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Ein zentrales Kleinod aus dem Schaffen des großen Romanciers erstmals auf deutsch: In Emmanuel Boves Roman von 1931 gerät die Welt eines armen Leidensathleten ins Wanken. Eine vermeintliche Schuld fordert ihre Sühne.
Sie sind ein junges, gewiß auch seltsames Paar, Pierre Changarnier und seine Freundin Violette. Changarnier lebt in einem schäbigen Hotelzimmer und ist arm, doch weiß er auch, daß in seinen vier Wänden nichts passieren wird, was seine Situation verändern könnte. Also macht er sich zusammen mit Violette auf, "dem Glück entgegenzugehen, da es nun mal nicht zu uns kommt." Ihr…mehr

Produktbeschreibung
Ein zentrales Kleinod aus dem Schaffen des großen Romanciers erstmals auf deutsch: In Emmanuel Boves Roman von 1931 gerät die Welt eines armen Leidensathleten ins Wanken. Eine vermeintliche Schuld fordert ihre Sühne.
Sie sind ein junges, gewiß auch seltsames Paar, Pierre Changarnier und seine Freundin Violette. Changarnier lebt in einem schäbigen Hotelzimmer und ist arm, doch weiß er auch, daß in seinen vier Wänden nichts passieren wird, was seine Situation verändern könnte. Also macht er sich zusammen mit Violette auf, "dem Glück entgegenzugehen, da es nun mal nicht zu uns kommt." Ihr Streifzug durchs nächtliche verschneite Paris verläuft aber anders als gedacht. Als sich ein kleiner Mann an ihre Fersen heftet und Changarnier ihn nicht abschütteln kann, kommt es zu einem Gewaltausbruch. Der Mann fällt zu Boden, und Changarnier glaubt, ihn umgebracht zu haben ...
Autorenporträt
Emmanuel Bove (1898-1945), Sohn eines russischen Lebemanns und eines luxemburgischen Dienstmädchens, brachte sich mit den verschiedensten Berufen notdürftig durch, ehe er als Journalist und Schriftsteller sein Auskommen fand. Nach seinem frühen Tod jahrzehntelang völlig vergessen, gilt er heute als ein Klassiker der französischen Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.08.2010

Blick in den Abgrund
Schmal und bizarr: "Schuld" von Emmanuel Bove

"Jeder Mensch kennt wohl diese Augenblicke, in denen Hochgefühl und Schwäche sich vermengen. Man will dann sein Auto stehen lassen und zu Fuß unterwegs sein, alleine vor sich hin gehen. Die Menschen, denen man begegnet, kommen einem dann vor wie Kinder, ihre Beschäftigungen belanglos." Wem jenes innere Irren vertraut ist, wird die Romanwelt dieses französischen Romanciers schätzen. Fast ist er schon kein Geheimtipp mehr: Seit Jahren erscheinen, seit dem Vorstoß Peter Handkes, der ihn übersetzte, die Romane von Emmanuel Bove (1898 bis 1945) - Nachwehen seiner bis in die Ewigkeit verlängerten, glücklosen Kindheit zwischen geschiedenen Eltern; die Mutter eine Dienstmagd aus Luxemburg, der Vater ein jüdischer Einwanderer aus Kiew und eine Art Lebenskünstler ohne festen Beruf. Neurotischen Einzelgängern, Widerständlern und Milieu-Kontrasten gilt Boves Aufmerksamkeit. Auch in dem jetzt vom Lilienfeld-Verlag liebevoll in seiner Kleinod-Reihe "Lilienfeldiana" herausgegebenen Halbleinen-Bändchen "Schuld" stiftet Armut den dichten, schroff geschliffenen Text.

"Un Raskolnikoff" titelte 1930 der Autor selbst. Tatsächlich schwebte ihm hier eine Miniatur über die Frage nach der persönlichen Schuld vor, wie sie Dostojewski weit dickleibiger stellt. Wieder begeistert die klare, dekorationslose Sprache aus einer trostlos verrückten Welt. Thomas Laux, der nach sechs Romanen und einem Erzählungsband auch diesen frühen Bove glasklar übersetzte, spricht sogar in seinem Nachwort davon, Bove habe hier, ganz untypisch für ihn, die "literarische Ausstaffierung der Geschichte gleich auf ein fast unhintergehbares Mindestmaß zurückgefahren", um vollends Konflikt und Hauptfigur zu fokussieren. Im Blick Changarnier, einen aufgewühlten Mann, den wir in Begleitung seiner fürsorglich alles abfedernden Freundin Violette durch Paris' düstere, winterlich kalte Straßen begleiten. Wie eine sich zuziehende Schlinge sein Leben, das deutlich gegen andere Leben abfällt: "Jeder Mensch kommt, geht, lebt, bloß wir nicht."

Als das Pärchen einem Mörder begegnet, der in einem als Extramonolog zentral einmontierten Bekenntnis von einer nicht verbüßten Tat erzählt, öffnet sich Changarniers eigener, womöglich nur eingebildeter Schuld-Strudel: Er will sich stellen, doch die Polizei kommt ihm einen Moment zuvor. Sie gibt ihn aber wieder frei, weil er als Täter doch unidentifiziert bleibt, und wir blicken am Ende Changarnier hinterher, wie er traurig, entrückt und gespenstisch aus diesem dichten Text wieder herausspaziert, verurteilt zum dauernden Lauf, eine Weile noch Violette als Schatten, die ihn aber auch nicht retten kann. Zarter Trotz und hilflose Ohnmacht nisten sich ein in diesen kleinen Text über das Dilemma, dass gefühlte Schuld und Sühne nie deckungsgleich zu bringen sind. Selbst wenn - es würde wenig helfen. "Wir gehen einfach vor uns hin und hoffen, dass uns etwas widerfährt. Da das Glück nun mal nicht zu uns kommt, müssen wir ihm entgegengehen." "Schuld" ist schmal und bizarr, als hätte der Erzähler kurz in den Abgrund geblickt und dann lieber davon abgelassen. Man ahnt, warum etwa Rilke und Beckett den Autor bewunderten. Wer ihn noch entdecken will: "Schuld" ist Bove in hochkonzentrierter Form.

ANJA HIRSCH

Emmanuel Bove: "Schuld". Roman. Aus dem Französischen und mit einem Nachwort von Thomas Laux. Lilienfeld Verlag, Düsseldorf 2010. 123 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Tobias Schwartz freut sich sehr über die erste (und gelungene) deutsche Übersetzung von Emmanuel Boves Dostojewski-Variation: ein Raskolnikoff-Konzentrat, und als solches aus seiner Sicht nicht weniger spannend als das Original. Denn Boves Antiheld Changarnier entstamme deutlich dem 20. Jahrhundert, sei eben auch ein Verwandter von Sartres Ich-Erzähler aus "Ekel" oder Kafkas verlorenen Figuren. Eine Szene des Buch erscheint dem Kritiker gar als Gegenentwurf zu Kafkas "Der Prozess". Der Kritiker ist auch beeindruckt von Boves knapper, auf das Wesentliche reduzierter Sprache, die nichtsdestotrotz plastische, ja Buster-Keaton-hafte Slapstickbilder zu produzieren versteht. Auch die bibliophile Ausgabe und das "instruktive" Nachwort erhalten lobende Erwähnungen.

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