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Ein Schwerpunkt des hier präsentierten Tagungsbandes, dem ersten Band der Reihe "Chemnitzer Europastudien", liegt auf den Ereignissen im deutsch-böhmischen Grenzraum und fokussiert dabei vor allem das tschechisch-sudetendeutsche Verhältnis vor wie auch nach dem Epochenjahr 1945. Den damit zusammenhängenden Fragen gelten die Beiträge von Adrian von Arburg und Milos Havelka. Milos Rezník hingegen beschäftigt sich in seinem den Kaschuben gewidmeten Text mit deren Stellung zwischen polnischen und deutschen Vereinnahmungsansprüchen in der Geschichte sowie mit heutigen Fragen der sich daraus…mehr

Produktbeschreibung
Ein Schwerpunkt des hier präsentierten Tagungsbandes, dem ersten Band der Reihe "Chemnitzer Europastudien", liegt auf den Ereignissen im deutsch-böhmischen Grenzraum und fokussiert dabei vor allem das tschechisch-sudetendeutsche Verhältnis vor wie auch nach dem Epochenjahr 1945. Den damit zusammenhängenden Fragen gelten die Beiträge von Adrian von Arburg und Milos Havelka. Milos Rezník hingegen beschäftigt sich in seinem den Kaschuben gewidmeten Text mit deren Stellung zwischen polnischen und deutschen Vereinnahmungsansprüchen in der Geschichte sowie mit heutigen Fragen der sich daraus ergebenden wechselseitigen Wahrnehmung. Hendrik Thoß wiederum beleuchtet die oftmals vernachlässigte "westliche" Perspektive minderheitenpolitischen Argumentierens im Blick auf elsaß-lothringische Bevölkerungsverschiebungen nach 1918. Die im engeren Sinne rechtswissenschaftlichen Beiträge von Liv Jaeckel, Ludwig Gramlich und Matthias Niedobitek weiten den Blick dann auf völker-, finanz- und europarechtliche Perspektiven des aktuellen Minderheitenschutzes unter Einbeziehung der sorbischen Minderheit in den Bundesländern Sachsen und Brandenburg, während es Andreas Thüsing obliegt, dem gleichsam spiegelbildlichen Aspekt des Vertreibungsgeschehens nachzuspüren: der Integration der Vertriebenen in ihre neue Heimatregion, hier wiederum speziell dargestellt am sächsischen Beispiel. Winfrid Halder schließlich führt in einem ausgreifenden Überblicksbeitrag die grundlegenden historischen und zeitgeschichtlichen Ereigniszusammenhänge des Vertreibungsgeschehens in den deutschen Ostgebieten nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs vor Augen.

Auf diese Weise entsteht ein umfassendes Panorama der miteinander eng verknüpften Problemfelder "Vertreibung" und "Minderheitenschutz" - orientiert an sowohl interdisziplinären als auch gesamteuropäischen Fragestellungen, deren bewußt weiträumiger Horizont der Forschung neue Impulse zur Erörterung einer noch lange nicht erschöpfend thematisierten Fragestellung vermitteln soll.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.07.2006

Renaissance eines Begriffs
Studien zum Minderheitenschutz in Europa und zur Vertreibung

Minderheitenschutz - der Begriff hatte Hochkonjunktur während der Völker-bundära. Da konnte es vorkommen, daß in Genf nicht nur Diplomaten, sondern die Außenminister europäischer Großmächte höchstpersönlich etwa über das Recht deutschstämmiger Ostoberschlesier debattierten, auf polnisch gewordenem Territorium Schulen in ihrer Sprache zu betreiben. Vergleichbare Themen pflegen auf der Tagesordnung des UN-Sicherheitsrates nicht zu erscheinen: Die Vereinten Nationen kennen kein Minderheitenschutzsystem, das in der Rechtsverbindlichkeit und Detailliertheit jenem des Völkerbundes gleichzusetzen wäre. Zur Entstehungszeit der Vereinten Nationen schien danach kein Bedarf mehr zu bestehen. Die meisten der einst in Genf behandelten europäischen Minderheitsprobleme waren während des Zweiten Weltkrieges oder kurz danach nicht gelöst, sondern durch Flucht und Vertreibung summarisch aus der Welt geschafft worden. Ein Stück weit kompensierten die UN die Preisgabe minderheitenrechtlicher Postulate zunächst dadurch, daß sie sich neu den Schutz der Menschenrechte zur Aufgabe machte.

Im Lauf der Zeit - und nicht erst seit den "ethnischen Säuberungen" in Exjugoslawien - besann man sich indessen auch innerhalb des UN-Systems wieder auf Minderheitenfragen als auf ein spezifisches, völkerrechtlicher Regelungen bedürftiges Problemfeld. Erstmals in der Geschichte der Vereinten Nationen findet sich 1966 im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) auch eine Bestimmung rechtsverbindlichen Charakters zum Minderheitenschutz. Später nimmt sich die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) des Themas an; 1992 schafft sie das Amt eines Hochkommissars für nationale Minderheiten. Völkerrechtlich verbindliche Grundsätze enthält sodann das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten des Europarates von 1995. Es verpflichtet die Vertragsstaaten zur Nichtdiskriminierung Angehöriger von Minoritäten und dazu, diesen die Wahrung ihrer Identität zu ermöglichen. Der weiteren Ausgestaltung eines minderheitenrechtlichen Instrumentariums auch im Rahmen der Europäischen Union steht zur Zeit das Scheitern des EU-Verfassungsprojektes im Wege.

Das international einst ins Abseits geratene Thema Minderheitenschutz wurde in jüngster Vergangenheit somit zum Gegenstand derart vielfältiger, teilweise zueinander in Konkurrenz stehender Regelungsbemühungen, daß Nichtspezialisten in diesem Bereich auf Orientierungshilfe angewiesen sind. Solche Wegweisung bieten mehrere Beiträge zum vorliegenden Band. Erwähnt seien nebst den einführenden Bemerkungen von Frank-Lothar Kroll die völkerrechtlich-politologisch ausgerichteten Studien von Liv Jaeckel und Matthias Niedobitek. Ludwig Gramlich erinnert daran, daß auch mehrere deutsche Länder Minderheitenschutzbestimmungen auf Verfassungs- und Gesetzesstufe erlassen haben, so 1992 und 1999 etwa Sachsen zugunsten der sorbischen Volksgruppe.

Der Bejahung des Lebensrechtes ethnisch-sprachlicher oder religiöser Minderheiten diametral entgegengesetzt ist die Vorstellung des ethnisch homogenen Nationalstaates. Der Verwirklichung dieses "Ideals" dienten bekanntlich die Vertreibungen beziehungsweise "Umsiedlungen" von Millionen europäischer Bürger im zeitlichen Umfeld der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts. Mit Beispielen solcher "bevölkerungspolitischen Maßnahmen" befassen sich Beiträge der Historiker Winfrid Halder, Adrian von Arburg und Andreas Thüsing. Daß sich ihr Augenmerk zur Hauptsache auf Vorgänge in dem durch seine Nationalitätenvielfalt geprägten, zeitweise einem betont ethnischen Nationalismus verfallenen ostmitteleuropäischen Raum konzentriert, überrascht nicht. Es zeigt sich aber, daß auch in diesem vermeintlich wohlexplorierten Gelände noch wenig erforschte Parzellen auszumachen sind. Einer solchen widmet sich Milos Rezník mit seiner Studie über "Die Kaschuben zwischen Deutschen und Polen". Die Frage nach der Wahrnehmung des Verhältnisses zwischen Tschechen und Deutschen in der tschechischen Historiographie und Publizistik geht differenziert Milos Havelka nach. In ihrer Thematik originell und erfrischend unkonventionell wirkt die Arbeit von Hendrik Thoss über die Vertreibung der "Reichsdeutschen" aus dem 1919 an Frankreich abgetretenen Elsaß-Lothringen. Sowohl die minderheitenrechtlichen als auch die vertreibungsgeschichtlichen Studien des Bandes zeichnen sich durch hohen Informationsgehalt aus.

PAUL STAUFFER

Frank-Lothar Kroll/Matthias Niedobitek (Herausgeber): Vertreibung und Minderheitenschutz in Europa. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2005. 329 S., 78,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Aufschlussreich findet Rezensent Paul Stauffer diesen von Frank-Lothar Kroll und Matthias Niedobitek herausgegebenen Band mit Studien zum Minderheitenschutz und zur Vertreibung in Europa. Die Thematik ist vielfältig, komplex, unübersichtlich. Da freut sich Stauffer besonders über die Orientierungshilfe, die mehrere Studien bieten. Neben den einführenden Bemerkungen von Frank-Lothar Kroll hebt er in diesem Zusammenhang die völkerrechtlich-politologisch ausgerichteten Studien von Liv Jaeckel und Matthias Niedobitek hervor. Auch die Beiträge der Historiker Winfrid Halder, Adrian von Arburg und Andreas Thüsing über Vertreibungen, Umsiedlungen oder ethnische Säuberungen haben Stauffer überzeugt. Sein Fazit: "Sowohl die minderheitenrechtlichen als auch die vertreibungsgeschichtlichen Studien des Bandes zeichnen sich durch hohen Informationsgehalt aus."

© Perlentaucher Medien GmbH
»Insgesamt betrachtet bietet die Publikation nicht nur eine wertvolle, zusammenfassende Darstellung des Forschungsstandes zur Vertreibung der Deutschen aus dem östlichen Mitteleuropa und zahlreiche interessante regionalgeschichtliche Erkenntnisse, sondern auch einen kompakten, gut dokumentierten Überblick zum Minderheitenschutz auf völkerrechtlicher und europäischer Ebene.«
Ilse Reiter, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung, 124/2007

»Der Sammelband [...] bietet neben dem Staatsrechtler besonders auch dem Völkerrechtler (und dem Europarechtler) sowie jedem zeitgeschichtlich Interessierten reiches Anschauungsmaterial und vermittelt wertvolle Einblicke in den Stand der Forschung zur Praxis der Vertreibungen in Europa und zum aktuellen Minderheitenschutz, den diese Praxis in Europa erzwang. Man kann auf weitere Bände dieser Reihe gespannt sein.«
Univ.-Prof. Dr. Michael Kilian, in: Die Öffentliche Verwaltung, 13/2007

»Es gebührt den Herausgebern das Lob, Fachexperten ausgewählt zu haben, die ihr Themengebiet so präsentieren, dass es sich auch einem breiteren Leserkreis erschließt, aber trotzdem nicht an Tiefe verliert.«
Rolf Messerschmidt, in: Neue Politische Literatur, 51/2006