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Der Blick auf China, den dieses Buch enthält, könnte ungewöhnlicher nicht sein: Perry Anderson, einer der brillantesten Zeithistoriker und politischen Philosophen Großbritanniens, erinnert sich an seinen irischen Vater: James Anderson arbeitete von 1914 bis 1941, im von Bürgerkriegen und revolutionären Umbrüchen zerrissenen China, für den chinesischen Hafenzoll. Von den europäischen Mächten unter der Führung der Briten ins Leben gerufen, war dies eine der effektivsten und erstaunlichsten Behörden im Zeitalter des Imperialismus. Perry Andersons verspätete Begegnung mit seinem Vater ist die sehr…mehr

Produktbeschreibung
Der Blick auf China, den dieses Buch enthält, könnte ungewöhnlicher nicht sein: Perry Anderson, einer der brillantesten Zeithistoriker und politischen Philosophen Großbritanniens, erinnert sich an seinen irischen Vater: James Anderson arbeitete von 1914 bis 1941, im von Bürgerkriegen und revolutionären Umbrüchen zerrissenen China, für den chinesischen Hafenzoll. Von den europäischen Mächten unter der Führung der Briten ins Leben gerufen, war dies eine der effektivsten und erstaunlichsten Behörden im Zeitalter des Imperialismus. Perry Andersons verspätete Begegnung mit seinem Vater ist die sehr persönliche Rekonstruktion eines abenteuerlichen Lebenslaufs an der Seite zweier couragierter Frauen, hin- und hergerissen zwischen dem kriegsbedrohten Europa und dem asiatischen Riesenland, das sich zu jener Zeit aus dem Griff des Westens zu befreien begann.
Autorenporträt
Perry Anderson, geboren 1938 in London, lehrt in Los Angeles Geschichte an der University of California. Er ist nicht nur der Verfasser bedeutender Werke zur longue durée der europäischen Geschichte, sondern auch einer der einflussreichsten politischen Essayisten, die Großbritannien nach dem Krieg hervorgebracht hat. Im Berenberg Verlag erschien im Frühjahr 2009 "Nach Atatürk. Die Türken, ihr Staat und Europa". Gustav Seibt schrieb in der Süddeutschen Zeitung: "Endlich bekommen Andersons brillante Essays ihren gebührenden Auftritt in deutscher Sprache". Die taz nannte Anderson den "Mick Jagger der New Left".
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.07.2010

China kontrollieren
Perry Anderson erforscht die
Geschichte seines Vaters
Der Weltblick, mit dem Perry Anderson als Essayist und vergleichender Historiker seine Leser entzückt, hat einen familiären Hintergrund: das britische Weltreich. An einem seiner Außenposten war Andersons Vater, von Abstammung Ire (geboren 1893), 27 Jahre lang beschäftigt, und zwar in China. Dort errichteten die europäischen Mächte im späten neunzehnten Jahrhundert eine riesige, das ganze Land überwachende Zollbehörde, die der schwachen Zentralregierung dienen sollte, aber ebenso die Kontrolle Chinas durch Europa sicherte. An diesem „Chinese Maritime Customs Service“ (CMC), waren bis in den Ersten Weltkrieg auch Deutsche und Österreicher beteiligt. Aber die Federführung lag bei den Briten.
Wer dort arbeitete, kam in alle Ecken des Landes, an die Grenzen im Norden, auf die Inseln im Süden vor Hongkong, tief ins Landesinnere, den Flussläufen folgend. Die Aufgabe war es, Außen- und Binnenhandel zu kontrollieren, moderat abzuschöpfen und das Geld der chinesischen Regierung zu überweisen.
Doch bald wechselten die Regierungen, der lange Bürgerkrieg in China brach aus, Japan eroberte die nördlichen Provinzen, die Vereinigten Staaten griffen ein, örtliche Warlords behaupteten eigene Felder, bis am Ende Maos Kommunisten siegten, nicht ohne dass der CMC Ende 1949 im Auftrag von Tschiang Kai-scheck sämtliche Edelmetallreserven des Landes nach Taiwan verschifft hätte – damals wurde die halbkoloniale Behörde schon von einem Amerikaner geleitet.
Perry Andersons Vater hatte von 1914 bis 1941 beim CMC bald führende Positionen inne, und sein 1938 in zweiter Ehe geborener Sohn hat nun, in einem berührenden Vorgang nachträglichen Kennenlernens, aus den Akten der Behörde – 57000 Bände –, die auch die dienstliche Korrespondenz von James Anderson enthalten, eine abenteuerliche Geschichte gemacht: halb chinesisch, halb europäisch, mit literarischer Nebenhandlung, denn James Andersons erste Frau war die Schriftstellerin Stella Benson, deren Romane im damaligen China angesiedelt waren. Wir lernen einen verwegenen und beweglichen Menschen kennen, vom Schlag derer, mit denen man die Welt erobern kann.
Das Ineinander von Epochen und Völkern und Gesellschaften, das sich dabei entfaltet, ist sinnverwirrend. Die Chinesen bleiben zunächst Statisten, bis am Ende der Blick ihres europäischen Verwalters voller Bewunderung auf sie fällt: Sie haben die bemerkenswerte Fähigkeit, in Kriegszeiten „aus einer Literflasche zehn Liter herauszubekommen“.
GUSTAV SEIBT
PERRY ANDERSON: Eine verspätete Begegnung. Geschichte meines Vaters in China 1914-1941. Aus dem Englischen von Matthias Fienbork. Berenberg Verlag, Berlin 2010. 79 Seiten, 19 Euro.
Wir lernen einen verwegenen
und sehr beweglichen
Menschen kennen
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Perry Andersons Rekonstruktion der Zeit seines Vaters als hochrangiger Angestellter der britischen Zollbehörde in China von 1914 bis 1941 hat Gustav Seibt nicht nur als berührende Suche nach dem früh verstorbenen Vater gelesen. Zudem ist sie die höchst interessante und abenteuerliche Biografie eines "verwegenen" Mannes und gibt Einblick in die bewegte Geschichte des von Krieg und Bürgerkrieg geschüttelten Chinas und den europäischen Aktivitäten dort, lobt der Rezensent.

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