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Zitat Michael Krüger: "Man sollte diese melancholischen Gedichte (mit den Bildern seiner Frau Rango Bohne) getrost wie ein berührendes Geschenk annehmen, das uns Jürgen Becker zu seinem 80. Geburtstag gemacht hat."

Produktbeschreibung
Zitat Michael Krüger: "Man sollte diese melancholischen Gedichte (mit den Bildern seiner Frau Rango Bohne) getrost wie ein berührendes Geschenk annehmen, das uns Jürgen Becker zu seinem 80. Geburtstag gemacht hat."
Autorenporträt
Friedrich Pfäfflin, geb. 1935, hat nach zwanzigjähriger Tätigkeit als Verlagsbuchhändler ein Vierteljahrhundert die Museumsabteilung des Schiller-Nationalmuseums in Marbach geleitet. Als Autor, Herausgeber und Ausstellungsmacher beschäftigte er sich u.a. mit Kurt Wolff, Else Lasker-Schüler, Werner Kraft und Berthold Viertel. Im Jahr 2013 wurde er mit dem Gutenberg-Preis der Stadt Leipzig ausgezeichnet.Jürgen Becker, geboren 1932 in Köln, machte 1953 Abitur. Nach kurzem, abgebrochenem Studium begann er seine Existenz als freier Schriftsteller. Seinen Lebensunterhalt bestritt er jahrelang mit wechselnden Tätigkeiten, als Arbeiter und Angestellter, als Werbeassistent und Journalist. Er arbeitete für den WDR und in verschiedenen Verlagen. Zwanzig Jahre lang, bis 1993, leitete er die Hörspielredaktion des Deutschlandfunks. Er verfasste Lyrik, Prosa und Hörspiele. Sein Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. erhielt er den Preis der Gruppe 47, den Literaturpreis der Bayerischen Akademie der schönen Künste, das Villa Massimo Stipendium, den Bremer Literaturpreis, den Heinrich Böll Preis und 2006 den Hermann-Lenz-Preis. Jürgen Becker ist Mitglied der Akademie der Künste in Berlin- Brandenburg, der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur sowie des PEN-Clubs. 2011 wurde er mit dem Thüringer Literaturpreis ausg

ezeichnet und 2014 mit dem Georg-Büchner-Preis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.07.2012

Komm, erzähl mir was von heute

Was beschreibt der Moment, und worauf liefert er Hinweise? Zwei neue Bücher zeigen, wie Jürgen Becker im Wahrnehmen und Erinnern ständig neue Entdeckungen macht.

Odenthal bei Leverkusen und nicht weit von Köln ist für die deutschsprachige Literatur ein Fixpunkt. In Odenthal im Bergischen Land lebt seit langem der Lyriker und Erzähler Jürgen Becker, der heute achtzig Jahre alt wird. In seinen Gedichten und seiner Prosa entsteht seit fünf Jahrzehnten die Chronik eines Umfelds in Auflösung, und dieser immer unwirklicheren Reizüberflutung hält Becker sein gewachsenes Maß aus Wort und Bild, Klängen und Formen entgegen - eine warme, ruhige Stimme.

Alternde Nachbarn, das Gartenjahr, der Krieg von Elstern und Krähen oder die nah und näher rückende Begradigung und Zubetonierung allen Grüns sind dem Leser der Gedichte aus "Das Ende der Landschaftsmalerei" (1974), "Odenthals Küste" (1986) oder "Journal der Wiederholungen" (1999) vertraut. Ebenso begegnet man dem wütend genauen Blick für das Naheliegende und von Verschüttung Gezeichnete bereits in der Prosa von "Felder" (1964), "Erzählen bis Ostende" (1981) und auch später in "Der fehlende Rest" (1997) sowie in Jürgen Beckers Roman "Aus der Geschichte der Trennungen" (1999), der ihm 25 Jahre nach dem Preis der Gruppe 47 den Uwe-Johnson-Preis eintrug.

Beckers Thema sind der lebendige Moment und dessen Verbindung durch die Flucht der Zeit mit Momenten, die etwas zu erzählen scheinen. Was? Liefern sie Hinweise? Worauf? Auch in zwei neuen Büchern, dem Gedichtband "Scheunen im Gelände" und der Prosaauswahl "Wie es weiterging", sind die Pole dieses seit fünfzig Jahren rotierenden Werks Wahrnehmen und Erinnern. Für Jürgen Becker ist beides beständige Entdeckung. Er will herausfinden, "welche Impulse es sind, die das Erinnern in Gang setzen; was das Erinnerte sagen kann; was überhaupt zu sagen, zu beschreiben, zu erzählen ist".

"Scheunen im Gelände" ist sein dreizehnter Gedichtband und das fünfte einer Reihe von Büchern, die zusammen mit der Künstlerin Rango Bohne entstanden. Mit ihr ist Jürgen Becker seit 1965 verheiratet, auch Rango Bohne wird dies Jahr achtzig Jahre alt. Zehn übermalte Fotocollagen aus ihrer Serie "Landreihen" korrespondieren in "Scheunen im Gelände" mit Gedichten über den Odenthaler Garten, die zerhackte Umgebung, das Altern, die atavistischen Ausbrüche, die Reisen nach Brandenburg, an die Ostsee. Gedichte wie Collagen lesen in der Landschaft wie in einer lebendigen Schrift oder auf einer lebenswarmen Uhr. So der kleine Text "Mitte August", der sich als Titelgedicht entpuppt: "Die Gegend / glaubt man zu kennen. Nur / weiß ich nicht, was es ist, / daß ich nicht aufhören kann, / auf die Scheune zu starren, / die zweimal dasteht im Gelände." Die irritierende Dopplung, das Sich-Wundern über Zusammenstehen und Übereinkunft, sieht man genauso in dem Bild neben dem Gedicht. Keines illustriert das andere. Doch spätestens beim Anblick der zwei schattendunklen, im Fluchtpunkt sich scheinbar berührenden Scheunen erkennt man auch das Paar, das sie vor Augen hatte und zugleich getrennt und gemeinsam im Gedächtnis behielt.

Im Austausch von Wahrnehmungen und Erinnerungen erproben die Gedichte Formen: Liste, Bildbefragung, Mitschrift. In Porträtmontagen werden die Erfurter Jugend lebendig, die junge Mutter, ihr Freitod in einem See in Ostbrandenburg und der im Krieg verschollene Onkel, der Maler Erich Schuchardt. Becker steigert die Länge der Gedichte bis zum letzten, dem siebenseitigen "Was man uns sagte", in dem einmal mehr Kunst und Kraft seines Enjambements bestechen. Der Titel legt nahe, das Gedicht könnte eine Replik auf Günter Grass sein, doch dem ist nicht so: "Was möglich wäre und was nötig, es kam / zu Grabenkämpfen, Debatten mit open end, während / die Sicherheitskräfte Erdbeeren aßen."

Stellt man sich die Werke von Jürgen Becker und Rango Bohne als Garten vor, so wären dort die Bilder das Haus, die Fenster, der Ausblick. Die Gedichte wären die Sträucher, Beete und Büsche, die Prosa aber das Gras, eine wachsende, sich verästelnde Fläche. In der Mitte steht der Autor, Schnittpunkt wuchernder Diskurse, rheinischer Tranströmer, dabei alter Radiofuchs, und begutachtet das Gewordene. Wie kam es dazu? Wohin führt das alles?

Nach jedem seiner zehn Prosabücher, so Becker im Nachwort zu "Wie es weiterging", habe er neu erfahren, dass stilistische Sicherheit ebenso Illusion ist wie ein Repertoire aus Themen und Motiven: "Das Schreiben fortzusetzen hieß stets, das Schreiben neu anzufangen." "Ein Durchgang" lautet der Untertitel von "Wie es weiterging" mit Beckerschem Understatement. Es ist ein elegant komponiertes, mitreißendes Lesebuch.

Fortgesetzter Neubeginn. Umorientieren. Weiter. Vom kritischen Triptychon "Felder", "Ränder" und "Umgebungen" (1964-1970) bis zu "Erzählen bis Ostende" und "Die Türe zum Meer" (1981-1983) liegt der weite Weg dessen, der jeder Geschichte misstraut. Mit Jörn Winter, dem Doppelgänger seit "Der fehlende Rest" und "Aus der Geschichte der Trennungen" (1996-1999), hat Jürgen Becker seinen Erzähler gefunden: Zerrüttung und Trotz, Vermissen und Verschmerzen, Krieg, Bonner Republik, Geschichte und Gesichter - Jörn redet es sich von der Seele. "Schnee in den Ardennen" und "Die folgenden Seiten" (2003-2006) erkunden das Gedächtnis neu und entwickeln verblüffende Formen für immer detailliertere Erinnerungen. Erst der Notatesammlung "Im Radio das Meer" (2009) aber gelingt eine lakonische Aussöhnung, ein vorläufiger Pakt. Der Vers des Lyrikers wird zum Satz, der Satz des Erzählers zum Vers: "Vergangenes ... komm, erzähl mir was von heute."

Heute vor achtzig Jahren wurde Jürgen Becker in Köln geboren. Heute hat man nicht nur in einem Garten in Odenthal allen Grund zu feiern.

MIRKO BONNÉ

Jürgen Becker: "Scheunen im Gelände". Gedichte.

Mit Collagen von Rango Bohne. Lyrik Kabinett, München 2012. 112 S., br., 20,- [Euro].

Jürgen Becker: "Wie es weiterging". Ein Durchgang - Prosa aus fünf Jahrzehnten.

Suhrkamp Verlag, Berlin 2012. 294 S., geb., 21,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Anlässlich des heutigen 80. Geburtstags des Lyrikers und Erzählers Jürgen Becker hat Mirko Bonné gleich zwei neue Bücher des Autors anzuzeigen. Der Gedichtband "Scheunen im Gelände" ist das fünfte Buch mit Bildern von Beckers Frau Ranko Bohne und für den eingenommenen Rezensenten ergänzen sich die übermalten Fotocollagen mit den Texten hervorragend. Denn für Bonné sind die Bilder keine reine Illustration der Gedichte, sondern es handelt sich um zwei korrespondierende Lesarten, die der Leser und Betrachter über die Odenthaler Landschaft, über Umwelterstörung, Reisen oder das Altern geboten bekommt. Einmal mehr ist der Rezensent von der "Kunst und Kraft" der viele Formen erprobenden Lyrik Beckers sehr eingenommen.

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