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Ein Martyrium - mitten in Deutschland.
Ein Martyrium mitten in Deutschland
«Meine Tochter Ulerika ist tot. Ihr Vater hat sie getötet. Sie war erst sechzehn. Ja, nicht nur in fernen Ländern, auch mitten in Deutschland werden Frauen und Mädchen aus Gründen der Ehre getötet. Deshalb erzähle ich Ulerikas Geschichte. Es ist auch die Geschichte meiner Ehe. Sie begann mit einer Zwangsheirat im Kosovo.» Hanife Gashi

Produktbeschreibung
Ein Martyrium - mitten in Deutschland.
Ein Martyrium mitten in Deutschland

«Meine Tochter Ulerika ist tot. Ihr Vater hat sie getötet. Sie war erst sechzehn. Ja, nicht nur in fernen Ländern, auch mitten in Deutschland werden Frauen und Mädchen aus Gründen der Ehre getötet. Deshalb erzähle ich Ulerikas Geschichte. Es ist auch die Geschichte meiner Ehe. Sie begann mit einer Zwangsheirat im Kosovo.» Hanife Gashi

Autorenporträt
geboren 1968 im albanischen Kosovo, kommt 1989 mit Mann und Tochter nach Deutschland, lernt gegen den Willen ihres Mannes die deutsche Sprache und absolviert eine Ausbildung als Altenpflegerin. Sie lebt in der Nähe von Tübingen. Sylvia Rizvi schreibt für Zeitungen, Zeitschriften und Fachpublikationen zur kulturellen und sozialen Teilhabe, ist Redakteurin von Sachbüchern zu sozialen Fragen und Co-Autorin des Sachbuchs "Mein Schmerz trägt deinen Namen". Sie lebt in Baden-Württemberg.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.02.2005

Tödliche Liebe
Junge Migrantinnen in Deutschland: Viele werden von ihren Familien eingesperrt und misshandelt - und die Gesellschaft nimmt es hin
Vor wenigen Tagen ist, weitgehend unbeachtet, eine neue Vorschrift zum Menschenhandel in Kraft getreten, die der Bundestag schon im Herbst 2004 beschlossen hatte: Ein besonders schwerer Fall von Nötigung liegt nun vor, wenn der Täter eine „Person zur Eingehung der Ehe” zwingt. Der weitergehende Antrag, den der baden-württembergische Justizminister Ulrich Goll im Bundesrat eingebracht hat, wird derzeit einer „Praxisbefragung” bei Richtern und Staatsanwälten unterzogen; Stuttgart möchte einen eigenen Straftatbestand für Zwangsheirat mit einem Strafrahmen von bis zu fünf Jahren eingeführt sehen und fordert überdies die Bestrafung von Heiratshandel und Heiratsverschleppung, selbst wenn sie im Ausland begangen worden sind.
Nicht jede junge Frau, die aus der Türkei nach Deutschland zieht, um einen Mann zu heiraten, den sie kaum oder gar nicht kennt, wird „zwangsverheiratet”, schließlich willigen viele Bräute in die Verbindung ein, weil sie sich ein besseres Leben erhoffen. Türken selbst, aber auch Innenminister Otto Schily sprechen daher lieber von „arrangierten Ehen”. Necla Kelek schreibt ihrerseits von „Import-Gelins”, von Importbräuten, was ein wenig wie Importfleisch klingt und belegen soll, um was es geht: um den Handel mit einer Ware, der Ware Frau.
Necla Kelek hat mit dem Buch „Die fremde Braut”, das schon kurz nach seinem Erscheinen oben auf den Bestsellerlisten steht, eine heiße Diskussion ausgelöst, in der es, grob gesagt, zwei Fronten gibt: Die einen finden, sie übertreibe, man könne „den Islam” nicht mit „der Unterdrückung der Frau” gleichsetzen. Andere beklagen, dass, ausgelöst durch den Kopftuch-Streit, viel zu spät die mangelnde Integration islamischer Frauen in die Kritik geraten sei.
Die Migrationssoziologin aus Hamburg Necla Kelek ist auf der Seite der Angreifer: Ähnlich wie die Kosovo-Albanerin Hanife Gashi, die unter dem sprechenden Titel „Mein Schmerz trägt deinen Namen” über ihre eigene Zwangsverheiratung und den so genannten Ehrenmord an ihrer Tochter Ulerika schreibt, klagt Kelek beide Gesellschaften an. Sie wirft den Deutschen vor, sich hinter dem falschen Verständnis von einer multikulturellen Gesellschaft zu verschanzen und mit einer gewissen Gleichgültigkeit der Unterdrückung islamischer Mädchen und Frauen zuzuschauen. Den türkisch-islamischen Einwanderern wiederum hält sie vor, eine moderne Form der Sklaverei zu dulden oder gar zu betreiben und Frauen die einfachsten Freiheitsrechte zu verweigern.
Kelek fordert deshalb ein deutsches Gesetz, das Familienzusammenführungen nach Eheschließungen nur dann erlaubt, wenn die Beteiligten mindestens 21 Jahre alt sind - damit soll die Verheiratung blutjunger Mädchen verhindert werden, bei denen die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass sie noch jungfräulich sind. Der einreisende Ehepartner, in der Regel also die Frau, müsse Deutschkenntnisse vorweisen - dadurch will Kelek erreichen, dass die Frauen nicht sprach- und orientierungslos in ihren Wohnungen eingesperrt sind. Importbräute, klagt sie, würden als Sexual- und Dienstleistungsobjekte missbraucht. Türkische Männer und Schwiegermütter fänden das meist ganz selbstverständlich. Kelek fragt verzweifelt wie ratlos, warum die deutsche Seite dieser stillen Form der Misshandlung tatenlos zusehe.
Ulerika, die Tochter eines Kosovo-Albaners, war in Deutschland aufgewachsen; dass sie in die Disco ging und Miniröcke trug, raubte dem Vater den Schlaf. Ihre Mutter, Hanife Gashi, versuchte das Mädchen zu schützen, sie schlug dem wütenden Ehemann vor, Ulerika solle ihren Freund heiraten, dann habe alles seine Ordnung. Der Vater aber ertrug ebenso wenig, dass dieser Freund ein Bosnier war; eines Nachts, als Ulerika von einem Treffen mit ihm zurückkehrte, erwürgte er sie, um die eigene Ehre zu retten. Hanife Gashi brach aus dem Gefängnis ihrer Ehe aus - und brach ein Tabu: Sie redet, wo sie kann, an gegen die Unterdrückung von Frauen durch eine Kultur des Machismo, und schreibt: „Warum mögt ihr uns nur, um Familien zu zeugen, warum sperrt ihr uns ein? Warum verbrennt ihr uns lebendig, warum lasst ihr unsere Lebensfreude verschwinden?” Wie aktuell diese Fragen sind, beweist ein weiterer Mord. Am 7. Februar wurde in Berlin eine Türkin an einer Bushaltestelle vermutlich von ihren Brüdern erschossen - um die „Familienehre” zu retten.
Necla Kelek und Hanife Gashi haben mit ihren beiden Büchern Brandschriften in die Welt geschickt, die Scham, aber auch Widerspruch provozieren sollen; dass diese beiden Texte bisweilen etwas pathetisch und deklamatorisch geraten, ist ihrer Intention und ihren eigenen bitteren Erlebnissen geschuldet, gibt ihnen aber erst die Wucht, die es braucht, um nicht in einem Wust politischer Korrektheit zu ersticken.
Fast buchhalterisch, aber ebenso eindringlich hat sich Günther Lachmann mit dem Thema „Multikulti” auseinander gesetzt: „Tödliche Toleranz; Muslime und unsere offene Gesellschaft” heißt sein Debattenbeitrag. Dieser wird abgerundet durch ein Nachwort der holländischen Frauenrechtlerin Ayaan Hirsi Ali, die nach dem Mord am Filmemacher Theo van Gogh selbst Morddrohungen erhalten hatte: Hirsi Ali war als junge Frau vor einer Zwangsheirat nach Holland geflohen und appelliert heute an die „Fürsprecher einer multikulturellen Gesellschaft”, sich mit dem Leid der Frauen vertraut zu machen. „Müssen sie erst selbst schlecht behandelt, vergewaltigt, eingesperrt und unterdrückt werden , damit sie sich in die Situation hineinversetzen können?” Eine multikulturelle Gesellschaft sei kein Ziel an sich, sagt die Niederländerin; und in die gleiche Kerbe schlägt auch Günther Lachmann.
Toleranz und Desinteresse
Er fühlt sich bemüßigt, sein Vorwort mit dem Satz zu beginnen: „Dieses Buch richtet sich nicht gegen Ausländer.” Es richtet sich aber wiederum gegen das weit verbreitete Missverständnis, dass Toleranz und Desinteresse auf deutscher Seite und der Rückzug hinter die eigene Sperrmauer kultureller Besonderheiten auf Seiten islamischer Einwanderer zu einem gedeihlichen Zusammenleben führen könnten. Lachmann belegt ausführlich, wann und warum die Integration der Gastarbeiter in Deutschland gescheitert ist und wie sich, Jahre später, Radikale und Fundamentalisten die wenig integrierten Underdogs unter den Einwanderern zur Beute machten. Die deutsche Gesellschaft habe die Entstehung einer ausgegrenzten, fanatisierten Generation gar nicht bemerkt, ist seine These, und die islamischen Einwanderer hätten die Integration zunehmend verweigert. Seine Schlussfolgerung klingt überaus bedrohlich: Europa, so Lachmann, erlebe die Rückkehr des Totalitären in Form eines Neo-Islamismus, dessen Ziel es sei, sich die liberalen Gesellschaften über eine terroristische Tötungsmacht untertan zu machen.
CATHRIN KAHLWEIT
NECLA KELEK: Die fremde Braut. Ein Bericht aus dem Inneren des türkischen Lebens in Deutschland. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2005. 250 S., 18,90 Euro.
HANIFE GASHI: Mein Schmerz trägt Deinen Namen. Ein Ehrenmord in Deutschland. Rowohlt, Berlin 2005. 250 Seiten, 16,90 Euro.
GÜNTHER LACHMANN: Tödliche Toleranz. Die Muslime und unsere offene Gesellschaft. Piper, München 2005. 290 Seiten, 14 Euro.
Der liebevolle Vater verwandelt sich in einen Despoten: Szene aus dem Hark-Bohm-Film „Yasemin” von 1987.
Foto: obs
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Cathrin Kahlweit bespricht drei Bücher, die sich mit der Situation von Migranten in Deutschland beschäftigen. In "Mein Schmerz trägt Deinen Namen" berichtet die albanische Autorin Hanife Gashi über den Mord des Ehemanns an der gemeinsamen Tochter, die sterben musste, weil sie einen bosnischen Mann liebte, teilt die Rezensentin erschüttert mit. Die Autorin habe damit, dass sie über diesen Mord aus angeblich verletzter Ehre schreib, ein "Tabu gebrochen", meint Kahlweit. Wie "aktuell" die Fragen nach dem Warum dieser Tat sind, so die Rezensentin weiter, zeigt der durch den eigenen Bruder verübte Mord an einer jungen Türkin am 7. Februar in Berlin, der vermutlich ebenfalls die "Familienehre" wiederherstellen sollte. Zwar mitunter etwas "pathetisch und deklamatorisch" läuft dieser Bericht zumindest nicht Gefahr im "Wust politischer Korrektheit zu ersticken", lobt die Rezensentin berührt.

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