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Werner Kranwetvogel war in Nord-Korea und konnte die Arirang Massenspiele an zwei Abenden besuchen. Dabei entstand eine spektakuläre Foto-Serie, die genau diesen Dualismus zeigt: Auf der einen Seite finden sich weit ausholende und imposante Totalen mit tausenden von synchron tanzenden Darstellern. Doch zeigt er auch erstmals Nahaufnahmen der Tänzer, hebt sie heraus aus der Menge, springt immer wieder an einzelne Gruppen heran, zeigt die Leidenschaft und die totale Hingabe der Tänzer an den Moment. Diese beeindruckende Bilderserie spiegelt die ambivalente Faszination der Massenästhetik auf einzigartige Weise wider und kommentiert sich selbst.…mehr

Produktbeschreibung
Werner Kranwetvogel war in Nord-Korea und konnte die Arirang Massenspiele an zwei Abenden besuchen. Dabei entstand eine spektakuläre Foto-Serie, die genau diesen Dualismus zeigt: Auf der einen Seite finden sich weit ausholende und imposante Totalen mit tausenden von synchron tanzenden Darstellern. Doch zeigt er auch erstmals Nahaufnahmen der Tänzer, hebt sie heraus aus der Menge, springt immer wieder an einzelne Gruppen heran, zeigt die Leidenschaft und die totale Hingabe der Tänzer an den Moment. Diese beeindruckende Bilderserie spiegelt die ambivalente Faszination der Massenästhetik auf einzigartige Weise wider und kommentiert sich selbst.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.12.2007

Hier wogt, vibriert und pixelt die Welt
Nordkorea, wie Kim Jong-il es am liebsten sieht: Werner Kranwetvogel hat Pjöngjangs spektakuläre Massenspiele fotografiert

Ein ordentliches Farbfernsehgerät hat heute rund eine Million Pixel für den Aufbau des Bildes zu bieten - wenn nicht mehr. Wie viele Farbfernsehgeräte besitzt das glückliche Volk von Nordkorea? Eines, und zwar eines mit rund zwanzigtausend Pixeln. Mehr passen nämlich nicht auf die Gegentribüne des Erster-Mai-Stadions in Pjöngjang. Doch die Bildschirmdiagonale beträgt dafür fast hundert Meter. Obwohl es gar keinen Bildschirm gibt, sondern ein einziges riesiges lebendes Bild aus zwanzigtausend Akteuren, die große Bücher in den Händen halten, die sie zu bestimmten Zeitpunkten derart aufschlagen und hochhalten, dass sich die unterschiedlichen farbigen Doppelseiten zu einem großen Motiv ergänzen. Und das ist bloß der Hintergrund zum Spektakel der "Massenspiele".

So nennt der deutsche Filmregisseur Werner Kranwetvogel die Aufführungen. Er war vor zwei Jahren im Erster-Mai-Stadion und hat dort zwei Abende lang die Vorführung des Propagandastücks "Arirang" fotografiert. Zweiundsiebzig Bilder hat er nun für das Buch "A Night in Pyongyang" zusammengestellt, die, wie es behauptet, "weltweit erste und einzige Dokumentation zu diesem Thema". Über den Begriff "Dokumentation" wollen wir nicht streiten. Aber in der Münchner Fotoausstellung von Andreas Gursky gab es im Frühjahr dieses Jahres schon einmal einige Bilder von nordkoreanischen Massenspielen zu sehen. Und auch in Christian Krachts gemeinsam mit Eva Munz und Lukas Nikol verfasstem Fotobuch "Die totale Erinnerung - Kim Jong-ils Nordkorea" gab es ein paar entsprechende Schnappschüsse. Aber eben keine zweiundsiebzig.

Werner Kranwetvogel, des Koreanischen nicht mächtig und nur mittels der Dienste eines auf Nordkorea-Reisen spezialisierten englischen Reisebüros dortselbst unterwegs, weiß etwas Verblüffendes zu berichten: "Die westliche Berichterstattung beschränkt sich fast ausschließlich darauf, die Demokratische Volksrepublik Korea als repressiven und totalitären Staat darzustellen. Die Nordkoreaner selbst sehen ihren Staat jedoch komplett anders." Sie üben, wie Kranwetvogel beschreibt, fanatisch für die großen, mehrstündigen Stadionshows, die Gymnastik (Tausende von Turnern im Stadion-Innenraum), Musik (ein Orchester für Ouvertüre und Finale, dazwischen Tonband) und Hintergrund (die zwanzigtausend auf der Gegentribüne) zum Lobpreis auf die Schönheit der Heimat verbinden. Und auf deren Wehrhaftigkeit sowie die Langlebigkeit des Staatschefs - ebendas, woran sich ein normaler Bürger so freut. Hat Kranwetvogel sich gefragt, warum bestimmte Regimes das Ornament der Masse lieben, in dem der Einzelne untergeht? Nein, er hatte genug mit Staunen zu tun.

Man tut gut daran, es ihm nachzutun, sich die Lektüre seines Begleittextes zu schenken und sich ganz auf die Bilder zu konzentrieren. Da wogt es, wenn junge Mädchen in wallenden weißen Gewändern erst nach links wegkippen und dann auf der gegenüberliegenden Seite blaue Gazetücher schwenken. Oder es vibriert, wenn ein paar tausend Uniformierte mit Gewehrattrappen in Reih und Glied übers Feld marschieren, während die zwanzigtausend Buchkünstler ihre Doppelseiten zum Panorama eines Himmels voller Fallschirmspringer ergänzen. Aber das ist noch gar nichts gegen die nächste Seite, auf der die Gegentribüne eine ganze Berglandschaft zusammenpixelt.

Wer mag die zwanzigtausend Bücher herstellen, die bis zu 170 Seiten haben können, wie Kranwetvogel erläutert? Keines davon gleicht dem anderen, weil ja jedes eine eigene Aufgabe in der Abfolge der ständig wechselnden Bilder hat. Könnte man sich für Nordkorea Sinnvolleres vorstellen als die Herstellung der bis zu 3,4 Millionen farbigen Buchseiten? Wir könnten es. Werner Kranwetvogel kann es nicht, denn er stellt die Frage nach der Herstellung zwar, beantwortet sie aber mit einer technischen Beschreibung der Produktion einer Einzelseite.

Doch die Masse macht's. Das müsste man Kim Jong-il, dem großen Liebhaber der Massenspiele, nicht erklären. Wir fehlgeleiteten Individualisten aus dem dekadenten Westen freuen uns dagegen an den Gesichtern der Akteure, wenn Kranwetvogel das Teleobjektiv einsetzt. Oder an den winzigen Köpfen, die auf den Panoramaaufnahmen über die Buchränder hinausragen. Jeweils ein eigener Kopf. Jetzt müsste sein Besitzer nur noch die Wahl haben, das Spektakel zu verlassen. Vom Land selbst wollen wir gar nicht erst anfangen.

ANDREAS PLATTHAUS

Werner Kranwetvogel: "A Night in Pyongyang". Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin 2007. 128 S., Abb., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Eher kritisch betrachtet Rezensent Andreas Platthaus diesen Bildband von Werner Kranwetvogel über die spektakulären Massenveranstaltungen "Arirang" in Pjöngjang. Er hält dem Fotografen eine gewisse Naivität vor, wenn dieser berichtet, dass die Nordkoreaner ihren Staat keineswegs als repressiv und totalitär ansähen und dass Abertausende von jungen Menschen wie besessen für die Mammutshow übten. Daher empfiehlt er, sich auf die Aufnahmen zu konzentrieren. Beim Betrachten der zweiundsiebzig Bilder kommt auch Platthaus ins Staunen. Anschaulich beschreibt er das Wogen und Vibrieren der tanzenden Menschenmassen im durchchoreografierten Spektakel, freut sich über die Fotografien von Gesichtern mittels Teleobjektiv ebenso wie über die opulenten Panoramaaufnahmen. Sein Fazit: "Nordkorea, wie Kim Jong-Il es am liebsten sieht."

© Perlentaucher Medien GmbH