Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 12,29 €
  • Gebundenes Buch

1 Kundenbewertung

Es war einmal eine Stadt, in der alle Einwohner Diebe waren. Jeder bestahl jeden und so hatte immer jeder etwas. Eines Tages kam ein Ehrlicher in die Stadt und brachte das bequeme Gleichgewicht durcheinander. Das Chaos beginnt zu regieren.
Wie entstanden Reichtum und Armut auf der Welt? Italo Calvino entwickelt erzählerisch seine ganz eigene Theorie.

Produktbeschreibung
Es war einmal eine Stadt, in der alle Einwohner Diebe waren. Jeder bestahl jeden und so hatte immer jeder etwas. Eines Tages kam ein Ehrlicher in die Stadt und brachte das bequeme Gleichgewicht durcheinander. Das Chaos beginnt zu regieren.

Wie entstanden Reichtum und Armut auf der Welt? Italo Calvino entwickelt erzählerisch seine ganz eigene Theorie.
Autorenporträt
Italo Calvino, geb. 1923 in Santiago de las Vegas/Kuba, wuchs in San Remo auf und kämpfte im Zweiten Weltkrieg als Partisan gegen die Deutschen. Nach seinem Studium der Agrarwissenschaften, Philosophie und Literatur war er einige Jahre als Lektor bei dem italienischen Verlag Einaudi beschäftigt. Danach lebte er als freier Schriftsteller in Rom, Paris und in Siena, wo er 1985 starb. Sein Werk wurde in alle Weltsprachen übersetzt und mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet. Viele von Calvinos Büchern sind heute in Italien Volksgut und Schullektüre.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2017

Allein unter Dieben ist das Haus bald leer

Wer als Ehrlicher nicht aus seiner Haut kann, hat schlechte Karten: Lena Schalls großartige Bilder zu Italo Calvino.

Von Ursula Scheer

Nein, seinen Kindern zur guten Nacht sollte man diese fabelhaft illustrierte Parabel von Italo Calvino wirklich nicht vorlesen, denn am Ende ist einer tot, die Monster gucken grimmig, und überhaupt geht es furchtbar finster zu in der von dem 1985 verstorbenen italienischen Postmoderne-Fabulierer nachgelassenen Geschichte "Das schwarze Schaf".

Die Handlung ist schnell umrissen: Schauplatz ist eine Stadt, in der nur Diebe lebten. Jede Nacht schleichen alle aus ihren Häusern, um die Nachbarn zu bestehlen und das Diebesgut frühmorgens ins eigene, von anderen leergeräumte Heim zu schleppen. Weil jeder jeden beklaut und die Regierung eine kriminelle Organisation ist, die Bürger ausplündert, auf dass diese wiederum die Obrigkeit betrügen, rundet sich alles zu einem wunderbaren Kreislauf der Besitzsrechtsnegierung. Fiktional existierender Turbokommunismus sozusagen, in dem es keine Armen und Reichen gibt, nur Gauner. Es könnte alles immer weiter so hübsch hässlich sein, tauchte nicht eines Tages "ein Ehrlicher" auf, der alles kaputtmacht. Er will partout nicht mitklauen, was dazu führt, dass manche ärmer und andere reicher werden, es eine Polizei braucht und das schöne Leben ein Ende hat. Ade, süßes Dunkeldasein.

Das ist natürlich ebenso charmant wie unlogisch (Warum besitzen die Diebe Häuser? Warum klauen sie alle exakt gleich viel?) und auch nicht unbedingt das wertvollste Kleinod unter den Calvino-Geschichten aus dem Nachlass. Aber die 1983 geborene Berliner Illustratorin und Mediendesignerin Lena Schall tut mit der kurzen Parabel genau das, was gute Illustratoren mit Texten tun: Sie nimmt sie zum Anlass, um in Bildern weit mehr auszubreiten, als geschrieben steht. Lena Schall verwandelt Calvinos absurde Vorlage in ein Welttheater, in dem grimmig grinsende Lumpenpuppen durch Traumlandschaften aus Versatzstücken unseres Wegwerfdaseins wandeln. Es ist, als wäre der Inhalt einer Wertstofftonne zum Leben erwacht.

Die Medien mischen und überlagern sich in den Tableaus, die Lena Schall schafft: Da sind die mit der Hand gebastelten anthropomorphen Puppen aus Stoff und Gummi, deren Accessoires - eine Haarklammer als Hand, ein Bionade-Kronkorken als Hut - ihre winzigen Dimensionen verraten. Arrangiert sind sie in einem gemalten Raum, den wiederum allerlei fotografierte Details definieren. Und so spielen sie denn tagsüber unter einem Himmel mit Schönwetterwolken Ball und lassen sich das Obst von baumhohen Blütendolden in den Mund fallen, während nachts der Schein ihrer Taschenlampen das Scherenschnitt-Dunkel zerschneidet und wir sie mit riesigen Händen ihre Beute umschlingen sehen: Ravioli-Dosen scheinen besonders begehrt zu sein.

Doch dann fällt in den fröhlich-finsteren Reigen der Schatten des Ehrlichen: Ganz aus Kopf scheint dieses unsympathische Männlein zu bestehen, trägt eine aus einer Pillenpackung gedrehte Brille und will "rauchen und Romane lesen". Die anderen mampfen seine Bücher. Lassen ihr Drahthaar im Wind wehen. Räumen dem Ehrlichen die Bude leer, und der Nachbar hortet: Matchbox-Autos, Zuckerstange, Eisbecherschirmchen, Kaffeekanne, bis sein Haus ein Wimmelbild geworden ist wie die Megacity des Konsums, in das sich das Städtchen am Schluss verwandelt, hinter dem der Bagger die Favelas frisst.

Was man aus Vorgefundenem und Zurückgelassenem so alles machen kann! Lena Schall hat kein Buch für Kinder geschaffen, sondern eines für bildersüchtige Menschen mit Hang zum Skurrilen und zum schwarzen Humor.

Italo Calvino, Lena Schall: "Das schwarze Schaf".

Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber. Mixtvision Verlag, München 2017. 32 S., geb., 19,90 [Euro]. Ab 5 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr