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  • Buch mit Leinen-Einband

Produktdetails
  • Malaysia-Zyklus Bd.2
  • Verlag: Wunderkammer Verlag
  • Originaltitel: Le Tigri di Mompracem
  • Seitenzahl: 461
  • Erscheinungstermin: 22. Oktober 2009
  • Deutsch
  • Abmessung: 195mm
  • Gewicht: 502g
  • ISBN-13: 9783939062158
  • ISBN-10: 3939062154
  • Artikelnr.: 27359546
Autorenporträt
Emilio Salgari, geboren 1862 in Verona, gilt als der italienische Karl May. In 28 Jahren Schriftstellertätigkeit verfasste er knapp 100 Abenteuerromane, von denen etwa 50 verfilmt wurden. Reich wurde damit vor allem sein Verlag. Wegen wirtschaftlicher Nöte, der Geisteskrankheit seiner Frau und seiner drohenden Erblindung beging er 1911 Selbstmord mit einem Rasiermesser, nach Art des japanischen Harakiri.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.02.2010

Ruf der Rache, Lasso der Liebe
Große Oper im Dschungel: Emilio Salgari, der Karl May Italiens, und sein leidenschaftlicher Pirat Sandokan
Es gibt die Täter und die Träumer. Zu den Tätern des 19. Jahrhunderts zählen vor allem die Angelsachsen, z.B. Henry Morton Stanley, der als erster Weißer Afrika von Ost nach West durchquerte, den Kongo hinunterfuhr und unterwegs mehrere Dutzend „Schlachten” lieferte, die im Wesentlichen daraus bestanden, dass er auf mit Speeren bewaffnete Eingeborene unprovoziert das Feuer eröffnen ließ, und den Boden bereitete für das noch viel größere Massenmorden im Kongo-Freistaat des belgischen Königs Leopold.
Unter die Träumer gehören die Angehörigen der verspäteten Nationen. Karl May wies in Herkunft und Temperament vermutlich einige Ähnlichkeit mit Stanley auf; auch er stammte aus demütigenden, ärmlichsten Verhältnissen, bahnte sich seinen Weg in die Welt nicht ohne Betrug und Schaumschlägerei und verbrachte sein ganzes Leben zwischen den Polen von Größenphantasien und innerer Unsicherheit. Aber er wurde den Komantschen nur am Schreibtisch gefährlich, und rückblickend darf man sagen: Wohl dir, dass du nie Gelegenheit erhieltest, aus deinem Henrystutzen einen Schuss abzugeben!
Die andere verspätete Nation neben Deutschland war Italien, 1860 erst geeint und nicht mehr rechtzeitig zugegen, als die große koloniale Beute zur Verteilung stand. Italiens Versuch, doch mitzuhalten, endete im Fiasko der Schlacht von Adua 1896, die es gegen den Kaiser von Abessinien verlor. Auch dieses Land schuf sich träumerischen Ersatz in der Literatur; und was für Deutschland Karl May, das wurde für Italien Emilio Salgari. Auch seine Biografie hat, vergleicht man sie mit der seiner Helden (mit denen er sich nicht ungern verwechseln ließ), etwas Untermaßstäbliches.
Geboren wurde er 1862 in Verona als Sohn kleiner Kaufleute, war ein schlechter Schüler, wollte unbedingt zur See fahren, besuchte das Königlich Nautische Institut in Venedig, um Kapitän zu werden, fiel bei der Prüfung durch und heuerte schließlich als Schiffsjunge an. Auf der „Italia Una” befuhr er die Adria, diesen Binnensee innerhalb eines Binnensees, diese wahre Badewanne von einem Meer, ging in Brindisi von Bord und reiste mit der Eisenbahn wieder heim. Mehr von der Welt sah er nie.
Dafür begann er schon mit zwanzig Jahren zu schreiben, zunächst für verschiedene Zeitschriften, bald aber auch Romane. Allein schon die Titel lesen sich wie ein Feuerwerk der Abenteuerlust: „La scimitarra di Buddha” heißen sie, „Das Schwert Buddhas”, oder „I misteri della jungla nera – Die Geheimnisse des schwarzen Dschungels”, „Il tesoro del presidente del Paraguay – Der Schatz des Präsidenten von Paraguay”, „I naufragatori dell’ Oregon – Die Schiffbrüchigen der Oregon” und „Al Polo Australe in velocipede – Mit dem Fahrrad zum Südpol”. Neunzig solche Titel werden es insgesamt, darunter auch eine „Raubübersetzung” von „Der Sohn des Bärenjägers” von Karl May: In der Übernahme fremder Vorbilder zeigte sich Salgari so unbefangen wie sein deutsches Pendant.
Bei all dem war er ein guter Familienvater, heiratete jung und zeugte vier Kinder, die er nach Figuren seiner Romane benannte: Fatima, Nadir, Romero und Omar. Fotos zeigen ihn als einen ernsten Herren mit steifer Hemdbrust, schleifengeschmücktem Strohhut und gezwirbeltem Schnurrbart. Im zwanzigsten Jahrhundert lebte sein Werk in zahlreichen Verfilmungen weiter, unter anderem mit Lex Barker, Senta Berger und Klaus Kinski; auch das deutsche Fernsehen strahlte sie aus. Sein überwältigender Publikumserfolg bewahrte ihn nicht vor dem persönlichen Unglück: Als er fast erblindet war und seine geliebte Ehefrau ins Irrenhaus eingewiesen wurde, beging er zwei Selbstmordversuche, mit einem Säbel und einem Rasiermesser. Der zweite gelang. Er wurde 48 Jahre alt.
Den berühmtesten dieser Romane, „Die Tiger von Mompracem”, hat nun der Wunderkammer-Verlag neu herausgebracht. Dies scheint der passende Name für ein Haus zu sein, das Salgari verlegt: Die alten fürstlichen Wunderkammern, das war ein großes herrliches Kuddelmuddel von allen möglichen Natur- und Kunstdingen, deren Zusammenhang bloß dadurch gestiftet wurde, dass sie exotisch und kostbar waren. Gleich im ersten Kapitel erlebt der Leser den berüchtigten Piraten Sandokan, genannt der Tiger von Malaysia, inmitten seines Gehäuses: „In den Ecken erheben sich große, zum Teil beschädigte Etageren, angefüllt mit Gefäßen, die überquellen vor goldenen Armreifen, Ohrschmuck, Ringen, Medaillons, vor kostbarem, verbogenem und zerbeultem Kultgerät, vor Perlen, die zweifellos aus den berühmten Fischereien von Ceylan stammen, vor Smaragden, Rubinen und Diamanten, die im Licht einer vergoldeten Deckenlampe funkeln wie tausend Sonnen.”
Dieser Pirat, so viel wird klar, ist ein großer Schatz- und Hortbildner, der nicht in ökonomischen Zusammenhängen denkt. Er plündert, aber verwertet nicht. Wie muss man sich ihn vorstellen? „Er hat eine hohe Stirn mit dunklen, wunderbar kühnen Augenbrauen, einen schmalen Mund mit Zähnen, die scharf sind wie die eines Raubtiers und schimmern wie Perlen, und tiefschwarze Augen, in denen ein faszinierendes, feuriges Funkeln liegt, vor dem sich jeder andere Blick senkt.”
Es ist gewiss kein Zufall, dass es sich bei dem Sessel, auf dem er sitzt, um einen „wackligen” handelt: Denn nicht nur brennt er vor Lust auf den nächsten Raubzug und kann sich nur schwer zur Ruhe zwingen, sondern er existiert von Lebensgefahr zu Lebensgefahr; kaum dass er auf den vierhundert Seiten dieses Buchs einmal zur Ruhe käme. Der Leser begleitet ihn, wie er trotz erdrückender feindlicher Übermacht einen britischen Kreuzer entert und als einziger seiner Leute durch glücklichen Zufall überlebt; wie er sich, ein früher Bruder Tarzans, durchs Kronendach des Urwalds schwingt; wie er, von einem transitorischen Gift gelähmt, sich als tot über Bord werfen lässt und, erwacht, sofort einen weiteren tödlichen Kampf mit einem Hammerhai zu bestehen hat, dessen „heiserer Atem” ihn streift. (Die liebevolle Einführung von Ann Lawson Lucas vergleicht Salgaris naturgeschichtliche Exkurse mit denen Melvilles in „Moby Dick”, sicher zu Unrecht.)
Blut wird in Mengen vergossen, aber nirgends eigentlicher Schmerz gegenwärtig – nicht einmal, wenn man beiläufig erfährt, warum ein so edler Mensch ein so schändliches Gewerbe wie die Seeräuberei auf sich genommen hat: nämlich weil die Briten seine ganze Familie hingeschlachtet haben. Bemerkenswerterweise ist es hier die europäische, genauer, die verhasste englische Herrenrasse, die in Nebensätzen gemetzelt wird wie bei Tolkien die Orks. Wohltuend berührt, dass sich Salgari von den rassischen Vorurteilen seiner Zeit gänzlich frei hält.
Dieser Pirat lebt und kämpft, anders als seine weithin unmusikalischen Heldenkollegen bei Karl May, aus dem Geist der großen Oper. Salgaris Frau hieß eigentlich bloß Ida, doch er bestand darauf, sie Aida zu nennen. Wenn man das nicht berücksichtigt, gerät man in Gefahr, Buch und Held unrecht zu tun. Dann fängt man an zu kritteln, dass die tropische Umwelt auf den Inseln vor Borneo kaum mehr als Staffage ist, dass die Handlung nicht eben folgerecht verläuft, dass von einer wie immer gearteten Psychologie und Moralität nicht die Rede sein kann.
Anstelle von all dem herrscht die unbedingte Präsenz der Leidenschaft, der sich eine rückhaltlose Rhetorik verschwistert. Hier tobt die Rache, vor allem aber wird in der Liebe geschwelgt. Ein einziges Mal nur muss Sandokan, wie Petrarca seine Laura in der Kirche von Avignon, Lady Marianna gesehen haben, um ihr unwiderruflich zu verfallen. Dass sie von ihrem schurkischen Onkel festgehalten wird, liefert den Schub des Plots: Um jeden Preis will er sie da herausholen! Der Preis wird ziemlich hoch sein, mehrere hundert Tote, aber das fällt praktisch nicht ins Gewicht; und ebenso wenig, dass er um ihretwillen schließlich seine Bande, die „Tigerchen”, die für ihn durchs Feuer gehen, verraten wird, um in der Fremde ein stilles Glück zu zweit zu suchen.
Ethnische Differenzen und sprachliche Hemmnisse verstummen, wenn der orientalische Freibeuter sich seiner blondgelockten „Perle von Labuan” erklärt. „ ,Du weinst‘, rief Sandokan voller Pein. ,Meine Liebe, weine nicht, oder ich werde verrückt und begehe eine Dummheit. . . . Willst du, dass ich dich noch heute Nacht entführe? Wir sind nur zu zweit, aber wenn du es willst, werden wir die Eisen, die dich gefangen halten, zerschmettern, sollten wir auch mit unserem Leben für deine Freiheit bezahlen. Sprich, sprich, Marianna, meine Liebe zu dir macht mich verrückt und flößt mir solche Kräfte ein, dass ich dieses Haus ganz allein erstürmen könnte!‘”. Ja, Musik und Liebe, die bei Karl May schweigen müssen, erklingen bei Salgari in voller Besetzung. Und so ließe sich sagen, dass, wenn jener als seinen idealtypischen Leser den Knaben im Auge hat, so dieser immerhin den Jüngling. BURKHARD MÜLLER
EMILIO SALGARI: Die Tiger von Mompracem. Aus dem Italienischen von Jutta Wurm. Mit einem Vorwort von Michele Mari und einer Einführung von Ann Lawson Lucas. Wunderkammer Verlag, Neu-Isenburg 2009. 462 S., 19,95Euro.
„In seinen tiefschwarzen Augen liegt ein feuriges Funkeln, vor dem sich jeder andere Blick senkt”
„Sandokan – Der Tiger von Mompracem”. In dem 1963 von Umberto Lenzi nach dem Roman von Emilio Salgari gedrehten Film kämpfen sich Geneviève Grad (2.v.li.) als Lady Marianna und Steve Reeves als Sandokan (re.) durch Indien. Foto: Cinetext Bildarchiv
Emilio Salgari (1862 bis 1911), geboren in Verona, Sohn kleiner Kaufleute, sah in seinem Leben nicht viel von der Welt. Aber er träumte von der Seefahrt und vom Orient, begann früh zu schreiben und erfand den Piraten Sandokan, einen Abenteurer aus dem Geist der Oper. Foto: oh
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Burkhard Müller begrüßt diese Neuausgabe von Emilio Salgaris Roman "Die Tiger von Mompracem", für ihn ein Werk wie eine "große Oper im Dschungel". Er sieht in Salgari den Karl May Italiens und stellt auch eine Reihe von Ähnlichkeiten zwischen den beiden Schriftstellern fest. Dass es im vorliegenden Roman um das Leben des Piraten Sandokan in Sachen Logik, Psychologie und Moral nicht immer wirklich passt, nimmt Müller gelassen hin. Stattdessen sieht er bei Salgari die "unbedingte Präsenz der Leidenschaft" im Bunde mit einer "rückhaltlosen Rhetorik" herrschen. Und: während Musik und Liebe bei Karl May schweigen, erklingen sie laut Müller bei Salgari in "voller Besetzung".

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