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"Vielleicht ist der Verrat die Signatur unseres Zeitalters." Diese zunächst politische Feststellung des jungen Autors Bert Cornelius gilt ebenso für das schwierige Verhältnis zu seinem Vater. Zwar wurde die ganze Familie ins Exil vertrieben, doch weigert sich der alte Cornelius, mit seinem Namen als Nobelpreisträger das Zeitschriftenprojekt seines Sohnes zu fördern. Aber auch der Vater erfährt kaum Loyalität. Das moralische Krebsübel des 20. Jahrhunderts hat alle sicher geglaubten menschlichen Bindungen zerstörerisch befallen. Karl Heinz Bittel gestaltet mit historischer und psychologischer…mehr

Produktbeschreibung
"Vielleicht ist der Verrat die Signatur unseres Zeitalters." Diese zunächst politische Feststellung des jungen Autors Bert Cornelius gilt ebenso für das schwierige Verhältnis zu seinem Vater. Zwar wurde die ganze Familie ins Exil vertrieben, doch weigert sich der alte Cornelius, mit seinem Namen als Nobelpreisträger das Zeitschriftenprojekt seines Sohnes zu fördern. Aber auch der Vater erfährt kaum Loyalität. Das moralische Krebsübel des 20. Jahrhunderts hat alle sicher geglaubten menschlichen Bindungen zerstörerisch befallen. Karl Heinz Bittel gestaltet mit historischer und psychologischer Dichte die Verwerfungen zwischen Thomas Mann und seinem Sohn Klaus. Literarisch anspielungsreich hebt er den Konflikt souverän auf eine allgemeinere Ebene. Was zunächst wie eine kecke Parodie auf den Großmeister der Parodie anmutet, erweist sich als vielschichtige Parabel mit weitreichenden Bezügen zur Gegenwart. Denn: "Feigheit regiert die Herzen" - damals wie heute.
Autorenporträt
Karl Heinz Bittel, geboren 1947, wurde in Singen geboren. Er war Lektor und Verlagsleiter des Münchner Knaus Verlags, wo er viele Jahre lang das Werk Walter Kempowskis betreute. Seit 1999 lebt er als freier Lektor und Publizist in München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.02.2009

Mein armer Bert, der nichts weiß und nichts kann

Ein literarisches Dokudrama: Karl Heinz Bittels neuer Roman ergründet die komplexe Beziehung zwischen Thomas Mann und seinem Sohn Klaus.

Von seinem Vater zur Rede gestellt, warum er unter den Eintrag seiner Geburt im Familienstammbaum zwei lange Striche gezogen habe, antwortete Hanno Buddenbrook: ". . . ich glaubte . . . es käme nichts mehr." Genau dies glaubten wir auch, als wir das letzte Buch, das Mitglieder der Familie Mann traktierte, aus der Hand legten. Doch welch ein Irrglaube!

Es wurde nachgelegt. Und zwar gleich ein Roman. "Eine Art Verrat" von Karl Heinz Bittel behandelt die Beziehung zwischen Thomas Mann und seinem Sohn Klaus. Bittel, der sich durch seine Mitarbeit an dem opulenten Band "Heller Zauber" über Thomas Manns Münchener Jahre und als langjähriger Lektor Walter Kempowskis um die Literaturgeschichte verdient gemacht hat, geht mit seinem Roman-Debüt ein hohes Risiko ein. Er schreibt so etwas wie einen Dokumentar-Roman und überträgt das System der filmischen Doku-Dramen von Heinrich Breloer gleichsam auf die Literatur. Die bekannten Fakten, soweit sie durch Tagebücher, Briefe oder andere Darstellungen wie etwa Biographien bekannt sind, werden ziemlich getreu übertragen. Anderes wie innere Monologe oder Gespräche sind fiktional, aber könnten so stattgefunden haben. Daher wendet sich Bittels Roman zwar an Kenner der Familiengeschichte der Manns, die aber, je mehr Vorwissen sie haben, umso weniger Neues erfahren. So fehlt ein gewisses Spannungsmoment, das einem Roman eignen sollte.

Und dennoch ist der Roman wunderbar zu lesen. Dies liegt zum einen an der Sprache, von der man im Verlag behauptet, sie sei eine Parodie Thomas Manns. Es mag sein, dass Bittel von Thomas Manns Sprache nicht ganz unbeeinflusst ist, doch nicht jeder, der ein lustvolles Verhältnis zur deutschen Sprache unterhält, muss deswegen gleich ein Parodist Thomas Manns sein. Aber Bittel verwebt ein weitgehend autobiographisches Werk Manns in seinen Roman. Die Erzählung "Unordnung und frühes Leid" dient Bittel schon zur Namensgebung seiner Hauptprotagonisten: "Cornelius" ist Thomas Mann, "Bert" sein Sohn Klaus, "Ingrid" seine Tochter Erika. Über den Bert seiner Erzählung lässt Thomas Mann 1926 seinen Cornelius sagen: "Dagegen mein armer Bert, der nichts weiß und nichts kann." Da hatte Klaus Mann schon seine ersten literarischen Versuche abgeliefert. Dass der Vater Cornelius ein Geschichtsprofessor und kein Schriftsteller war, konnte wohl auch manche damalige Leser kaum darüber hinwegtäuschen, dass Thomas Mann in der Erzählung Mitglieder seiner eigenen Familie eben nicht ver-, sondern bis zur Kenntlichkeit entschlüsselte. So wird sein ältester Sohn die Erzählung mit dem Verdikt über Bert als einen Verrat empfunden haben, weil der Vater ihn nicht direkt der Unbegabtheit zieh, sondern den Umweg über die Veröffentlichung einer Erzählung bevorzugte. Dies war gleichsam der Schatten jener Prominenz der Mann-Kinder, in der sich besonders Klaus und Erika Mann gern sonnten. Die Namen seines eigenen Romans Thomas Manns Erzählung zu entnehmen war daher ein kluger Einfall Bittels.

Doch um Verrat und Gegenverrat in der Weise eines Vater-Sohn-Konflikts geht es, als Bert in der Emigration seinen Vater bittet, mit seinem prominenten Namen für die literarische Emigrantenzeitschrift "Sendung" einzustehen. Cornelius willfährt seinem Sohn, der seinem Vater versichert, die Zeitschrift werde unpolitisch sein, was sie dann aber nicht ist. Cornelius sieht sich übel getäuscht und fühlt sich, auch indirekt gedrängt von seinem deutschen Verleger Feldhoff, bemüßigt, sich öffentlich von der Zeitschrift seines Sohnes zu distanzieren, weil der selbst antinazistisch gesinnte Vater im von Hitler beherrschten Deutschland noch im Entstehen begriffene Werke verlegt haben möchte. Bert fühlt sich wiederum öffentlich von seinem Vater verraten und gedemütigt: "Cornelius hatte wieder einmal deutlich gemacht, dass Berts Trachten und Treiben unerheblich war, dass er nicht in Betracht kam." Die Romanfigur Bert und mit ihm der Autor Bittel lassen Cornelius dennoch Gerechtigkeit widerfahren. Sein Sohn reflektiert über den unfreiwilligen Exilanten: "Und doch tat er ihm jetzt leid, der Vater. Es war ihm anzusehen und in beinahe jeder seiner Äußerungen spürbar, wie sehr er unter der Vertreibung aus seinem Vaterland, unter der Zerschlagung seiner Bürgerexistenz zu leiden hatte. Exil war ihm ein Schreckenswort."

Dies ist, nur durch andere Namen verschlüsselt, Thomas Manns Konflikt mit Klaus, aber auch mit Erika in den ersten drei Jahren der Emigration um Klaus Manns Zeitschrift "Sammlung" und den Verleger Gottfried Bermann Fischer. Wir versagen uns eine weitere Nacherzählung des Schlüsselromans wie des historischen Geschehens und schwanken immer noch, ob es sich überhaupt um einen richtigen Roman handelt. Denn manchmal scheinen sich in die Betrachtungen von Vater und Sohn Bittels eigene Betrachtungen gedanklich wie sprachlich einzuschleichen.

Aber in diesem menschenklugen Buch gibt es ein Kapitel, in dem Bittel zeigt, dass er auch anders kann: Cornelius' alias Thomas Manns Besuch bei einem Zürcher Zahnarzt ist dann doch eine umwerfend witzige und antipodische Parodie auf Thomas Buddenbrooks Behandlung beim fürchterlichen Zahnarzt Brecht.

Dennoch: Einen aus sich selbst heraus lebensfähigen Roman hat Karl Heinz Bittel nicht geschrieben. Dafür ist ihm etwas ganz anderes gelungen: Er schrieb eine eindringliche und beiden gerecht werdende Studie über Thomas und Klaus. Kenntnisreichtum, psychologisches Einfühlungsvermögen und sprachliche Eleganz befördern als Dreiergespann des Lesers Lust. Als Kutsche suchte sich der Autor die Form eines Romans aus. Dies geht mehr als nur in Ordnung.

MARTIN THOEMMES

Karl Heinz Bittel: "Eine Art Verrat". Roman. Osburg Verlag, Berlin 2008. 301 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hingerissen zeigt sich Martin Thoemmes von Karl Heinz Bittels Roman über die komplexe Beziehung zwischen Thomas Mann und seinem Sohn Klaus. Er sieht in dem Werk allerdings weniger einen Roman als ein "literarisches Dokudrama", in dem die bekannten Fakten getreu verarbeitet werden. Die inneren Monologe oder Gespräche sind natürlich fiktional, könnten nach Ansicht Thoemmes aber "so stattgefunden haben". Wie auch immer: Thoemmes findet dieses "menschenkluge" Buch "wunderbar zu lesen". Dabei sieht er es weniger als Parodie, wie es der Klappentext will, hebt aber hervor, dass Manns autobiografische Erzählung "Unordnung und frühes Leid" in den Text eingewebt ist. Sein Fazit: eine "eindringliche und beiden gerecht werdende Studie über Thomas und Klaus", die sich durch "Kenntnisreichtum, psychologisches Einfühlungsvermögen und sprachliche Eleganz" auszeichnet.

© Perlentaucher Medien GmbH