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Die deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert ist durch zwei Perspektiven bestimmt, die zueinander in Widerspruch stehen. Zum einen die großen Kriege und Katastrophen, die das deutsche 20. Jahrhundert in zwei Teile spalten - vor und nach 1945. Deutschland ist das Land, in dem die radikalen Ideologien von links und rechts erdacht wurden, und das einzige, in dem sie jeweils staatliche Form annahmen. Das prägt die erste wie die zweite Hälfte des Jahrhunderts. Zum anderen der Aufstieg der modernen Industriegesellschaft, der über die verschiedenen politischen Systeme hinweg zu jahrzehntelangen…mehr

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Produktbeschreibung
Die deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert ist durch zwei Perspektiven bestimmt, die zueinander in Widerspruch stehen. Zum einen die großen Kriege und Katastrophen, die das deutsche 20. Jahrhundert in zwei Teile spalten - vor und nach 1945. Deutschland ist das Land, in dem die radikalen Ideologien von links und rechts erdacht wurden, und das einzige, in dem sie jeweils staatliche Form annahmen. Das prägt die erste wie die zweite Hälfte des Jahrhunderts. Zum anderen der Aufstieg der modernen Industriegesellschaft, der über die verschiedenen politischen Systeme hinweg zu jahrzehntelangen Auseinandersetzungen um die soziale und politische Ordnung führt. Erst 1990 scheinen sie gelöst, als der Sozialismus zusammenbricht. Aber am Ende des Jahrhunderts ist die Debatte um die Leistungen und Defizite des Kapitalismus wieder voll entbrannt. Diesen gewaltigen Prozess legt Ulrich Herbert mit einer Präzision und Tiefenschärfe frei, wie sie nur selten in der Geschichtsschreibung begegnet. Kriege und Terror, Utopie und Politik, Kapitalismus und Sozialstaat, Sozialismus und demokratische Gesellschaft, Geschlechter und Generationen, Kultur und Lebensstile, europäische Integration und Globalisierung: Wie diese widersprüchlichen Ereignisse und Entwicklungen strukturiert und aufeinander bezogen sind, davon handelt dieses Buch.

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Autorenporträt
Ulrich Herbert ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg im Breisgau und einer der bekanntesten deutschen Zeithistoriker. 2014 wurde er mit dem Bayerischen Buchpreis in der Kategorie "Sachbuch" ausgezeichnet.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Edgar Wolfrum nähert sich dem "gewaltigen", hier vom Historiker Ulrich Herbert gebzähmten Stoff mit Ehrfurcht. Die beiden vom Autor geschlagenen Argumentationsbögen "Hochmoderne" und der "exklusive Deutsche" übezeugen ihn durch ihre Flexibilität, die es ermöglicht, deutsche Geschichte zu erzählen. Herberts mitunter konventionelle, laut Rezensent meist jedoch anregende und intensive Erzählweise sieht Wolfrum aufgelockert durch überraschende historische Verknüpfungen, etwa, wenn der Autor transnationale Vergleiche zieht. Bedrückt lassen den Rezensenten die vom Autor kenntnisreich verfassten Passagen über die Gewalt im Nationalsozialismus zurück, staunend steht er vor Herberts allumfassender Schilderung des Aufstiegs nach '45. Dass Deutschland heute so überfordert sei wie zu Beginn des Jahrhunderts, wie der Autor fasst, möchte Wolfrum allerdings nicht unterschreiben.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.05.2014

Vom Streben
nach Normalität
Ulrich Herberts Geschichte Deutschlands im
20. Jahrhundert zeigt das Land, wie es war, wie es ist
VON TIM B. MÜLLER
Ein Leitmotiv zieht sich durch Ulrich Herberts monumentale „Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert“. In den Siebziger- und Achtzigerjahren fand die Bundesrepublik zu dem, was Deutschland immer gesucht hatte: Normalität.
  Eine „erfolgreiche und moderne Gesellschaft“ war entstanden, die Verbindung von Dynamik und Sicherheit gelungen. Der Kampf um die politische Ordnung der Industriegesellschaft, der bis dahin das Jahrhundert beherrscht hatte, war überwunden. Individualisierung, Pluralisierung und Liberalisierung hatten die Nation verändert. Deutschland war nun endlich „wie alle anderen: eine normale Gesellschaft, ein normaler Staat“.
  Selbst der Nationalsozialismus wurde Geschichte. Die neuen Probleme, denen sich Deutschland seit den Siebzigerjahren stellen musste – „Deindustrialisierung und Strukturwandel, Internationalisierung der Weltwirtschaft, Destabilisierung des Weltwährungssystems, Umweltzerstörung, Atomenergie, Nord-Süd-Konflikt und Islamismus – ließen sich nicht mehr auf die Ausgangslage um die Jahrhundertwende zurückführen“. Diese Gewichtung ist bei Herbert in Zahlen zu fassen: den 300 Seiten zu Kaiserreich, Erstem Weltkrieg und Weimar, den 240 Seiten zum Nationalsozialismus stehen 700 Seiten zur Bundesrepublik gegenüber, unterbrochen von Einschüben zur DDR.
  Normalität war, was die Menschen im Kaiserreich von der Beschleunigung in Wirtschaft und Gesellschaft bedroht sahen, wonach sie sich in der Weimarer Republik sehnten, was sie sich vom Nationalsozialismus erhofften und was sie schließlich, dank amerikanischer Aufsicht und Wirtschaftswunder, in der Bundesrepublik fanden. Aber als ganz Deutschland 1990 diesen Zustand erreichte, war er bereits wieder in der Auflösung begriffen. Am Schluss steht die Frage, wann dieses lange und schreckliche, rasante und glückliche Jahrhundert der Extreme zum Ende kam. Herbert entscheidet sich für die Finanz- und Wirtschaftskrise, die wir noch immer erleben und die daran erinnert, dass womöglich „die aus dieser glücklichen Entwicklung erwachsenen Gefahren nicht geringer sind als die überwundenen“.
  In Herberts Erzählung ist Deutschland das Paradigma der kapitalistischen Industriemoderne. Das Land musste größere Spannungen aushalten als andere, es wurde zeitweilig zum Extremfall – zum „GAU“ der Moderne, wie Detlev Peukert es formulierte, der alle innovativen Geschichten Deutschlands im 20. Jahrhundert inspiriert hat, auch die Ulrich Herberts.
  Aber Deutschland war kein Sonderfall. Herberts Leidenschaft als Forscher und Geschichtsschreiber gelten diesen beiden Deutschland: dem nationalsozialistischen und dem bundesrepublikanischen. Es waren zwei entgegengesetzte Antworten, die jene beiden politischen Ordnungen auf die Grundprobleme der Moderne gaben. Wie Herbert diesen Gegensatz in seiner extremen Schroffheit beschreibt und gleichzeitig stets deutlich macht, dass unterdessen eine wirtschaftliche, industrielle Dynamik weiterlief – und das heißt: von ein und denselben Menschen weiterbetrieben wurde –, die diese so radikal unterschiedlichen Systeme miteinander verband: Das ist große Kunst der Geschichtsschreibung.
  Ein mutiges Lektorat hätte den Autor zur Kürzung der Zeit vor 1933 und auf eine knappe Vorgeschichte dieses dramatischen Gegensatzes gedrängt. Nicht nur wäre das Buch dann ein wenig handlicher geworden. Es wären auch die Passagen entfallen, in denen der Leser auf keinen neuen Gedanken stößt. Schon im Kaiserreich bewegt Herbert sich mitunter nicht auf der Höhe der Forschung. Die Darstellung des Ersten Weltkrieges dann gerät oft so einseitig, als habe bereits ein monolithischer Führerwille und nicht eine Vielfalt von europäischen und persönlichen Interessen und Vorstellungen den Verlauf der Ereignisse bestimmt. In der Einleitung appelliert Herbert noch an das Ethos des Historikers, die Geschichte nicht vom Ende her zu denken, und verweist auf die „Offenheit des Geschehens“.
  Die Weimarer Republik erscheint dann aber ganz konventionell als gehetzt und überfordert. Die Handelnden sind meist Reagierende. Nicht nur hier macht sich Herberts Neigung bemerkbar, Ideen und Begriffe auf geschichtslose Schlagworte zu reduzieren: Begreift man die Errichtung der Weimarer Demokratie als Reaktion auf eine bolschewistische Revolutionsgefahr, unterschätzt man die demokratische Eigendynamik und die Wandlungsfähigkeit des Liberalismus im 20. Jahrhundert.
  Herbert übersieht, dass die Grundlagen der westlichen, liberalen und sozialen Demokratie, auch jener bundesrepublikanischen Versöhnung von Freiheit und Gleichheit, von Kapitalismus und Demokratie, auf die seine Geschichte zusteuert, in der Zwischenkriegszeit gelegt wurden. Aber er zeigt deutlich, dass überhaupt erst die Wirtschaftskrise seit 1929 die Zerstörung der Demokratie möglich machte. Und anders als so viele, die der Republik die Lebensfähigkeit absprechen, gibt Herbert ihr eine Chance bis zuletzt: „Da sich die Konjunkturlage seit Ende 1932 wieder zu verbessern schien, drohte das gesamte Projekt einer Demontage der parlamentarischen Demokratie zu scheitern.“
  Die Demokratie wurde demontiert. Hitler kam und siegte. Doch nicht mit den Mitteln der Verführung und Vereinigung. Dass der Nationalsozialismus auf Zustimmung stieß, steht außer Frage. Mit jedem außenpolitischen Erfolg, ja überhaupt erst infolge der diplomatischen Triumphe in den Dreißigerjahren wuchsen die Begeisterung und das Vertrauen zum Führer.
  Aber es war eine schwankende Zustimmung. In den Jubel mischte sich Sorge, in das Vertrauen Zweifel, die Angst vor einem Krieg war groß. Was die Deutschen wollten, war Normalität. Sie ließen sich mitreißen, sie schauten weg, wo sie nur konnten, sie brachten denen, die anders waren, und vor allem den osteuropäischen Juden, kaum Mitleid entgegen. Aber sie verschmolzen nie zu der enthusiastischen Volksgemeinschaft, mit der eine Geschichtswissenschaft, die im Schatten Herberts steht, den Nationalsozialismus erklären zu können glaubt. Die Täterforschung begann mit Herbert, und die Debatten über die Vernichtungspolitik hat er in den Neunzigerjahren auf ein neues Niveau gehoben. Seine beeindruckende Souveränität wird grandios sichtbar in dem Kapitel „Völkermord und Volksgemeinschaft“, dem Höhepunkt der Darstellung.
  Im Gegensatz zur derzeit stärksten Strömung in der NS-Forschung stellt Herbert die Dynamik der Gewalt in den Mittelpunkt, mit der die Herrschaft in wenigen Wochen durchgesetzt und dann immer weiter befestigt wurde. Der Terror der „NS-Milizen“ schaltete Gegenkräfte aus, zerstörte die Strukturen der Republik, schüchterte jeden möglichen Widerspruch ein. Die Bevölkerung gewöhnte sich unter diesen Bedingungen auch an den antijüdischen Terror. Herbert zeichnet die schrittweise Eskalation nach, die zur Vernichtung der europäischen Juden führte. Am Ende bedurfte es gar keiner expliziten Entscheidung. Seit Kriegsbeginn 1939 war das Morden selbstverständlich geworden. Der Ausnahmezustand, der Krieg war das „Lebenselixier“ des Regimes. Die Normalität, die der Bevölkerung geboten wurde, war nur Fassade, hinter der die Gewalt lauerte: eine „Normalität ohne Linke, ohne avantgardistische Künstler, ohne Klassenkampf – und ohne Juden“.
  Die wirtschaftliche Stabilität, nach der die Menschen sich am meisten gesehnt hatten, war nur Schein. Die auf Raub gebaute Ökonomie musste zwangsläufig zusammenbrechen: „Hitlers Alternative zum System der liberalen Weltwirtschaft war nicht ein anderes Wirtschaftssystem, sondern der Krieg.“
  Was Volksgemeinschaft, ein ursprünglich optimistischer, demokratischer Begriff aus der Weimarer Zeit, den die Nationalsozialisten pervertiert hatten, nun meinte, wird in einer eindrucksvollen Szene deutlich: eine Kampfgemeinschaft, die sich im musikalischen Rausch auf die ewige Schlacht einstimmte. In Bayreuth wurde auch im Krieg Wagner gespielt, vor Arbeitern und Soldaten – eine „Kulturtat ersten Ranges“ für den Sicherheitsdienst der SS. Herbert erklärt: „Hier wurde Volksgemeinschaft inszeniert.“
  So schaffte der NS-Staat „die Illusion von Normalität“. Nur was für eine Normalität? Die Frage lässt Autor und Leser nicht los: „Der Verlust von eindeutigen Bezügen und Bewertungen, von richtig und falsch, von gut und böse, kann als Prozess der wachsenden moralischen Indifferenz verstanden werden, als Ausdruck der fortdauernden Umwertung aller Werte, wie sie seit 1933 gepredigt und praktiziert wurde.“
  Vielleicht hätte Herbert hier einen eigenen Gedanken aufnehmen können. In seinem „Best“, dem Buch, das die Forschung über SS-Intellektuelle eröffnete, spricht er von der „Binnenrationalität“ der Täter. Seine Deutung des Nationalsozialismus als Gesellschaft stellt nun gleichsam eine Vielzahl von Binnennormalitäten dar, in denen Reste älterer Moral und Lebensführung überdauerten, während das Gesamtsystem Krieg und Vernichtung zur neuen Makro-Normalität gemacht hatte. Mit der Explosion der Gewalt im Krieg kannte der „Prozess der Barbarisierung, der Verrohung und Enthemmung“, der schon früh in Gang gekommen war, keine Grenzen mehr.
  Dieses Sich-Einrichten in Binnennormalitäten, den Wunsch, wegzuschauen und „in Ruhe gelassen zu werden“, soweit man nicht selbst zum Mörder oder Mordhelfer wurde, findet Herbert nicht allein in Deutschland, sondern auch in den besetzten Ländern Westeuropas. Wenn Gewalt regiert, scheinen moderne Gesellschaften sich so zu verhalten. Menschen fügen ihre Normen in die Normalität der Gewalt ein. Orientierung an einem untrüglichen moralischen Kompass steht den meisten nicht zur Verfügung. Das Glück der deutschen Geschichte nach 1945 erscheint darum weniger als das der politischen Läuterung, das es auch war, denn als eines der glücklichen Umstände.
  Genau in der Mitte der Erzählung steht eine Reflexion über Friedrich Meineckes „Deutsche Katastrophe“. Hier ist das Scharnier, das Herberts Jahrhunderthälften miteinander verbindet. Der alte Meister der liberalen Geschichtsschreibung suchte 1946 den Abgrund der Nazi-Herrschaft zu verstehen: Meinecke zufolge war die NS-Diktatur „eine europäische, nicht bloß eine deutsche Erscheinung“, ein Phänomen der Moderne. Diesen Ansatz teilt Herbert, so sehr viel ihn im Übrigen von Meinecke unterscheidet. Dass Herberts „Deutsche Geschichte“, die sich manchmal hinter einem Literaturbericht versteckt und dann wieder zu Hochform aufläuft, immer wieder das Nachdenken über die großen Fragen anregt, ist eine Leistung, die sie von den vielen deutschen Geschichten der vergangenen Jahre abhebt.
Ulrich Herbert: Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert. C. H. Beck, München 2014. 1451 Seiten, 39,95 Euro.
Tim B. Müller ist Historiker am Hamburger Institut für Sozialforschung. Jüngst ist sein Buch „Nach dem Ersten Weltkrieg. Lebensversuche moderner Demokratien“ (Hamburger Edition) erschienen.
Herbert meint: Die Weimarer
Republik war nicht
dem Untergang geweiht
Nach 1945 waren die Deutschen
nicht eben politisch geläutert.
Sie hatten einfach Glück
Die Ölkrise 1973 war eine Zäsur: Seither ist es mit dem Wirtschaftswunder vorbei. Die Wirtschaft floriert, die Deutschen tun es weniger.
Zeichnung: Haderer
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.05.2014

Kaiserschaum, Führerraum, Kanzlertraum . . .
Ulrich Herbert hat eine überraschend konventionelle Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert geschrieben

Eigentlich hätte dieses Buch einen anderen Titel tragen sollen, gesteht Ulrich Herbert gleich zu Beginn seiner monumentalen Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert: "Die Jahre, die ihr kennt", so hätte er es gern genannt. Zweifellos ein charmanter, feinsinniger Einfall. Da so aber bereits ein Band mit autobiographischen Texten von Peter Rühmkorf heißt, schied dieser schöne Titel am Ende aus - sicher aus praktischen Erwägungen, wohl auch aus grundsätzlichen. Denn: Kennen wir die Jahre wirklich, von denen Ulrich Herbert auf fast 1500 Druckseiten mal gedrängter, mal ausführlicher berichtet? Und selbst wenn uns die Eckdaten vertraut sind, wissen wir denn tatsächlich um Zusammenhänge und Widersprüche, Kontinuitäten und Brüche? Was verbindet die Schlacht bei Tannenberg Ende August 1914 mit dem Attentat des 20. Juli 1944? Was den Anschlag auf Rudi Dutschke im April 1968 mit Brandts Kniefall im Dezember 1970? Was die Konferenz von Jalta im Februar 1945 mit Schabowskis Versprecher vom 9. November 1989?

Die Fragen deuten es an: Langweilig ist die deutsche Geschichte keineswegs, zumal nicht im 20. Jahrhundert. Ein Mangel an Stoff herrscht hier nirgends; eher schon ist es ein Zuviel an Personen und Ereignissen, an Motiven und Strukturen, die dem Historiker das Handwerk erschweren. Insofern ist Ulrich Herbert mit seiner Geschichte Deutschlands in der Tat ein großer Wurf gelungen. Denn Herbert, einer der einflussreichsten Historiker seiner Generation, lässt die Ambivalenzen dieses vielfach bis zum Bersten gedrängten Jahrhunderts ebenso markant wie perspektivenreich hervortreten. Das gilt insbesondere für den scharfen Bruch zwischen der Epoche der Kriege und Katastrophen einerseits und dem nachfolgenden Siegeszug des modernen Industrie- und Wohlfahrtsstaats andererseits.

Vor diesem Hintergrund erscheint das Jahr 1945 durchaus als eine "Stunde Null", gleichsam als Achsenzeit der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert. Ihre nähere Bedeutung erhält diese auf den ersten Blick nicht sonderlich überraschende Zäsur durch den Umstand, dass Herbert sich die Zeit nimmt, den Erzählfaden bereits im Kaiserreich aufzunehmen. Hier sieht er, verkörpert durch Wilhelm II., den "Aufsteiger und Karrieristen", jene Widersprüche und Ambivalenzen grundgelegt, die sich in der Folge als bedrohliche Hypothek erwiesen. Der verständliche Wunsch nach einer (wie auch immer verstandenen) "Normalität" wurde dabei zur Triebfeder ganz und gar nicht selbstverständlicher Entwicklungen.

Der Preis des Fortschritts, an der rasant steigenden Exportquote ebenso ablesbar wie am unbändigen Wachstum der Städte, bestand in einem grundsätzlichen Vorbehalt gegenüber der modernen Welt, in einer tiefgreifenden Orientierungskrise, die sich in der zunehmenden Radikalisierung der politischen Kultur äußerte. Man stand an der Schwelle zum 20. Jahrhundert, als Ludwig Klages den Juden als Typus des "modernen Hysterikers" brandmarkte, Alfred Grotjahn dazu aufrief, alle Arbeiter, die "tuberkulös, geschlechtskrank, nervenkrank, verrückt, epileptisch, blind und taub" seien, in speziellen Asylen zu isolieren, und immer mehr Menschen von der Notwendigkeit überzeugt waren, Lebensraum im Osten zu gewinnen. Hier werden Leitmotive deutlich, die den weiteren Verlauf der Geschichte entscheidend prägen sollten. In der "stabilen Krise" des ausgehenden Kaiserreichs blieben sie, wie Herbert zeigt, noch zivilisatorisch eingehegt. Durch die zerstörerische Logik des Ersten Weltkriegs jedoch, der zu einer "Entgrenzung von Gewalt in bis dahin unbekannter Größenordnung" führte, gewannen sie eine Eigendynamik, die die Grenzen des "Normalen" nachhaltig verschob.

Sichtbar wurde dies an jenem "Dreieck von liberaler Demokratie, Radikalnationalismus und Bolschewismus", das sich als strukturelle Belastung für die Weimarer Republik erwies. Nachdem das aufregende "Traumland der Waffenstillstandsperiode" (Ernst Troeltsch) durchschritten war, machte sich rasch Ernüchterung breit. In sozialpolitischer Hinsicht waren die Verteilungsspielräume von vornherein eng bemessen, und insbesondere die SPD, eigentlich dazu bestimmt, die Reichspartei schlechthin zu werden, laborierte an der ungewohnten Last der Verantwortung herum. Gleichwohl war Weimar, wie Herbert zu Recht betont, nicht die "Demokratie ohne Demokraten", von der aus der Perspektive von 1933/45 immer wieder die Rede gewesen ist. Stattdessen weist er nachdrücklich darauf hin, dass ein starker Reichspräsident nicht in jedem Fall eine Bedrohung für die Republik darstellte und das Regieren mit Hilfe von Notverordnungen "nicht zwangsläufig die Drohung mit der konstitutionellen Diktatur" bildete. Für den Übergang von der Republik zur Diktatur legt Herbert vielmehr minutiös die Arithmetik der Macht frei, die Interessen der handelnden Politiker ebenso wie das Streben der Menschen nach einer gerechteren Gesellschaftsordnung. Was sie sich erhofften, war eine bessere Welt. Wer kam, war Hitler.

Hitler selbst deutet Herbert, im Einklang mit der neuesten Forschung, als einen Charismatiker, dessen schrecklicher Erfolg die "Sehnsucht nach der Aufhebung der gesellschaftlichen Widersprüche durch die Schaffung einer als unantastbar und unfehlbar geltenden personalen Instanz" ausdrückte. Dass sich Herbert, vor allem als Fachmann für die NS-Tätergeschichte bekannt, in diesem Kontext wissenschaftlich am meisten zu Hause fühlt, ist nicht zu übersehen, und die Überlegungen zu "Völkermord und Volksgemeinschaft", die - ausgehend vom Schicksal der jüdischen Familie Holzman - gekonnt das Allgemeine im Besonderen aufzeigen, gehören in ihrem Bemühen, die Dynamik der Gewalt hervortreten zu lassen, zu den erzählerischen Höhepunkten des Buches. Der Krieg, so Herbert unmissverständlich, bildete das "ureigenste Element" des Nationalsozialismus. Er führte eine neue "Normalität" herauf, in der es nicht mehr um "das mühevolle Austarieren gegensätzlicher Interessen und die schwierige Organisation einer vielgestaltigen Industriegesellschaft" ging, sondern um "Sieg und Niederlage, Triumph und Untergang". Für die allermeisten Deutschen war dies, so Herberts bestechende Deutung, nurmehr die Rückkehr zur ersehnten "Normalität": einer "Normalität ohne Linke, ohne avantgardistische Künstler, ohne Klassenkampf - und ohne Juden".

Dass sich die Vorstellung dessen, was als "normal" zu gelten habe, nach 1945 grundstürzend veränderte, ist vor diesem Hintergrund alles andere als selbstverständlich. Insofern ist es nur konsequent, wenn Herbert die bis heute keinesfalls unumstrittene Politik Konrad Adenauers insgesamt positiv bewertet. Denn die leitenden Prinzipien und Prozesse, Westintegration, Wiederbewaffnung und Soziale Marktwirtschaft, resultierten in erster Linie aus Adenauers "klarem Blick auf die Weltlage und die zukünftige Entwicklung", über den er bereits beim Zusammenbruch des Dritten Reichs verfügte: "Hierin lag, vor aller taktischen Finesse, Adenauers Überlegenheit, die ihn für fast zwanzig Jahre zur bestimmenden Figur der westdeutschen Politik machen sollte." Wenn Herbert dann freilich, mit Blick auf das westdeutsche Fernsehprogramm des Jahres 1965, die "Gleichzeitigkeit von altdeutscher Idylle und moderner Welt" hervorhebt, so wird erkennbar, dass hier bereits Konflikte existierten, die nach Klärung verlangten.

Der Umbau der Gesellschaft, den Herbert mit distanzierter Sympathie nachzeichnet, veränderte das Selbstverständnis der Menschen in den sechziger und siebziger Jahren einschneidend: Es wurde "westlicher, europäischer, liberaler, auch linker" und verschob damit zugleich die Parameter dessen, was als "normal" galt. Die Reform des Ehescheidungsrechts zeigt das ebenso wie die flächendeckende Gründung von Bürgerinitiativen. Dass dabei abermals hochgespannte Erwartungen mit Fortschrittsängsten wechselten, ist am Beispiel der Kernenergie, mit der etwa die SPD noch im Godesberger Programm die Hoffnung verbunden hatte, sie werde den Menschen "von Sorgen befreien und Wohlstand für alle schaffen", unmittelbar ablesbar.

Insgesamt hinterlässt Ulrich Herberts Darstellung der Geschichte nach 1945, in der die Bundesrepublik das erlangte, was das Kaiserreich einst vergeblich erstrebt hatte: einen "Platz an der Sonne", einen vorsichtig-affirmativen Eindruck. Die wesentlichen Entscheidungen, so lautet der Befund, seien richtig, in gewisser Weise sogar - speziell mit Blick auf die Wiedervereinigung - alternativlos gewesen. Und ist der Himmel über der Ruhr mittlerweile nicht tatsächlich blau und der Osten von manch blühender Landschaft durchzogen?

Alles in allem hat Ulrich Herbert mit seiner Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert ein klar strukturiertes, flüssig geschriebenes, überaus anregendes Buch vorgelegt - freilich auch ein überraschend konventionelles: Es bietet Politikgeschichte in einem weitgehend traditionellen Sinne. Es schreibt deutsche Geschichte aus dezidiert nationalstaatlicher Perspektive. Und es behandelt für die Zeit nach 1945 im Wesentlichen Westdeutschland. Dass die deutsche Geschichte immer auch eine europäische sei, wie Herbert selbst eingangs postuliert, wird allenfalls in Ansätzen erkennbar. Und manche Bewertungen, etwa mit Blick auf die Geschichte des Bürgertums oder des Katholizismus, wirken bisweilen geradezu holzschnittartig vergröbert. Allerdings schlägt Herbert mit seinem robust-zupackenden Vorgehen zugleich wichtige Schneisen durch einen Wald, den man sonst vor lauter Bäumen kaum mehr erkennen würde.

Dass das Erzähltempo dabei mit fortschreitender Zeit immer langsamer, die Darstellung breiter, der Tonfall essayistischer wird, verleiht manchen Tendenzen der Gegenwart eine Bedeutsamkeit, über die das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Ob das 20. Jahrhundert tatsächlich mit Bankenrettung und Staatsschuldenkrise zu Ende geht, kann niemand sicher sagen. Erst recht nicht der Historiker, der stets ein rückwärtsgewandter Prophet bleibt. Wenn Ulrich Herbert dennoch einen Ausblick wagt, so sieht er die größten Herausforderungen aus internationalen Konstellationen erwachsen, nicht zuletzt "aus den Widersprüchen eines wirtschaftlich ungleichgewichtigen Europas mit einer gefährlichen Dominanz Deutschlands". Womit sich, in geradezu gespenstischer Weise, der Bogen zum Beginn des Jahrhunderts spannt, zur halbhegemonialen Stellung des Kaiserreichs. Wenn Herbert daraus den Schluss zieht, dass die Gefahren künftig möglicherweise "nicht geringer sind als die überwundenen", wird dies niemand ernstlich bestreiten.

CARSTEN KRETSCHMANN

Ulrich Herbert: Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert. C. H. Beck, München 2014. 1451 S., 39,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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