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Produktdetails
  • Verlag: wjs
  • ISBN-13: 9783937989341
  • ISBN-10: 393798934X
  • Artikelnr.: 22903896
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.06.2008

Dann ist die Moderne also doch nicht gut?

Goethes berühmtestes Drama gilt gemeinhin als Affirmation des Fortschritts. Michael Jaeger unternimmt nun eine konservative, verblüffende Revolution des Faust-Bildes.

Zweihundert Jahre nach dem Erscheinen von Goethes "Faust. Der Tragödie erster Teil" inspiriert ein schmales, aufregendes Buch von Michael Jaeger dazu, das berühmteste Drama der deutschen Literatur neu zu verstehen. "Global Player Faust oder Das Verschwinden der Gegenwart" ist ein vielfach einleuchtender, glänzend geschriebener Essay. Der stilistische Glanz verführt freilich dazu, manche Fragwürdigkeiten zu verkennen.

Als Prototyp des modernen, emanzipierten Subjekts wurde Goethes Faust lange Zeit bewundert: vorwärtsgerichtet in seinem Wissensdurst, tatkräftig und leidenschaftlich, selbstbewusst trotz aller melancholischen Zweifel und Verzweiflungsanfälle, vorbildlich in seinem rastlosen Drang nach Vervollkommnung, auch wenn er selbst und andere darunter zu leiden haben. Eine tragische, schuldige Figur zwar, aber eben doch ein Held, mit dem man sich identifizieren kann. Das Vergehen, das er auf Tod und Teufel vermeiden möchte, ist der Stillstand: "Werd ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen, / So sei es gleich um mich getan!" Im zweiten Teil, den Goethe unter dem Eindruck der Pariser Julirevolution von 1830 vollendete, gleicht sich Fausts Bewegungsdrang den ökonomisch-sozialen Ideen einer neuen Epoche an. Er agiert als Wasserbauingenieur, als, wie Jaeger formuliert, "energisch-rastloser Unternehmer einer weltweit operierenden Handelsgesellschaft - gleichsam als früher ,global player' - und zuletzt als Raum- und Staatsplaner".

Als Faust mit seinem Projekt der Naturbeherrschung und Gesellschaftsordnung auf "freiem Grund mit freiem Volke" im Vorgefühl des Gelingens den höchsten Augenblick genießt, umgehend stirbt und die Wette mit Mephisto eigentlich verloren hat, wird seine Seele von den Engeln gerettet. "Wer immer strebend sich bemüht / Den können wir erlösen." Der Mann mag Fehler gemacht haben, sogar große, aber die Strafe der Hölle verdient er nicht.

Wer Goethes "Faust" so liest, der irrt und hat die Botschaft, die der Autor vermitteln wollte, missverstanden. Das zumindest versucht Jaeger uns plausibel zu machen. Die Worte der Engel: pure Ironie, die Fausts profanem Selbst- und Welterlösungsvorhaben eine spirituelle Erlösung entgegensetzt. Und die ist seinem eigenen Willen entzogen. Die Utopie der Naturbeherrschung, des Dammbaus und der Trockenlegung von Sümpfen: der Versuch ihrer Realisierung geht über Leichen. Zwei alte, freundliche, einfache und fromme Menschen, Philemon und Baucis, Repräsentanten vormoderner Zeit, sind ihre Opfer. Fausts Zukunftsvision vom freien Volk auf freiem Grund: eine Illusion. Die Schaufeln, die er klirren hört und mit denen Arbeiter den Wellen des Meeres Grenzen zu setzen scheinen, bereiten ihm das Grab. Fausts Blindheit: kein Attribut eines Sehers, sondern das der Verblendung und Ignoranz gegenüber jenen kontemplativen, spirituellen und mystischen Angeboten, die nicht nur die Schlussverse des Dramas bereithalten.

Für Jaeger ist Goethes Figur, im Bunde mit dem Teufel, die Verkörperung aller negativen Aspekte jener gesellschaftlichen Modernisierungsprozesse, die der Weimarer in den sechzig Jahren seiner Arbeit an den beiden Tragödienteilen als tiefgreifenden Epochenbruch erfahren hat, die ihm hochgradig suspekt waren und deren destruktive Folgen erst heute richtig sichtbar werden. Der Held ist eine "veritable Unglücksfigur, die die Negation der gesamten Philosophie Goethes und aller seiner Zivilisationsideale personifiziert". Das Verbot der Ruhe und des Verweilens, das sich Faust auferlegt, ist eine pathologische Verirrung, spiegelt den Kult der Geschwindigkeit und der rastlosen Innovation in der Moderne, die Entwertung des Gegenwärtigen und Vorhandenen zugunsten der Attraktivität zukünftiger Möglichkeiten, den Wechsel von Bildern und Sensationen. Es ist Abbild eines "phobisch angetriebenen Konsumrausches", der nichts mehr fürchtet als die Ruhe und dem nichts mehr verhasst ist als die Geduld.

Fausts "Fluch vor allem der Geduld" verkehrt sich in der faustfernen Perspektive Goethes oder zumindest seines Interpreten Jaeger zu einem Fluch auf eine für die Moderne charakteristische Ungeduld, zu einem Plädoyer für Entschleunigung, für kontemplative Ruhe in Traditionen der Mystik, für Winkelmanns Ideal des stillen, verweilenden, zu sich selbst kommenden Bewusstseins im Anblick des Schönen, für antike Übungen zum Erfassen glücksbringender Gelegenheiten. So ganz neu und überraschend ist Michael Jaegers Lesart des "Faust" allerdings nicht. Die intensiven Moderne- und Postmoderne-Debatten der 1980er Jahre, in denen Sten Nadolnys "Entdeckung der Langsamkeit" ein zeitsymptomatisches Schlagwort lieferte, haben auch in der Faust-Forschung Spuren hinterlassen. Zahlreiche Anregungen verdankt der Essay dem 1999 erschienenen Lehrbuch über "Goethes Faust" von Jochen Schmidt. Der Freiburger Literaturwissenschaftler hatte eine 2002 publizierte Dissertation von Richard Meier über die "Gesellschaftliche Modernisierung in Goethes Alterswerken" inspiriert und wohl ebenso Manfred Ostens ein Jahr später mit großer Resonanz aufgenommenem Essay über Goethes modernisierungskritische Entdeckung der Langsamkeit. Sie alle greifen, wie jüngst noch Martin Walsers Roman "Ein liebender Mann", auf Goethes Wortschöpfung "veloziferisch" zurück, die gewitzte Zusammenfügung von Velocitas (Schnelligkeit) und Luzifer in den "Maximen und Reflexionen". Als das "größte Unheil unserer Zeit" wird dort beklagt, dass "alles luziferisch" zugeht.

Michael Jaeger selbst hat die Thesen seines Essays bereits vor vier Jahren in seiner Habilitationsschrift "Fausts Kolonie. Goethes kritische Phänomenologie der Moderne" dargelegt und wurde dafür sowohl im Feuilleton als auch in literaturwissenschaftlichen Rezensionsorganen hoch gelobt. Die freiere Form des Essays erlaubte es ihm, sein Anliegen noch pointierter zu artikulieren und einer größeren Öffentlichkeit zu präsentieren.

Fausts Plan zur Schöpfung einer zweiten, zukünftigen Welt, deren neu konstruierte Realität das Produkt industrieller Arbeit sein soll, finde heute "in den allgegenwärtigen Artefakten der Medien-, Kommunikations- und Unterhaltungsindustrie" seine Erfüllung. Der Drei-Schluchten-Staudamm in China sei "ohne Zweifel ein Musterbeispiel für den faustisch-modernen Aktivismus" und symbolisiere seine sozialistischen wie kapitalistischen Ausprägungen. "Faust", so wird in diesem Essay nun noch deutlicher, fungiert als Bibel für eine kulturkritische Abrechnung mit der Moderne in der Gegenwart, Goethe als Gott oder Prophet mit "prognostischen Qualitäten", seine "klassische Philosophie" als Heilslehre mit therapeutischen Anleitungen zum Glücklichsein im pathologischen Unglück der Moderne.

Wie sehr sich Jaeger damit problematischen Traditionen antimoderner Kulturkritik nähert, die sich immer gerne auf Goethe berief, scheint ihm bewusst zu sein. Drei Zeilen deuten eine differenzierte Einschätzung des Moderneprojekts an: "Sosehr wir auch heute allen Anlaß haben, die enormen (Aufbau-)Leistungen der Moderne und die emanzipatorischen Errungenschaften ihrer konstruktivistischen Utopien zu bewundern ..." Im ganzen Essay ist davon nie mehr die Rede, nur noch vom krankhaften Unheil, das die Moderne angerichtet hat.

Auf die fatale Wirkungsgeschichte von Goethes kulturdiagnostischem Gebrauch der Begriffe "gesund" und "krank", der sich vor allem, aber nicht nur gegen die Romantik richtete, geht Jaeger nicht ein. Auf sie berief sich gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts der Goethe-Verehrer Max Nordau in seinem einflussreichen Erfolgsbuch "Entartung". Der Titel, mit dem der Kulturkritiker die jüngste Kultur seiner Gegenwart pathologisierte, lieferte den Nationalsozialisten das Stichwort im Kampf gegen die moderne Kunst. In den Dekadenz-Verdikten, mit denen die literarische Moderne im Namen eines sozialistischen Realismus angefeindet wurde, fand er seine Entsprechung.

Um die Romantik und um die Kunst der Moderne geht es in Jaegers Moderne-Kritik zwar nur beiläufig; aber die medizinisch grundierte Metaphorik und Argumentation in der Kritik an den Modernisierungssymptomen, die ihn interessieren, ist die gleiche. Sie beruft sich auf Goethe, allerdings auf fragwürdige Weise. Goethes Krisen- und Krankheitsbegriff und damit auch seine Einschätzung der krisenhaften Moderne in Kunst und Gesellschaft waren weit vielschichtiger, als es die diejenigen wahrhaben wollten, die sich der Autorität seiner Urteile in kulturkritischer Absicht bedienten. Schon die zentrale Bedeutung pathologischer Motive in seinem Werk und die lange Reihe kranker Figuren, denen der Autor viel Sympathie entgegenbrachte - Werther, Tasso, Orest, Mignon, der Harfner, Ottilie -, hätten ihnen zu denken geben müssen. Denn durchaus ähnlich wie seine romantischen Zeitgenossen wertete Goethe Krankheiten positiv auf, indem er sie zur Bedingung einer differenzierten Form der Gesundheit erklärte. Individuelle Bildungs- und kulturelle Evolutionsprozesse werden aus seiner Sicht durch Krisen und Krankheiten entscheidend gefördert.

Jaeger kommt gelegentlich nicht umhin, sich auf Mephistos Einsichten zu berufen. Auch im Umgang mit dem Begriff der Moderne, die er wiederholt "irrational" nennt und der er Goethes Aufgeklärtheit entgegensetzt, als ob die Aufklärung nicht zur Moderne gehörte, verstrickt er sich in Widersprüche. Der Blick auf Goethes "Faust" wird in diesem Essay durch das kulturkritische Anliegen seines Interpreten immer wieder verzerrt. Die Lektüre lohnt sich trotzdem. Auch weil sie auf Vorzüge einer Literaturwissenschaft verweist, die nicht darum bemüht ist, sich ihre Untersuchungsgegenstände in theoretisch oder historisch distanzierter Beobachtung möglichst weit vom Leibe zu halten. Eine solche Literaturwissenschaft muss nicht gleich zu ihren theologischen Ursprüngen zurückkehren, indem sie literarische Texte zu heiligen Schriften verklärt, von deren Auslegung das Heil des Einzelnen und der Welt abhängt. Aber sie mag zeigen, dass die Auseinandersetzung mit der Literatur der Vergangenheit uns gegenwärtig existentiell betreffen kann. Und dass es ein Gewinn ist, über sie zu streiten. Dies ist Michael Jaeger gelungen.

THOMAS ANZ

Michael Jaeger: "Global Player Faust oder Das Verschwinden der Gegenwart. Zur Aktualität Goethes". Wolf Jobst Siedler Verlag, Berlin 2008. 134 S., geb., 18,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.08.2008

Menschenopfer mussten bluten
Neue Einsichten über einen alten Blinden: Michael Jaegers katastrophischer „Faust” für die Gegenwart
Über viele Generationen wurde Goethes „Faust” optimistisch gelesen. Enttäuscht vom abstrakten Erkenntnisstreben stürmt Faust durch die Welt, lernt die Liebe kennen, macht sich schuldig, steigt in die Tiefe zu den Müttern hinab, vermählt sich mit Helena, der schönsten Frau der Antike, kommt an den Hof des Kaisers, wo er Papiergeld druckt, Macht und Politik kennenlernt und sogar eine Kriegsschlacht gewinnt. Prämisse dieses Welterfahrungsmarathons ist freilich die im Teufelspakt mit Mephisto eingegangene Bedingung der Rastlosigkeit, die jedes genießend-betrachtende Innehalten sogleich mit dem Tode und ewiger Verdammnis bestrafen würde.
So scheitert nicht nur die Liebe zu Gretchen, auch der halkyonische Moment der Verbindung mit Helena bleibt folgenlos. Erfüllung findet Faust, so sagt es diese alte Lesart, im praktischen Tun, im Kolonisationswerk des letzten Aktes, in dem Faust das herrische Meer in die Schranken weist, Deiche und Kanäle baut, um fruchtbares Neuland für Millionen Menschen zu gewinnen. Im unablässigen Tun und Wirken besteht der Weisheit letzter Schluss. Heroisch klingt und heroisch wurde verstanden, was Faust der Menschheit vorsetzt: „Und so verbringt, umrungen von Gefahr,/ Hier Kindheit, Mann und Greis sein tüchtig Jahr./ Solch Gewimmel möchte ich sehn,/ Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn!” Das gefiel der frühen DDR so gut, dass man diese Verse auf ein Gebäude der Stalin-Allee in Berlin setzte.
Diese Worte werden von einem Erblindeten gesprochen, der nicht mehr wahrnehmen kann, dass die Schanzarbeiten um ihn herum nicht dem Deichbau, sondern seinem Grabe dienen. Solche dramaturgische Relativierung ist oft hervorgehoben worden, doch schon der Wortlaut der Verse selbst kann misstrauisch stimmen: Wer will schon sein Leben lang „umrungen von Gefahr” bleiben und auf ewig im „Gewimmel” existieren, also in unablässiger Hetze?
Immer stärker fielen im Lauf der „Faust”-Deutungen die düster-gewaltsamen Züge vor allem im fünften Akt des zweiten Teils auf. Philemon und Baucis, die antik-christlichen Idealgestalten einer bedachtsam-idyllischen Lebensform müssen den faustischen Kolonisationsvorhaben weichen und sterben am Ende vor Schreck. In schauriger Knappheit beschreibt Baucis, die alte gebrechliche Frau, was wirklich passiert: „Menschenopfer mussten bluten,/ Nachts erscholl des Jammers Qual;/ Meerab flossen Feuergluten:/ Morgens war es ein Kanal.”
Je genauer der Text auch auf zeitgenössische Anspielungen durchleuchtet wurde – beispielsweise die Theorien des Frühsozialisten Saint Simon, die Goethe in der letzten Phase der Arbeit am „Faust” studierte –, umso schärfer sah man, dass der greise Dichter hier eine Angstvision entworfen hat: die Welt als Arbeitslager kollektiver Nützlichkeit, in der niemand für sich und den seligen, unwiederbringlichen Moment des individuellen Daseins leben darf, sondern ein jeder einem höheren Zweck, der Masse und der Zukunft, dienen muss. Und auf einmal bekommt die Platzierung der markigen Verse des Schlussmonologes an einer Stalin-Allee einen neuen, flackernd treffenden Sinn.
Die pessimistische Deutung des „Faust”-Dramas als Diagnose der modernen Welt hat am großartigsten und umfassendsten der Germanist Michael Jaeger in seiner Habilitationsschrift „Fausts Kolonie” (2004, Verlag Königshausen & Neumann) entfaltet. Jaeger liest nicht nur den „Faust”-Text Szene für Szene und arbeitet dessen immer abgründigere Verzweiflung heraus; er ordnet die dort symbolisch und allegorisch geleistete Diagnose der Moderne ein ins gesamte Goethesche Alterswerk. So werden die „Italienische Reise” (1817/1828) und die „Campagne in Frankreich” (1822) als zusammengehörige Flügelwerke der Zeitdiagnose erkennbar: im Frankreich-Buch die Beschreibung der revolutionären Rechtlosigkeit und politischen Eskalation, im Italien-Werk die Entfaltung einer kontemplativen, auf Selbstbildung und Gegenwartsgenuss gestimmten antikischen Ethik. Ähnlich laufen die Fäden zwischen „Wilhelm Meisters Wanderjahren” mit ihrer Prognose des „Maschinenzeitalters” und dem „Faust” bis zu Goethes eigener Gegenwartserfahrung, beispielsweise seiner Zeitungsphobie und Zeitungssucht.
Wer mit einer Kurzversion dieses gewaltigen Panoramas Goethescher Gegenwartserfahrung zufrieden ist, der kann jetzt auf die gut hundert Seiten von Michael Jaegers Essay „Global Player Faust” zurückgreifen. Ganz wie der etwas plakative Titel es ankündigt, hat Jaeger seine Befunde noch einmal ins Aktuelle verschärft: In der Faust-Gestalt entdeckt der katastrophisch gestimmte Leser nun den globalisierten Weltwirtschaftsbürger mit seinem grenzenlosen Gewinnstreben, seiner Phobie vor Andacht – die Glocken der Kirche von Philemon und Baucis treiben ihn zu Raserei – und seinem Widerwillen gegen das selbstgenügsame Kommen und Gehen der Natur, wie es sich im ewigen Wellenschlag jenes Meeres zeigt, das Faust unbedingt eindämmen will. „Und Fluch vor allem der Geduld!” – mit diesem Vers schließt die Kurzversion. Wer ihre Lehre ernst nimmt, wird sich auch die Zeit für die beeindruckendere Langfassung nehmen. GUSTAV SEIBT
MICHAEL JAEGER: Global Player Faust oder Das Verschwinden der Gegenwart. Zur Aktualität Goethes. WJS Verlag, Berlin 2008. 134 Seiten, 18 Euro.
Will Quadflieg als Mephisto 1963 bei den Salzburger Festspielen Foto: Ullstein
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Richtig aufregend findet Thomas Anz diese Lektüre. Wie sollte er auch nicht, schließlich geht es darum, Goethes "Faust" einer Revision zu unterziehen und das in einem pointiert und in blitzendem Stil verfassten Essay. Aufmerksam folgt Anz Michael Jaegers Auslegung und stellt mit dem Autor und in Erinnerung an die Moderne- und Postmoderne-Debatten der 80er und Jochen Schmidts "Faust"-Lehrbuch fest: Faust ist ein wahrhaft Unglücklicher, Inkarnation sämtlicher negativen Momente der Moderne und Goethes Anliegen eine Abrechnung mit derselben. So weit, so toll. Doch dann sieht sich der Rezensent mit Widersprüchen konfrontiert, die ihn an die Problematik antimoderner Kulturkritik gemahnen und an die Vielschichtigkeit von Goethes Begriff der Moderne. Ein "Plädoyer für Entschleunigung", findet er, hat darin Platz, aber auch eine Sympathie fürs Pathologische. Auf einmal erscheint Anz des Autors Blick auf den "Faust" nicht mehr ganz so lupenrein, subjektiv kulturkritisch verzerrt in etwa. Doch darüber, so schließt der Rezensent versöhnlich, lässt sich trefflich streiten.

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