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Richard Fanshawe träumt von einem Leben als Schriftsteller. Die Wirklichkeit ist weniger rosig: Beruflich wie auch bei den Frauen ist er ein hoffnungsloser Versager. Seine Nächte verbringt er unter den Argusaugen seiner Zimmerwirtin in einer billigen Absteige, tagsüber versucht er, Hausfrauen Staubsauger anzudrehen. Trübe Aussichten vor der Kulisse eines grauen englischen Seebads, wo in den Pubs allenfalls interessiert, ob Hitler - 'der Bastard will´s wissen' - demnächst in Polen einmarschiert. So laufen also die Dinge, bis Fanshawe auf Sukie trifft: geheimnisvoll, aufreizend - und frisch…mehr

Produktbeschreibung
Richard Fanshawe träumt von einem Leben als Schriftsteller. Die Wirklichkeit ist weniger rosig: Beruflich wie auch bei den Frauen ist er ein hoffnungsloser Versager. Seine Nächte verbringt er unter den Argusaugen seiner Zimmerwirtin in einer billigen Absteige, tagsüber versucht er, Hausfrauen Staubsauger anzudrehen. Trübe Aussichten vor der Kulisse eines grauen englischen Seebads, wo in den Pubs allenfalls interessiert, ob Hitler - 'der Bastard will´s wissen' - demnächst in Polen einmarschiert. So laufen also die Dinge, bis Fanshawe auf Sukie trifft: geheimnisvoll, aufreizend - und frisch verheiratet mit seinem Freund ... Die Welt der schäbigen Pubs und Pensionen, von Suff, Sex und Schulden hat Julian Maclaren-Ross wie außer ihm nur Patrick Hamilton beschrieben. Bewunderer des Romans 'Von Liebe und Hunger' wie Anthony Powell und Olivia Manning setzten Maclaren-Ross als Figur in ihren Werken ein literarisches Denkmal. Für D. J. Taylor gehört er 'zu den großen noch unbesungenen Helden der 1940er', und in einen Atemzug mit Georg Orwell, Graham Greene und Evelyn Waugh. Für John Betjeman war er 'einer unserer größten Schriftsteller'.Julian Maclaren-Ross (1912-1964), Bohemien, Schriftsteller, Staubsaugervertreter, hatte Kultstatus dank seines Romans 'Of Love and Hunger' (1947), aber auch seiner extravaganten Erscheinung. Er gehörte zum Inventar der Londoner Pubs in Soho, wo er Hof hielt, ständig auf der Flucht vor Gläubigern.
Autorenporträt
Joachim Kalka, geb. 1948, lebt als Kritiker und Übersetzer in Stuttgart. Die Darmstädter Akademie verlieh ihm für sein Übersetzungswerk 1996 den Johann-Heinrich-Voß-Preis und wählte ihn zum Mitglied.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Wie bedauerlich, dass es nur bei diesem einen Roman des britischen Schriftstellers Julian Maclaren-Ross geblieben ist, seufzt Angela Schader. Immerhin liegt "Von Liebe und Hunger" jetzt in "knackiger" deutscher Übersetzung vor, fährt die Kritikerin fort. Allein wie der Autor das an absurden Höhepunkten nicht arme Leben seines egozentrischen, aber klugen Helden, dem verschuldeten Staubsaugervertreter Richard, erzählt, gefällt der Rezensentin gut. Dass mit Sukie, der Frau eines Freundes, mit der Richard auf dessen Geheiß bald eine Affäre beginnt, eine facettenreiche, interessante weibliche Hauptfigur auftritt, die nicht nur gekonnt mit Werken von Hemingway, Auden und McNeice zu jonglieren weiß, sondern auch eine so "schillernd" wie "spröde" erzählte, eigensinnige Liebesgeschichte voller "reizender Vignetten! Einzug erhält, stimmt Schader vollends glücklich.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.06.2016

Sog ins Sinnlose
Julian Maclaren-Ross heftet sich an die Fersen eines Staubsaugervertreters
und schaut dem kleinbürgerlichen Vorkriegs-England unter die Teppiche
VON LOTHAR MÜLLER
In dem kleinen Seebad unweit von Brighton hat kurz nach Ostern die Saison noch nicht begonnen. Aber die Unruhe, die den Sommer beherrschen wird, ist schon da. Die Leute sind nervös, überall wird vom möglichen Krieg geredet. Im Esszimmer bei Mrs. Fellows ist es dunkel und kalt, im Nebenzimmer hört irgendeiner der Pensionsgäste die Ein-Uhr-Nachrichten im Radio: „Präsident Roosevelts Aufruf zu zehn Jahren Frieden. Hitler und Mussolini. Hitler und Mussolini zur Suppe, dann zur gebratenen Leber, zum Brotpudding und zum Kaffee, der aus einer Flasche stammte. Hitler und Mussolini begleiteten die Mahlzeit.“
  In der Nachkriegszeit, 1947, ist der Roman „Von Liebe und Hunger“ in London erschienen. Er ist nur im Nebenberuf ein Vorkriegsroman, aber er erledigt diesen Job, der nun mal zum Sommer 1939 gehört, mit derselben stoischen Lässigkeit wie die vielen Unannehmlichkeiten seines Hauptberufs. Der besteht darin, sich an die Fersen eines Staubsaugervertreters zu heften und aus ihm eine höchst individuelle und zugleich exemplarische, zeittypische Figur zu machen.
  Der Autor Julian Maclaren-Ross, dem das auf ziemlich beeindruckende Weise gelingt, war bisher in Deutschland nahezu unbekannt. Er ist 1912 in South Norwood im Südosten Londons geboren und 1964 nach einem Herzinfarkt gestorben. Da schrieb er an dem Manuskript „Memoirs of the Forties“, in dem seine Begegnungen mit Graham Greene, dem Literaturkritiker Cyril Connolly und dem Dichter Dylan Thomas vorkommen. Sein langjähriger Mentor, Anthony Powell, nahm das Erscheinen des Fragments zum Anlass für eine knappe Würdigung im Daily Telegraph. Später hat Powell dann in seinem großen Romanzyklus „Ein Tanz zur Musik der Zeit“ die Figur des haltlosen Schriftstellers Francis Xavier Trapnel, der mit seinem wichtigsten Manuskript untergeht, mit Zügen von Julian Maclaren-Ross versehen.
  In der knappen physiognomischen Skizze aber hat Powell seinen Schützling gegen den Schatten in Schutz genommen, den schon zu Lebzeiten sein Ruf als Dandy und Bohemien über sein Werk warf. Maclaren-Ross war in den Zweiten Weltkrieg gezogen, 1943 unehrenhaft aus der Armee entlassen worden und hatte 1944 die Kurzgeschichten-Sammlung „The Stuff to Give the Troops“ publiziert. In zahllosen Anekdoten geisterte er durch die Londoner Pubs der Nachkriegszeit, erfüllte Verlagsverträge nicht, saß mit dunkel getönter Ray-Ban-Brille vor Whiskeygläsern, ließ Ehen zerbrechen und Schuldenberge anwachsen. Und so fort.
  Gegen diese Bohème-Mythologie, zu deren Entstehen Maclaren-Ross selbst unermüdlich beigetragen hatte, setzte Anthony Powell seine Skizze eines überaus belesenen Autors, der die wichtigen englischen und vor allem auch die amerikanischen Romane und Filme seiner Zeit alle kannte, dessen wahre Leidenschaft das „writing as such“ war, das Schreiben als solches. Kurz, er riet dazu, in einem notorischen Enfant terrible des Literaturbetriebs den Stilisten zu entdecken.
  Das war ein guter Rat, mit ihm versehen kehren wir zurück zu dem Staubsaugervertreter Richard Francis Fanshawe, der nach fünf Jahren im Fernen Osten aus Madras als verkrachte Existenz nach England heimgekehrt ist und nun in dem kleinen Seebad versucht, ein Bein auf die Erde zu bekommen. Er freundet sich mit einem neuen Kollegen und dessen Frau an. Entweder ist dieser Kollege ein passionierte Joseph-Conrad-Leser, weil es ihn von Kind an zur See zieht, oder umgekehrt. Jedenfalls sucht er auf der Flucht vor dem Vertreterdasein sein Heil als Steward auf einem Schiff, und es kommt, wie es kommen muss. Irgendwann beginnt eine von Beginn an aufs Scheitern angelegte Liebesgeschichte zwischen dem übrig gebliebenen Paar, das irgendwann aufhört, sich als Mr. Fanshawe und Mrs. Roper anzureden.
  Als die Vornamen wichtig zu werden beginnen, besucht der Staubsaugervertreter einmal Sukie Roper in ihrer Wohnung, misstrauisch betrachtet von ihrer Wirtin: „Die Treppenstufen waren mit Linoleum belegt. Ebenso der Boden von Sukies Wohnschlafzimmer. Kein Teppich. Wenn man Staubsaugervertreter ist, fällt einem so etwas auf. “ Sukie Roper, die sich später als Sympathisantin der politischen Linken entpuppen wird, ist Leserin. Francis Fanshawe ist es auch, und nicht nur das, er hat Ambitionen als Autor, hat in Madras als Journalist gearbeitet, experimentiert mit Kurzgeschichten und schreibt an einem Roman. Das, wie sein ungeliebtes Dasein als Staubsaugervertreter, verbindet ihn mit seinem Autor Julian Maclaren-Ross.
  Wichtiger aber für den Roman ist ein Buch, das Sukie Roper Fanshawe ausleiht, der es wie eine Offenbarung verschlingt: „ich schlug es auf und fing an zu lesen. Es war in einem Stil geschrieben, der mir noch nicht begegnet war.“ Dieses Buch ist exakt das Gegenteil des Romans über Indien, den er sich aus der Stadtbücherei geholt hat: „Das Leben der Figuren schien absolut keine Beziehung zu dem Leben in Indien zu haben, wie ich es kannte.“ Der Roman stammt von James M. Cain und heißt „The Postman always rings twice“ und ist eine der Quellen des Stils, in dem MacLaren „Of Love and Hunger“ geschrieben hat.
  Das Manuskript trug zunächst den Titel „The Salesman always rings once“, aber diese leicht kalauernde Hommage redeten ihm Freunde aus. Es blieb auch so unverkennbar, was Maclaren-Ross später in einem Essay über Dashiell Hammett und Raymond Chandler darlegte: die Entdeckung des „hardboiled style“ der Amerikaner als Inspirationsquelle für die englische Literatur.
  Der Slang, der raue Ton, die elliptischen Verknappungen und Ungerührtheiten, die Maclaren-Ross seinem Ich-Erzähler mitgibt, verdanken Chandlers Philip Marlowe und James M. Cains Milieuschilderungen viel. „Bring die Unterhaltung immer auf den Schmutz zurück“, verkauf den Staubsauger als „ein maschinelles Dienstmädchen“, in Ratschlägen wie diesen geben sich die Vertreter als Agenten der Modernisierung der Haushalte zu erkennen.
  Zu den stärksten Passagen des Romans gehören die, in denen er unter die Teppiche der kleinbürgerlichen Wohnungen schaut, den absurden Verkaufsgesprächen mit unwilligen Damen und den Schulungsvorträgen zuhört, in denen die Repräsentanten der Staubsaugerfirmen aussichtslose Verkaufsstrategien entwerfen. Aber damit begnügt Maclaren-Ross sich nicht, er holt in wenigen Andeutungen die fiebrige fernöstliche und die düstere familiäre Vorgeschichte des Erzählers in die Gegenwart des Vertreters hinein, der mal völlig blank ist, mal am Spielautomaten der Pension den Jackpot abräumt.
  Unauffällig, aber nachhaltig befördert im englischen Original das Wort „vacuum-cleaner“ den Sog ins Sinnlose. Der Übersetzer Joachim Kalka hat aber alles getan, um nun auch im Deutschen den Stilimport nachklingen zu lassen, den Dialog mit Film und Musik, das Echo der Schlager, die auf der Tonspur ständig laufen, den Widerschein der Kinobilder, die in die Figuren eingehen: „,Gehen wir ins Kino‘, sagte ich. Es lief Double Wedding mit William Powell und Myrna Low. Guter Film, gefiel uns beiden. Dann gingen wir essen, und ich brachte sie nach Hause. Es wurde langsam dunkel. Die Zeit am Abend, wo sich alles besonders deutlich abzuzeichnen scheint, Farben und Häuser und Bäume, wie eine Photographie.“
  Der Titel „Of Love and Hunger“ stammt aus den „Letters from Iceland“ (1937), die W. H. Auden gemeinsam mit Louis MacNeice verfasst hat. Auch dieses Buch kennt Mrs. Sukie Roper im Roman. Kalka übersetzt die zitierte Passage so: „Der Abenteurer muss bescheiden bleiben, / sich umtun, Fuchs und Hase, raus und rein / lässt sich von Liebe, Hunger vorwärtstreiben, / doch allzu wählerisch darf er nicht sein.“ Das ist kein schlechter Steckbrief für diesen lesenswerten Roman.
Julian Maclaren-Ross: Von Liebe und Hunger. Roman. Aus dem Englischen von Joachim Kalka. Mit einem Nachwort von Paul Willetts. Arco Verlag, Wuppertal 2016. 328 Seiten, 24 Euro.     
Unauffällig befördert
das Wort „vacuum cleaner“
die Entleerung
      
    
Julian Maclaren-Ross, geboren 1912, starb
1964 in London. Derzeit werden in England seine Romane, Erzählungen, Filmkritiken und Essays neu entdeckt.
Foto:  ARco verlag
Vorkriegsstimmung in Südengland: Polizisten der Southern Railway mit Gasmasken, November 1936.
Foto: Getty Images
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.07.2016

Die Bar als Zuflucht und Lebensform

Endlich auf Deutsch: In seinem Roman "Von Liebe und Hunger" begegnet der britische Dandy-Literat Julian Maclaren-Ross den Härten des Daseins mit starken Drinks und scharfen Partys.

Ein verschlafener Badeort an der englischen Südküste. Der Saisonbeginn steht bevor, doch Frühlingswetter lässt noch auf sich warten. Kalt bläst der Wind vom Meer, der Regen peitscht, und der Ersatzkaffee für zwei Pence den Becher wärmt auch nicht ordentlich. Hinzu kommen schlechte politische Aussichten: "Der Hitler geht demnächst auf Polen los", heißt es. Ein halbes Jahr später ist es dann so weit. Dazwischen liegt ein kurzer heißer Sommer, in dem die Welt Normalität spielt und sich den Nöten eines Alltags widmet, die sie bald nur noch ersehnt.

Das ist die Versuchsanordnung des einzigen Romans von Julian Maclaren-Ross, ein herrlich sardonisches Zeitporträt aus der südenglischen Provinz, 1947 im Original erschienen und jetzt erstmals überhaupt auf Deutsch erhältlich. Es zeigt die Alltagssorgen eines umtriebigen jungen Mannes namens Fanshawe, der das Leben und die Frauen liebt, aber nie ausreichend Geld hat, um sich Frauen zu leisten und das Leben zu gestalten, wie er gerne will - mit starken Drinks und scharfen Partys. Die Geschäfte laufen schlecht: Als Staubsaugervertreter geht er von Tür zu Tür, um den lokalen Hausfrauen die Vorzüge der neuen Blas- und Saugtechnik zu vermitteln, scheitert aber beim Verkaufen regelmäßig an den Sparzwängen, denen auch die aufstrebende suburbane Mittelklasse unterliegt. Diese tägliche Trübsal beginnt sich erst etwas zu bessern, als er einem befreundeten Kollegen, der zur See anheuert, verspricht, sich derweil um dessen Ehefrau zu kümmern. Daraus folgt bald ein heißer amour fou, der immerhin den halben Sommer währt.

All das ist, zugegeben, weder sonderlich aufregend noch spannend, aber es wird aus der Erlebnisperspektive Fanshawes mit so viel trockenem Witz und desillusionierter Lebensklugheit dargeboten, dass man seinen traurigen Bericht in einem Zug mit riesigem Vergnügen liest. Bei allen Alltagsplagen, die er schildert, wirkt er niemals larmoyant, heischt er nie um Anteilnahme, sondern kultiviert den Gestus schnodderiger Selbstbehauptung, die dem fortdauernden Leidensdruck ein gezieltes "Jetzt erst recht" abtrotzt. Den lakonischen Erzählstil hat Maclaren-Ross an amerikanischen Autoren wie Dashiell Hammett oder Raymond Chandler geschult und als einer der Ersten in die englische Literatur eingeführt, wo sich deren Hard-boiled-Haltung aufs Schönste mit britischem Understatement und schwarzem Humor verbindet, von Joachim Kalka kongenial ins Deutsche übersetzt. Mit knapper, kalkuliert unterkühlter Sprache, scharfem Blick für schräge Typen und abgründiger Situationskomik entsteht auf diese Art ein kleines Sittenbild der Vorkriegsmonate, das kleine Leute im Kampf ums tägliche Überleben zeigt.

Darauf verstand sich dieser Autor selbst. Bei uns bislang so gut wie unbekannt, ist Julian Maclaren-Ross (1912 bis 1964) in der an Sonderlingen und Exzentrikern nicht gerade armen Londoner Gesellschaft seit langem eine Kultfigur: ein Dandy, Lebemann und Bohemien der elenden Jahrhundertmitte, der allen Schrecken von Weltwirtschaftskrise, Weltkrieg und entbehrungsreicher Nachkriegszeit durch Eleganz, verschwenderischen Lebensstil und sehr viel Alkohol begegnete. Sein Habitat waren die Bars von Soho, wo er Hof hielt und die versammelte Partygesellschaft nächtelang durch seine Konversationskunst amüsierte (bevorzugtes Thema: Hollywoodfilme). Sein Zuhause waren ständig wechselnde Hotel- und Frauenbetten (bevorzugte Kategorie: Luxusklasse). Sein literarisches Talent war legendär und wurde von Freunden und Förderern wie Graham Greene oder Evelyn Waugh in höchsten Tönen gepriesen.

Doch sah er sich nur dann veranlasst, davon auch Gebrauch zu machen, wenn die Gläubiger ihm allzu aufdringlich zu Leibe rückten, wenn der nächste Rauswurf aus dem Hotel drohte oder Barkeeper nicht mehr bereit waren, weitere Trinkschulden anzuschreiben. So schrieb er förmlich von der Hand in den Mund beziehungsweise in die Kehle und verfasste bevorzugt Kurzprosa, Hörspiele oder Zeitungsartikel, die schnelles Geld versprachen. "Von Liebe und Hunger" - der Titel, durchaus autobiographisch lesbar, ist ein Zitat von Isherwood und Auden - entstand in wenigen rauschhaften Tagen und Nächten in einer Luxussuite mit Liebhaberin am Bloomsbury Square, bezahlt vom Vorschuss des Verlegers, der täglich an der Tür stand, um den Stand des Manuskripts zu überprüfen. Paul Willett, der zur deutschen Erstausgabe das Nachwort beigesteuert und 2003 eine mitreißende Biographie ("Fear and Loathing in Fitzrovia") veröffentlicht hat, bezeichnet Maclaren-Ross als einen "nachlässigen Treuhänder seiner eigenen Gaben". Das ist zurückhaltend ausgedrückt und zutiefst bedauerlich. Gerade dieser einzige Roman lässt ahnen, was für großartige Panoramen jener wilden Übergangsgesellschaft dieser Autor sonst noch hätte schreiben können. Auch sein Alter Ego Fanshawe - selbstverständlich hat Maclaren-Ross im Roman eigene Erfahrungen als Staubsaugervertreter verarbeitet - plant beständig den ganz großen literarischen Wurf, einen Zeitroman, der zugleich seine Erfahrungen im spätkolonialen Indien, wo er fünf Jahre verbracht hat, verarbeitet wie auch die Erinnerungen an eine verflossene Geliebte, die ihn immer wieder heimsuchen, und kommt doch niemals über Ansätze hinaus.

Große Literatur zehrt oft von der Melancholie großer Werke, die nicht geschrieben werden können. "Von Liebe und Hunger" ist dafür ein zutiefst anrührendes wie zugleich höchst vergnügliches Beispiel.

TOBIAS DÖRING

Julian Maclaren-Ross: "Von Liebe und Hunger". Roman.

Aus dem Englischen von Joachim Kalka. Mit einem Nachwort von Paul Willetts. Arco Verlag, Wuppertal 2015. 328 S., geb., 24,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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