19,95 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Versandfertig in 1-2 Wochen
payback
0 °P sammeln
  • Gebundenes Buch

Die vierhundertjährige Aufführungsgeschichte griechischer Dramen - von der Wiederentdeckung des "König Oedipus" in Vicenza (1585) über Peter Steins "Orestie" bis zu Frank Schwemmers Kammeroper "Medeamorphosen" (2007) - wird in diesem Band umfassend dargestellt. Allein den zahlreichen seit 1991 - dem Jahr des Erscheinens der Erstauflage dieses Standardwerkes - neuinszenierten antiken Tragödien ist ein über einhundertseitiges Kapitel gewidmet. Zeigt die ungebrochen lebendige Aufführungspraxis der antiken Stücke die Überzeitlichkeit ihrer Inhalte, so erweist die Tatsache ihrer Aufführungen auch…mehr

Produktbeschreibung
Die vierhundertjährige Aufführungsgeschichte griechischer Dramen - von der Wiederentdeckung des "König Oedipus" in Vicenza (1585) über Peter Steins "Orestie" bis zu Frank Schwemmers Kammeroper "Medeamorphosen" (2007) - wird in diesem Band umfassend dargestellt. Allein den zahlreichen seit 1991 - dem Jahr des Erscheinens der Erstauflage dieses Standardwerkes - neuinszenierten antiken Tragödien ist ein über einhundertseitiges Kapitel gewidmet. Zeigt die ungebrochen lebendige Aufführungspraxis der antiken Stücke die Überzeitlichkeit ihrer Inhalte, so erweist die Tatsache ihrer Aufführungen auch in fremden Kulturkreisen ihre menschheitsgeschichtliche Allgemeingültigkeit. Hellmut Flashar bietet mit seinem Buch eine vorzügliche Einführung in die zeitlose Aktualität antiker Tragödiendichtung, die Klassische Philologen, Literaturwissenschaftler, Musikhistoriker, Theaterleute, Opernfreunde und nicht zuletzt Theaterbesucher interessieren wird.
Autorenporträt
Hellmut Flashar, geb. 1929, lehrte von 1965-82 als Professor für Klassische Philologie an der Ruhr-Universität Bochum und von 1982 bis zu seiner Emeritierung 1997 an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er hat sich einen internationalen Ruf als vorzüglicher Kenner der griechischen Tragödie erworben.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.03.2009

Nenn nie Apollo nur Rakete
Zeitreise ins abenteuerliche Herz des Theaters: Das Standardwerk zur Aufführungsgeschichte des antiken Dramas stammt von Hellmut Flashar. Jetzt legt er eine Neuausgabe vor, die bis in die Gegenwart reicht. Von Christopher Schmidt
Es gehört zu den Paradoxien in der Aufführungsgeschichte des antiken Dramas, dass der Rückzug der klassischen Bildung sich umgekehrt proportional zur Präsenz des antiken Dramas auf der Bühne verhält. Wenngleich es das 19. Jahrhundert war, das der Antike maßgeblich den Weg auf die zeitgenössische Bühne ebnete – voll entfaltet hat sie sich dort erst mit dem Anbruch der Theatermoderne. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts beschränkte sich die Aufmerksamkeit weitgehend auf die beiden Tragödien „Antigone” und „König Ödipus” des Sophokles. So besucht der Philosoph Hegel 1828 in Paris eine „Ödipus”-Oper und bemerkt sarkastisch: „Zuerst Oedippe in 3 Akten, dann Ballett in drei Akten . . . Großes Applaudissement.” Der preußische Denker sah sich durch die Aufführung in seiner Auffassung bestätigt, dass die Antike für das Theater der Gegenwart verloren ist. Da jede Kunstform nur eine unvollkommene, historisch gebundene Manifestation des absoluten Geistes sei, gibt es Hegel zufolge kein Zurück zu den Erzeugnissen einer überwundenen Kulturstufe.
Mittlerweile findet das griechische Drama zwar längst auch außerhalb Europas große Beachtung – um jedoch mitunter kuriose Fußnoten zu zeitigen. So wurden 1980, bei der ersten Aufführung des „König Ödipus” in China, sämtliche Götter der Einfachheit halber Apollon genannt. Aufgrund der Unvertrautheit der Zuschauer mit der abendländischen Mythologie rekurrierte man auf einen Namen, den sie von dem amerikanischen Raumschiff Apollo kannten.
In diesem Spannungsfeld zwischen zu überwindender Entfremdung und der Durchlässigkeit für die genuinen Impulse des Textes bewegt sich die AntikenRegie insgesamt. Wer die Stücke in museale Gipssphären entrückt, verkennt sie genauso wie jener, der sie umstandslos in sein Weltbild eingemeindet. Genau hier setzt Hellmut Flashar an in seiner grundlegenden Studie „Inszenierung der Antike”, die nun in einer bis in die unmittelbare Gegenwart erweiterten Neuausgabe vorliegt. Denn anders, als es von heute aus den Anschein hat, da die wenigen Dramen, die auf uns gekommen sind – allein von Sophokles nur fünf Prozent seines Schaffens – den Nukleus der humanistischen Bildung darstellen, sind diese nicht als zeitlos gültige Werke geschrieben worden. Für Athens Dramatiker war der Mythos vielmehr die selbstverständliche Matrix, deren Vorverständnis es allererst erlaubte, das mythische Geschehen für aktuelle Fragestellungen zu nutzen.
Antikes Theater war immer politisch im Sinne einer unmittelbaren Selbstverständigung des bei den Aufführungen versammelten Gemeinwesens über seine Belange. Die Abspaltung des Dramas von seiner ursprünglichen Kommunikationssituation bedingte jedoch seine Entpolitisierung. In der Folgezeit wird es tendenziell mit dem Mythos in eins gesetzt, wobei die Vermittlungsleistung des Dichters kassiert und in den Mythos zurückprojiziert ist. Antikes Drama war für die Zeitgenossen nur eine Variationen über das immergleiche Thema; für die Nachgeborenen aber verhärtet es sich zum normativen Muster, dessen falscher Objektivität sich nur eine Regie zu entwinden vermag, die sich als Vermittlung zweiter Stufe begreift und diejenige der ersten Ebene dialektisch einholt, also im dreifachen Sinne des Wortes aufhebt. Antikes Drama zu inszenieren heißt, ein in sich bereits „aktualisiertes” Geschehen neuerlich zu vergegenwärtigen.
Diese Osmose kommt in Flashars differenzierten Anspruch an die „inszenierte Antike” zur Geltung, die eben nicht die Pflege von Dokumenten meint, sondern die Erweckung ihrer Inhalte, nicht die Anbetung der Asche, sondern das Weitertragen des Feuers. Hier spricht der Philologe und Universitätsprofessor nicht als gestrenger Anwalt der literarischen Integrität, sondern als leidenschaftlicher Beobachter des Theaters. Flashar begreift die Umwertungen der Inszenierungsgeschichte nie aus der planen Opposition zwischen Text und Regie heraus, sondern als immanenten Konflikt jeder theatralen Stück-Befragung.
Schlüsselbegriff dieser unerhört ergiebigen Expedition durch die Aufführungsgeschichte ist deshalb die „Fremdheit”, nicht als unbegriffener Exotismus, sondern als Konfrontation mit den eigenen Gefährdungen, Verdrängungen und unabgegoltenen Latenzen. Unter diesem Gesichtspunkt stellt sich die Aufführungsgeschichte selbst als ein Drama dar, das seine Höhepunkte immer dort erreicht, wo die Rückbesinnung den Bruch mit den Konventionen der Zeit erzwingt. So erstmals 1585 in der pompös idealisierenden Aufführung des „König Ödipus” im Teatro Olimpico in Vicenza, die freilich ein singulärer Triumph blieb. Es überwiegen die Phasen der Nivellierung des antiken Dramas, dessen Wucht und gedankliche Härte bestenfalls gezähmt zur Geltung kommt. Erst im Jahr 1841 vermag die ungeschliffene Realistik einer akribisch vorbereiteten Inszenierung der „Antigone” mit der Musik von Felix Mendelssohn-Bartholdy eine hochreflektierte Aufführungskultur zu etablieren, die von Berlin nach München ausstrahlt. Für Jahre werden beide Städte zu Zentren der Antiken-Pflege auf dem Theater, auch wenn Friedrich Hebbel über Mendelssohns „Antigone”-Musik spottete: „Paßt zu Sophokles wie ein Walzer zur Predigt.”
Max Reinhardt zum Trotz, der in seinem zirzensischen „König Ödipus”-Spektakel bereits 1920 den Griechen die Stahlhelme des deutschen Heeres verpasste – die Rezeption der Antike auf der Bühne zieht sich immer wieder in eskapistische Innerlichkeit, rituelle Archaik und zeitlose Sakralität zurück. Im Schutz humanistischer Erbauung überwintert das antike Drama während der Kriegsjahre, erreicht allerdings danach auch durch die dokumentarischen Übersetzungen Wolfgang Schadewaldts überragendes Niveau, bevor mit dem Regietheater der späten sechziger Jahre die politische Vereinnahmung einsetzt. Die Stücke liefern nun nur noch die Illustration eines direkten Zeitkommentars. Die Entwicklung endet hier. Flashar konstatiert nüchtern: „Das Regietheater zieht alle, aber seit ca. 1980 keine neuen Register.” Was freilich für den Autor kein Grund ist, den Wegen der Regie nicht auch weiterhin mit unverminderter Neugier und wacher Beschreibungsgenauigkeit bis in die feineren Verästelungen und toten Enden des Theaterbetriebs zu folgen.
Stubengelehrsamkeit ist das Letzte, was man Flashar vorwerfen kann. Die Fülle seiner mit großer Objektivität dargestellten Funde zeugt davon, wie sehr seine Ausführungen mit Empirie gesättigt sind. Das Spektrum reicht dabei von den Dramen selbst zu Bearbeitungen und Neudichtungen sowie der Sichtung der Übersetzungs- und Inszenierungslage. Immer wieder hält Flashar auf seinem Weg durch die Epochen bilanzierend inne; internationale Aufführungstendenzen werden ebenso gewürdigt wie das phasenweise in Konkurrenz zum Schauspiel auftretende Musikdrama eigene Beachtung findet. Und es fehlt neben epochalen Inszenierungen wie Peter Steins „Orestie” aus dem Jahr 1980 nicht nur keine der Theater-Großtaten, auch marginalisierte Annäherungen haben in den Band Eingang gefunden, der zum Handapparat all derer gehören muss, die sich mit dem Theater der Antike beschäftigen. „Dass wir etwas älter sind als nur von heute”, dieses Wort von Botho Strauß könnte geradezu das Motto für die Zeitreise ins abenteuerliche Herz des Theaters sein. Unendlich viel entdeckt, wer mit Hellmut Flashar unterwegs ist.
Hellmut Flashar
Inszenierung der Antike
Das griechische Drama auf der Bühne. Verlag C. H. Beck, München 2009.
428 Seiten, 34 Euro.
„Paßt zu Sophokles wie ein Walzer zur Predigt”, schrieb Friedrich Hebbel
„Ihr ,Niemals‘ (Wunsch Jasons, die getöteten Kinder zu sehen) haftet noch lange im Gedächtnis. Alles andere fällt dagegen ab”, schreibt Flashar zu Nina Hoss’ überragender Darstellung der Medea am Deutschen Theater Berlin. Foto: Drama
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Das Buch ist die Aktualisierung eines Standardwerkes. Alterungserscheinungen kann Thomas Leuchtenmüller allerdings ohnehin kaum erkennen. Wann, so fragt er, war das antike Drama lebendiger als heute? Die Frage, warum Aischylos, Sophokles und Euripides, und eine Figur wie Medea immer noch relevant sind, beantwortet der erstmals 1991 publizierte Band laut Leuchtenmüller mit enormer Seherfahrung, analytischer Schärfe und (vom inflationären Gebrauch einiger Wörter abgesehen) sprachlicher Geschliffenheit. Die Bandbreite der ins Visier genommenen Inszenierungen (in Goethes Weimar, bei Disney und Woody Allen) findet der Rezensent bemerkenswert. Ein paar Illustrationen hätten den Lektüregenuss für ihn noch gesteigert.

© Perlentaucher Medien GmbH
Was immer die Theaterwissenschaft heute treibt, eine Erfahrung wie diese Lektüre hat sie Peter Michalzik nicht zu bieten. Derart anschaulich und objektiv, gelassen und gebildet hat Michalzik noch kaum jemand übers Theater sprechen hören. Dabei geht der Historiker Hellmut Flashar in der Neuauflage seines erstmals 1991 erschienenen Buches nun verstärkt und in aller Subtilität, wie Michalzik versichert, auf die moderne Aufführungspraxis des antiken Dramas ein - eine nicht ganz leichte Aufgabe. Michalzik weiß um die Schwierigkeit, die Fäden zusammenzuhalten, das Kunstwerk in seinen Einzelaspekten (Geistes-, Zeitgeschichte, Musik, Übersetzung) zu fassen sowie den veränderten Kommunikationszusammenhang zu berücksichtigen. All das scheint Flashar zu meistern, durchaus skeptisch, aber mit sympathischer Empathie.

© Perlentaucher Medien GmbH