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Auf den Gängen der Consultingfirma Soluciones erschallen unverständliche Anweisungen des Chefs, eine Rangliste im Foyer registriert minutiös die Performance der Mitarbeiter. Wer nicht genug leistet, wird mit einem fröhlichen Ständchen von Mädchen in kurzen Röcken fristlos entlassen. Ganz oben aber lockt wie ein Gral der Rang des Schwarzen Gürtels. Auch wenn keiner weiß, welche Versprechungen damit verbunden sind, und keiner den ominösen Chef je gesehen hat, wollen trotzdem alle nach oben. Fernando Retencio, einer der vielen Berater, scheint den Durchblick zu haben und auf dem besten Weg zum…mehr

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Produktbeschreibung
Auf den Gängen der Consultingfirma Soluciones erschallen unverständliche Anweisungen des Chefs, eine Rangliste im Foyer registriert minutiös die Performance der Mitarbeiter. Wer nicht genug leistet, wird mit einem fröhlichen Ständchen von Mädchen in kurzen Röcken fristlos entlassen. Ganz oben aber lockt wie ein Gral der Rang des Schwarzen Gürtels. Auch wenn keiner weiß, welche Versprechungen damit verbunden sind, und keiner den ominösen Chef je gesehen hat, wollen trotzdem alle nach oben. Fernando Retencio, einer der vielen Berater, scheint den Durchblick zu haben und auf dem besten Weg zum Schwarzen Gürtel zu sein. Für seinen Aufstieg ist ihm dabei jedes Mittel recht. Mit blühender Phantasie und so skrupellosen wie größenwahnsinnigen Methoden vermasselt er die Aufträge seiner Klienten - und wird entlassen. Außerdem droht ihm auch noch die eigene Ehefrau davonzulaufen, weil sie seine krankhafte Eifersucht nicht länger erträgt. Alles sieht danach aus, dass er gescheitert ist. Dochein wahrer Held unserer Zeit gibt nicht auf ...Mit bösem Humor und Hintersinn entlarvt Eduardo Rabasa den Zynismus einer modernen Unternehmenskultur, die die Brutalität des Wettbewerbs mit Achtsamkeitsjargon, mobilen Arbeitsplätzen und herablassender Wohltätigkeit kaschiert.
Autorenporträt
Eduardo Rabasa, geb. 1978 in Mexiko-Stadt, ist Verleger, Autor und Journalist. Er schreibt eine wöchentliche Kolumne für die Tageszeitung Milenio und übersetzte Bücher von Morris Berman, David Hume, Somerset Maugham und George Orwell. 2002 gründete er den renommierten mexikanischen Independent-Verlag Sexto Piso. Rabasa wurde 2017 in die Liste Bogotá39 des Hay Festivals aufgenommen, die die 39 besten lateinamerikanischen Schriftsteller unter vierzig kürt. Der schwarze Gürtel ist sein zweiter Roman.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.04.2018

Ein Berater will nach oben
Eduardo Rabasa schickt einen Schelm durch Mexikos Angestelltenwelt
„Als sich der Raum vor ihm auftat, wich er instinktiv einen Schritt zurück. Auf das, was er sah, war er nicht vorbereitet.“ So endet nicht nur der skrupellose Egotrip des Problemlösungsagenten Fernando Retencio, so endet auch der Roman des Mexikaners Eduardo Rabasa, „Der schwarze Gürtel“. Mit diesem cleveren, weil blinden Ausblick stößt einen der Roman vor den Kopf. Man wird nie erfahren, ob sich all die Strapazen, die Ellbogen, die Rücksichtslosigkeit gelohnt haben. Gerade noch hat Retencio geglaubt, am Ziel seiner Wünsche zu sein und den geheimnisumwitterten schwarzen Gürtel zu erhalten, die ultimative Trophäe für seine Leistungen im Unternehmen Soluciones, auf Deutsch: Lösungen. Doch am Gipfel seiner Karriere ist alles ganz anders als erwartet. Schön und angenehm scheint diese Überraschung nicht zu sein.
Ein Mann will nach oben. Jeden Morgen prüft Retencio auf der elektronischen Anzeigetafel im Foyer seine Platzierung. Steigt er auf oder ab? Seine Kollegen, für ihn nichts als Konkurrenten, heißen alle Pérez, weil Pérez in Mexiko ein Dutzendname ist. Individuelle Züge weisen sie nicht auf. Retencio und die beflissenen Pérez-Ameisen erarbeiten Lösungen für alle erdenklichen Probleme. Wenn etwa ein schwerreicher Spekulant mit dem konfrontiert wird, was er anrichtet, dann tüftelt das Unternehmen für ihn Argumente aus, damit er wieder ruhig schlafen kann. Die kalte moderne Welt von Hightech-Soluciones wird, nicht besonders konsequent, mit Aufführungen eines Schmierentheaters verbunden. Dadurch soll der Klient erkennen, wie er die Krise meistert. Schon aus Imagegründen spiegelt das Unternehmen auch ein bisschen Wohltätigkeit vor und lässt Unterprivilegierte etwas Schöpferisches tun. Jeder Arme ist ein Künstler. Als die armen Schlucker rebellieren und sogar Geiseln nehmen, müsste endlich der angeblich ewig lächelnde Chef erscheinen. Aber er erscheint nicht, weil er nie erscheint. Es könnte sein, dass er gar nicht existiert.
Eduardo Rabasa, geboren 1978, ist Schriftsteller, Journalist und Übersetzer. Im Jahr 2002 gründete er in Mexiko-Stadt den literarisch ambitionierten Verlag Sexto Piso; inzwischen liegen mehr als 350 Titel vor. Sein zweiter Roman, „Der schwarze Gürtel“, hat auf den ersten Blick alles, was ein zeitgenössisches Buch haben muss. Er ist gut gebaut, und er hat eine klare Sprache, die Hans-Joachim Hartstein in seiner Übersetzung ebenso klar wiedergibt. Er spießt Leistungsdruck, Konkurrenz und neoliberales Wirtschaften auf. Und er weiß um die Verheerungen, die diese Praxis national und global, zu Lasten wenig entwickelter Länder, verursacht. „Der schwarze Gürtel“ zielt aufs Ganze. Dadurch hebt sich die Story deutlich ab von Mexiko-Romanen, die mit den beliebten Schrecknissen Drogen, Mafia und Gewalt den Weg nach Deutschland finden, als ginge es nur darum, unsere Klischees zu bestätigen.
Trotzdem löst dieser Roman nicht ein, was er verspricht. Der Argwohn, den man gegen Angestelltenromane hegen mag, lässt sich noch gut verdrängen. Nicht aber die Skepsis gegen das Genre einer aufgeplusterten Satire gegen das, was der Verlag furchteinflößend einen Schelmenroman nennt. Jeder Witz, der hier versucht wird, ist immer nur annähernd witzig, und das ist das Schlimmste, was einem Witz passieren kann. Der Karrierist Retencio hat einst Systemtheorie studiert. Damit erklärt er noch heute die Welt. Wenn er im Stau steckt in Mexiko-Stadt, also so gut wie immer, hört er CDs mit wohlfeilen Anweisungen für einen erfolgreichen Aufstieg. Der Roman ist leider unterkomplex.
Seine Figuren bilden keinen Charakter aus. Man kapiert sofort, wofür sie stehen, und muss ihrem Stillstand dann lange folgen. Retencio hat eine wahnsinnig schöne Frau, mit der er einiges anstellen könnte, aber er ist nur wahnsinnig eifersüchtig; mehr erfährt man über diese Beziehung nicht. Retencio selbst wirkt so eindimensional, dass einem sein Schicksal ziemlich kaltlässt. Sein Arbeitgeber Soluciones muss als Ausgeburt des Bösen herhalten. Diese Zuordnung verstellt den Blick auf das, was wirklich vor sich geht.
Einzig die Rückblenden in Kindheit und Jugend des vom schwarzen Gürtel besessenen Retencio verraten, wie subtil Rabasa erzählen könnte. Widerwillig hört der kleine Retencio seinem lallenden Vater zu. Allabendlich lässt er sich von ihm küssen, mit dem von Whisky feuchten Schnurrbart des Vaters. Am Totenbett schließt er dessen „gallertartige Augen“. „In einer Art Reflex legte er seine Wange auf die steifen Schnurrbarthaare, um zum letzten Mal den Kuss zu bekommen.“
RALPH HAMMERTHALER
Eduardo Rabasa: Der schwarze Gürtel. Roman. Aus dem Spanischen von Hans-Joachim Hartstein. Verlag Antje Kunstmann, München 2018. 399 Seiten, 24 Euro, E-Book 19,99 Euro.
Der Karrierist Retencio hat einst
Systemtheorie studiert – und so
erklärt er sich die Welt
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.06.2018

Einer will ganz hoch hinaus
Eduardo Rabasas böser Roman über die Arbeitswelt

Bei der Consultingfirma Soluciones ist die naheliegende Lösung niemals die geeignete. In einer Diktatur der Arbeitswelt, die den Menschen in die Dienste der Systeme gestellt und die Selbstbestimmung abgeschafft hat, schallen auf den Gängen des Bürogebäudes aus Lautsprechern die unverständlichen Anweisungen eines Chefs, dem keiner der Mitarbeiter je begegnet ist. Eine Anzeige in der Eingangshalle informiert täglich über die aktuelle Rangfolge der Beschäftigten, die einander nicht persönlich kennen, dafür aber umso argwöhnischer beobachten. Die Bewertung ihrer Arbeit erfolgt, wie sollte es anders sein, durch Algorithmen, deren Grundlage und Funktionsweise niemand durchschaut. Und ganz egal, wie es gerade läuft: Ein Chor fröhlich singender Mädchen steht jederzeit parat, um darüber zu informieren, dass man mit sofortiger Wirkung entlassen ist.

Aushalten lässt sich dieser Zustand in Eduardo Rabasas Roman "Der schwarze Gürtel" nur für jene, die mit ungebrochenem Vertrauen daran glauben, für ganz oben bestimmt zu sein. So auch für Fernando Retencio, den Protagonisten der Gesellschaftssatire, der als Berater bei Soluciones sein Ziel, den höchsten Rang in der Firma, ohne Rücksicht auf seine Würde verfolgt, getrieben von chronischer Eifersucht auf die Männer, mit denen seine Ehefrau beruflich zu tun hat, und dem Eifer, seine Selbstzweifel in Whiskey und Pillen zu ersticken. Allmorgendlich quält er sich durch den Verkehr einer Metropole, vorbei an Obdachlosen, deren Elend mahnend an den Preis erinnert, den der ständige Fortschritt der Menschheit fordert. Wie sich schnell herausstellt, sind die Retencios dieser Gesellschaft aber die eigentlich armen Hunde: Den Mittellosen bleiben immerhin die Qualen und Ängste erspart, die künstlich erzeugte Wünsche hervorrufen.

In dieser aus Zuspitzung und Persiflage aufwendig konstruierten Welt bekommen am Ende alle etwas ab: die sogenannten Wohltäter, die aus Kunstprojekten mit den Armen Profit schlagen. Der Literaturbetrieb, verkörpert durch einen Schriftsteller mit beneidenswertem Selbstbewusstsein, der bei dem Versuch, die "illusorische Distanz zwischen Autor und Leser" zu überwinden, sich selbst zum Messias stilisiert. Der Investor, der sich vom schlechten Gewissen kurieren lassen will, das ihn plagt, seit seine Spekulationen mit Todesfällen in Verbindung gebracht werden. Sogar die Ehefrau, die dem Fanatismus ihres Partners ihre eigenen Perversionen entgegensetzt.

Vor allem aber trifft es den Helden selbst, der als Sohn eines Alkoholikers zumindest teilweise Opfer seiner Umstände ist. In seiner Überdrehtheit und Rastlosigkeit kommen Retencio nur dann Zweifel an seinem Dasein, wenn er seine Tabletten vergisst und den Hausmeister von Soluciones dabei ertappt, wie dieser vor einem unsichtbaren Betriebsrat Reden hält und zur Zurückhaltung gegenüber den unbarmherzigen Vorgesetzten aufruft. Auch die Mächtigen hätten schließlich nur Angst vor dem Tod, stellt Dromundo fest und beweist in einem Satz mehr Scharfsinn als der Protagonist im gesamten Roman. Wenn es Retencio in solchen Momenten nicht gelingt, die Stimmen in seinem Kopf zum Verstummen zu bringen, helfen nur noch Verwünschungen und Gewaltfantasien.

Diese Fülle an schrillen Motiven, plötzlichen Wendungen und Abgründen ist bisweilen strapaziös. Mit seinen beschwörend an sich selbst gerichteten Vorstellungen vom Triumph über den Rest der Welt nervt und langweilt der Protagonist gleichermaßen, und manchmal gerät die Signalwirkung, auf die der Autor offensichtlich abzielt, auch einfach zu plump: Dass sein dystopisches Psychogramm oft nicht weit von der Gedankenwelt eines Workaholics im Jahr 2018 entfernt ist, hat der Leser schon im ersten Drittel des Romans verstanden. Und dann verzeiht er es doch, weil der Mexikaner Rabasa ein geschickter Geschichtenerzähler ist und mit seinen Beobachtungen aus der Arbeitswelt für ein Unbehagen sorgt, das nicht so einfach wieder vergeht.

Als Retencios Streben seinen Tiefpunkt erreicht, als er nur noch auf sich gestellt ist, sein Langzeitklient Selbstmord begeht und er in einem Zustand der Dauerbedröhnung eine Geiselnahme verfolgt, in die seine Frau verwickelt ist, erscheint auf einmal sein Name an oberster Stelle auf der Anzeigentafel. Er hat sein Ziel erreicht. Aber die Genugtuung setzt nicht ein. Wie soll sie auch? Sie hat seinem Leben den letzten Sinn genommen.

Wäre Rabasa nicht so konsequent, sein Roman ließe sich zur Warnung vor einer Welt stilisieren, in der für Empathie kein Platz mehr ist und die Gesetze des Arbeitsmarktes an erster Stelle stehen. Eine gute Satire aber entgeht dem Moralismus. Auch wenn das nicht immer zufriedenstellend ist.

ELENA WITZECK

Eduardo Rabasa: "Der schwarze Gürtel". Roman.

Aus dem Spanischen von Hans Joachim Hartstein. Verlag Antje Kunstmann, München 2018. 368 S., geb., 24,- [Euro].

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