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Brüsseler Bürokratiepaläste, Gurkenkrümmungsverordnungen, Lobbyistenskandale, ein Euro, der zum "Teuro" geworden ist - das sind gängige Assoziationen zur Europäischen Union. Brauchen wir die EU überhaupt? Ja, wir brauchen sie. Unbedingt. Obwohl Parteien am linken und rechten Rand seltene Einigkeit in ihrer Ablehnung der EU zeigen, und obwohl 2010 beinahe die Hälfte der Deutschen und Österreicher der Meinung war, dass ihr Land nicht von der Mitgliedschaft profitiert. Star-Politologe Anton Pelinka erklärt, wie der nach 1945 begonnene Integrationsprozess ein neues Europa geschaffen hat, das bis…mehr

Produktbeschreibung
Brüsseler Bürokratiepaläste, Gurkenkrümmungsverordnungen, Lobbyistenskandale, ein Euro, der zum "Teuro" geworden ist - das sind gängige Assoziationen zur Europäischen Union. Brauchen wir die EU überhaupt?
Ja, wir brauchen sie. Unbedingt. Obwohl Parteien am linken und rechten Rand seltene Einigkeit in ihrer Ablehnung der EU zeigen, und obwohl 2010 beinahe die Hälfte der Deutschen und Österreicher der Meinung war, dass ihr Land nicht von der Mitgliedschaft profitiert. Star-Politologe Anton Pelinka erklärt, wie der nach 1945 begonnene Integrationsprozess ein neues Europa geschaffen hat, das bis heute Verbrechen des alten Europas verhindert: Kriege und Diktaturen, ethnische Säuberungen und einen Holocaust. Europa - Ein Plädoyer vermittelt, wie die Europäische Union und ihre Institutionen für Frieden, Demokratie und soziale Gerechtigkeit sorgen. Ein furioses, sachkundiges Plädoyer dafür, dass die Union - trotz ihrer Unvollkommenheit - das beste Europa ist, das die Geschichte je hervorgebracht hat. An Anton Pelinkas Europa - Ein Plädoyer wird niemand vorbeikommen, der sich fundiert mit den Vor- und Nachteilen der Europäischen Union auseinandersetzen will.
Autorenporträt
Anton Pelinka "Der bekannteste Politologe Österreichs" (Armin Thurnher, Falter) war bis 2006 Professor für Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck und ist seitdem Professor of Nationalism Studies and Political Science an der Central European University, Budapest. Im Jahr 1970 Mitbegründer der Österreichischen Gesellschaft für Politikwissenschaft, seit 1990 Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Konfliktforschung in Wien. Vor und während der Wissenschaftskarriere haupt- und nebenberuflich als Journalist und politischer Kommentator tätig.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.11.2011

Schöner neuer Erdteil
Anton Pelinka will die Vereinigten Staaten von Europa
Plädoyers gegen die EU und den Euro haben derzeit Konjunktur. Verständlicherweise. Der Historiker Niall Ferguson schreibt über Europas Auflösung durch die Währungsunion; der belgische Autor Leon de Winter plädierte in einem Buch „für die Abschaffung des Euro“; Hans Magnus Enzensberger kritisierte das „Sanfte Monster Brüssel“.
Jetzt hat der österreichische Politologe Anton Pelinka eine Gegenrede auf den Tisch gelegt. Pelinka will darlegen, „wie die Europäische Union und ihre Institutionen für Frieden, Demokratie und soziale Gerechtigkeit sorgen“. Ein Plädoyer von der hohen Warte also. Das Buch ist trotzdem unkompliziert geschrieben. Dem Autor geht es zunächst um eine Kritik der EU-Kritiker und sodann darum, „die Vereinigten Staaten von Europa“ Wirklichkeit werden zu lassen. Eine auf den Punkt gebrachte andere Meinung ist so anregend wie ein gutes Schachspiel – wenn das Gegenüber bei der Sache ist und trotzdem über ihr steht. Und wenn man von seinen Zügen etwas lernen kann. Das ist bei Anton Pelinka nicht immer, aber immer wieder der Fall.
Für Pelinka nimmt ein, dass er – der sich doch ein Pro-EU-Plädoyer vorgenommen hatte – mehrfach, insbesondere in Sachen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, die schwerwiegenden Mängel des Brüsseler Systems offen anspricht und sogar an Beispielen erläutert. Auf der anderen Seite ist seine Feststellung nicht von der Hand zu weisen, dass „die Hartnäckigkeit des Prozesses europäischer Einigung“ nicht das schlechteste Argument gegen den Euro-Skeptizismus ist, was er einer „List der Geschichte“ zuschreibt. List ist besser als Vorsehung.
Pelinka hat auch recht, wenn er darauf hinweist, dass die Verwirklichung der europäischen Integration (auch) der „demokratischen Bändigung“ des Nationalismus dienen soll. Starke Gefühle bedürfen der Bändigung. Auf demokratische Art. Pelinka erörtert, ob es gelingen kann, eine Art erdteilbezogenes EU-Nationalgefühl entstehen zu lassen. Das ist etwas inkonsequent, da der Autor Nationalbewusstsein eigentlich per se ablehnt (weil es auf Ausschließung anderer angelegt sei). Aber selbst wenn man die Solidarität mit dem eigenen Land als Wert ansieht, gibt es eine Hierarchie der Werte. De Gaulle sprach mit Grund von Europa immer als dem „Vaterland der Vaterländer“: Europa als höherer Wert.
Die Frage bleibt, ob dieser höhere Wert ein durchorganisierter Staat sein muss. Pelinka will das unbedingt. Er stellt uns für dieses Ziel drei Beispiele vor: Nicht nur – wie erwartet – die USA, sondern auch den indischen Subkontinent und die Schweiz. Letzteres überrascht positiv. Hat Pelinka den späten Friedrich Dürrenmatt gelesen? „Die Welt wird entweder untergehen oder verschweizern!“ Europa als die Schweiz der zukünftigen Welt? Das klingt gar nicht so schlecht.
Die USA und Indien sieht Pelinka als Vorbilder für eine EU-Staatlichkeit nicht nur wegen „der kontinentalen Dimension“. Die USA, insbesondere wegen ihrer „Integrationsgeschichte“, Indien wegen der „Rangordnung der Sprachen im Parlament“ (Hindi und Englisch) angesichts des „Sprachpuzzles“ der indischen Union. Diese Beispiele sollte man zu Ende denken – also auch die historische Genese der USA, ihren kulturellen Status quo und den derzeitigen Stand ihres Staatswesens und seiner Infrastruktur. Es könnte sein, dass ein Vorwärts in Richtung USA für die europäische Staatenwelt sich als Rückwärts herausstellt.
Was die indische Union und ihre „Sprachordnung“ angeht: Die am meisten gesprochene Sprache in der EU, also unser Hindi, wäre Deutsch. Dieses ist in der offiziellen EU faktisch bedeutungslos geworden. Englisch regiert bereits in der EU wie in Indien. In Bezug auf die Realwirtschaft in Deutschland und den Pumpkapitalismus hat sich der mit dem Englischen verbundene und von der EU-Verwaltung wie selbstverständlich vorausgesetzte Sprachschleier nicht als förderlich erwiesen (siehe Daimler-Chrysler). Was sollen wir diesbezüglich von Indien noch übernehmen?
Ein Lieblingsbegriff Pelinkas heißt „Finalität der EU“. Laut Fremdwörter-Duden ist Finalität die Bestimmung eines Geschehens nicht durch seine Ursachen, sondern durch seinen Zweck. Was steht den EU-Zwecken bisher im Wege? Pelinka: „Die Völker Europas sind die eigentlichen Blockierer auf dem Weg zu einem europäischen Bundesstaat.“ Der EU fehle ein eigener „Demos“ (Volk) und dieses EU-Volk müsse gefunden oder „konstruiert“ werden. Das klingt nun ein bisschen nach Bert Brecht und seinem Rat an die DDR-Führung nach dem 17. Juni: „Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?“
Für das Werden einer neuen EU-Volksidentität verweist Pelinka auf Italien (Garibaldi) und Bismarck (1871). Hmmh!? Ist dieser Vergleich wirklich einladend? Würden die Deutschen (die Bayern?) mit dem Wissen von heute die Sache von 1871 wirklich noch einmal wiederholen? Lieber Anton Pelinka, Europa bräuchte als Vorbild die Paulskirche, nicht Versailles!
Trotz dieser historischen Bezüge fordert Pelinka, dass wir Europa und seinen Einigungsprozess nicht aus seiner Vergangenheit und aus deren Voraussetzungen verstehen oder gar herleiten sollen: „Das Europa der Union hat nichts mit der Geschichte zu tun“, schreibt er gleich am Anfang des Buches. Das „richtige Bild“ – wie er es sieht – müsste Europa von seinen kulturgeschichtlichen Mythen abtrennen – denn diese brächten „für den europäischen Integrationsprozess absolut nichts“. Bei dem Begriff Abendland wird Pelinka sogar richtig wütend – man würde dabei „fast immer auf Abstoßendes“ treffen. Erst recht ist eine Debatte über „die christlichen Wurzeln der Union schlicht überflüssig“.
Ist das wirklich wahr? Unser kulturelles Gedächtnis, die Entwicklung der Formensprache, die Sache mit Gott – alles keine Voraussetzung für die Vereinigten Staaten von Europa? Auf der Strecke geblieben. Schöner neuer Erdteil! Unsereiner nennt im Zorn die EU und ihre Gebilde manchmal „seelenlos“. Im Plädoyer „Europa“ von Anton Pelinka lernen wir, dass Seelenlosigkeit für die EU der Zukunft vorausgesetzt werden soll. Zur Verwirklichung ihrer Finalität.
PETER GAUWEILER
ANTON PELINKA: Europa – Ein Plädoyer. Braumüller Lesethek, Wien 2011. 203 Seiten, 19, 90 Euro.
Der Anwalt, CSU-Bundestagsabgeordnete und EU-Kritiker Peter Gauweiler hat zweimal Klagen gegen den Vertrag von Lissabon beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Mit der ersten von 2005 hatte er teilweise Erfolg.
Mögliche Vorbilder für die
EU könnten sein: die USA,
Indien und die Schweiz.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ganz besonders schätzt der CSU-Politiker Peter Gaulweiler an dieser Intervention gegen die EU-Kritiker die Einfühlung des Autors in seine Gegner. Bei dem österreichischen Politologen Anton Pelinka geht das sogar so weit, dass er die Mängel des Brüsseler Systems anprangert (und auch belegt), namentlich in Sachen Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Allerdings merkt Gauweiler schnell, wie der Autor mit umso größerer Inbrunst die durch die EU gegebenen Chancen zu Frieden und sozialer Gerechtigkeit hervorhebt. Bei aller Unkompliziertheit dieses Plädoyers im Sprachlichen, hält Gauweiler den ein oder anderen Standpunkt des Autors doch für recht fragwürdig. Einige historische Vergleiche und Referenzmodelle (Indien, USA) gehören dazu sowie Pelinkas Äußerung, die christlichen Wurzeln der EU seien überflüssig.

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