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Vierzehn Jahre hatte die Schriftstellerin Anna Seghers im Exil verbracht. Im Frühjahr 1947 kehrte sie nach Berlin zurück, eine Unbekannte, von deren Welterfolg Das siebte Kreuz hier niemand wusste. Sie kam nicht nur in ein zerstörtes Land, sie kam, wie sie fand, auch in ein fremdes Land. Und sie war ganz allein, der Mann noch in Mexico City, die beiden Kinder in Paris. Sie fühle sich, schrieb sie an Freunde in aller Welt, wie in die Eiszeit geraten, so kalt undversteinert komme ihr alles vor. Wärme spendeten nur die Gefährten: Helene Weigel und Bertolt Brecht, die Schauspielerin Steffie Spira,…mehr

Produktbeschreibung
Vierzehn Jahre hatte die Schriftstellerin Anna Seghers im Exil verbracht. Im Frühjahr 1947 kehrte sie nach Berlin zurück, eine Unbekannte, von deren Welterfolg Das siebte Kreuz hier niemand wusste. Sie kam nicht nur in ein zerstörtes Land, sie kam, wie sie fand, auch in ein fremdes Land. Und sie war ganz allein, der Mann noch in Mexico City, die beiden Kinder in Paris. Sie fühle sich, schrieb sie an Freunde in aller Welt, wie in die Eiszeit geraten, so kalt undversteinert komme ihr alles vor. Wärme spendeten nur die Gefährten: Helene Weigel und Bertolt Brecht, die Schauspielerin Steffie Spira, die Schriftstellerfreunde Jeanne und Kurt Stern und Berta Waterstradt. Und Halt gab auch die Arbeit, der mühsame und manchmal verzweifelte Kampf gegen die Verheerungen in den Köpfen apathischer Menschen. Die Autorin, profunde Kennerin von Leben und Werk der Seghers, erzählt von den ersten Jahren, die Anna Seghers wieder auf deutschem Boden verbrachte, ihren Plänen, Wünschen, Sehnsüchten, dem Misstrauen, das sie umgab, den Irritationen,Ängsten und den Hoffnungen, an denen sie trotz allem festhielt.
Autorenporträt
Dr. Monika Melchert ist Literaturwissenschaftlerin. Im Auftrag der Akademie der Künste arbeitet sie in der Anna-Seghers-Gedenkstätteund der Brecht-Weigel-Gedenkstätte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.01.2012

Paris wäre besser gewesen
Anna Seghers' Rückkehr aus dem Exil in die DDR

Am 22. April 1947 traf Anna Seghers, nach langer Schiffsreise von Mexiko nach Europa, mit einem französischen Militärzug wieder in Berlin ein. Bis 1950 blieb sie im Westteil der Stadt wohnen und behielt den mexikanischen Pass, der ihr das Reisen zu den Kindern nach Paris erleichterte. Erst dann gab sie beides auf Drängen der SED auf und bezog eine kleine Wohnung im wenig zerstörten Stadtteil Adlershof, weitab von den Zentren der Macht. Innerlich war sie noch längst nicht in dieser Stadt angekommen, und dies nicht allein wegen der grauen Trümmerlandschaft. "Ich habe das Gefühl, ich bin in die Eiszeit geraten, so kalt kommt mir alles vor", schrieb sie 1948 an Georg Lukács, dem es in Budapest kaum besserging.

Sie musste lange auf ihren Mann László Radványi warten, einen marxistischen Wirtschaftswissenschaftler, der in der mexikanischen Hauptstadt nicht von seinen Lehraufgaben an der Universität freikam. Den wahren Grund, die Arbeit für den sowjetischen Geheimdienst, hat seine Frau vermutlich nie erfahren, dafür den anderen, eine Geliebte, die er 1952 nach Berlin mitbrachte. Johann-Lorenz Schmidt, wie er hieß, lehrte fortan an der Humboldt-Universität und versorgte Anna Seghers mit Material aus dem Wirtschaftsleben, das sie für ihre hochprämierten, aber literarisch wertlosen Romane "Die Entscheidung" (1959) und "Das Vertrauen" (1968) brauchte. "Sie hat ihren guten Willen gezeigt und viel kostbare Lebenszeit verbraucht", resümiert Monika Melchert in ihrem flüssig geschriebenen Buch über Anna Seghers' "Heimkehr in ein kaltes Land". War es neben dem guten Willen nicht auch eine gehörige Portion Opportunismus?

Von den in der DDR geschriebenen Werken lässt Melchert zu Recht nur die kürzeren, meist in der Karibik spielenden Texte gelten. An die Qualität der großen Romane aus Widerstand und Exil, "Das siebte Kreuz" (1942) und "Transit" (1944), oder die sprachliche Dichte der 1928 mit dem Kleistpreis ausgezeichneten Erzählung "Aufstand der Fischer von St. Barbara" konnte Anna Seghers ein letztes Mal mit der Erzählung "Ausflug der toten Mädchen" anknüpfen, die noch in Mexiko entstand und mit der sie den zeitweiligen Gedächtnisverlust in Folge eines unaufgeklärten Autounfalls überwand. Unter der Last der willig übernommenen kulturpolitischen Aufgaben sehnte sich die Heimgekehrte zurück ins sonnige Mexiko, vor allem aber nach Paris, wo sie nach eigenem Empfinden zwischen 1933 und 1940 die besten Jahre ihres Lebens verbracht hatte. Die Heimatstadt Mainz sah sie, die den rheinhessischen Tonfall bis zum Ende bewahrte, erst 1954 wieder.

Monika Melchert hat schon viele Gäste durch die zur Gedenkstätte erklärte Wohnung der Seghers in Berlin geführt. Ebenso freundlich, doch keineswegs unkritisch geleitet ihr schmales Buch den Leser durch den schwierigen Lebensabschnitt der verehrten Autorin, die traumwandlerisch noch härtere Situationen, wie 1957 den Prozess gegen ihren Halbbruder Wolfgang Harich und Walter Janka sowie die Ausbürgerung Wolf Biermanns 1976, aussaß. "Nicht Schwierigkeiten machten ihr Angst, sondern das Gefühl der Ausweglosigkeit", schreibt Monika Melchert, die nach einem Grund für das Schweigen der Vorsitzenden des Schriftstellerverbandes sucht. Schlussfolgerungen über das Verhältnis von Netty Reiling, so ihr Geburtsname, zu László Radványi, der sie Ende der zwanziger Jahre in die KPD eingeführt hatte und zeitlebens der erste, aufmerksame Lektor ihrer Manuskripte blieb, bleiben dem Leser überlassen.

Alles in allem umreißt das schmale, kenntnisreiche Buch auf anregende Weise das Bild einer noch im Alter über viele Kleingeister der Zeit herausragenden, als Leitfigur missbrauchten Schriftstellerin, die sich nicht nur ihre Ankunft in Berlin anders vorgestellt hatte. "Im Innern, hinter einem äußerlichen Lächeln, geht ihr wirkliches Leben vor sich", heißt es einmal, und damit ist fast alles über Anna Seghers in der DDR gesagt.

HANS-JÖRG ROTHER

Monika Melchert: "Heimkehr in ein kaltes Land". Anna Seghers in Berlin 1947 bis 1952.

Verlag für Berlin-Brandenburg, Berlin 2011. 176 S., Abb., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Manchmal reicht ein Satz, um alles über eine Person zu sagen. Laut Hans-Jörg Rother kommt die Autorin dieser Leistung durchaus nahe. So schmal Rother Monika Melcherts Band über Anna Seghers' Nachkriegs-Rückkehr nach Berlin auch in der Hand liegt, so freundlich, kritisch und treffend führt der flüssig geschriebene Text den Rezensenten durch die für Seghers so schwierigen Jahre. Allerdings bleiben auch weiße Flecken, die der Rezensent selber ausmalen muss, so betreffend Seghers' Verhältnis zu Laszlo Radvanyi. Dazu liefert das kenntnisreiche Buch Rother wiederum genügend Anregungen.

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