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Wertheim - mit diesem Namen verband man vor hundert Jahren Luxus, Geschmack und Glanz. Wenn man zu Wertheim ging, dann nicht allein, man tauchte ein in eine künstlerische Warenwunderwelt. Insbesondere das Haus am Leipziger Platz, das größte Warenhaus Deutschlands, war weltberühmt. Es zog Kunden an von nah und fern wegen seines Sortiments, seiner Warenpräsentation, aber auch wegen seiner Architektur und Innengestaltung. Hier konnte man alles bekommen, vom ausgereiften Ziegenkäse bis zur Parzival-Partitur, vom Modellkleid bis zum Säbel, aber auch einfache Gebrauchsgegenstände. Wertheim gelang…mehr

Produktbeschreibung
Wertheim - mit diesem Namen verband man vor hundert Jahren Luxus, Geschmack und Glanz. Wenn man zu Wertheim ging, dann nicht allein, man tauchte ein in eine künstlerische Warenwunderwelt. Insbesondere das Haus am Leipziger Platz, das größte Warenhaus Deutschlands, war weltberühmt. Es zog Kunden an von nah und fern wegen seines Sortiments, seiner Warenpräsentation, aber auch wegen seiner Architektur und Innengestaltung. Hier konnte man alles bekommen, vom ausgereiften Ziegenkäse bis zur Parzival-Partitur, vom Modellkleid bis zum Säbel, aber auch einfache Gebrauchsgegenstände. Wertheim gelang es, Massenprodukte preiswert anzubieten, ohne daß sie billig wirkten. Die Gebäude des Unternehmens wurden von renomierten Architekten gestaltet. Außer den Berliner Häusern am Leipziger Platz, am Moritzplatz, in der Rosenthaler Straße und der Königsstraße gab es Filialen in Stralsund, Rostock und Breslau. Wertheim bekam bald heftige Konkurrenz: Hermann Tietz (später Hertie) ließ sich in Berlin nieder, Adolf Jandorf etablierte sich mit dem KaDeWe. Erst die Wirtschaftskrise stoppte diesen Aufschwung. Massiver jedoch war der Einbruch nach 1933 mit der Propaganda der Nationalsozialisten gegen Warenhäuser. Auf Boykott folgte die antisemitische Aussonderung der Eigentümer jüdischer Herkunft. Das Unternehmen wurde "arisiert". Aufstieg, Blüte und Niedergang des Berliner Warenhausunternehmens, sowie die wechselvolle Geschichte der Familie Wertheim, schildert die Autorin in diesem reich bebilderten Band.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.01.1998

Die Wertheims - ein deutsches Schicksal
Zur Geschichte der Warenhäuser und ihrer jüdischen Eigentümer

Simone Ladwig-Winters: Wertheim - ein Warenhausunternehmen und seine Eigentümer. Lit-Verlag, Münster 1997, 491 Seiten, 68,80 DM.

Simone Ladwig-Winters: Wertheim, Geschichte eines Warenhauses. be.bra-Verlag, Berlin 1997, 160 Seiten, 58 DM.

Die Geschichte der Warenhäuser in Deutschland, die in die siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurückreicht, ist nicht nur die faszinierende Geschichte von Pionierunternehmern und dem Erfolg einer neuen Einzelhandelsform. Die Warenhaushistorie ist auch eine Geschichte des Aufstiegs jüdischer Unternehmer im Kaiserreich und in der Weimarer Republik und ihres späteren Schicksals in der Nazizeit; denn bis auf Rudolph Karstadt sind fast alle Gründer Juden gewesen - die Wertheims ebenso wie die Familien Tietz, Schocken oder Jandorf. Die Warenhausgeschichte ist schließlich ein Lehrstück für die dunklen Seiten deutscher Mittelstandspolitik im Nationalsozialismus und für die Verstrickung von Banken und anderen Unternehmen in die sogenannte Arisierung.

Die Autorin (Jahrgang 1955) hat mit ihren beiden Büchern über die Wertheimgruppe und ihre Eigentümer einen bemerkenswerten Beitrag zur Unternehmensgeschichte in Deutschland geleistet. (Bei dem Buch aus dem Lit-Verlag handelt es sich um die wissenschaftlich interessantere Dissertation, auf der das reich bebilderte, auf ein breiteres Publikum zielende Buch des be.bra-Verlags fußt.) Mit ihren Ausführungen hat die Autorin auch frühere Darstellungen der Warenhausgeschichte relativiert, die zumeist in einer Zeit entstanden sind, in der die Aufgeschlossenheit gegenüber historischer Aufarbeitung der Nazizeit noch nicht so groß und die Materiallage durch die Teilung schlechter gewesen ist als heute. Schließlich zeigt vor allem die Dissertation, für die zahlreiche Interviews mit Zeitzeugen geführt worden sind, wie bereichernd Befragungen nach dem umstrittenen Ansatz der Oral History sein können, besonders dann, wenn durch Krieg und andere Ereignisse Lücken in der Überlieferung bestehen. Zumindest Deutungen unmittelbar Beteiligter sind auf diese Weise möglich.

Die Wertheim-Gruppe geht wie andere deutsche Warenhäuser auch auf ein Textilgeschäft in der Provinz zurück, das Abraham Wertheim 1875 in Stralsund eröffnet hatte, vier Jahre vor Leonhard Tietz am selben Ort. Der eigentliche Aufstieg beginnt dann aber in Berlin, dieser damals explosionsartig wachsenden Stadt, die viele Menschen, darunter auch viele Juden, anzieht. Abrahams Sohn Georg Wertheim, der führende Kopf der Eigentümerfamilie, ist der erste, der in Berlin den Begriff Warenhaus bewußt einsetzt - zur Abgrenzung von großen Billigläden. Mit seinen Bauten rückt er auch Wertheim als erstes der konkurrierenden Warenhausunternehmen ins öffentliche Bewußtsein. Ein Großbau am Leipziger Platz wird zum damals größten Warenhaus Deutschlands und mit einer neuen Architektur und Warenästhetik zugleich zu einer Sehenswürdigkeit in Berlin. Der unternehmerische Erfolg der Warenhäuser allgemein löst jedoch schon frühzeitig Attacken aus dem kleinen und mittleren Handel aus. Im Jahr 1900 wird zum Beispiel auf Betreiben mittelständischer Lobbyisten eine Warenhaussteuer als Sondersteuer zur Eindämmung dieser Betriebsform erlassen, die freilich nicht den gewünschten Erfolg hat. Der kleine Einzelhandel wehrt sich auch politisch gegen neue Betriebsformen - ein vertrautes Bild bis heute. Antisemitismus spielt im Kaiserreich noch keine Rolle, obwohl er latent vorhanden ist.

Nach der Inflation und der Weltwirtschaftskrise und dem damit verbundenen Kaufkraftschwund geraten nahezu alle Warenhausunternehmen in Schwierigkeiten und in die Abhängigkeit der Banken. Bei Wertheim haben von 1932 an die Banken das Sagen. Mit dem Beginn der Naziherrschaft verquicken sich der Antisemitismus der Nazis und die mittelständischen, gegen die Großbetriebe gerichteten Interessen. Der Kampf gegen die Warenhäuser wird in der Anfangsphase der Nazizeit parallel mit dem Kampf gegen jüdische Geschäfte betrieben. Ideologisch ist die Betriebsform unerwünscht. Da die Großbetriebe jedoch viele Mitarbeiter beschäftigten und später in den Kriegsjahren als effiziente Verteiler gebraucht werden, bleibt die offizielle Politik der Nazis ambivalent. Eine Liquidation kommt wegen der wirtschaftlichen Folgen, unter anderem für die kreditgebenden Banken, nicht in Frage. Die Autorin widerspricht in diesem Zusammenhang Historikern, die alle auf den Schutzcharakter von Handlungsweisen einzelner Banker wie Emil Georg von Stauß (Deutsche Bank) abheben und die Kreditinteressen ignorieren. Konsequent wird damals jedoch die Arisierung vorangetrieben - erleichtert durch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten infolge verstärkter Boykottmaßnahmen.

Georg Wertheim als Mehrheitseigner entschließt sich angesichts dieser Lage, seine Anteile und nahezu sein gesamtes Vermögen auf seine achtundzwanzig Jahre jüngere nichtjüdische Frau zu übertragen und mit ihr Gütertrennung zu vereinbaren, womit er sich im Alter von Ende Siebzig völlig von ihr abhängig macht. 1937 tritt er aus dem Aufsichtsrat aus und vermerkt lakonisch in seinem Tagebuch: "Georg Wertheim Austritt aus dem Geschäft. Firma als deutsch erklärt." Nach den Pogromen von 1938 läßt sich Wertheim scheiden. Er stirbt (unbehelligt) mit dreiundachtzig Jahren 1939. Das Unternehmen muß auf Drängen der Nazis umbenannt werden. Man wählt den Namen AWAG für Allgemeine Warenhandels AG, wobei fanatische Nazis in den Buchstaben AW wieder Albert Wertheim lesen. Von den Angestellten und Verwandten Georg Wertheims landen, sofern sie nicht emigrieren können, viele im KZ und kommen um.

Nach dem Krieg wird Wertheim in zwei Transaktionen in den fünfziger und achtziger Jahren von Hertie (der arisierten Tietz-Gruppe) übernommen; heute ist das Unternehmen damit im Karstadt-Konzern aufgegangen.

Besonders interessant an der Dissertation ist die Nachzeichnung der persönlichen Schicksale und Motivationen und die Charakterisierung der jüdischen Elite und auch der Mitarbeiter. So verbindet sich bei Georg Wertheim das jüdische Schicksal mit dem individuellen Schicksal eines reichen Mannes und seiner sehr viel jüngeren Frau, die zwar zu ihm hält, auch in schwerer Zeit, aber ständig auf Reisen ist und ihn allein läßt. Von den beiden Kindern heiratet die Tochter Ursula 1938 einen Amerikaner und wandert aus. Der Sohn Albrecht wird 1939 Soldat, dann aber als "Mischling" entlassen, kommt in einem kriegswichtigen Betrieb der Familie seiner späteren Frau unter, geht 1945 nach Schweden, später in die Schweiz und sitzt noch in den fünfziger Jahren im Wertheim-Aufsichtsrat.

Die jüdischen Angehörigen der Wirtschaftselite hätten bis zur Machtergreifung der Nazis darauf vertraut, daß ihr Aufstieg, ihre gesellschaftliche Stellung und die damit verbundene Anerkennung von Dauer sein würden, schreibt Ladwig-Winters zusammenfassend. Sie hätten jedoch die Kraft des zur Staatsidee erhobenen Antisemitismus unterschätzt. "Nach einer rasanten Aufstiegs- oder Aufbauphase, einer kurzen Blütezeit wurde in der NS-Zeit alles zerstört, was vorher an den Eckpunkten einer humanen Civitas geschaffen worden war." Unausgesprochen durchzieht die Bücher die Frage: Wie hat das alles geschehen können? Man kann der Autorin nur beipflichten, wenn sie vor der Wiederkehr einer solchen Entwicklung warnt. JÜRGEN JESKE

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"100 Jahre Wertheim, eine spannende (Jahrhundert-) Geschichte von Verführung und Lust, aber auch von Intrigen und Terror. An den erstaunlichen Fakten und Bildern, mit denen sie hier präsentiert wird, merkt man, welche Unschuld einst die Welt der schönen guten Waren besaß."(Süddeutsche Zeitung 29./30.11.97)