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Auf die Bipolarität des Kalten Krieges folgte die Weltunordnung. Die Postmoderne hörte den Hufschlag der vier apokalyptischen Reiter: Terror, Massenvernichtungswaffen, Chaosstaaten und Cyberwar. Das neue Buch von Michael Stürmer stellt die alte Frage, wer die Erde erben wird, und er bleibt die Antwort nicht schuldig.

Produktbeschreibung
Auf die Bipolarität des Kalten Krieges folgte die Weltunordnung. Die Postmoderne hörte den Hufschlag der vier apokalyptischen Reiter: Terror, Massenvernichtungswaffen, Chaosstaaten und Cyberwar. Das neue Buch von Michael Stürmer stellt die alte Frage, wer die Erde erben wird, und er bleibt die Antwort nicht schuldig.
Autorenporträt
Michael Stürmer ist Professor für Mittlere und Moderne Geschichte an der Universität Erlangen-Nürnberg und hat diverse Bücher, u. a. "Das ruhelose Reich (Siedler Verlag)", geschrieben. Er ist u. a. Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung und der Financial Times.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.10.2006

Heulen, Zähneklappern, Entschlossenheit
Der Historiker Michael Stürmer möchte Europa für unwirtliche Zeiten sturmfest machen
Wer wird die Erde erben, fragt Michael Stürmer. Wer will, wer kann es, könnte man hinzufügen. Denn um diese beiden Fragen dreht sich das neue Buch des Historikers und Journalisten. Sein Thema ist nicht die Welt, wie sie sein könnte, sondern wie sie ist und womöglich sein wird. Kein neues Gleichgewicht der großen Mächte, noch weniger die globale Hegemonie einer einzigen Macht sieht Stürmer kommen: Die USA seien aus imperialer Hybris längst in einen „imperial overstretch” geglitten. Doch statt Schadenfreude sollten „Heulen, Zähneklappern und kalte Entschlossenheit” die Antwort sein. Das EU-Europa glaubt Stürmer nicht für den Ernstfall gerüstet. Ohne strategische Solidarität – im Militärischen, wie in der Energiepolitik – lerne es, dass „soft power” keine Sicherheit garantiere.
Die Kongo- und Libanon-Missionen werden zeigen, ob die ersten Gehversuche der Gemeinsamen Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik gelingen. Immerhin scheinen die Europäer aus ihren Fehlern auf dem Balkan zu lernen. Brüssel wartet nicht mehr jahrelang ab, bevor es sich zum Eingreifen entschließt. Ob Europas Truppen Erfolg beim Befrieden der Welt vergönnt ist, bleibt indes abzuwarten. Angesichts der iranischen und nordkoreanischen, der indischen und pakistanischen Nuklearrüstung stellt Stürmer die Frage, was atomare Waffen im postnuklearen Zeitalter bedeuten, seitdem sie unberechenbaren Mächten zugänglich wurden und der Partisan als Hauptdarsteller die Weltbühne betreten hat. Denn eine europäische Nukleardoktrin existiert noch weniger als eine belastungsfähige europäische Sicherheitsdoktrin. Doch beides bedingt einander, wie Stürmer mahnt.
Der ehemalige Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik sieht die EU schlecht gerüstet: Die kleinen Staaten schauen auf die Nato und hoffen, dass der Schirm der Abschreckung über ihnen hält. Die deutsche Politik scheut sich aus innenpolitischen Gründen und als Nichtnuklearstaat, in politische Vorlage zu gehen. Die Briten haben ihre atomare Waffe eng mit den USA verzahnt und sind technologisch wie strategisch von Washington abhängig.
Einzig die Franzosen unterhalten eine unabhängige Nuklearstreitmacht auf europäischem Boden. Paris hat in Stürmers Augen die Zeichen der Zeit erkannt. Im Januar 2006 sprach Jacques Chirac zu den Seeleuten auf dem U-Boot-Stützpunkt Brest und den Stabsoffizieren im Verteidigungsministerium, die die künftige Verteidigungsdoktrin auszuarbeiten haben. Man werde sich von Terroristen und den sie fördernden Staaten nicht drängen lassen in die unmögliche Entscheidung zwischen Nichtstun und Vernichtung. Werde Frankreich durch einen anderen Staat terroristisch bedroht, so sei der präzise nukleare Schlag gegen die Führer möglich und denkbar. Zwar weiß auch Chirac, dass Terroristen meist örtlich ungebunden agieren und ihre Förderer sich unsichtbar zu machen versuchen. Dennoch besteht er auf der doppelten Fähigkeit, abzuschrecken und Konflikte eskalieren zu lassen, um sie dadurch rasch zu beenden. Damit bringt Chirac Frankreich wieder auf gleiche Höhe zu den Vereinigten Staaten und Russland, wo Putin die russische Sicherheitsdoktrin ebenfalls der amerikanischen Präemptionstheorie angepasst hat.
Gänzlich untätig hat sich Berlin angesichts der neuen Gefahren bisher auch nicht verhalten. Schon unter der rot-grünen Bundesregierung haben die Deutschen U-Boote an Israel geliefert, die, ausrüstbar mit nuklear bestückten Marschflugkörpern, Jerusalem die Fähigkeit zum nuklearen Zweitschlag und damit zu wirkungsvoller Abschreckung verleihen.
THOMAS SPECKMANN
MICHAEL STÜRMER: Welt ohne Weltordnung. Wer wird die Erde erben? Murmann Verlag, Hamburg 2006. 256 Seiten, 22,50 Euro.
Nukleare Option: Bei einem terroristischen Angriff hält sich Frankreich – hier das Atom-U-Boot „Le Triomphant” – alle Möglichkeiten offen.
Foto: dpa
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

"Schwer zu ertragen" findet Rezensent Patrick Horst diese "apodiktisch" vorgetragenen Visionen eines bevorstehenden Weltuntergangs. Das Fürchten lehrte ihn aber nicht so sehr das geschilderte Schreckensszenario einer seit dem 11. September aus dem Lot geratenen Welt. Es ist der Autor selbst, den der irritierte Rezensent hier seinen lange gepflegten Standort in der "realistischen Denkschule der internationalen Politik" aufgeben und sich in Visionen und Fiktionen hineinsteigern sieht. Der sonst so "gescheite Weltgeschichtler" habe sich hier so tief in apokalyptische Szenarien verstrickt, dass ihn der Rezensent schließlich am liebsten vor sich selbst in Schutz nehmen würde. Vor allem aber findet er derartige Auswüchse der komplexen Situation insgesamt nicht sehr dienlich.

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