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Wenn vom letzten Jahrhundert die Rede ist, dann widerbesseres Wissen meistens vom 19. Es ist das Jahrhundert, das uns noch so nahe ist, dass es fast den Status einer, je nachdem, liebgewordenen oder verhassten Person besitzt. Immerhin wurde fast alles - Segensreiches und Fürchterliches - mit dem wir uns noch heute in der westlichen Welt herumschlagen müssen, in jener Zeit in Szene gesetzt. Eine Auswahl bietet Joachim Kalka mit seinem Wissen und seinem Talent, scheinbar Entferntes nahe zu rücken, bis es sich fast greifen lässt: Goethe und Schiller, Napoleon und das Unterseeboot, die technische…mehr

Produktbeschreibung
Wenn vom letzten Jahrhundert die Rede ist, dann widerbesseres Wissen meistens vom 19. Es ist das Jahrhundert, das uns noch so nahe ist, dass es fast den Status einer, je nachdem, liebgewordenen oder verhassten Person besitzt. Immerhin wurde fast alles - Segensreiches und Fürchterliches - mit dem wir uns noch heute in der westlichen Welt herumschlagen müssen, in jener Zeit in Szene gesetzt. Eine Auswahl bietet Joachim Kalka mit seinem Wissen und seinem Talent, scheinbar Entferntes nahe zu rücken, bis es sich fast greifen lässt: Goethe und Schiller, Napoleon und das Unterseeboot, die technische Raserei, der Spießbürger, der Spitzel, der Anarchist und der bukolische Antisemit - sie alle grüßen als vertraute und doch unendlich fremde Verwandte hinüber in unser 21.
Autorenporträt
Joachim Kalka, geboren 1948, lebt in Stuttgart. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung verlieh im 1996 für sein Übersetzungswerk den Johann-Heinrich-Voß-Preis und wählte ihn 1997 zum Mitglied. Zahlreiche Übersetzungen für den Berenberg Verlag sowie bisher drei Essaybände. Zuletzt erschien 2012 "Die Katze, der Regen, das Totenreich. Ehrfurchtsnotizen". Angela Gutzeit (Deutschlandfunk) fand das Buch "äußerst elegant und sprachgewandt" und konstatierte begeistert: "Ein großer Lesegenuss!"
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.01.2014

Es findet sich etwas für jeden Geschmack
Napoleon, U-Boote und die Hochzeitstorte der Madame Bovary: Joachim Kalka erkundet das 19. Jahrhundert in einer Folge von „Sammelbildern“
Bismarck soll einmal gestanden haben, dass ihm der Sinn für technischen Fortschritt fehle. Das sei aber kein Mangel für einen Politiker, so sei es auch Napoleon gegangen, der Robert Fulton herauswarf, als dieser ihm von den Möglichkeiten berichten wollte, mit Hilfe neuer Dampfschiffe Truppen nach England überzusetzen. Es ist eine „Anekdotenphantasie“, von der Joachim Kalka in seinem neuen Essayband „Gaslicht. Sammelbilder aus dem 19. Jahrhundert“ schreibt, aber was steckte dahinter? Dass Napoleon Dampfschiff und U-Boot – auch letzteres hatte Fulton in seinem Ideenportefeuille –, abgelehnt haben soll, das versteht Kalka als Ausdruck einer moralischen Geschichtsschreibung wie im klassischen China (er hätte auch hinzufügen können: wie im europäischen Mittelalter): Aufgezeichnet wird, wie die Staatsmänner sich hätten verhalten sollen. Denn die Erfindungen, die Fulton in der Tat den Regierungen Englands und Frankreichs angeboten hatten, wurden von ihm selbst als entsetzlich bezeichnet. Gerade diese Entsetzlichkeit, man kennt die Gedankenfigur, sollte Frieden stiften.
  Das 19. Jahrhundert ist eine Zeit des wissenschaftlichen Optimismus. Doch wird es zugleich immer schwieriger, die technischen Möglichkeiten in ihren sozialen und moralischen Folgen zu begreifen. Kalka zitiert aus den „Letzten Tagen der Menschheit“ von Karl Kraus die Erscheinung des Leonardo da Vinci, der über eine Art von U-Boot, nämlich „meine Art (. . . ) unter dem Wasser zu bleiben“ nichts veröffentlicht „wegen der bösen Natur des Menschen, welche Art sie zu Ermordungen auf dem Grund des Meeres anwenden würden.“ Kalka beendet das Kapitel mit einem Fundstück, zu dem man ihm nur gratulieren kann, einer Mickey-Mouse-Geschichte aus den späten 1930er Jahren. Ein älterer, altmodischer Herr, deutscher Forscher, Erfinder eines fliegenden Autos und Entdecker einer „Energie von unglaublicher Gewalt“ will sein Wissen nicht mit Mickey und dessen Freunden teilen: „I am sure, you can neffer haff mine formula! Der world iss not yet ready form mine invention! It would bring only sorrow . . .  und fighting . . .  und killing!”
  Kalka hat seine Essays zum 19. Jahrhundert „Sammelbilder“ genannt, vermutlich in Abgrenzung zu Dolf Sternbergers Buch „Panorama“. Panorama ist Rundblick, wörtlich übersetzt sogar „Allblick“, da kommen Sammelbilder sehr viel bescheidener daher.
  Kalka zitiert die Goncourts: „Was gibt’s nicht alles in diesem verflixten neunzehnten Jahrhundert! Da findet sich doch, sapristi, was für jeden Geschmack!“ Hat dies Jahrhundert in seinem Vielerlei auch ein Gesicht?
  Wolfgang Menzel wird betrachtet und Balzacs „Frau von dreißig Jahren“: das „Erschauern vor der Altersschwelle“, das die Frau unerbittlich in die Ehe presst. Um Anarchismus und Nihilismus geht es, um das Nichts, das im unanständigen Witz eine so große Rolle spielt und, als Loch in der Kausalkette, mit dem Gespenstergeschichte und Kriminalroman operieren. Kalka verfügt über eine stupende Belesenheit, mit der er frei kombinierend umgeht, das macht großes Vergnügen. Nicht immer muss man ihm zustimmen. Brünnhildes Widerstand gegen Wotan in der „Walküre“ hält er für ein verdecktes Fortwirken des Nibelungenlieds, wo Brünnhilde die heroisch-freie Frau ist, die sich nur Siegfried fügt. Aber damit wird die Grundkonstellation des Rings verwischt. Wotan ist gerade frei, Situationen und Personal zu schaffen. Sind diese aber in der Welt, so fügen sie sich nicht mehr seinem Willen.
  Aber wunderbar wieder Kalkas Deutung der monumental geschmacksverirrten Hochzeitstorte in Flauberts „Madame Bovary“. Sie ist, wie Nabokov sagt, „a pathetic affair in poor taste“. Aber sie ist mehr als das. Sie ist in ihrer Hässlichkeit „etwas Rührendes: Zur Größe Flauberts gehört es, dass er die Torte zugleich als eine Monstrosität zeigt und als einen bewegenden Versuch, mit grotesk untauglichen Mitteln etwas Schönes zu schaffen“. Wie schön und bewegend ist hier die Größe Flauberts bezeichnet und auch ein Zug im Gesicht des 19. Jahrhunderts.
STEPHAN SPEICHER
      
    
    
  
    
Joachim Kalka: Gaslicht. Sammelbilder aus dem 19. Jahrhundert. Berenberg Verlag, Berlin 2013. 168 Seiten, 20 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Gern lässt sich Stephan Speicher von Joachim Kalka das 19. Jahrhundert erläutern. Für belesen genug hält er den Autor, aber auch für fähig, klug zu kombinieren, sodass es den Leser erfreut und bildet. Dass Kalka seinen Essay "Sammelbilder" nennt, findet Speicher schön bescheiden für eine Geschichtsschreibung, in der sowohl Wolfgang Menzel seinen Platz hat, als auch Balzac, Karl Kraus oder eine für Speicher wunderbare Deutung der grotesk geschmacklosen Hochzeitstorte in Flauberts "Madame Bovary". Am Ende scheint das Gesicht des 19. Jahrhunderts dem Rezensenten vertrauter.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.02.2014

Siegen mit Wasser

Der gewiefte Interpret zeigt sich daran, dass er gute Anekdoten zu erkennen weiß. Wie zum Beispiel diese über einen amerikanischen Erfinder, den Napoleon kurz nach der Schlacht von Austerlitz fluchend aus dem Audienzzimmer gejagt haben soll: Der Idiot habe nämlich allen Ernstes behauptet, so die Napoleon zugeschriebene Erklärung an den hinzutretenden Fürsten Metternich, dass er unabhängig von Wind und Flut Truppen nach England bringen könne, und zwar mit Hilfe kochenden Wassers. Robert Fulton, Erfinder des Dampfschiffs und Konstrukteur von Unterseebooten, hatte also kein Glück beim Kaiser der Franzosen. Um zu zeigen, dass in dieser mit ziemlicher Sicherheit erfundenen Anekdote mehr steckt als nur die komische Beschreibung des Imaginationshorizonts, den eine neue Technik überschreitet, müssen freilich einige Verbindungen geschlagen werden: zu den Projekten, die Fulton tatsächlich den französischen (wie auch den englischen) Militärs unterbreitete, und zu der etwas anders gelagerten Geschichte, die Napoleons Entrüstung als Reaktion nicht auf die Lächerlichkeit, sondern auf die Verwerflichkeit dieser Kriegsmaschinen ausweist. Der Übersetzer, Kritiker und Essayist Joachim Kalka ist der Mann, solchen Verbindungen nachzugehen. Bei ihm verknüpft sich Belesenheit selbst noch in entlegenen literarischen Bereichen mit Sinn für Filiationen und Echos von Motiven, die bei ihm Stoff von spielerisch eleganten Essays werden. Ein neuer Band versammelt zehn von ihnen, in denen man anregende Wege von Fulton zu Balzac, von Richard Wagner zu Jack the Ripper oder auch weiter zur Rolle von Tomatensauce in der englischen Küche nehmen kann. (Joachim Kalka: "Gaslicht". Sammelbilder aus dem 19. Jahrhundert. Berenberg Verlag, Berlin 2013. 167 S., geb., 20,- [Euro].) hmay

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