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Wir wollen attraktiv sein und für immer jung bleiben. Wir streben nach Glück, Gesundheit, Erfolg. Wir sehnen uns nach Anerkennung, Sicherheit und Liebe. Und wir glauben, wenn wir nur hart genug an uns arbeiten und immer alles richtig machen, werden wir all das auch bekommen.
Doch stimmt das wirklich? Ariadne von Schirachs Essay ist eine furiose Anstiftung, das Leben zu wagen, anstatt es zu verwalten. Optimierung und Ausbeutung sind allgegenwärtig. Die Natur, bedroht durch Profitgier und schiere Blödheit, ist uns fremd geworden. Das betrifft auch uns, unseren Umgang mit unserem Körper, der…mehr

Produktbeschreibung
Wir wollen attraktiv sein und für immer jung bleiben. Wir streben nach Glück, Gesundheit, Erfolg. Wir sehnen uns nach Anerkennung, Sicherheit und Liebe. Und wir glauben, wenn wir nur hart genug an uns arbeiten und immer alles richtig machen, werden wir all das auch bekommen.

Doch stimmt das wirklich? Ariadne von Schirachs Essay ist eine furiose Anstiftung, das Leben zu wagen, anstatt es zu verwalten. Optimierung und Ausbeutung sind allgegenwärtig. Die Natur, bedroht durch Profitgier und schiere Blödheit, ist uns fremd geworden. Das betrifft auch uns, unseren Umgang mit unserem Körper, der kontrolliert und nicht mehr bewohnt wird, unsere Beziehungen und Freundschaften, die uns nützen sollen, anstatt uns zu bereichern. Doch vor allem werden die Anforderungen an uns selbst immer maßloser. "Du sollst nicht funktionieren" ist eine kluge Polemik gegen den Selbstoptimierungswahn, eine leidenschaftliche Beschwörung des echten Lebens und ein Plädoyer für eine neue Lebenskunst.
Autorenporträt
Ariadne von Schirach lehrt Philosophie und chinesisches Denken an der Berliner Universität der Künste, der HFBK in Hamburg und an der Donau-Universität Krems. Sie arbeitet als freie Journalistin und Kritikerin und wurde bekannt als Autorin der Sachbuch-Bestseller »Der Tanz um die Lust« und »Du sollst nicht funktionieren«.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.03.2014

Fräulein Hanas sanftes Gespür fürs Gefühl
Im Gespräch mit Freund Hein: Ariadne von Schirach übt poetisierende Zeitkritik

Sie häufen sich wieder einmal, die Stimmen, die uns auffordern, etwas Verlorenes wiederzufinden. Wozu etwa auch gehört, dass Poetry-Slammerinnen davon dichten, wie es wäre, eines Tages alt zu sein, zurückzublicken und festzustellen, dass wir nie richtig gelebt haben. Und jetzt hat auch die studierte Philosophin und erfolgreiche Buchautorin Ariadne von Schirach ein Rendezvous mit dem Tod. Er sitzt auf der Fernsehcouch, die natürlich eine Psychoanalysecouch ist, zuckt mit der Braue und fragt immer wieder: "Warum?" Und das "Du", an das er sich wendet, das ein "Man" ist, weil es impliziert, dass jeder von uns, säße er dem Tod gegenüber, so reagieren würde, sagt: Man müsse noch arbeiten, habe jetzt keine Zeit. Aber es lohne sich, "mit Freund Hein zu sprechen", schreibt von Schirach, und dass man nicht den Tod fürchten soll, sondern "nicht selbst gelebt zu haben".

Von Schirachs Welt ist voller Menschen, die nicht selbst leben. Es geht der Autorin ums heutige Leben und darum, dass sie ein Unbehagen verspürt, weil wir nur noch damit beschäftigt seien, uns selbst zu optimieren, das Leben als aussprechbares und mit den Mitteln der Psychologie beherrschbares Problem zu managen. Sie fordert eine "poetische Revolution", die uns das Wundern und die Dunkelheit zurückgibt. Dabei stehen Adorno und Arendt, Heidegger und Epikur, Kant und diverse popkulturelle Bezüge Pate. "Wir brauchen eine neue Sprache, die wieder Platz lässt für Ambiguität und Poesie", schreibt von Schirach. Sie hat sich wohl deshalb für die Form des poetischen Essays entschieden, der den "Terror der Sichtbarkeit" beschwört, die "verkniffene Hysterie der späten Moderne" und das in "narzisstischer Verkennung von sich selbst besessene Ich". Und groß sind die Worte, die dagegen aufgeboten werden: "Leben und Tod, Jagd und Ruhe, Schönheit und Verfall".

Von Schirach hat einen ganz eigenen, weichen Ton, der hin und wieder ausschlägt ins Kitschige. Alle paar Seiten stellt sie in einem poetisierten Reportagestil fiktive Charaktere vor, die für eine bestimmte Facette im Gegenwartszirkus der Seinsvergessenheit stehen: zum Beispiel "Aram Kenobi, der durch die Welt rast und shoppt und masturbiert". Mit Loyalität gegenüber ihren Figuren hält es von Schirach nicht. Die angehende Zahntechnikerin Hana Vidmar "aus dem Osten Europas" hat "ein breites, großflächiges Gesicht mit ein paar Sommersprossen" und Arme wie "dicke Brotlaibe". Sie soll ein Beispiel liefern für einen nach verbreiteten Schönheitsstandards nicht attraktiven Körper, der dennoch "mühelos bewohnt" wird. Hana hat ein "untrügliches Gespür für die Emotionen von anderen", und ihr Körper hat nicht verlernt, "eine Sprache zu sprechen, die keine Worte kennt und dennoch alles bezeichnet". Warum muss Hana eigentlich aus Osteuropa kommen? Hausen sie dort näher am Seinsgrund als vermessene deutsche Social-Media-Agentinnen und masturbierende Jetsetter?

Von Schirach setzt der Ideologie der Optimierung eine Ideologie des Natürlichen entgegen. Ihre manchmal berührenden Gedanken entstammen einer Geisteshaltung, die im Kern auf etwas verkorkste Weise konservativ ist. Da wird an die Kinder erinnert, die ein natürliches Verhältnis zum Schlachten hatten, die früher dabei waren, "wenn eine Sau dran glauben musste". Heutzutage würden sie mit Bärchenwurst gefüttert: ein niedliches Tiergesicht auf dem Produkt aus industrieller Fleischproduktion. Solche Bilder sind schlagend, verpuffen aber auch schnell.

An manchen Stellen leistet sich von Schirach merkwürdige Zivilisationskritik: "Wenn der Wert der Natur ihr Ertrag ist und der Wert des Tieres seine Tauglichkeit als Futter, Lastenträger oder Attraktion, dann ist der Wert des Menschen seine Arbeitskraft und seine Fähigkeit, ein gutes Bild abzugeben." Das klingt nicht nur nach Heideggers Ausspruch, dass die motorisierte Ernährungsindustrie im Wesen nichts anderes sei als die Produktion von Leichen in Gaskammern - einige Zeilen zuvor sagt von Schirach direkt: "Das, was wir Menschen über die gemeinsam bewohnte Erde und übereinander denken, hat reale Auswirkungen, die zur Auslöschung ganzer Ökosysteme führen können. Oder zum Völkermord."

Ruanda also als eine von vielen Möglichkeiten dessen, was geschehen kann, wenn der Mensch der Welt abhandenkommt, indem er sie sich technologisch unterwirft? Von Schirach fordert, dass man das Leben ernst nehme, "sein Gewicht, seine Endlichkeit", dass man sich auf das Gute besinne, welches man angeblich immer schon kennt. Aber wenn die Vermessung der Welt der einzige Grund für die Entstellung unserer Lebensverhältnisse sein soll, klingt das eher nach Klangschalenmetaphysik.

HANNAH LÜHMANN

Ariadne von Schirach: "Du sollst nicht funktionieren. Für eine neue Lebenskunst". Tropenverlag Klett-Cotta, Stuttgart 2014. 192 S., geb., 17,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Klingt nach Klangschale, meint Hannah Lühmann über das Buch von Ariadne von Schirach. Was die Autorin sich im Rückgriff auf Adorno, Heidegger und Kant als gelungenes Lebens ausmalt, fern von Hektik und Selbstoptimierungswahn, scheint Lühmann nicht weniger gruselig. Eine "poetische Revolution" - was soll denn das sein?, fragt die Rezensentin und erhält von der Autorin auf der Analysecouch große beziehungsweise nicht so große Worte zur Antwort. Ein natürliches Verhältnis zum Schlachten zum Beispiel. Aha. Lühmann wittert rasch verpuffende Zivilisationskritik und einen "verkorksten" Konservatismus.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Dieses kleine Buch indes sagt: "Es ist alles noch da. Die Schönheit ist noch da und der Mut ist noch da und die Zukunft ist noch da." Stimmt ja. Wir raten zu.« Elisabeth von Thadden, Die Zeit, 8.5.2014 Elisabeth von Thadden Die Zeit 20140508