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Manchmal braucht es zur Verwirklichung einer Idee einfach Geld! Der Ruhm des von Horkheimer und Pollock gegründeten, von Adorno nach 1945 geprägten Frankfurter Instituts für Sozialforschung strahlt in alle Welt. Weniger bekannt ist, woher das Geld kam: Felix Weil war Erbe eines deutsch-jüdischen Auswanderers, der in Argentinien ein Vermögen verdiente, die Skyline von Buenos Aires prägte, aber nie seine deutschen Wurzeln vergaß. Als er zum Ersten Weltkrieg heimkehrte, lernte auch sein Sohn die Heimat kennen, begeisterte sich aber vor allem für Revolution und Sozialismus. In den Zwanziger Jahren…mehr

Produktbeschreibung
Manchmal braucht es zur Verwirklichung einer Idee einfach Geld! Der Ruhm des von Horkheimer und Pollock gegründeten, von Adorno nach 1945 geprägten Frankfurter Instituts für Sozialforschung strahlt in alle Welt. Weniger bekannt ist, woher das Geld kam: Felix Weil war Erbe eines deutsch-jüdischen Auswanderers, der in Argentinien ein Vermögen verdiente, die Skyline von Buenos Aires prägte, aber nie seine deutschen Wurzeln vergaß. Als er zum Ersten Weltkrieg heimkehrte, lernte auch sein Sohn die Heimat kennen, begeisterte sich aber vor allem für Revolution und Sozialismus. In den Zwanziger Jahren lernte er Horkheimer und Pollock kennen und hatte endlich das Vehikel gefunden, mit dem er sein Erbe nicht verpulvern konnte - dazu war es zu groß -, aber ein bleibendes geistiges Projekt finanzieren konnte, das seinen intellektuellen Ansprüchen entsprach.
Autorenporträt
Erazo Heufelder, Jeanette
Jeanette Erazo Heufelder wurde 1964 als Tochter einer Deutschen und eines Ecuadorianers in Bayern geboren. In Dokumentarfilmen, Biografien und literarischen Reportagen beschäftigt sich die studierte Ethnologin vor allem mit Lateinamerika. Zuletzt erschien die Biografie der deutsch-jüdischen Emigrantin Ellen Marx "Von Berlin nach Buenos Aires" (Metropol, 2014).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.03.2017

Zuerst kommt die Geldanlage, dann die Theorie
Das Kapital der Kapitalismuskritik: Jeanette Erazo Heufelders ökonomische Geschichte des Frankfurter Instituts für Sozialforschung rückt den Mäzen Felix Weil ins Zentrum

"Ein reicher armer Mann stirbt, beunruhigt über das Elend auf der Welt. Er stiftet in seinem Testament eine große Summe für die Errichtung eines Instituts, das die Quelle des Elends erforschen soll. Das ist natürlich er selber." So spottete Bertolt Brecht über den "Weizenspekulanten" Hermann Weil, der mit einer großzügigen Stiftung die Gründung des Instituts für Sozialforschung 1924 ermöglicht hatte. Die sogenannte Kritische Theorie entstand in einem Spannungsfeld von Geld und Geist - es ist kein Wunder, dass sie in der Ökonomie den Schlüssel zur Erkenntnis der Gesellschaft gesehen hat. Mit ihrer "kleinen Wirtschaftsgeschichte der Frankfurter Schule" konfrontiert die Ethnologin Jeanette Erazo Heufelder die Institutsgeschichte mit zwei ungewöhnlichen Perspektiven: neben der wirtschaftshistorischen die biographische eines Mäzens, der auch Teil des Instituts war, nämlich Felix Weils, des Sohns des Stifters.

Felix Weil gehörte wie Adorno zur Generation der um die Jahrhundertwende geborenen und aus bürgerlichen, meist jüdischen Familien stammenden Intellektuellen, die in den 1920er Jahren von einem philosophischen Marxismus jenseits der Arbeiterparteien angezogen wurden. Plötzlich, quasi über Nacht, wurde der Student der Volkswirtschaft am 10. November 1918 ein Revolutionär, als er sich dem lokalen Arbeiter- und Soldatenrat zur Verfügung stellte, der im Hotel Frankfurter Hof Quartier bezogen hatte. Danach begann der "Klassenverräter", sich mit dem Marxismus zu beschäftigen, lernte Karl Korsch kennen und promovierte über den Sozialisierungsbegriff. Die Erste Marxistische Arbeitswoche in Ilmenau an Pfingsten 1923, die Karl Korsch organisierte, an der auch Lukács teilnahm und die Felix Weil finanzierte, war die Geburtsstunde des Instituts für Sozialforschung.

Weil konnte danach nämlich seinen Vater dafür gewinnen, ein marxistisches Institut zu finanzieren, bei dem von Anfang an die Fabrikantensöhne Max Horkheimer und Friedrich Pollock die Fäden zogen, auch wenn sie erst Jahre später die Leitung übernahmen. Nach dem Tod von Hermann Weil 1927 unterstützte Felix dazu die gesamte linke Berliner Kulturszene (vermutlich mit Ausnahme von Brecht). Wie einst der Selfmade-Millionär Hermann Weil um 1890 eine Wette auf Argentiniens Zukunft als Getreideexport-Nation gemacht (und gewonnen) hatte, so wettete der Sohn nun auf den Marxismus. Konnte auch Felix Weil seine Wette gewinnen? Politisch kaum, sozialphilosophisch durchaus - und persönlich: Zumindest, so seine Biographin, fand er für sich einen Weg, wie er sein Leben angesichts des Elends der Welt, das auch ihn nicht verschonte, führen konnte.

Sehr schön arbeitet die Autorin entscheidende Lebenserfahrungen heraus, zum Beispiel wie das Kind Felix bemerkte, dass die Erntearbeiter genauso hart arbeiteten wie sein Vater, aber bloß in einfachen Lehmhütten lebten. Oder wie die soziale Kluft die Freundschaften zu den Kindern der Hausangestellten belastete. Felix Weil führte ein Doppelleben als Kapitalist und Kommunist. Aber das bereitete ihm keine schlaflosen Nächte. Auf die ironische Frage, warum er als Kommunist nicht konsequenterweise sein Geld verschenke, antwortete Weil, damit würde er seine Position als Kommunist schwächen. Heufelder porträtiert Weil als Mittelsmann, Macher, Netzwerker. Ihr gelingt eine faszinierende Rekonstruktion der profanen Institutsgeschichte. Nicht, wie sich die Theorie entwickelt, interessiert die Autorin dabei, sondern wie sich das Geld in diversen Anlagen verwickelt. Das scheint berechtigt, denn die Stiftung gewährte ja gerade die Unabhängigkeit des Horkheimer-Kreises von den materiellen Nöten. Heufelder zeigt aber auch, dass der "Krösus" Felix Weil zeitweilig ein wichtiger Mitarbeiter des Instituts war. Umso schmerzlicher wird es für ihn gewesen sein, gerade diese Anerkennung von Horkheimer gegen Ende seines Lebens verweigert zu bekommen, der Weil einmal wissen ließ, dass er nur aus Dank für seine finanzielle Unterstützung und Loyalität als Mitglied geführt worden sei.

Was neu und sensationell ist: In den 1930er Jahren rettete Felix Weil das Institut mit einer erneuten Gabe, was außer Horkheimer und Pollock den Mitarbeitern des Instituts nicht bekannt war, nicht einmal Leo Löwenthal. Zunächst verzichtete Weil zugunsten Pollocks im Februar 1933 auf den Stiftungsvorsitz. Dann überschrieb er 1935 dieser Stiftung sein Vermögen. Zuletzt schenkte er 1945 dem Institut noch einmal 100 000 Dollar (etwa 1,35 Millionen in heutigem Wert). Horkheimer und Pollock verfügten bis Ende ihres Lebens über eine goldene Absicherung, egal, was noch kommen würde. Andere Mitarbeiter des Instituts, vor allem jene, die in Europa festhingen, hatten es dagegen schwer, was natürlich nicht die Schuld der Direktoren war. Heufelder schildert den beklemmenden Fall von Andries Sternheim, dem ehemaligen Leiter der Genfer Zweigstelle, der sich bitter über die nicht ausreichende Unterstützung aus New York beklagte und letztlich den Judenmord nicht überlebte.

Felix Weil war am Ende seines Lebens kein Krösus mehr. Die letzten fünfundzwanzig Jahre arbeitete er für Geld, politisch, wissenschaftlich, journalistisch. Zuletzt bereitete er als Lehrer amerikanische Soldaten in Rammstein auf die Rückkehr ins zivile Leben vor, während Adornos Studenten gegen den amerikanischen Imperialismus demonstrierten. Dem Institut gegenüber blieb Weil loyal, auch wenn sich sein Direktor anders verhalten hatte, als es sich der Stifter vorgestellt hatte. Felix Weil war kein reicher armer Mann, sondern Quelle des Erfolgs der Frankfurter Schule.

JÖRG SPÄTER

Jeanette Erazo Heufelder: "Der argentinische Krösus". Kleine Wirtschaftsgeschichte der Frankfurter Schule.

Berenberg Verlag, Berlin 2017. 208 S., geb., 24,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.04.2017

Abhängig von der
eigenen Stiftung
Neue Fakten über Felix Weil
und die „Frankfurter Schule“
Wer glaubt, Bescheid zu wissen über die Gründung und Finanzierung des Frankfurter Instituts für Sozialforschung, sollte das Buch der Ethnologin und Dokumentarfilmerin Jeanette Erazo Heufelder lesen, um sich eines Besseren belehren zu lassen. Die Autorin sortiert bekannte, weniger bekannte und neue Fakten zur „Wirtschaftsgeschichte der Frankfurter Schule“ übersichtlich und bestens belegt. Sie liefert obendrein zahlreiche Mosaiksteine für Biografien der von Legenden umrankten Stifterpersonen Hermann Weil (1868 – 1927) und seines Sohnes Felix (1898 –1975).
Der jüdische Kaufmann Hermann Weil emigrierte 1890 nach Argentinien und betätigte sich im lukrativen Getreideexportgeschäft. Die Firma, die er mit zwei Brüdern gründete, verfügte bald über 3000 Angestellte und 60 Schiffe. Seinen Sohn ließ Weil katholisch taufen, aber als der neunjährige Felix zur Großmutter nach Frankfurt zurückkehrte und das dortige Goethe-Gymnasium absolvierte, wurde er „automatisch“ als „jüdisch“ registriert.
Der erfolgreiche Vater zog sich 1908 aus dem Geschäft zurück und ließ sich in Frankfurt eine stattliche Villa bauen. Der Sohn studierte nach dem Abitur von 1919 an Volkswirtschaftslehre in Tübingen. Nach einer Denunziation durch den Rektor wurde Felix im Herbst 1919 aus Württemberg ausgewiesen und in den Polizeiakten zum Mitglied der KPD gemacht. Er promovierte bei Alfred Weber in Frankfurt.
Im Herbst 1920 heiratete er und kehrte als Generaldirektor der väterlichen Firma nach Argentinien zurück. Nach seinen autobiografischen Aufzeichnungen neigte Felix Weil seit der Novemberrevolution „gefühlsmäßig“, wie er im Rückblick selbst notierte, dem Sozialismus zu. Dies verstärkte sich unter dem Eindruck der Rechtlosigkeit der Landarbeiter in Argentinien und der Polizeiwillkür. Unter dem Decknamen „Beatus Lucio“ wurde Generaldirektor Felix Weil Vertrauensmann der „Kommunistischen Internationale“ Grigori Sinowjews. Damit begann für Weil eine lebenslang dauernde Doppelrolle als vermögender Kapitalist und Linker – eine Kombination, die Spießer bis heute irritiert.
Aus seinen Erfahrungen in Argentinien zog Felix Weil den Schluss, „dass die Weiterbildung der marxistischen Theorie eine wissenschaftliche, keine parteipolitische Aufgabe sein müsse“ (Heufelder) und konnte seinen Vater von der Idee überzeugen, ein marxistisch orientiertes Forschungsinstitut zu stiften. Dabei half mit, dass sich der Firmengründer als Dank ein Ehrendoktorat erwartete. In den Verhandlungen mit der Universität und dem Regierungspräsidenten wurde die marxistische Orientierung des Instituts verschleiert, auch um die Verbindung von Direktion und einer Stiftungsprofessur in der Fakultät durchzusetzen. Am 22. Juni 1924 wurde das Institut für Sozialforschung eingeweiht.
Außer dem Bau des Instituts, den Felix Weil finanzierte, bestritt sein Vater die jährlichen Betriebskosten von 120 000 Mark. Nach dem Tod seines Vaters 1927 und einem Schlaganfall des Direktors Carl Grünberg 1928 setzte Felix Weil den Sozialphilosophen Max Horkheimer (1895 – 1973) als Chef durch. Weil finanzierte nicht nur das Institut, sondern unterstützte als Mäzen auch den Malik-Verlag, Filme wie die deutsche Fassung von Eisensteins Meisterwerk „Panzerkreuzer Potemkin“ oder die Zeitschrift der kommunistischen Opposition und Theaterproduktionen wie Walter Mehrings „Der Kaufmann von Berlin“.
Felix Weil ließ sich 1930 wieder in Argentinien nieder. Schon 1928 hatte er den Getreidehandel aufgegeben und gründete mit dem Erlös zusammen mit seiner Schwester gleichberechtigt eine Finanz- und Handelsgesellschaft (Safico), die sich auch im Immobiliengewerbe engagierte. Noch bevor das Frankfurter Institut am
26. Mai 1933 von den Nazis enteignet wurde, ließ sich Horkheimer „vertraglich zusichern, dass er monatlich (. . .) einen dynamisch wachsenden Betrag“ erhielt – zur „Gestaltung unserer Existenz“. Zwischen Felix Weil und seiner Schwester kam es 1934 zu einem Rechtsstreit. Das Institut drohte in Schwierigkeiten zu geraten, da Weils Vermögen in Holland gebunden war. Die das Institut absichernde Stiftung (SIRES) wurde durch die Familienstiftung mit 883 000 Dollar (nach heutigem Wert 16 Millionen Dollar) rekapitalisiert, und Felix Weil brachte sein Restvermögen von 770 000 Dollar ein, davon 110 000 Dollar sofort als Schenkung. Damit war der familiäre Streit, der Felix Weils physische und psychische Gesundheit arg strapazierte, nicht beendet. Weil selbst lebte als Offizier der US-Armee in bescheideneren Verhältnissen als Horkheimer im Tessin. „Das Wohl des Instituts stand für seinen Stifter an oberster Stelle.“ Er opferte dafür seine Position als reicher Mann und wurde abhängig von der eigenen Stiftung, in der er nichts zu sagen hatte.
Insofern ist die in der Literatur übliche Floskel, Horkheimer sei es gelungen, das Stiftungsvermögen vor 1933 in Sicherheit zu bringen, ein Euphemismus, der an Zynismus grenzt. Jeanette Erazo Heufelder ist eine beeindruckende Studie zu verdanken.
RUDOLF WALTHER
Jeanette Erazo Heufelder: Der argentinische Krösus. Kleine Wirtschaftsgeschichte der Frankfurter Schule, Berenberg-Verlag Berlin 2017, 208 Seiten. 24 Euro.
Max Horkheimer jedenfalls
rettete das Stiftungsvermögen
nicht vor den Nazis
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