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Ohne ein Wort erzählt Marc-Antoine Mathieu in "Richtung" die Initiationsreise eines Mannes durch eine Welt von labyrinthischer Natur... Wohin treibt es ihn? Was gibt seinem Leben Sinn? Entschlossen folgt der namenlose Wanderer Pfeilen und anderen Hinweisen durch die Leere des Seins - die Richtung ist sein einziger Antrieb. Eine philosophische und hypnotische Bilderreise durch eine Welt ohne Grenzen, in der Marc-Antoine Mathieu einmal mehr lustvoll und voller Neugier mit den Grenzen der Gestaltungsmöglichkeiten des Comics experimentiert.

Produktbeschreibung
Ohne ein Wort erzählt Marc-Antoine Mathieu in "Richtung" die Initiationsreise eines Mannes durch eine Welt von labyrinthischer Natur... Wohin treibt es ihn? Was gibt seinem Leben Sinn? Entschlossen folgt der namenlose Wanderer Pfeilen und anderen Hinweisen durch die Leere des Seins - die Richtung ist sein einziger Antrieb. Eine philosophische und hypnotische Bilderreise durch eine Welt ohne Grenzen, in der Marc-Antoine Mathieu einmal mehr lustvoll und voller Neugier mit den Grenzen der Gestaltungsmöglichkeiten des Comics experimentiert.
Autorenporträt
Marc-Antoine Mathieu wurde 1959 in Anthony, Frankreich geboren. Sein erstes Album "Paris-Mâcon" veröffentlichte er 1987 als eine Gemeinschaftsarbeit mit seinem Bruder Jean-Luc. 1989 begann er die Arbeit an seiner mehrfach preisgekrönten Serie um den Angestellten im Ministerium für Humor, Julius Corentin Acquefacques, die inzwischen auf sechs Bände angewachsen ist, die in deutscher Übersetzung bei Reprodukt vorliegen. Parallel veröffentlicht er immer wieder Einzelbände und ist als Ausstellungsdesigner für eine Grafikagentur tätig. Ebenso unterhaltsam wie intelligent setzt sich Marc-Antoine Mathieu in seinen Arbeiten mit den vielfältigen gestalterischen Möglichkeiten des Comics auseinander und lotet dabei immer wieder neu die wechselseitige Beziehung von Form und Inhalt aus.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Schlicht und linear findet Christoph Haas die Erzählweise in Marc-Antoine Mathieus neuem Band mit den Abenteuern von Julius Corentin Acquefacques. Doch das ist nicht alles, meint Haas. Wie immer bei diesem Zeichner ist das, was passiert, weniger wichtig als die Art der Wiedergabe, erklärt Haas, wenn in diesem Band der Inhalt auch mehr Gewicht erhält als bei Mathieu üblich, so der Rezensent. Dass der Band fast ohne Worte auskommt, scheint Haas bemerkenswert. Regie scheint ein Pfeil zu übernehmen, der der Hauptfigur den Weg weist, wie der Rezensent erläutert. Vor allem die Leichtigkeit der Präsentation macht es ihm möglich, den gezeigten traumartigen Verwandlungen des Settings ohne Mühe zu folgen und sich eigenen Assoziationen hinzugeben. Minimale Mittel führen hier zu maximaler künstlerischer Wirkung, versichert er.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.04.2015

Zum Raum wird hier die Zeit

Zwei vor, einer zurück: Drei der berühmtesten Comic-Avantgardisten publizieren neue Hauptwerke. Richard McGuire und Marc-Antoine Mathieu überzeugen, Scott McCloud enttäuscht.

Vor 26 Jahren kam ein Taschenbuch namens "Raw" heraus. Das war die erste kleinformatige Ausgabe eines Magazins, das zuvor neun Jahre lang als übergroßes Heft erschienen war. Herausgeber waren der amerikanische Comiczeichner Art Spiegelman und seine Frau Françoise Mouly, und sie hatten für "Raw" von Beginn an die bedeutendsten Comic-Avantgardisten gewonnen, Autoren wie Robert Crumb, Jacques Tardi, Ever Meulen, José Muñoz, Joost Swarte, Gary Panter, Charles Burns, Mark Beyer, Ben Katchor, Mariscal oder Baru. Dazu wurden Comicstrip-Klassiker von Winsor McCay oder George Herriman nachgedruckt, weil die riesigen "Raw"-Hefte sich den ursprünglichen Zeitungsformaten immerhin annäherten. Doch nach acht Ausgaben brachen Spiegelman und Mouly mit der Überwältigung durchs Großformat. Die letzten drei "Raw"-Ausgaben bis zum Ende der Reihe im Jahr 1991 kamen nun geradezu unscheinbar daher.

Das war Programm, denn in diesen jeweils mehr als zweihundert Seiten starken Kleinausgaben steckte eine neue Form der Comic-Avantgarde: eine, die nicht länger allein durch opulente Graphik, sondern vor allem durch ein neues Verständnis des Comicerzählens überzeugen wollte. Die Namen der ersten "Raw"-Ausgabe im Kleinformat zeigten, dass sich die Großen neu erfinden wollten: Burns, Beyer, Katchor, Baru, Mariscal, Swarte, Meulen, Panter und natürlich auch Spiegelman selbst waren wieder mit dabei und unterwarfen sich lustvoll der Beschränkung durchs reduzierte Format, die es durch erzählerische Originalität auszugleichen galt.

Als originellster Erzähler aber erwies sich jemand, den noch keiner kannte: ein gewisser Richard McGuire, der im Inhaltsverzeichnis ausgewiesen war als Bassist einer Rockband und bildender Künstler. Für "Raw" zeichnete er damals sechs schwarzweiße Seiten, jede mit sechs exakt gleichgroßen Bildern, und mit Erscheinen dieser 36 Panels veränderte sich die Comicwelt. Denn der 1957 geborene McGuire brachte Raum und Zeit zu einer ästhetischen Deckung, von der Einstein nicht zu träumen gewagt hätte: reine Harmonie als Dienstleister einer Geschichte, die den schlichten Titel "Here" trug.

Dieses "Hier" bezeichnet eine Ecke in einem leergeräumten Zimmer. Die Perspektive auf diese Stelle ändert sich nie, doch jedes Bild führt in ein anderes, genau datiertes Jahr, und entsprechend verändert sich das Geschehen. 1957 etwa wird das Zimmer von einem jungen Ehepaar bewohnt, das sein erstes Kind erwartet, 1975 gibt es ein großes Hallo für ein anderes Neugeborenes, 1984 spielt ein kleiner Junge unter dem Weihnachtsbaum, und mit jedem neuen Zeitpunkt hat sich natürlich die Wohnungseinrichtung verwandelt. Es geht aber auch in die Zukunft, zum Beispiel ins Jahr 2030, als eine Abrissbirne das Haus zerschmettert, oder weit zurück in die Vergangenheit, etwa ins Jahr 100 650 010 vor Christus, als es natürlich noch kein Haus gibt, sondern just an jenem Ort, wo es mehr als hundert Millionen Jahre später dann stehen wird, ein Stegosaurus durchs Gelände stapft. Damit aber nicht genug: McGuire beginnt in die einzelnen Bilder kleinere Fenster in andere Vergangenheiten oder Zukünfte einzubauen, so dass man ein Detail des Jahres 1983 (eine putzende ältere Frau) im größeren Rahmen einer Szene des Jahres 1966 sieht, in der ein kleiner Junge den Start einer Apollorakete im Fernsehen betrachtet. Das war der Sohn der älteren Frau, und siebzehn Jahre später ist er ausgezogen. Bis zu vier Zeitebenen verschachtelt McGuire auf diese Weise miteinander, und langsam lässt sich aus dem sprunghaft über die gesamte Erdgeschichte ausgreifenden Geschehen die Geschichte der Bewohner dieses Ortes rekonstruieren, der anfangs so belanglos wirkte. Zeit und Raum gehen ein Bündnis ein, das so nur die Darstellungsform des Comics begründen konnte.

Diese sechs Seiten machten McGuire zur Legende, zur grauen Eminenz des Comics. Seine Bild-im-Bild-Staffelung sollte die Überlegungen von Scott McCloud entscheidend beeinflussen, der 1993 "Understanding Comics" herausbrachte, einen Comic, der die ästhetischen Grundlagen der Erzählform erläuterte. Ihm folgten 2000 beziehungsweise 2006 die Fortsetzungsbände "Reinventing Comics" und "Making Comics", mit denen der 1960 geborene McCloud zum einflussreichsten Theoretiker seiner Kunst aufstieg.

Und im fernen Frankreich, wo McGuire so verehrt wird, dass er dort - und nur dort - später zwei aufwendig gedruckte Bilderbücher für Erwachsene herausbringen konnte ("Popeye and Olive", 2001, und "P + O", 2002), erschien 1990 der Band "L'Origine" eines damals einunddreißigjährigen Zeichners namens Marc-Antoine Mathieu, der in einer Weise mit Raum und Zeit spielte, als hätte er McGuires "Here" auf eine neue Ebene heben und in Albenlänge ausbreiten wollen. Natürlich kannte Mathieu den amerikanischen Kurzcomic. In dem runden Dutzend weiterer Alben, das er seither gezeichnet hat, wurde das von McGuire geprägte gezeichnete Erkunden der eigenen Bedingungen des Erzählens immer weiter ausgeführt und verfeinert.

Diese drei in ihrem Anspruch so ähnlichen Autoren haben jetzt gerade jeweils neue Comics publiziert, und jeder davon darf als exemplarischer Fall gelten. Auf McGuires Band wurde jahrzehntelang gewartet, denn es war lange bekannt, dass er an einem großen Werk saß. Dass es wieder "Here" heißen würde und die auf 300 Seiten erweiterte Ausarbeitung der Kurzgeschichte von 1989 sein würde, wusste man nicht. Dass es in Amerika bei Pantheon erschienen ist, der feinsten dortigen Adresse für Comics, und in Deutschland rasend schnell vom Verlag DuMont übersetzt wurde (als "Hier"), zeigt die Erwartungen an dieses späte Debüt McGuires auf dem Feld jener großen Form, die heute pauschal mit "Graphic Novel" bezeichnet wird.

Das neue "Here" folgt denselben Prinzipien wie das alte, nur dass jetzt pro Doppelseite nur ein Bild steht, Farbe benutzt wird und der Blick auf die Zimmerecke sich etwas erweitert hat - wir stehen als Betrachter tiefer im Raum. Durch McGuires Auskunftfreudigkeit wissen wir nun auch, dass es sich bei dem Handlungsort um ein konkretes Haus in New Jersey handelt, das die eigene Familie in seiner Kinderzeit einmal bewohnt hat. Und warum alles 1957 losgeht, also in McGuires Geburtsjahr. Die neue Version bietet zum Einstieg wieder das menschenleere Zimmer, aber mit bereits vorbereitetem Laufstall für das Neugeborene.

Nicht im Geringsten autobiographisch fällt dagegen Mathieus neuer Band aus, der keinen ausgeschriebenen Titel trägt, sondern als Kennzeichnung auf dem Umschlag neben den in Blindprägung angebrachten Autor- und Verlagsnamen lediglich einen schwarzen Richtungspfeil aufweist; in Frankreich spricht man von dem Comic deshalb als "Direction". Auch er ist sofort in Deutschland publiziert worden (bei Reprodukt, unter dem Katalognamen "Richtung"), wobei man kaum von Übersetzung sprechen kann, denn es gibt nur drei Textpassagen auf den insgesamt 250 Seiten: ein in die Geschichte eingeschobenes Titelblatt mit abermals Autor- und Verlagsname, eine auf A-2-Format ausklappbare Faltseite mit einem kurzen Satz und ein Bild, das die Rückseite eines Buchs zeigt, die von einem aufgedruckten längeren Satz geziert wird. Das alles aber ist in einer Zeichenschrift gesetzt, die man erst entziffern muss (wobei die leicht identifizierbaren Namen die entscheidende Hilfe leisten). Dann ergibt sich für den Buchaufdruck ein Satz, der über dem ganzen Werk von Mathieu stehen könnte: "Das Absurde hat nur dann einen Sinn, wenn man es akzeptiert."

Denn das unterscheidet Mathieu von Richard McGuire: Er thematisiert die Doppeldeutigkeiten und Bizarrerien der Zeichnungskunst, wie das seit M. C. Eschers Trugbildern niemand mehr gemacht hat. Ständig wechseln in Mathieus Geschichten die Bezugsgrößen für Raum und Zeit, und das, was er erzählt, ist nur in der Gattung möglich, dies er dafür gewählt hat: dem Comic. Das wiederum verbindet ihn mit McGuire. Beide lassen über das Staunen beim Betrachten ihrer visuellen Einfälle Formerkenntnis entstehen.

Genau das war auch das Prinzip, mit dem Scott McCloud immer wieder in seinem theoretischen Werk verblüffte. Nunmehr aber hat er das wahrgemacht, wovon er schon lange erzählte: noch einmal einen fiktionalen Comic zu zeichnen. "The Sculptor" ist nahezu gleichzeitig in mehreren Sprachen erschienen, unter dem Titel "Bildhauer" auch auf Deutsch (bei Carlsen). Doch es ist, als hätte McCloud über das Pathos, mit dem er die Geschichte eines Mittzwanzigers erzählt, der mit dem Tod einen Pakt schließt, um in den letzten Monaten seines Lebens doch noch Erfolg als Künstler zu haben, all das vergessen, was er in den drei dicken Theoriewerken entwickelt hatte. Hier wird auf fast fünfhundert Seiten so konventionell erzählt wie nur denkbar, mit zahllosen stilistischen Anleihen bei Craig Thompson (Graphik und Seitenarchitektur). Der wurde zwar selbst wiederum durch McClouds Überlegungen geprägt, aber "The Sculptor" ist eben kein originäres Produkt eines Erzählers mehr, sondern ein vielfach vermitteltes. Der Band ist, um mit Platons Höhlengleichnis zu reden, zweifach von der Wahrheit ab. Vom extrem konventionellen Sujet und dem schier unerträglichen Kitsch ganz zu schweigen.

Wie konnte das geschehen? Ist da einer der großen Vordenker des Comics dem eigenen Erfolg zum Opfer gefallen, insofern er gar nicht gemerkt hat, dass all seine früheren Erkenntnisse schon längst Allgemeingut sind und somit nicht mehr überraschen können? McGuire und Mathieu machen auch seit ihrem Beginn immer wieder dasselbe, aber das tun sie derart konsequent, dass ihnen niemand darin zu folgen vermag. Und es sind eigene Einfälle, die bei diesen beiden immer noch tragen, während McCloud sich für seine wirkungsmächtigen Theorien von diversen Vorläufern inspirieren ließ. Dass er nun selbst wieder Künstler werden wollte, rächt sich. Die Trias von erhofften Meisterwerken hat er durch sein Debakel gesprengt.

ANDREAS PLATTHAUS

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.06.2015

Manchen Betten
ist nicht zu trauen
Neue Experimente des Comic-Künstlers Marc-Antoine
Mathieu: „Richtung“ und „Die Verschiebung“
Von Christoph Haas
Julius braucht ein neues Bett. Der Händler, den er aufsucht, weiß um die Probleme seiner Kunden: Es wird zu viel geträumt und zu heftig; da gehen Matratzen kaputt, und Rahmen verbiegen sich. Aber manchen Betten ist auch nicht zu trauen. Als Julius sich auf einem niederlässt, erhebt es sich mit ihm in die Lüfte – wie es schon dem kleinen Nemo in Winsor McCays klassischem Zeitungscomic ergangen ist. Die Folgen sind dramatisch. Ein besorgter Beamter, der ihn untersucht, konstatiert eine „Traum-Zeit-Entkopplung“. Julius ist dem Comic, den der Leser gerade in den Händen hält, verloren gegangen. Die Geschichte muss ohne ihn einsetzen; aber ist dies überhaupt möglich?
  Marc-Antoine Mathieu ist ein janusköpfiger Künstler. In den Comics des 1959 geborenen Franzosen geht es oft um die großen Fragen: um die Zeit und den Tod, um die Rolle Gottes und die Freiheit des Einzelnen in der Überwachungsgesellschaft. Zugleich ist Mathieu ein experimentierfreudiger Formalist, der die erzählerischen und visuellen Verfahren der Neunten Kunst gerne zu deren eigenem Gegenstand macht. In „3 Sekunden“ (2012) etwa schildert Mathieu von einem kriminellen Komplott nur die kurze Zeitspanne, in der ein Schuss abgefeuert wird. Was geschieht, ist weniger wichtig, als wie es wiedergegeben wird: Das Album ist von Panel zu Panel eine einzige lange Zoombewegung.
  Ganz im Bann des Spiels mit der Metafiktion steht nun das neue Abenteuer von Julius Corentin Acquefacques, des Angestellten im Ministerium für Humor, in „Die Verschiebung“. Wo kein Held agiert, kann kaum etwas erzählt werden. Also macht sich der Nachbar von Julius mit drei Freunden auf, um den Verschollenen wiederzufinden. Nachdem sie furchtlos durch ziemlich leere Seiten gereist sind, gelingt ihnen dies auch, und das Album kann an seinem Schluss endlich richtig – oder vielmehr: von Neuem – beginnen. „Die Verschiebung“ enthält einige amüsante Spitzen gegen die Verliebtheit in aktive Figuren, spannende Plots und überraschende Wendungen, wie sie für Genrecomics typisch ist. Das ostentative Ausstellen der ästhetischen Mittel, verbunden mit teils ernst, teils eher scherzhaft gemeinten philosophischen Erörterungen, ist auf die Dauer aber nicht ganz so spannend.
  Das ist in „Richtung“ anders, die der Gewitztheit im Formalen ein stärkeres inhaltliches Gegengewicht an die Seite stellt, sich als existenzialistische Parabel begreifen lässt. Auf knapp 260 Seiten kommt Mathieu fast ohne Worte aus. Ein Mann steht anfangs in einem dunklen Raum. Das hell leuchtende, pfeilförmige Schlüsselloch einer Tür weist ihm dem Weg nach draußen, in eine endlose weiße Wüste vor grauem Horizont. Der Mann marschiert und marschiert. Einem anderen Lebewesen begegnet er nie, dafür immer wieder dem Pfeil, der mal ein Schild ist, mal ein riesiger, im Sand vergrabener Stein, mal eine Platte, die ihn über einen vom Sturm gepeitschten Ozean trägt. Am Ende ist der Pfeil ein Schatten, dann eine schwarze Tiefe, in die der Mann langsam hinabgleitet.
In helles und dunkles Grau gekleidet, mit Hut und Mantel, verbinden sich in dem Wanderer unterschiedliche Konzepte von Männlichkeit; er ähnelt einem Gangster der Dreißiger-, Vierzigerjahre, aber auch einem pflichtbewussten Beamten. Einsam zieht er durch die Öde seines Lebens, unaufhaltsam muss es weitergehen. Das Verlassen des Zimmers gleicht einer Geburt, und wenn der Mann schließlich verschwindet, ist dies sein Tod – schon kurz zuvor durchquert er ein Feld von bedrohlich in Reih und Glied stehenden Pfeilen, die stark an Grabsteine erinnern.
Das klingt düster, tatsächlich ist alles von einer großen Leichtigkeit. Die Verwandlungen sind dem Gesetz der Träume verpflichtet. Einmal droht der Mann ins Leere zu fallen, aber der Pfeil, der sich in einen fliegenden Teppich verwandelt hat, fängt ihn schließlich auf – ein beglückender Moment, in dem wiederum „Little Nemo“ anklingt, neben „Die luftdichte Garage des Jerry Cornelius“ von Moebius unverkennbar ein Vorbild Mathieus. So schlicht und linear „Richtung“ erzählt ist, so überschaubar die Zahl der grafischen Elemente bleibt – so reich an Assoziationen und Variationen ist diese Graphic Novel: Mit minimalen Mitteln wird eine maximale künstlerische Wirkung erzielt.
Marc-Antoine Mathieu (Text und Zeichnungen):Julius Corentin Acquefacques, Gefangener der Träume, Band 6: Die Verschiebung. Aus dem Französischen von Martin Budde. 60 Seiten, 18 Euro.
Und: Richtung. 256 Seiten, 29 Euro.
Beide Bände im Reprodukt Verlag, Berlin 2015.
Wenn der Held verschwunden
ist – was kann dann noch
erzählt werden?
Ein Pfeil wird zum ständigen Begleiter, weist einem Mann den Weg in die Wüste,
trägt ihn über den Ozean, verwandelt sich einmal sogar in einen fliegenden Teppich: Ausschnitt aus „Richtung“ von Marc-Antoine Mathieu.
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