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Martha Gellhorns Heldin erfindet sich einfach neu
Sie war eine großartige Journalistin, spezialisiert auf Kriegsschauplätze. Von den Fronten in Finnland bis Vietnam oder in Israel hat sie für amerikanische und englische Zeitungen berichtet. Im Spanischen Bürgerkrieg konkurrierte sie mit Hemingway; wenig später wurde sie seine dritte Ehefrau (die Ehe hielt allerdings nur vier Jahre). Beim Einmarsch deutscher Truppen in die Tschechoslowakei war sie dabei. Vor Hitler hatte sie von Anfang an gewarnt. Als eine der Ersten besuchte sie nach 1945 Dachau und verurteilte die Deutschen, die nichts von den Verbrechen gewusst haben wollten.
Dass Martha Gellhorn auch eine Schriftstellerin vom Rang eines Maupassant oder Evelyn Waugh war, ist bei uns jedoch kaum bekannt. Von ihren acht Romanen und drei Erzählungsbänden ist nur ein kleiner Teil übersetzt. Die drei Novellen, die der Schweizer Dörlemann Verlag jetzt in einer fast bibliophilen Ausstattung und hervorragend übersetzt von Miriam Mandelkow herausgebracht hat, lassen hoffen, dass wir bald mehr von der Amerikanerin werden lesen können, die so elegant wie sarkastisch zu schreiben verstand.
Martha Gellhorn hat einen großen Teil ihres ruhelosen Lebens in England verbracht; sie starb im Jahre 1998, nahezu erblindet, fast neunzigjährig in London. Angelsächsisches Understatement mit einer gehörigen Portion von Snobismus und nicht selten bissigem Humor zeichnen sie aus, aber auch die in ihrem journalistischen Beruf trainierte genaue Beobachtungsgabe. So ausgerüstet, hat sie selbst die Wechselfälle des Schicksals ertragen. Und so ähnlich reagieren auch die Helden in ihren Novellen auf das Auf und Ab des Lebens.
Mrs. Hapgood, die Hauptfigur ihrer umfangreichsten Erzählung, ist dafür ein gutes Beispiel. Nachdem sie ihren ungetreuen Ehemann verlassen und eine Reise zu den Schlössern an der Loire angetreten hat, erfindet sie sich einfach neu - eine Frau, nicht mehr jung, aber auch noch nicht alt, macht sich auf den Weg, andere Möglichkeiten als die gewohnten zu erkunden. Sie färbt sich die Haare, kauft sich neue Kleider und gewinnt durch einen verständnisvollen Liebhaber neues Selbstbewusstsein. Sie, die stets getan hat, was sich gehört, hat plötzlich Lust zu flirten, Champagner zu trinken und mit dem Architekten Philip ein Picknick im Grünen zu genießen.
Vor dem Wort Liebe fürchtet sich Mrs. Hapgood allerdings. Dass nach der Rückkehr zu ihrer Familie das Experiment einer Ménage à trois misslingt, war zu erwarten. Kühl und sachlich ordnet sie ihre Finanzen, ehe sie den Geliebten und den Ehemann endgültig verlässt, um, wenn schon nicht glücklich, so doch offensichtlich zufrieden, "das kleinste, teuerste und erfolgreichste Hotel" an der spanischen Küste zu führen.
Einige Personen aus der Londoner, aber auch der amerikanischen Gesellschaft erkannten sich in Martha Gellhorns Geschichten wieder und beschwerten sich. So "munter" und harmlos sind die schonungslos ehrlichen Texte eben nicht, vielmehr decken sie Heuchelei und Abgründe auf, die die Vorbilder lieber verborgen hätten.
MARIA FRISÉ
Martha Gellhorn: "Muntere Geschichten für müde Menschen". Novellen. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Miriam Mandelkow. Dörlemann
Verlag, Zürich 2008. 255 S., geb., 21,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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