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Ist Russland ein neoimperialistischer Staat, der seine Nachbarn drangsaliert oder bloß das unschuldige Opfer westlichen Expansionsdranges? Weder das eine noch das andere, so argumentiert Martin Aust, denn in den aufgeheizten Debatten der Gegenwart wird unterschätzt, dass Russland seit 1991 in einem postimperialen Raum agiert, der zuvor über Jahrhunderte vom sowjetischen und zaristischen Imperium beherrscht wurde. Der Untergang der Sowjetunion verlief im welthistorischen Vergleich relativ unblutig. Doch er hinterließ ein Erbe, das bis heute fortwirkt. Die wirtschaftliche Arbeitsteilung…mehr

Produktbeschreibung
Ist Russland ein neoimperialistischer Staat, der seine Nachbarn drangsaliert oder bloß das unschuldige Opfer westlichen Expansionsdranges? Weder das eine noch das andere, so argumentiert Martin Aust, denn in den aufgeheizten Debatten der Gegenwart wird unterschätzt, dass Russland seit 1991 in einem postimperialen Raum agiert, der zuvor über Jahrhunderte vom sowjetischen und zaristischen Imperium beherrscht wurde.
Der Untergang der Sowjetunion verlief im welthistorischen Vergleich relativ unblutig. Doch er hinterließ ein Erbe, das bis heute fortwirkt. Die wirtschaftliche Arbeitsteilung verschwand ebenso wenig wie die starke ethnische Vermischung innerhalb des Reichsverbands. Und die neu entstehenden Nationalstaaten ließen Minderheitenkonflikte eskalieren, die im imperialen Zusammenhang ruhig gestellt gewesen waren. Doch auch in der Zentrale selbst wirkten imperiale Denkweisen und Institutionen fort. Es wird seitdem in Russland intensiv darum gerungen, wie mit dem imperialen Erbe umzugehen sei und was es für die Gegenwart bedeutet. Martin Aust zeichnet alle diese Probleme und Debatten nach und zeigt, wie wichtig sie sind, um die gegenwärtige Politik Russlands wirklich zu verstehen.
Autorenporträt
Martin Aust ist Professor für osteuropäische Geschichte an der Universität Bonn.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.04.2019

Moskauer Motive
Kohls früherer Berater Horst Teltschik und der Historiker Martin Aust bemühen sich um Verständnis für Putins Politik – aber auf sehr unterschiedliche Art.
Beim einen geht es um Lob und Legenden, der andere analysiert die geschichtlichen Hinterlassenschaften von Zarenreich und Sowjetunion
VON RENATE NIMTZ-KÖSTER
Vorurteile, blinde Liebe, Furcht und Verehrung – ein widersprüchliches Russlandbild geistert seit eh und je durch deutsche Köpfe. Am Krieg in der Ostukraine und an der Annexion der Krim erhitzten sich die Gemüter bis zum Siedepunkt, unversöhnlich diskutieren seither „Russland-Versteher“ mit jenen, die wissenschaftliche Kenntnis und Sachlichkeit beanspruchen.
Gerade bemühen sich wieder zwei Autoren um Verständnis für Russland – auf unterschiedlichen Wegen: Martin Aust, Osteuropa-Historiker an der Universität Bonn, mit seinem neuen Buch „Im Schatten des Imperiums“, das Russlands Politik von Gorbatschows Perestroika bis zum Beginn von Putins vierter Präsidentschaft 2018 erklären möchte. Praktische Lösungen der gegenwärtigen Konfrontation sucht hingegen Horst Teltschik, außenpolitischer Berater von Helmut Kohl und langjähriger Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz. Als hochgefährliches „Russisches Roulette“, wie er sein Buch überschreibt, sieht Teltschik die Eskalation in den beiderseitigen Beziehungen und fordert eine Neuauflage der von ihm mitgestalteten Entspannungspolitik.
Beide, Aust und Teltschik, verbindet und trennt zugleich ein Schlagabtausch, den sie sich im Dezember 2014 nach der Annexion der Krim öffentlich lieferten. Auf den von Teltschik initiierten Aufruf von 65 Unterzeichnern, der unter dem Titel „Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen“ mehr Rücksichtnahme auf Moskau gefordert hatte, antworteten 100 Ostexperten mit einem Gegenaufruf: Die Unterzeichner, unter ihnen die Professoren Aust und Karl Schlögel, benannten Aggressor und Opfer und wiesen „Pathos und Halbwahrheiten“ zurück.
Voraussetzung für ein fundiertes Russland-Verständnis, meint nun Historiker Aust, sei die Analyse der geschichtlichen Hinterlassenschaft: Seit 1991, so seine These, befinde sich Russland in einer „postimperialen Konstellation“. Die Frage nach dem politischen und gesellschaftlichen Umgang mit dem doppelten imperialen
Erbe von Zarenreich und Sowjetunion
sei noch keineswegs geklärt – auch nicht für den Präsidenten Wladimir Putin, dessen Person die Russlanddebatte beherrscht.
Nicht schlagartig, wie im Falle Deutschlands oder Japans 1945, sei mit der Sowjetunion auch ein Imperium verschwunden. Der Abschied könne, wie am Beispiel Frankreichs und Großbritanniens und ihrer einstigen Kolonialreiche zu sehen, ein längerer Prozess sein. Dabei wechselten sich Reformbemühungen, Gewalt und Krieg als letztes Mittel ab.
Es brauche seine Zeit, sicherlich auch über Putins Amtszeit hinaus, meint Aust, „bis imperiale Politik in den Köpfen der politischen Elite eines Landes keine Option mehr darstellt“. Der Historiker nennt es „fahrlässig zu denken, dass das Ausscheiden Putins das Land schlagartig verändern wird und alle jetzigen Fragen im Verhältnis Russlands zu Europa sich von allein lösen werden“.
Ein Beispiel für den taktischen Umgang Putins mit dem imperialen Erbe sei sein Abbruch des Projektes Novorossija: Mit „Neurussland“ plante die russische Rechte im Frühjahr 2014, in Anlehnung an eine neue Verwaltungseinheit Katharinas der Großen nach deren Annexion der Krim 1783, die Expansion weiter nach Westen fortzusetzen. Putin verfolge aber „keinen Maximalplan der Wiedergewinnung ehemals zaristischer oder sowjetischer Territorien“, meint Aust. Seine Unterstützung rechter Kräfte sei „situativ und partiell“ – wie im Falle der Krim-Annexion und der Destabilisierung des Donbas. Denn auf Dauer würde solch vorbehaltloser Rückhalt „der Außenpolitik mehr Probleme als Vorteile bereiten“.
Sein Buch sieht Aust als „Beitrag zum öffentlichen Gespräch über Russland in Deutschland“. Gegenwärtig trügen Publikationen, die das Russlandbild stark überzeichnen, zur Verhärtung und emotionalen Aufladung der Auseinandersetzung bei. Das „eindimensionale Urteil“, wie es die Journalistin Gabriele Krone-Schmalz, mittlerweile aber auch der prominente amerikanische Historiker Timothy Snyder abgäben, verzerre die Realität.
Bei aller Kenntnis des Zeitzeugen Teltschik ist sein durchaus fesselndes Panorama der Ostpolitik nicht frei von Schwächen. So beklagt auch er „die verzerrte Wahrnehmung des Kontrahenten“ Russland, um sein Zerrbild von einer maroden Ukraine zu verfestigen. Zweijährige Straßenkinder gebe es dort, hatte sich Teltschik 2015 bei einem Vortrag an der Universität Bern empört. „Im Alltag werden Sie als Ausländer ständig bedroht“, frei könne man sich nur „bewaffnet bewegen“.
Großzügig gewährt Teltschik Lob für Russland, das sich 1994 zur territorialen Unversehrtheit der Ukraine bekannte, nachdem diese ihr sowjetisches Atomwaffenarsenal an Moskau abgegeben hatte. So behauptet er: „Die Menschen erfreuen sich schon jetzt eines Ausmaßes an persönlicher Freiheit, das es in der Geschichte Russlands (…) noch nie gegeben hat.“ „Es gibt keine Demokratie, aber Wahlen. Es gibt keine freie Presse, aber Redefreiheit (…).“
Der Moskauer Regisseur Kirill Serebrennikow, das merkt die Leserin an, musste indessen vom Hausarrest aus seine in Europa gefeierten Theater- und Opernaufführungen inszenieren. Die Zahl der obdachlosen Kinder ist heute in Russland größer als in der Nachkriegszeit. Am allermeisten, so ergab eine Umfrage des Lewada-Meinungsforschungszentrums, fühlen sich die Russen belastet von der „Schande der Armut“.
Gelegentlich sieht Autor Teltschik die gegenwärtige Politik Russlands auch kritisch und wünscht mehr Kooperationsbereitschaft. Die Furcht vor der Einkreisung durch das westliche Bündnis sei „realpolitisch unbegründet“, erklärt Teltschik: Die Westgrenze sei die sicherste des Riesenreiches. Im Osten grenzt es an die beiden Atommächte China und Nordkorea.
Doch die Bringschuld sieht er letztendlich beim Westen. Chancen für eine gesamteuropäische Sicherheitsordnung unter Einbeziehung Russlands seien in den Umbruchjahren 1989/90 nicht genutzt worden. Enttäuschungen gruben sich tief in das russische Gedächtnis ein. Das Nato-Bombardement auf das „serbisch-slawisch Brudervolk“ während des Kosovo-Krieges 1999 wurde vom damaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin nie verziehen.
Teils reichlich detailliert in der Wiedergabe mancher Politikerrede zeichnet Teltschik die Ost-West-Politik mit ihren Erfolgen und Krisen nach. Auf die typischen Fotos vom Autor mit seinen stets gut gelaunten Präsidenten mag er allerdings nicht verzichten.
Immer wieder gab es Rückschläge, etwa bald nach der von vielen Hoffnungen begleiteten Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte von Helsinki, mit der sich Ost und West 1975 auf die friedliche Lösung von Konflikten und die Achtung der Menschenrechte verpflichteten: Trotz aller Abkommen hatte der damalige Generalsekretär der KPdSU, Leonid Breschnew, neue atomare Mittelstreckenraketen entwickeln und stationieren lassen. „Ein bleierner Mantel“ (Horst Teltschik) habe sich damals über die Ost-West-Beziehungen gelegt. „Buchstäblich einen Tag nach der Wahl Gorbatschows ging die Eiszeit zu Ende.“
Energisch tritt Teltschik für die Ehrenrettung von Ronald Reagan und George Bush ein. Der in Deutschland „ständig als kalter Krieger denunzierte Reagan“ und sein Nachfolger hätten „die weitreichendsten Abrüstungsergebnisse“ erzielt, vor allem die sogenannte doppelte Nulllösung für alle Kernwaffensysteme der USA und der Sowjetunion mit einer Reichweite bis zu 5500 Kilometern: „Dem jahrelangen Wettrüsten sollte ein Wettabrüsten folgen.“
Der seinerzeit heiß umstrittene Nato-Doppelbeschluss sei von der Protestbewegung der frühen Achtzigerjahre völlig verkannt worden: Er habe das Ziel gehabt, die sowjetische Führung zu veranlassen, ihre Mittelstreckenraketen zu vernichten. Gegen die sowjetische Aufrüstung, merkt Teltschik an, hätten sich die Friedensinitiativen nicht gerichtet.
Die entschlossene westliche Antwort auf eine russische Provokation sei damals mit einem fairen Angebot kombiniert worden, einem gegenseitigen Verzicht auf Atom-Mittelstreckenraketen. Heute aber, bedauert Teltschik, „wird erwartet, dass Russland einseitig nachgibt“.
Gute Nato, böse Nato? Für den Autor hat sich das Bündnis mit historischem Erfolg verdient gemacht. Dass der Kalte Krieg damals überwunden wurde, „lag vor allem an der Strategie der Nato, die seit der zweiten Hälfte der 60er-Jahre eine Politik der Stärke konsequent mit Angeboten zur Entspannung verband“. Gegenwärtig aber sieht er die Nato nur auf „Konfrontationskurs“. Teltschik warnt: Wenn sie ihre jetzige unflexible Strategie fortsetze, werde der Konflikt mit Russland immer weiter eskalieren.
Was tun? Teltschiks Schlussplädoyer gilt, wie immer wieder auf seiner Zeitreise „Vom Kalten Krieg zum Kalten Frieden“ (so der Untertitel), „der Kombination von Stärke und ausgestreckter Hand“. Für einen Neuanfang bleibe letztendlich, was er selbst als Binsenweisheit bezeichnet: miteinander reden hilft.
Renate Nimtz-Köster hat Romanistik und Slawistik studiert. Sie ist freie Wissenschaftsjournalistin.
Putins politisches Ende werde
das Land keinesfalls sofort
radikal verändern, warnt Aust
Heute, bedauert Teltschik,
„wird erwartet, dass Russland
einseitig nachgibt“
Großer Mann auf der Krim: Ein Graffito zeigt Wladimir Putin 2015 auf einem Regierungsgebäude in Simferopol.
Foto: Pavel Rebrov / Reuters
Martin Aust:
Die Schatten des Imperiums. Russland seit 1991.
Verlag C.H. Beck, München 2019. 190 Seiten, 14,95 Euro.
E-Book: 11,99 Euro.
Horst Teltschik:
Russisches Roulette.
Vom Kalten Krieg zum Kalten Frieden. Verlag C.H. Beck, München 2019.
234 Seiten, 16,95 Euro.
E-Book: 13,99 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.09.2019

Das Imperium ist nicht nur böse
Ein erhellendes Buch über die russische Geschichte seit dem Ende der Sowjetunion 1991

Bei den jüngsten Protesten in Georgien trugen viele der jungen Demonstranten T-Shirts mit der Aufschrift: "20 Prozent meines Landes sind von Russland besetzt." Im russischen Internet machte daraufhin ein Meme mit dem Spruch "20 Prozent meines Imperiums sind besetzt" die Runde, das eine Landkarte zeigte, auf dem die nichtrussischen ehemaligen Sowjetrepubliken bunt eingefärbt waren. Die untergegangene Sowjetunion wird in Russland heute offen als Imperium bezeichnet. Ihr Ende haben große Teile der russischen Gesellschaft noch immer nicht verwunden. Und unter regimetreuen Politiker und Denkern ist es eine Art Lehrsatz, dass es über alle historischen Brüche hinweg Russlands Mission sei, ein Imperium zu sein, und dass es nur als Imperium bestehen könne. So positiv die Bedeutung dieses Begriffs in Russland ist, so negativ ist sie bei seinen unmittelbaren Nachbarn. Dort bestimmt die Ablehnung des imperialen Anspruchs Russlands das Verhältnis zu Moskau.

Der Osteuropa-Historiker Martin Aust löst sich in seinem Buch "Die Schatten des Imperiums. Russland seit 1991" von dieser auch im deutschen Sprachgebrauch weitverbreiteten wertenden Bedeutung des Begriffs und versucht ihn als analytische Größe für das Verständnis der Entwicklung seit dem Ende der Sowjetunion nutzbar zu machen. In einer Zeit, in der die Debatte über Russland in der deutschen Öffentlichkeit sehr polarisiert ist, will er durch die Befreiung von "den dämonischen Vorstellungen des bösen Imperiums" die Vielschichtigkeit der dort ablaufenden Prozesse sichtbar machen. Damit möchte er auch den Blick von der Reizfigur Putin weg- und auf langfristige Strukturen hinlenken, die für Russland und unser Verhältnis zu ihm auch dann noch prägend sein werden, wenn der heutige Präsident einmal Geschichte ist.

Aust schreibt angenehm nüchtern, ihm geht es um Verständnis, nicht um Positionierung. Er legt dabei Schichten des Verhältnisses der Russen zu ihrem Imperium frei, die vom aggressiven Großmachtgetöse in den russischen Staatsmedien heute oft verdeckt werden, die aber gleichwohl noch immer gegenwärtig sind. Im Gedächtnis vieler Russen ist das sowjetische Imperium weniger mit militärischer Größe als mit nostalgisch verklärten Alltagserfahrungen verbunden: "Der imperiale Raum erschien in diesen Erinnerungen nicht als politischer, sondern als sozialer und touristischer Raum." Auch bedeutete das Ende der Sowjetunion für viele Russen anfangs weniger einen Verlust als vielmehr "auch die Befreiung von der Bürde, russisches Geld in den Umverteilungshaushalt der Sowjetunion zu stecken". Vor allem die Unabhängigkeitsbewegungen in Zentralasien und dem Kaukasus wurden als Form der Undankbarkeit verstanden.

In verschiedenen Phasen der nachsowjetischen Geschichte sah auch der Umgang mit dem imperialen Erbe aus Zarenreich und Sowjetunion unterschiedlich aus. Seit Mitte der Nullerjahre gewann parallel zum wieder klar formulierten politischen Großmachtanspruch auch die Vorstellung einer eigenen zivilisatorischen Mission Russlands wieder mehr Gewicht, die über das Land hinausreicht - etwa im Begriff "russische Welt", zu der alle gehören sollen, die irgendwie mit der russischen Kultur verbunden sind. Gleichzeitig ist auch für den heutigen russischen Staat noch nicht geklärt, ob er auf dem Weg zu einem Nationalstaat ist oder ob es sich dabei um eine Art geschrumpftes Imperium handelt. Aust schreibt, es sei eine klare Tendenz hin zu einem Selbstverständnis als Vielvölkerreich erkennbar. Darüber kann man angesichts der Zurückdrängung der nichtrussischen Sprachen diskutieren. Allerdings fügt sich das in einen Prozess ein, den Aust beschreibt: Moskau bemüht sich einerseits, immer tiefer in die Regionen hineinzuregieren, während gleichzeitig in manchen Regionen, vor allem in Tschetschenien, seine Durchgriffskräfte schwinden. "Die Geschichte Russland ist eine stete Auseinandersetzung von zentralisierender Macht und regionalem Eigensinn", schreibt Aust.

Der schwächste Teil seines Buchs ist das Kapitel, in dem er das Verhältnis Russlands zu Moldau, Georgien und der Ukraine darstellt. Bedauerlicherweise fehlt gerade hier die analytische Tiefe, die den Rest des Bandes auszeichnet. Dabei wäre es am Beispiel dieser Länder besonders interessant, die Zwiegesichtigkeit des einstigen Imperiums im Umgang mit den nichtrussischen Völkern aufzuzeigen. "Auch Imperien machen Integrationsangebote und räumen Autonomien ein", heißt es im Einführungskapitel. In jeder dieser drei Sowjetrepubliken sah das anders aus - was bis heute Folgen für ihr Verhältnis zu Russland hat. Und es wäre spannend gewesen, wenn Aust die Beobachtung weiter ausgeführt hätte, an Putins Ukraine-Politik sehe man "seinen taktischen Umgang mit dem imperialen Erbe Russlands und der Sowjetunion".

Gegen Ende verliert der schmale Band die argumentative Stringenz des Anfangs und flacht stellenweise zu einer reinen Nacherzählung der jüngsten Geschichte Russlands und einiger seiner Nachbarn ab. Aber das ändert nichts daran, dass Aust ein sehr lesenswertes Buch gelungen ist, das den Blick weitet.

REINHARD VESER

Martin Aust: Die Schatten des Imperiums. Russland seit 1991.

C.H. Beck Verlag, München 2019. 190 S., 14,95 [Euro].

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"eine packende Analyse"
P.M. History

"Ein nüchterner Beitrag, der heutigen Bestandsaufnahmen kritisch-historische Tiefenschärfe verleiht."
recensio.net, Andreas Hilger