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Albert Schweitzer als Kulturpessimist - Wir Epigonen erstmals veröffentlicht
Dieser erste kulturphilosophische Entwurf Albert Schweitzers, entstanden in der Umbruchzeit des Ersten Weltkriegs, ist ein ebenso eindrucksvolles wie erstaunliches kulturkritisches Dokument, das an Oswald Spenglers Untergang des Abendlandes denken läßt. Zur selben Zeit abgefaßt wie die Vorarbeiten zu Verfall und Wiederaufbau der Kultur sowie zu Kultur und Ethik, bietet Wir Epigonen eine wichtige Ergänzung und Interpretationshilfe zu Schweitzers Kulturphilosophie. Seit seiner Gymnasialzeit zweifelte Schweitzer am…mehr

Produktbeschreibung
Albert Schweitzer als Kulturpessimist - Wir Epigonen erstmals veröffentlicht

Dieser erste kulturphilosophische Entwurf Albert Schweitzers, entstanden in der Umbruchzeit des Ersten Weltkriegs, ist ein ebenso eindrucksvolles wie erstaunliches kulturkritisches Dokument, das an Oswald Spenglers Untergang des Abendlandes denken läßt. Zur selben Zeit abgefaßt wie die Vorarbeiten zu Verfall und Wiederaufbau der Kultur sowie zu Kultur und Ethik, bietet Wir Epigonen eine wichtige Ergänzung und Interpretationshilfe zu Schweitzers Kulturphilosophie.
Seit seiner Gymnasialzeit zweifelte Schweitzer am Fortschritt der Menschheit und hatte den Eindruck, manches Wertvolle der geistigen Überlieferung Europas komme in der Gegenwart nicht mehr zu seinem Recht. Nach seiner eigenen Aussage geht der Titel Wir Epigonen zurück auf eine 1899 im Hause Curtius in Berlin gefallene Bemerkung: "Wir sind ja doch alle nur Epigonen!" Damit sind die Erben einer großen Zeit gemeint, die über dem Bewahren und Mehren der überkommenen äußeren Güter die geistigen unbemerkt verloren haben. Das Werk, dem Schweitzer später den Titel Kultur und Kulturstaat gab, befaßt sich u.a. mit dem "Niedergang der Kultur", dem "Kulturstaat", dessen Entvölkerung er fürchtet, mit "Nichtkulturstaaten" sowie mit Fragen des Kolonialismus und der Rassentrennung. Die hier zum ersten Mal publizierten Texte spiegeln auf eindrucksvolle Weise die Grundstimmung eines Intellektuellen im damaligen Zusammenbruch des alten Europas wider und dokumentieren in wichtigen Punkten die Genese des Denkens von Albert Schweitzer.
Autorenporträt
O. Univ.-Prof. Dr. Ulrich H. J. Körtner, Jahrgang 1957. Seit 1992 Ordinarius und Vorstand des Instituts für Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien; Vorstand des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin der Universität Wien; Mitglied mehrerer Ethikkommissionen, darunter der Bioethikkommission des österreichischen Bundeskanzlers und der World Commission on the Ethics of Scientific Knowledge and Technology (COMEST) der UNESCO.

Johann Zürcher, geb. 1926, war Pfarrer und von 1972 bis 1979 wissenschaftlicher Assistent an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Bern. Seit 1979 widmet er sich ganz der Herausgabe des Schweitzerschen Nachlasses.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.09.2005

Schon mal an Polygamie gedacht?
Albert Schweitzer sinnt auf Wege aus der demographischen Krise

Wer in den fünfziger Jahren zur Schule gegangen ist, hatte kaum eine Chance, um Albert Schweitzer (1875 bis 1965) herumzukommen. Er war Theologe, Philosoph und Gelehrter, schrieb eine "Geschichte der Leben-Jesu-Forschung", war Musikwissenschaftler und Orgelvirtuose. Seit 1905 studierte er Medizin, um in Afrika als Arzt und Missionar arbeiten zu können. Ich entsinne mich, wie unser Religionslehrer mit einem Flackern in den Augen sagte: Er hatte hier doch alles, er hätte sogar Professor werden können; er aber ging nach Lambarene. Das galt als unwiderlegbares Argument für seine Nachfolge Christi.

Nun liegt ein Manuskript aus dem Nachlaß vor, das zu großen Teilen während des Ersten Weltkrieges entstanden ist, Überschneidungen mit Gedanken in bereits publizierten Texten nicht ausschließt, als Corpus aber doch eigenständig ist. Leitmotiv ist das Epigonentum. Das Wort "Epigone" - seltsamerweise fällt nirgends ein Verweis auf den Roman von Karl Immermann aus dem Jahre 1836 - dringt dem Schüler und dem späteren Studenten immer wieder ins Bewußtsein. Es bezieht sich bei Schweitzer aber nicht auf das Ende der Goethezeit, sondern auf den Tod des alten Kaisers Wilhelm I. im Jahre 1888. Mit Grausen habe er als Knabe daran gedacht, daß die Zeit der großen Helden nun vorbei sei. Im Hause Curtius in Berlin habe er es 1899 dann wieder gehört: "Das hilft alles nichts, wir sind doch nur Epigonen."

Der Niedergang der Kultur scheint unaufhaltsam. Schweitzer untersucht seine Gründe. Den Kulturbruch setzt er in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts an: Die große Philosophie des Deutschen Idealismus ist am Ende und die gesellschaftlichen Umwälzungen im industriellen Kapitalismus begründen eine neue Knechtschaft. Der steigende Einfluß der Masse hemmt die Kultur. "Es ist nicht zufällig, daß der Niedergang in der Periode beginnt, in der das demokratische Regiment sich in den Kulturstaaten allgemein durchzusetzen beginnt."

Der moderne Massenmensch ließ sich einfangen von dem katastrophischen Triumvirat Nationalismus, Militarismus und Klerikalismus, die die Völker aufeinanderhetzen und die Urteilskraft verdunkeln. Schweitzer muß konstatieren, daß alle am Krieg beteiligten Nationen behaupten, gerade diese Katastrophe sei der Anfang einer Regeneration. Dem sucht Schweitzer eine wirkliche Regeneration entgegenzusetzen: er kann sie nur vage umreißen als eine künftige Weltkultur jenseits der hoffnungslos verfeindeten nationalen Kulturen; betont aber die Schwierigkeiten ihrer Realisierung. Erfordert wäre geistige Freiheit; die Abhängigkeit und die unselbständige Art der Beschäftigung verhindern aber alle geistige Betätigung in der Ausbildung einer Idee der Menschheit. Diese nur gefühlsmäßig zu erreichen wie im Christentum führt nicht weiter, sie sei zu einer "bloß historischen Religion" geworden, die mit den Verhältnissen in Widerspruch stehe. So ähnlich hatte das Ludwig Feuerbach auch schon gesagt.

Schweitzer setzt auf sittliche Persönlichkeiten, die "Vielen" müssen zu denkenden Menschen werden. Mitwirken sollen in diesem Prozeß Kirche, theologische Fakultäten und die Schule. Die Schule überhaupt sollte demokratisiert werden, wenigstens in den ersten Schuljahren, dann könnten doch die bessergestellten Bürgerkinder von ihren Kameraden erfahren, was Not, Hunger und Kummer ist. Wenn er auf die sinkende Geburtenrate in den europäischen Staaten zu sprechen kommt, blitzt plötzlich seine Erfahrung aus anderen Kulturen durch: Die Polygamie kommt mit dem "natürlichen Rhythmus der Geburten" viel besser zurecht; denn von der Frau wird nicht verlangt, daß sie Gattin und Mutter zugleich ist. Sie kann sich eine Zeitlang dann ganz dem Kinde widmen, weil andere Frauen den Platz der Gattin einnehmen.

So räsoniert der gelehrte Epigone vor sich hin; daß seine in alle Richtungen ausschweifenden Aufzeichnungen mit Oswald Spenglers "Untergang des Abendlandes" vergleichbar sein könnten, wie das Vorwort nahelegt, ist gänzlich unbegründet. Denn Spengler forderte ein herrisches Ja-Sagen zur endzeitlichen Zivilisation im Kreislauf seiner Kulturtheorie. Er hat festgefügte Thesen, mit denen er das deutsche Volk wieder "in Form" bringen will. Davon kann bei Schweitzer keine Rede sein. Hier blicken wir in die Gedankenwerkstatt eines Theologen, der die vermeintliche Sekurität des Wilhelminischen Kaiserreiches durchschaut hat, vom Weltkrieg erschüttert ist und nun nach Orientierung sucht, dessen Originalität sich aber in Grenzen hält. Ähnliches kann man auch anderswo lesen.

Ein 1927 gehaltener Vortrag über die "Beziehungen zwischen den weißen und farbigen Rassen" sieht es als die Tragik, daß zivilisatorische und koloniale Interessen sich widersprechen. Dabei sind die Afrikaner aber nicht Opfer en bloc, sondern es gibt durchaus Gewinner und Verlierer. In allen Kolonien wird Zwangsarbeit geleistet; zwar werden die Dörfer dafür bezahlt, sie können sich aber nicht verweigern. Das Geld fließt dem Häuptling und seinen Frauen zu. Die Männer sind es gewohnt, daß ihre Frauen auf den Plantagen arbeiten. Warum sollen sie dann nicht auch zum Straßenbau herangezogen werden? Schweitzer fordert, Frauen nur dann zu beschäftigen, wenn die Arbeit in der Nähe der Dörfer ist, so daß sie nachts zu Hause schlafen können, wenn keine Plantagenarbeit notwendig ist und wenn sie kein Kind an der Brust haben. Kinderarbeit ist zu verbieten, und das Arbeitstempo darf nicht übertrieben werden. Diese kleine Aufzählung sagt mehr zum Epigonalen als ganze Abhandlungen.

HEINZ DIETER KITTSTEINER

Albert Schweitzer: "Wir Epigonen". Kultur und Kulturstaat. Werke aus dem Nachlaß. Hrsg. v. Ulrich Körtner und Johann Zürcher. C.H. Beck Verlag, München 2005. 416 S., 2 Abb., geb., 59,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.09.2005

Die Halbkultur der Kolonien
Entstellt ediert: Albert Schweitzers „Wir Epigonen”
Im kollektiven Gedächtnis der Deutschen wird Albert Schweitzer als gütiger Urwalddoktor erinnert. Zahllose Photographien zeigen einen hochgewachsenen weißen Arzt mit dichtem Schnurrbart und Tropenhelm, der sich vor seiner Klinik liebevoll zu dankbar lachenden afrikanischen Kindern herabbeugt. Nach den Schrecknissen des Ersten Weltkrieges gewannen die in der europäischen Presse vielfältig verbreiteten Schweitzer-Portraits die Aura von Ikonen seltener Humanität. Über die tiefen Grenzen von Nation, Konfession und politischer Weltanschauung hinweg bildeten sich europaweit Netzwerke einer Personalgemeinde, die die Verehrung des guten Christen aus Lambarene mit effizientem Fundraising verbanden.
Durch Orgelkonzerte in den Kathedralen des alten Europa, Vortragsreisen und stilisierungsstarke autobiographische Bücher trug Schweitzer dazu bei, das Bild des wagemutigen Glaubenshelden von den üblichen Schatten der Ambivalenz freizuhalten. Je dunkler die Verhältnisse in Europa, desto heller strahlte die Geistigkeit eines herzensfrommen Menschenfreundes, der Bachforschung mit hartem ärztlichen Berufsalltag und Predigttätigkeit mit Kant-Philologie zu kombinieren wusste. Die Vielfalt seiner Rollen suchte Schweitzer im Selbstbild eines modernen europäischen Religionsintellektuellen mit starkem ethischen Mandat zu integrieren. Der liberalprotestantisch gebildete Theologe wollte weltverbessernd wirken, und dazu bedurfte er prägnanter Krisendiagnosen und orientierungssicheren Wissens um therapeutische Interventionschancen.
Manuskripte in Leinensäcken
Sein Weg aus der Welt akademischer Gelehrsamkeit in die traurigen Krankheitstropen Gabuns war deshalb von intensiver Reflexionstätigkeit begleitet. Um seine Manuskripte im schwülfeuchten Dschungelklima zu schützen, hängte er sie in Leinensäcken an einer Wäscheleine hinter dem Schreibtisch auf. Diese „sacs” enthielten bei seinem Tod 1965 mehr als 10000 eng beschriebene Manuskriptseiten, die der hochbetagte Schweitzer-Forscher Johann Zürcher für eine zehnbändige Edition von „Werken aus dem Nachlass” erschlossen hat. Nach der „Kulturphilosophie”, Vorlesungen und Aufsatzsammlungen legen die Herausgeber nun eine kritische Analyse des Niedergangs der europäischen Kultur vor. Schweitzer hatte diesem 1914 begonnenen Manuskript zunächst die Überschrift „Wir Epigonen” gegeben, sich unter dem Eindruck des Krieges aber schon bald auf den geforderten „Neubau” von „Kultur und Kulturstaat” konzentriert. Warum die Herausgeber nun wieder den ursprünglichen Titel wählen und Schweitzers spätere Formulierung zum Untertitel machen, bleibt unklar.
Sehr viel ärgerlicher ist, dass sie die Leser vorsätzlich täuschen. Schweitzer selbst war ein Wahrhaftigkeitsmoralist, der pathetisch unbedingte Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit einklagte. Auch in seinen Diagnosen des europäischen Kulturverfalls kommt er immer wieder auf den „Geist der Wahrhaftigkeit”, „wahrhaftiges Denken”, „wahrhaftigen Glauben” zu sprechen. Den Niedergang der Kultur führt er direkt auf den Verlust an Aufrichtigkeit und Wahrheitswillen zurück, sodass er, gut Kantisch, Selbstdenken und den Mut, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, zur wichtigsten Bedingung neuer Kulturbildung erklärt. „Ohne ein tiefgehendes Irrewerden an unserem geistigen Leben gibt es kein Heraus aus dem Niedergang. Aber keiner kann es dem anderen als Ergebnis mitteilen und zu eigen geben. Wie es aus dem Nachdenken kommt, ist es auch nur durch dieses zu erwerben. Darum will alles, was ich zu sagen wage, nur ein Anstoß zu eigenem Überlegen sein. Dieses allein kann uns miteinander auf den Weg der Wahrhaftigkeit mit uns selbst zurückführen und die Menschheit wieder zu einer lebendigen Kultur zurückbringen”, lauten die Schlusssätze des Introitus, dem neun Kapitel folgen - beginnend mit den „Gründen” und „Erscheinungen des Niedergangs der Kultur” und endend mit einer Bestimmung des Verhältnisses von „Kultur und Nichtkulturstaaten”.
Selbst bei seinen Editoren Ulrich Körtner und Johann Zürcher hat Schweitzer sich mit seinen Rufen nach „Wahrheit” und „Wahrhaftigkeit” kein Gehör verschaffen können. In ihrer kurzen Einleitung weisen sie en passant darauf hin, das Kapitel über „Kulturstaat und Kolonien” sei von der Tochter Rhena Schweitzer Miller „für den Druck gesperrt” worden und auch „im Archiv nicht einsehbar”. „Diese Entscheidung ist zu respektieren”, wird dem Leser mitgeteilt. Verdient Zensur Respekt? Ist es wissenschaftsethisch legitim, Texte verkürzt und entstellt zu edieren? Auch im Kapitel über „Kultur und Nichtkulturstaaten” sind größere Textpassagen unterschlagen worden.
Nur peinlich wirkt es, wenn die Herausgeber die Leser-Täuschungen auch noch zu rechtfertigen versuchen. Statt des unterdrückten Kapitels über Schweitzers Sicht kolonialer Kulturgestaltung edieren sie einen 1927 gehaltenen Vortrag über „Die Beziehungen zwischen den weißen und farbigen Rassen”. Dieser biete die „Thematik des Kapitels X in neuer, kürzerer und leichter überblickbarer Fassung”. Wie können die Herausgeber das wissen, wenn sie Kapitel X gar nicht einsehen durften? Noch apologetischer klingt die Behauptung, der gekürzt publizierte Text von Schweitzers Kultur-Untergangsszenario lasse sich auch ohne die unterschlagenen Passagen als „ein geschlossenes Ganzes” lesen.
Das Fragment spiegelt die Untergangsängste eines europäischen Bildungsbürgers, der trotz allen depressiven Krisengefühls den starken Glauben an die Überlegenheit der europäischen Kultur über die Lebensordnungen der außereuropäischen Völker verkündet. Schweitzer verteidigt Europas Kolonialmission in einer Kultursemantik, die mit Oppositionsfiguren wie „Nichtkulturvölker”, „Halbkulturvölker” und „Kulturvölker” Superioritätsansprüche ungebrochen fortschreibt. Wie viele andere europäische Intellektuelle der Zeit lehnt er die Parteiendemokratie als bloße „Scheindemokratie” ab, die durch ein sittliches Beamtentum unter Führung starker, wahrhaftiger Männer auf eine höhere Kulturstaatsstufe transformiert werden soll. „Primitive Afrikaner” sollen mit Hilfe wohlmeinender Kolonialherren das Bewusstsein einer „Weltkultur” gewinnen, die Schweitzer als das Allgemeinwerden okzidentaler Bildungsideale denkt.
Fragt sich nur, mit welchen pädagogischen Techniken „primitive Barbaren” aus „Unkultur” und „Kulturlosigkeit” zu „Kulturgesinnung” und „Kulturpersönlichkeit” geführt werden können. Schweitzer empfiehlt durchaus auch „Zwangsarbeit”, nicht zuletzt auf Grund der schmerzlichen Erfahrung, dass sich sein eigenes protestantisches Askese-Ethos selbst in Lambarene nur begrenzt durchsetzen ließ. In Äußerungen über „den Afrikaner”, „die Primitiven” und „die Halbprimitiven” entfaltet er sein Humanitätscredo primär als Ethisierung forcierter Kolonialisierung. Gerade dies zwingt zu präziser Wahrnehmung seiner Bestimmungen von „Kulturstaat und Kolonien”, die aber den Lesern vorenthalten werden. Ob der gelehrte Ethiker hier die Stöcke deduzierte, mit denen er den „Schwarzen an sich” bisweilen zu kultivieren empfahl?
FRIEDRICH WILHELM GRAF
ALBERT SCHWEITZER: Wir Epigonen. Kultur und Kulturstaat. Herausgegeben von Ulrich Körtner und Johann Zürcher. C.H.Beck Verlag, München 2005. 416 Seiten, 59,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Über diese Edition des nachgelassenen Manuskripts über den "Niedergang der europäischen Kultur" von Albert Schweitzer hat sich Friedrich Wilhelm Graf geärgert. Ausgerechnet dem Wahrhaftigkeitsfanatiker Schweitzer begegnen die Herausgeber Ulrich Körtner und Johann Zürcher mit ungenauen Editionstechniken, schimpft der Rezensent, der hier grobe "Leser-Täuschungen" anprangert. Die Herausgeber würden beispielsweise, da das Kapitel mit Schweitzers Vorstellungen über "Kulturgestaltung" in den Kolonien von der Erbin nicht zum Druck freigegeben worden ist und auch nicht einsehbar war, stattdessen einen 1927 gehaltenen Vortrag publizieren und behaupten, dass hier die Sicht Schweitzers in "neuerer, kürzerer und leichter überblickbarer Fassung" greifbar wäre. Hier weist Graf darauf hin, dass die Herausgeber das unterdrückte Kapitel ja gar nicht einsehen konnten und deshalb nicht wissen können, ob die Texte überhaupt vergleichbar sind. Des Weiteren, moniert er, wurden größere Passagen aus dem Text über "Kultur und Nichtkulturstaaten" gekürzt, was die Behauptung, es handele sich bei dem Band um ein "geschlossenes Ganzes", zumindest fraglich erscheinen lässt, wie Graf kritisch notiert.

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