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Das Grundlagenwerk zur Entschädigung ausländischer Verfolgter des NS-Regimes in europäischer Perspektive.Warum rückte die Entschädigung am Ende des 20. Jahrhunderts ins Rampenlicht der Weltöffentlichkeit? Die Entschädigungsansprüche der ausländischen Verfolgten des NS-Regimes galten zunächst als Teil der Reparationspolitik. Diese Ansprüche waren aber durch das Londoner Schuldenabkommen (1953) blockiert, das die Regelung der Reparationen bis zum Abschluß eines Friedensvertrags mit Deutschland aufschob. Welche Initiativen durchbrachen diesen Ausschluß? Wie beeinflußten die Bedingungen der…mehr

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Produktbeschreibung
Das Grundlagenwerk zur Entschädigung ausländischer Verfolgter des NS-Regimes in europäischer Perspektive.Warum rückte die Entschädigung am Ende des 20. Jahrhunderts ins Rampenlicht der Weltöffentlichkeit? Die Entschädigungsansprüche der ausländischen Verfolgten des NS-Regimes galten zunächst als Teil der Reparationspolitik. Diese Ansprüche waren aber durch das Londoner Schuldenabkommen (1953) blockiert, das die Regelung der Reparationen bis zum Abschluß eines Friedensvertrags mit Deutschland aufschob. Welche Initiativen durchbrachen diesen Ausschluß? Wie beeinflußten die Bedingungen der Westintegration und des Kalten Krieges die Entschädigungsdiplomatie? Wie wurden die Entschädigungsgelder verteilt? Dieses grundlegende Werk erschließt die Internationalität der Entschädigungsgeschichte mit Fallstudien über 15 west- und osteuropäische Staaten.Mit Beiträgen von:Urs Altermatt/Christina Späti (Schweiz), Stefanie Baumann (Opfer von Humanexperimenten), Hagen Fleischer/Despina Konstantinakou (Griechenland), Hans Otto Frøland (Norwegen), Constantin Goschler (Bundesrepublik Deutschland seit 1966), Peter Helmberger (Benelux), Hans Günter Hockerts (Einleitung), Zoran Janjetovic (Jugoslawien), Tomá JelíneK/Jaroslav Kucera (Tschechoslowakei), Lutz Klinkhammer/Filippo Focardi (Italien), Claudia Moisel (Frankreich), Krysztof Ruchniewicz (Polen), Susanna Schrafstetter (Großbritannien), Harm G. Schröter (Dänemark und Schweden), Krisztián Ungváry (Ungarn), Tobias Winstel (Bundesrepublik Deutschland bis 1965)
Autorenporträt
Hans Günter Hockerts ist Professor für Neueste Geschichte und Zeitgeschichte an der Universität München.

Claudia Moisel, geb. 1972, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Neueste Geschichte und Zeitgeschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sie promovierte 2002 an der Ruhr-Universität Bochum.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.07.2006

Druck und Moral
Bundesdeutsche Entschädigungspolitik für Verfolgte des Nationalsozialismus in West- und Osteuropa

Am 8. November 1956 schrieb Außenminister Heinrich von Brentano an Finanzminister Fritz Schäffer einen langen Brief, der auf folgende Frage zulief: "Will die Bundesregierung noch eine abschließende Anstrengung machen, um die so belastende Resthypothek der deutschen Wiedergutmachungsschuld zu beseitigen, und wenn ja, was ist ihr dieser Erfolg wert?" Der Außenminister hatte wenige Wochen zuvor die Niederlande, Dänemark und Norwegen besucht und war von seinen dortigen Amtskollegen massiv mit dem Thema konfrontiert worden. Das hatte Eindruck auf ihn gemacht, zumal er davon überzeugt war, daß viele ausländische Opfer des Nationalsozialismus in notdürftigen Verhältnissen lebten, "während allenthalben sich die Welt von der wirtschaftlichen Blüte der Bundesrepublik und dem Wohlstand der deutschen Auslandsreisenden überzeugt" habe. Dieser Zustand, den die Verfolgten mit Bitterkeit wahrnähmen, belaste das "moralische Ansehen der Bundesrepublik und ihr politisches Verhältnis" zu den entsprechenden Ländern erheblich, teilte er Bundeskanzler Adenauer mit. Nicht jeder sah das so wie Brentano. Finanzminister Schäffer lehnte eine Wiedergutmachung ab. Er war über Brentanos vorsichtige Zusagen auf dessen Skandinavienreise "in höchstem Maße bestürzt", wie er ihm antwortete, und befürchtete Mehrbelastungen von mehreren Milliarden DM und damit eine Destabilisierung der deutschen Währung.

Wiedergutmachung an ausländische NS-Opfer war zu keinem Zeitpunkt populär: Es bedeutete Geldzahlungen und das Eingeständnis von Schuld. Und hatte man da nicht schon genug getan? Zumindest gegenüber den Juden? Und damit auch Schuld genug eingestanden? Das Luxemburger Abkommen von September 1952 war zwar nur mit Mühe Anfang 1953 vom Deutschen Bundestag ratifiziert worden, aber immerhin: Der Staat Israel sollte drei Milliarden DM bekommen, die jüdische Weltorganisationen weitere 450 Millionen. Selbst die Alliierten - allen voran die Amerikaner - hatten anschließend Rücksicht auf Bonn genommen. Im Londoner Schuldenabkommen von 1953, bei dem es um die Regelung deutscher Vor- und Nachkriegsschulden ging, hieß es ausdrücklich, bis zur "endgültigen Regelung" sollte selbst die Prüfung der Reparationsfrage zurückgestellt werden. Und das betraf auch ausländische NS-Verfolgte. Wiedergutmachung gab es nur für Deutsche. Als das 1956 im "Bundesentschädigungsgesetz" festgeschrieben wurde, gab es den geschlossenen Protest von acht westeuropäischen Staaten, dem sich die Schweiz anschloß (ausgerechnet jener Staat, der beste Geschäfte mit dem nationalsozialistischen Deutschland gemacht hatte).

Im vorliegenden Band - Ergebnis eines von der VW-Stiftung großzügig finanzierten Projektes - zeigen elf Autoren im ersten Teil detailliert auf Aktenbasis, wie das Kabinett mit diesem Protest umging. Das Finanzministerium mauerte weiter. Der Nachfolger Schäffers, Franz Etzel, teilte Brentano mit, man solle den Mächten klarmachen, daß Bonn für die Wiedergutmachung von nationalsozialistischem Unrecht "bereits erhebliche Beträge aufgewendet" habe und jede "weitere ins Gewicht fallende Belastung der Bundesfinanzen mit zusätzlichen Wiedergutmachungsleistungen die finanzielle Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik übersteigen" würde. Dagegen plädierte Brentano nach wie vor für eine Wiedergutmachung - mit eindringlichen Argumenten, etwa im März 1960 vor dem Auswärtigen Ausschuß des Bundestages: "Es ist namenlos, was da geschehen ist. Jeden Tag werden wir ja von neuem daran erinnert. Wenn ein Mensch nicht Augen und Ohren verschließt, vergeht doch kein Tag, wo er nicht mit Scham an diese Zeit denkt." So ging das weiter, bis Adenauer intervenierte und klarmachte, worum es sich bei der Angelegenheit handelte, nämlich "um ein sehr dringliches politisches Anliegen, das endlich angepackt und gelöst werden müsse".

Bis 1964 schloß die Bundesregierung dann bilaterale Abkommen mit elf westeuropäischen Staaten, in denen sie sich zu globalen Entschädigungsleistungen in Höhe von insgesamt 876 Millionen DM verpflichtete. Besonders pikant ist dabei die Schweiz. Ihre Vertreter betonten ständig die Neutralität ihres Landes, übersahen aber, wie Jacques Picard zurückhaltend formuliert, "daß sich schweizerisches Verständnis von Recht und Politik kaum mit den gerechtigkeitswidrigen Normen und menschenfeindlichen Maßnahmen des NS-Staates hätte vertragen dürfen". So konnte man es auch sehen. 1961 wurde in Bern ein entsprechender Vertrag unterzeichnet (auf deutscher Seite von Botschafter Ernst-Günther Mohr, ehemals NSDAP-Mitglied): Bonn zahlte zehn Millionen DM.

Alle Vereinbarungen galten ausdrücklich nicht für Länder hinter dem "Eisernen Vorhang", mit denen Bonn keine diplomatischen Beziehungen unterhielt. Auf diese "Grenzen der Wiedergutmachung" spielt denn auch der Titel des Sammelbandes an. Noch spannender als für die westeuropäischen Länder sind die vier Beiträge, die sich mit der Entschädigungspolitik gegenüber den osteuropäischen Ländern beschäftigen. Hier gab es zwei Zäsuren: Zum einen die Ostpolitik unter Willy Brandt, zum andern das Ende des Kalten Krieges.

Mit Jugoslawien fing es an. Mit Belgrad hatte Bonn zwar bereits 1957 die diplomatischen Beziehungen abgebrochen, aber das Land nahm eine Sonderstellung zwischen den Fronten des Kalten Krieges ein. Von daher drängte Washington denn Bonn, die jugoslawischen Ansprüche zu befriedigen. 1973 einigten sich Brandt und Tito auf der Adriainsel Brioni: Es gab Devisen statt Entschädigung, in diesem Fall einen zinsgünstigen Kredit über eine Milliarde DM. Damit stopfte Tito Budgetlöcher - die einzelnen Opfer sahen keinen Pfennig. Die "Brioni-Formel" galt dann in ähnlicher Weise für Polen, Ungarn und die Tschechoslowakei.

Mit der Wiedervereinigung schien die Klausel des Londoner Schuldenabkommens aus dem Jahr 1953 zu greifen. Das konnte letztlich verhindert werden, indem man mit den osteuropäischen Ländern (und Nachfolgestaaten der Sowjetunion) Fonds für die Entschädigung der NS-Opfer einrichtete. Was vielfach gar nicht bekannt ist: Mit der Claims Conference, dem Zusammenschluß der jüdischen Organisationen, gab es eine separate Regelung zur Unterstützung der osteuropäischen Juden. Hier hatte sich nach der "Amerikanisierung des Holocaust" die Washingtoner Regierung wieder engagiert.

Was wurde insgesamt an Wiedergutmachung gezahlt? Bis Ende 1998 nach offiziellen deutschen Angaben etwa 105 Milliarden DM. Dabei ging es nicht immer um Druck von außen, sondern es spielten auch moralische Motive eine Rolle. Als man glaubte, einen Schlußstrich für die Zukunft gezogen zu haben, kamen die von deutschen Unternehmen gefürchteten amerikanischen Sammelklagen bezüglich Zwangsarbeitern. Vor diesem Hintergrund entstand 1999 die "Stiftung Initiative der Deutschen Wirtschaft", die ein Jahr später in den zehn Milliarden DM umfassenden Fonds der Bundesstiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" zur Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter mündete.

Damals wurde erstmals das Thema Wiedergutmachung auch in anderen europäischen Ländern aktuell. Daher hätte sich der Rezensent bei allem gehörigen Umfang dieses interessanten Sammelbandes mit insgesamt 16 Beiträgen doch eine vergleichende Studie über die Schweiz und Österreich gewünscht. In Österreich wurde 2000 der "Versöhnungsfonds" für Ansprüche von Zwangsarbeitern in der ehemaligen Ostmark eingerichtet. Das war nicht das Ende der Wiedergutmachung. Anfang 2006 ging es um ein ganz anderes Thema, nämlich die "Restitution" von Kunstgegenständen. Die Republik mußte ein Klimt-Gemälde zurückgeben, das in New York für 135 Millionen Dollar versteigert wurde.

ROLF STEININGER

Hans Günter Hockerts/Claudia Moisel/ Tobias Winstel (Herausgeber): Grenzen der Wiedergutmachung. Die Entschädigung für NS-Verfolgte in West- und Osteuropa 1945-2000. Wallstein Verlag, Göttingen 2006. 876 S., 64,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Umfangreich und interessant findet Rolf Steininger diesen deutscher Entschädigungspolitik gewidmeten Sammelband. Steininger unterscheidet Beiträge zum Bundesentschädigungsgesetz und seine "westeuropäischen" Folgen und solche, die sich der Ostpolitik zuwenden. Letztere überraschen ihn mit Eröffnungen zu Regelungen zur Unterstützung osteuropäischer Juden. Dass das Thema neben politischen auch moralische Aspekte beinhaltet, entnimmt Steininger dem Band spätestens, wenn es um die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter geht. Einen vergleichenden Beitrag über das deutschsprachige Ausland vermisst Steininger allerdings sehr.

© Perlentaucher Medien GmbH