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Mit "Peking" beschließt Kloubert nach "Peitaiho" und "Yuanmingyuan" seine China-Trilogie: In scharfem Kontrast zur Realität des 21. Jahrhunderts mit seinen Hochhäusern und Schnellstraßen führt der Erzähler in die alte Kaiserstadt mit ihren Mauern und Toren, Türmen und Palästen, ihren Gärten, Höfen, Häusern und Straßen, in ihre Restaurants, Spelunken, Läden und Bordelle, zu ihren Bewohnern und ihren Ritualen.

Produktbeschreibung
Mit "Peking" beschließt Kloubert nach "Peitaiho" und "Yuanmingyuan" seine China-Trilogie: In scharfem Kontrast zur Realität des 21. Jahrhunderts mit seinen Hochhäusern und Schnellstraßen führt der Erzähler in die alte Kaiserstadt mit ihren Mauern und Toren, Türmen und Palästen, ihren Gärten, Höfen, Häusern und Straßen, in ihre Restaurants, Spelunken, Läden und Bordelle, zu ihren Bewohnern und ihren Ritualen.
Autorenporträt
Rainer Kloubert (geb. 1944 in Aachen) studierte in Freiburg, Tübingen, Hongkong und Taiwan Sinologie und Rechtswissen schaften. Er war u. a. Sprachlehrer an der Militärakademie in Taiwan, Dolmetscher bei einem chinesischen Wanderzirkus und Anwalt in Taipeh. Er lebt in Peking und London. Im Elfenbein Verlag erschienen bereits: "Selbstmord ohne Hut. Dreizehn ShanghaiMoritaten" (1998), "Kernbeißer und Kreuzschnäbel. Ein Sittenbild aus dem alten Peking" (2007), die Romane "Mandschurische Fluchten" (2000), "Der Quereinsteiger" (2003), "Angestellte" (2008) und "Roons letzter Flug" (2009) sowie die beiden ersten Bände seiner China-Trilogie: "Peitaiho. Großer chinesischer Raritätenkasten" (2012) und "Yuanmingyuan. Spuren einer Zerstörung" (2013).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Mark Siemons ist geradezu bezaubert von diesem Buch - dem dritten einer Trilogie - des Sinologen Rainer Kloubert. Der Autor war nicht an Universitäten tätig, sondern hat für Unternehmen in China gearbeitet. Vielleicht rührt daher sein freier, schweifender Blick, der weniger an Fakten interessiert ist als an Stimmung, Atmosphäre, Bildern, die dem Leser helfen, das alte Peking (vor dem Einmarsch der Japaner 1937) zu "sehen", so Siemons. Die literarische Technik des Autors beschreibt er als eine Art träumerisches Flanieren, bei dem der Fokus aber doch immer erstaunlich scharf gestellt zu sein scheint, denn Siemons lobt ausdrücklich die "extreme Genauigkeit" von Klouberts Blick. Als Vergleich fällt ihm weniger Walter Benjamin ein als Victor Segalen. Außerdem ist der Band auch noch "wunderschön gestaltet", mit vielen Fotos und chinesischen Schriftzeichen. Nur eins findet der hingerissene Siemons gelegentlich irritierend: Wann die eingenommene Perspektive eine chinesische ist oder den kolonialen Blick widerspiegelt, ist ihm nicht immer ganz klar. Doch das scheint nur ein ganz kleiner Wermutstropfen zu sein.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.03.2016

Das Geheimnis der Libellen
Mit dem Band „Peking. Verlorene Stadt“ vollendet Rainer Kloubert
seine Trilogie von Geschichten über Orte in China
VON TILMAN SPENGLER
Beginnen wir mit einer Frage aus dem Sommer des Jahres 1689. „Haben die Chinesen“, fragte der Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz in Rom seinen Gewährsmann, den Jesuitenpater Claudio Filippo Grimaldi, „haben die Chinesen denn besondere, wasser- und feuerfeste Mörtelsorten, die auch dazu geeignet sind, Fischteiche abzudichten und das Wasser zurückzuhalten?“
  Der geduldige Pater Grimaldi ging auf die Frage nach den Fischteichen nur sehr allgemein ein. In den Kreisen seines Ordens galt der Missionar, der es in Peking zu höchsten Positionen bringen würde, als Skeptiker. Seine Stärke waren die Astronomie und die Mathematik. Die Berechnung der Bahnen des Jupiters, zum Beispiel. Der Blick auf die großen Zusammenhänge. Fischteiche, dürfen wir annehmen, berührten seine Neugier weniger.
  Die Neugier von Leibniz hingegen war ein Allesfresser, die Bewegungen der Himmelskörper erregten ihn genauso wie die Beschaffenheit von Porzellanerde. Der deutsche Philosoph stieg nämlich gern, um ein chinesisches Bild zu bemühen „vom Pferd, um Blumen zu betrachten“.
  Rainer Kloubert, der 1944 geborene Autor einer großen Trilogie, die nach den Bänden über den Ausflugsort Peitaho und den zerstörten Kaiserpalast Yuanmingyuan jetzt „Peking, der „Verlorenen Stadt“ gewidmet ist, wäre der Gesprächspartner gewesen, den Leibniz sich erträumt haben mag. Vielleicht weniger, um so fundamentale Fragen zu diskutieren wie den universalen Ursprung aller Sprachen oder die Einordnung chinesischer Götter in den christlichen Heiligenkalender. Doch wäre es um Geistermärkte gegangen, um Beizvögel, um Bettler, Diebe, Schnupftabak, um Lohnköche, Gesandtschaften, Wahrsager, um Insektenbefall und raffiniert gezüchtete Tauben . . .
  Auch um Bordelle? Naturgemäß auch um Bordelle, Teehäuser und Konditoreien. Viele Fragen tauchen auf, die Leibniz, der ein wenig zur Prüderie neigen musste, seinem jesuitischen Gewährsmann nicht einmal auf Latein zu stellen wagte. Kloubert geht literarisch auch gern dorthin, wo sich die Türen nur auf geheime Klopfzeichen öffnen. Und so entsteht ein betörendes Mosaik über das Leben einer glanzvollen Metropole, die vor wenig mehr als einem halben Jahrhundert wichtige Teile ihres traditionellen Geistes aufzugeben begann.
  Der Untertitel „Verlorene Stadt“ deutet das Alter der Befunde an: Kloubert erteilt virtuos und geschmackssicher Auskunft über Vergangenes: über Bauwerke und kleinere Artefakte über Gebräuche, Rezepte und andere Techniken, die sich aus der letzten Kaiserzeit bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts retten konnten. Kultur- und Sozialgeschichte werden kunstvoll miteinander verflochten, schon die Beschreibung der Pfandhäuser beschwört Geschichten von Balzacschem Format.
  Aber Klouberts emphatische Zuneigung gehört auch den verwunschenen Orten der Abgeschiedenheit, stillen Winkeln, in denen die Tänze von Libellen und das rätselhafte Spiel von Kaulquappen den kontemplativen Blick des Betrachters in Beschlag nehmen. Es geht in aller Regel um Unwiederbringliches.
  In vielen Fällen ist das bedauerlich. Den alten Stadtwall von Peking wird niemand wiederaufbauen, Ringautobahnen haben den alten Vierteln ihren Zauber restlos ausgetrieben, die Geschichtenerzähler sind aus den Parks verschwunden, an der Stelle der vielen kleinen Straßenlokale mit Gerichten aus allen Teilen des Reiches haben sich die Niederlassungen weltweit erfolgreich tätiger Imbissketten breitgemacht. Verloren gegangen – und nur in diesem Buch noch erinnert – sind die vielen Künste, der Ente, dem Hammel, dem Krebs, dem Schwein oder dem Karpfen jene kulinarischen Glücksmomente zu entlocken, die Augen, Zunge und manchen Magendarmtrakt gleichermaßen verzückten. Auch nach anmutigen oder störrischen Kamelen, dem früheren Rückgrat des innerstädtischen Transportsystems, sucht der Freund dieser Tiere heute vergebens.
  War auch die Luft früher besser als heute? Das hing von den Launen des Wetters, den Sandstürmen aus der Gobi und dem Standpunkt des Betrachters ab. Gekocht wurde meist unter freiem Himmel, vornehmlich auf gepressten Kohlescheiben, deren beißender Rauch sich in den engen kleinen Gassen sehr beharrlich zu halten pflegte. Keine uneingeschränkte Freude für Nase und Atemwege waren auch die Gerüche auf den Märkten der Stadt, in denen frühmorgens all jenes zum Himmel stieg, was beim Schlachten, Häuten, Zerlegen, Anbraten, Ankochen von Speisen olfaktorisch wirksam werden kann.
  Rainer Kloubert beschreibt seine Szenarien, auch das macht sein Buch so lesenswert, ohne quengelnde Nostalgie. So war es nun einmal, gewiss, würde er vermutlich sagen, hier wird nicht geklagt, es ist die Archäologie und Besitzstandswahrung einer Seele, die sich davongemacht hat. Sich aus einer Stadt entfernte (oder entfernen musste), deren Einwohnerzahl sich in weniger als einem halben Jahrhundert verzehnfacht hat.
  Naturgemäß geht es dabei auch um die Seele eines Autors, der sich dieser Stadt und ihrer Geschichte über die Jahre osmotisch anverwandelt hat. Zu den vielen Facetten der chinesischen Kultur zählt auch die Neugier auf das Außergewöhnliche, das Bizarre, das Zufällige, das Vermischte. Zeitungen wurden weniger der Politik wegen gelesen, sondern weil sie so ausführlich über „Vermischtes“ berichteten. Dieselbe Kennzeichnung trägt übrigens eine eigene Literaturgattung.
  Der vor gut 70 Jahren in Aachen geborene Rainer Kloubert ist ein Meister dieser Gattung. Er erzählt, ohne zu dozieren, aber auch ohne ins belanglose Plaudern zu geraten, von dem, wohin sein Blick gerade gefallen ist. Das hätte, wie oben angedeutet, dem Philosophen Leibniz gut gefallen. Systematisieren kann man später immer noch, wenn denn das Systematisieren die Erfüllung einer Sehnsucht ist. Rainer Kloubert macht sich da – und die Leser danken es ihm von Herzen – einen flinken und grazilen Fuß. Selbst die Frage nach dem wasserdichten Mörtel bleibt nicht ungelöst.
Rainer Kloubert: Peking. Verlorene Stadt. Mit zahlreichen Abbildungen. Elfenbein Verlag, Berlin 2016. 320 Seiten, 49 Euro.
Klouberts emphatische
Zuneigung gehört den
Orten der Abgeschiedenheit
Zeitungen wurden damals in
China gern gelesen, weil sie so
viel „Vermischtes“ enthielten
Das „Westtor“ , das wichtigste Tor im Westen Pekings, wurde auch „Wassertor“ genannt, weil dadurch zu Zeiten des Kaisers frühmorgens Wasser vom „Jadequellenberg“ in die „Verbotene Stadt“ gekarrt wurde.
Foto: Elfenbein Verlag
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2016

Hundesitzer mit gesundem Menschenverstand

Sein Wohlergehen setzt man nicht durch Prinzipien aufs Spiel: Rainer Kloubert ist ein Buch über das alte Peking gelungen, das es eigentlich nicht geben kann.

Von Mark Siemons

Dieses Buch hat ein Geheimnis. Es handelt vom alten Peking, so viel ist klar, und es tut dies mit einer im Deutschen bislang ungekannten Detailkenntnis. Aber was seinen Blickwinkel, sein Erkenntnisinteresse, sein Thema im engeren Sinn ausmacht, hält es auf eine zunächst irritierende, den Leser dann immer neugieriger machende Weise verborgen. Der Autor Rainer Kloubert flaniert in diesem großformatigen, mit zahlreichen alten Schwarzweißfotos wunderschön gestalteten Band entlang von Begriffen wie "Banken", "Barbiere" oder "Schnupftabak" durch ein Peking vor dem Einmarsch der japanischen Armee (1937). Und er verrät weder, um welche Zeit genau es ihm geht, noch, warum er die Gegenwart der Stadt konsequent ausklammert. Doch gerade diese Aussparung erzeugt den schwebenden Charakter dieses höchst eigenartigen, in der China-Literatur ziemlich einzigartig dastehenden Buchs.

Beispielhaft für das Verfahren ist gleich der Beginn. Unter dem ersten Stichwort "Stadt" erwähnt der Verfasser kurz die breiten Mauern, die das innere und das äußere Peking einschließen, um dann das Bild der romantischen Picknicks heraufzubeschwören, die von Ausländern mit Vorliebe im Herbst - wenn sich die Blätter der Gingkos rot färben - auf der Mauer veranstaltet wurden, mit chinesischem Diener, weißer Decke, Geschirr und Besteck aus dem Koffer. Zu verkosten gab es, lässt er den Leser wissen, Krebse, "in Salzwasser gekocht und auf diese Weise haltbar gemacht", dazu Riesling, den man bei Kierolff oder Imbeck, zwei deutschen Kaufhäusern im Gesandtschaftsviertel, bekam.

Man stellte auch, erfährt der Leser, ein Grammophon auf, aus dem die neuesten Lieder der Schanghaier Sängerin Chou Hsuan ertönten. Es folgt eine Schilderung der Szenerie, die sich den Picknickenden darbot: eine Eidechse auf dem Stein in der Sonne, der Blick auf die Westberge, unten die Bäume, die Gassen und die geschwungenen Dächer der Stadt. Ein paar barfüßige Jungen angeln Weizenährenfische aus einem Teich auf der anderen Seite der Mauer. Plötzlich mischen sich die Töne einer Pekingoper in die der Schlager, weil unten ein fahrender Händler durch die Gassen zieht, der gegen Geld Schallplatten abspielt. Oft waren die Platten so verkratzt, heißt es in Klammern, dass die Händler die Arien mit eigener Stimme fortsetzen mussten; "aus nicht wenigen von ihnen wurden später Opernsänger".

Erst danach geht die Darstellung in einen historischen Abriss der Mauer und eine Aufzählung der Namen der vielen Tore über. Ein Foto zeigt den abgeschlagenen Kopf eines Hingerichteten, der am Ehrenbogen eines dieser Tore aufgehängt war. Stand man darunter, schien der Kopf - so wird der Schriftsteller Lao She zitiert - "zu dem Schatten zu gehören, den der eigene Körper im Scheinwerferlicht warf".

Wie der Autor hier vom einen zum anderen kommt, sich auf scheinbar Nebensächliches kapriziert, bevor er wieder zum Hauptstrom der Darstellung zurückkehrt, geht es offensichtlich nicht um Informationen zu einem irgendwie eingrenzbaren Thema. Der Text scheint eher der Logik von Träumen zu gehorchen, von Träumen allerdings, die sich durch extreme Genauigkeit auszeichnen.

Der Leser wird nicht durch Gedankengänge oder Beweisführungen vorwärtsgetrieben, sondern durch Bilder, Geschmäcke, Gerüche, Geräusche und Empfindungen aller Art. Dazu gehört auch, dass der Sinologe Kloubert hinter viele Namen und Begriffe die zugehörigen chinesischen Schriftzeichen, ohne Umschrift in lateinische Buchstaben, setzt: Diese Zeichen dienen nicht nur der Orientierung der Sprachkundigen, sondern sind auch kleine optische Sensationen, die ebenso wie die heraufbeschworenen Bilder einen sinnlichen Eindruck erzeugen.

In den dem Buch vorangestellten Danksagungen führt Kloubert außer dem Geschichtenerzähler Jin Shoushen und dem Historiographen Ce Shaozhen ("Flaneur im alten Peking") auch den Schriftsteller Lao She an, der einmal schrieb: "Meine Liebe zu Peking beruht nicht auf Äußerlichkeiten, sondern ist ein Teil unvergesslicher Eindrücke: Die Libellen nach einem Regen am ,Zehn-Kloster-Meer' zählen dazu oder die Schatten der mir im Traum erschienenen Pagode des ,Jadequellenberges': In jedem steckt mein Ich."

Das scheint auch die Poetologie dieses Buches zu sein, das auf keine eindeutige Botschaft hinauswill, geschweige denn wie Klouberts Flaneur-Vorgänger Walter Benjamin auf eine Geschichtsphilosophie, sondern das mit seinen imaginierten Erinnerungen das Durcheinander des Lebens selbst abbildet, und dies um so präziser und modellhafter, je unvertrauter dessen Umstände sind.

Das macht Rainer Kloubert, den unabhängigen, in keine akademischen Institutionen eingebundenen Sinologen, der jahrelang für deutsche Unternehmen in China tätig war, bevor er sich als freier Autor in Peking niederließ, einem anderen Schriftsteller verwandt: dem Franzosen Victor Segalen, der 1909, kurz vor dem Ende des chinesischen Kaiserreichs, als Teilnehmer an archäologischen Expeditionen zum ersten Mal nach Peking kam.

Mit seinen Büchern über China und andere exotische Orte wollte er den Leser "sehen" lassen: Es gehe nicht darum, "zu sagen, was ich über die Chinesen denke (über die ich, ehrlich gesagt, überhaupt nichts denke), sondern sie sich vorzustellen, und zwar nicht in der blassen Nachahmung eines ,Dokumentations'-Buchs, sondern in einer lebendigen und realistischen Form, jenseits der Realität, als ein Kunstwerk". Diesem Programm entsprach vor allem Segalens rätselhaftes Romanfragment "René Leys", die Darstellung eines vergeblichen Versuchs, zum imaginären Inneren dieser "um ihrer selbst willen gewollten" Stadt Peking, zum Kaiser, vorzustoßen.

Gleich zu Beginn heißt es dort: "Das Buch wird es nicht geben. (Schöner postumer Titel, da ein Buch fehlt: ,Das Buch, das nicht geschrieben wurde.')" Ein solches Buch, das es nicht geben kann, ist auch Rainer Klouberts "Peking. Verlorene Stadt". Es ist der dritte Teil einer Trilogie, deren ersten beiden Bände dem Seebad Peitaiho (heute unter der Umschrift "Beidaihe" bekannt) und dem zerstörten Garten des Alten Sommerpalasts in Peking (Yuanmingyuan) gewidmet waren. Mit einer unglaublichen Fülle an präzisem Wissen, das er aus den im Anhang genannten vor allem chinesischen Büchern gezogen hat, lässt Kloubert den Leser dieses alte Peking "sehen".

Auf fast jeder Seite gibt es zudem ein unbeschriftetes Schwarzweißfoto, häufig mit den Kamelen darauf, die bis in die dreißiger Jahre hinein einen Großteil der Kohle von den Abbaugebieten in den Westbergen nach Peking transportierten. Man erfährt vieles, an das man vorher niemals gedacht hätte, über Hotels, Pfandhäuser, Apotheken, Wahrsager, Opiumhäuser, Diebe und Bettler. Wer sich auf das Besondere dieses Buchs einlässt, wird es verschmerzen, dass ihm an historischer Einordnung, an Fußnoten und Analyse nicht gelegen ist, und er wird seine Freude haben am Reichtum der hier wie nirgendwo anders ausgebreiteten Einzelheiten und an den eigenwilligen Assoziationsketten des Autors.

Bedauerlicher wird er finden, dass bei der auf diese Weise rekonstruierten Fremdheit nicht immer klar ist, ob sie auf die chinesische Perspektive zurückgeht, in die der Autor mit Hilfe seiner Gewährsleute eintaucht, oder aber auf den exotischen, kolonialen Blick der damals in Peking lebenden Ausländer, den Kloubert sich, wenn entsprechende Quellen vorliegen, gleichfalls zu eigen macht.

Die Pekinger charakterisiert er als "Bonvivants mit gesundem Menschenverstand", erfinderisch, zynisch, neugierig, geübt im "ständigen Jonglieren mit Relativitäten", vor allem im virtuosen Umgang mit den zahlreichen Währungen, die gleichzeitig im Umlauf waren. Sie seien klug genug gewesen, ihr Wohlergehen durch kein Prinzip aufs Spiel zu setzen. Kriege bezeichneten sie bloß als "Truppenwechsel". Wenn es, etwa während der unruhigen Warlord-Zeit, einen gab, schlossen sie die Tore der Stadt, bis der Spuk vorüber war. Dann öffnete man bereitwillig dem jeweiligen Sieger die Tore.

Kloubert enthält sich jeglichen Urteils. Seine Geschichten haben keine Moral. Aber klar ist auch, dass die Rekonstruktion dieses unbestimmt "alten" Pekings, das man wohl am ehesten auf den Beginn des vergangenen Jahrhunderts datieren kann, nicht mit wohliger Nostalgie verwechseln kann. Dazu sind viele der Einzelheiten, die ungerührt zutage gefördert werden, zu tief von Grauen durchtränkt.

Etwa bei der Beschreibung der öffentlichen Hinrichtungen auf dem Gemüsemarkt oder der jungen Leibeigenen in den Bordellen, die als kleine Kinder gekauft wurden und sich erst nach vielen Jahren wieder freikaufen konnten, wenn sie genug gespart hatten oder ein reicher Gönner sie auslöste. Oder beim Stichwort Hundefleisch, einer "Pekinger Spezialität". Die Händler wurden von sogenannten "Hundesitzern" beliefert, die eine brutale Methode hatten, an ihre Beute zu kommen: Sie lockten die Hunde mit einem Köder an einen verborgenen Ort, packten sie dann am Nacken und am Hinterteil, um sich mit ganzem Gewicht auf ihren Rücken fallen zu lassen.

Mit diesem auf jeder Seite überraschenden, verwirrenden, erheiternden und berückenden Buch verhält es sich vielleicht so ähnlich wie mit den phantastischen Erzählungen, die in den Pekinger Geschichtshäusern, von denen Kloubert auch erzählt, zum Besten gegeben wurden. Halb spielen sie in der Welt der Menschen, halb in der von Dämonen.

Rainer Kloubert: "Peking". Verlorene Stadt.

Elfenbein Verlag, Berlin 2016. 320 S., Abb., geb., 49,- [Euro].

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