayband "Heimliche Helden", "weil ich am Beispiel von Figuren lerne, wie vielfältig Welt sich erleben und beantworten lässt."

Literarisch, psychologisch und vor allem sehr persönlich liest und interpretiert Ulrike Draesner in ihrem neuen Buch Werke großer Autoren, vom Nibelungenlied über Kleist, Joyce und Thomas Mann bis zu Hans-Joachim Schädlich und Gerhard Falkner. Sogar mit der lyrischen Komik von Karl Valentin beschäftigt sie sich. Und sie ist zur Freude des Lesers respektlos genug, sich dicht neben ihre schwadronierenden, schwindelnden und Haken schlagenden Kollegen zu stellen, um ihnen über die Schulter zu schauen - woraufhin sie sich schnell erstaunt und amüsiert in einem Gestrüpp von Paradoxien, Ambivalenzen und Projektionen wiederfindet.

Welcher dieser elegant geschriebenen Essays der schönste und spannendste des umfangreichen Bandes ist, lässt sich schwer sagen. So funkelt das Protokoll einer heutigen Lektüre des Nibelungenliedes vor frechen Einfällen und zeigt den Helden als wandelnden Widerspruch, bedroht von Selbstmordattentätern und kontrolliert vom machtbesessenen Datenmanager Hagen. Ihm folgen "Helden des Kampfes und der Brut", die dramentechnische Analyse der Feldversuche Jean-Henri Fabres, der seine geliebten Krabbeltiere als rätselhafte, zähe Krieger auftreten lässt: stachelbewehrt, mutig und manchmal übermütig. Der Meistererzähler, der 1912 für den Literaturnobelpreis nominiert war, erscheint nicht nur als Vorläufer der Verhaltensforschung, sondern auch der Ökophysiologie.

Draesners heimliche Helden sind in der "Marquise von O." oder den "Bekenntnissen des Hochstaplers Felix Krull" nicht nur die männlichen Hauptfiguren, sondern auch ihre Erfinder, die Zweifel, Trauer und eigenes Begehren in Figuren und Texten verstecken. "Vertraut, verborgen, zahm" heißt "heimlich" auf Mittelhochdeutsch, und man muss sich nur das bis ins Brautbett hinein verschworene Duo Siegfried und Gunter aus dem Nibelungenlied vor Augen führen, um zu erkennen, wie verletzlich diese Helden sind: Sie fühlen heldisch, können aber mit Gefühlen nicht umgehen; sie müssen rigoros ihren eigenen Weg gehen, sind aber ein Nichts ohne ihr spezifisches Umfeld. Dieser innere Riss zieht sich auf verblüffende Weise noch durch Hans-Joachim Schädlichs Roman "Anders", der Lügenhelden und eine Männerwelt zeigt, "in der sich nur im Erzählen enthüllt, wer wer ist". Dem Heldenkanon fügt dieser Roman noch ein Kriterium hinzu: Held ist, wer sich sein Leben für die Zwecke anderer nehmen lässt.

Ulrike Draesner, die 1993 ihre Assistentenstelle an der Universität München kündigte, um schreiben zu können, ist eine höchst produktive und wissensdurstige Autorin: Gedichtbände, Romane und Erzählungen sind von ihr erschienen, aber sie beschäftigt sich auch mit bildender Kunst und den Naturwissenschaften. Deshalb liegen ihr Essays, jene zwischen Aufklärungswillen, Faktentreue und anarchischem Eigensinn changierende Gattung, besonders: Kühn und witzig mischt die Autorin ihr literaturwissenschaftliches Rüstzeug mit handwerklichem und psychologischem Insiderwissen, um uns das Ganze als raffinierte Erzählerin zu präsentieren. So öffnet die Analyse von Thomas Manns letztem, unvollendetem Roman über den Hochstapler Felix Krull nicht nur deren dreifachen erotischen Boden, sondern lässt seinen springenden Punkt auch leibhaftig als blonden Skispringer mit ebenjenen "Hermesbeinen" auftreten, die Mann so vergötterte. Als pubertierendes Mädchen, berichtet die Autorin, fand sie in jener Erzählung einen Koitus beschrieben, der sie tief beeindruckte - und noch im heutigen Wiederlesen schwingt jener erste, erotische Kick nach, der gespiegelt wird durch die in den Sätzen versteckte Sehnsucht des alten Thomas Mann.

"Dichtendes und gedichtetes Subjekt, zu einem Regelkreis verschaltet, finden sich weder eindeutig identisch noch eindeutig nicht identisch, sondern reziprok generativ miteinander verbunden", schreibt Draesner, und bei Tania Blixen - die sie in ihr Helden-Buch geschmuggelt hat wie Flaubert in ihren Band "Schöne Frauen lesen" - ist dieser Vorgang besonders vertrackt. Nicht nur, weil es zwei erheblich voneinander abweichende Romanfassungen gibt, sondern weil die dänische Abenteurerin das Ganze als postkoloniales Vexierspiel anlegt: als Hallraum europäischen Gedankengutes, projiziert auf eine aus ihrer Rolle gefallene Frau.

Wer als Autor an den eigenen Heimlichkeiten entlangschreibt und sich dabei Schritt für Schritt neu erfindet, wird sich "am Ende fast selbst unheimlich", bekennt Gottfried Benn in seiner Auftragsbiographie "Doppelleben", die im traumatisierten Nachkriegsdeutschland ein gigantischer Publikumserfolg war. Benn erscheint hier als Prototyp des heimlichen Helden: heroisch fühlender Liebesträumer und ein "am gesamten Organismus mit wahrnehmenden Flimmerhaaren bedeckter Wortmensch", der leidenschaftlich und nicht ohne Arroganz nach dem Kern des Abendlandes als (eigener) großer Sinn-Erzählung sucht und dafür "Begriffspaare wie Schaukelseile" aufspannt.

Er schreibt sich gern in Trance, und "Doppelleben" liefert insgesamt ein verstörendes Beispiel für Autosuggestion, der Benn gleichzeitig, wie der Essay "Helden und ihre Verstecke" anschaulich herausarbeitet, auf Satzebene misstraut: Er wird zum Spion in eigener Sache, verwickelt sich aber ständig in Widersprüche. Kurz vor Kriegsende gab es "Nichts Träumerischeres als eine Kaserne", behauptet er, dafür (so in einem ersten "Doppelleben"-Entwurf) habe er den ganzen Preis für die Katastrophe zahlen müssen, anders als Emigranten wie etwa Klaus Mann.

Angesichts dieser verstörenden Selbstgerechtigkeit entfaltet Ulrike Draesners behutsame und neugierige Lektüre ihre größte Stärke, weil sie nur mit analytischen Kontrasten und genauer Textinterpretation arbeitet. Ganz gelassen stellt sie fest, dass der sprachliche Charakter von Welt grundsätzlich "von Fiktionen, Hypothesen und irrationalen Entscheidungen" durchsetzt sei - und gerade deshalb ist er vergnüglich, erschreckend und unerschöpflich.

NICOLE HENNEBERG

Ulrike Draesner: "Heimliche Helden". Essays.

Luchterhand Verlag, München 2013. 367 S., geb., 19,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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