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Werner Mittenzwei, dessen Buch Die Intellektuellen. Literatur und Politik in Ostdeutschland 1945 - 2000 monatelang die Feuilletons beschäftigt und die Debatten um die Mentalitätsgeschichte der Intelligenz bestimmt hat, begibt sich in seinem neuen Werk auf einen Gang durch ein extremes Zeitalter, die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er begegnet Ideen und Personen, beschreibt deren Spielräume und Schicksale, forscht Verhaltensmustern nach und entwirft auf diese Weise ein facettenreiches Bild von der Geschichte einer ebenso bindungsfreudigen wie tragischen Generation. Mittenzweis Buch ist…mehr

Produktbeschreibung
Werner Mittenzwei, dessen Buch Die Intellektuellen. Literatur und Politik in Ostdeutschland 1945 - 2000 monatelang die Feuilletons beschäftigt und die Debatten um die Mentalitätsgeschichte der Intelligenz bestimmt hat, begibt sich in seinem neuen Werk auf einen Gang durch ein extremes Zeitalter, die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er begegnet Ideen und Personen, beschreibt deren Spielräume und Schicksale, forscht Verhaltensmustern nach und entwirft auf diese Weise ein facettenreiches Bild von der Geschichte einer ebenso bindungsfreudigen wie tragischen Generation.
Mittenzweis Buch ist keine DDR-Geschichte, keine Geschichte einer der Teilung ausgesetzten deutschen Provinz, sondern es konzentriert sich auf ein Leben in der Geschichte, gesehen durch ein besonderes Temperament. Sein Buch ist gewissermaßen eine Autobiographie als "gelebtes Denken", das zu keinem Endpunkt führt. Ein großer kulturkritischer Entwurf.
Autorenporträt
Werner Mittenzwei, geboren 1927, war Literatur- und Theaterwissenschaftler in Bernau und Herausgeber der Großen kommentierten Berliner und Frankfurter Ausgabe der Werke Bertolt Brechts. Herausragend sind auch seine Beiträge zur Exilforschung. Werner Mittenzwei vestarb 2014.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.06.2005

Im Räderwerk des Sozialismus
Selbstumkreisung: Die Erinnerungen des Literaturwissenschaftlers Werner Mittenzwei
Scheiden Wissenschaftler aus dem aktiven Arbeitsleben aus, hängen sie ihren Beruf nicht gleich an den Nagel. Der Blick richtet sich nach vorn. Auf die eigenen Bücher, die da noch kommen. Und, wenn sie prominent genug sind, auf die Bücher, die vielleicht über sie geschrieben werden könnten. So mancher mag da nicht lange warten und schreibt sich selber die Geschichte eigener Bedeutsamkeit. So etwas wie eine Autobiographie.
Werner Mittenzwei, einer der bekanntesten Literatur- und Theaterwissenschaftler der DDR, legt mit „Zwielicht” ein neues Buch vor. Es ist auch so etwas wie eine Autobiographie. Allerdings verspricht der Klappentext, hier sei ein „großer kulturkritischer Entwurf” gelungen. Nun sind Lebenserinnerungen generell nicht nur ein Teil der schönen Literatur. Sie schreiben die Geschichte eines Menschen fest, dessen Erinnerung und Wert in der Gegenwart zu entschwinden droht. Mittenzwei, Jahrgang 1927, will seinen Lesern aber auch ein „facettenreiches Bild” einer „ebenso bindungsfreudigen wie tragischen Generation” vorstellen.
Da sind die Erwartungen groß. Erst 2001 hat der Verfasser mit „Die Intellektuellen” ein leidenschaftlich diskutiertes Buch vorgelegt, in dem er anhand der Biographien ostdeutscher Schriftsteller und Wissenschaftler das Verhältnis zwischen der intellektuellen und politischen Elite der DDR illustrierte. Jetzt das Versprechen auf das Bild der Generation, der Mittenzwei selber angehört.
Detailliert schildert er seinen beruflichen Werdegang seit 1945. Unter den zahlreichen Hinweisen auf Künstler und Wissenschaftler, deren Arbeiten Mittenzwei beeinflusst haben, erhalten Georg Lukács, Bertolt Brecht und Hans Mayer einen besonderen Status. Privates berichtet der Verfasser eher am Rande. Über zeithistorische Zäsuren wie den 17. Juni oder den Mauerbau, beides zentrale Erfahrungen für die Generation, deren Geschichte er erzählen möchte, berichtet er mit Chronistenpflicht.
Umfassender schildert Mittenzwei Geschichte und Entwicklung wissenschaftlicher Einrichtungen, etwa des von ihm 1969 begründeten Zentralinstituts für Literaturgeschichte, oder seine Mitwirkung an Publikationsvorhaben wie der Maßstäbe setzenden Brecht-Ausgabe, einer deutsch-deutschen Gemeinschaftsleistung.
Irgendwo in dieser Fülle des erinnerten Materials, das vor dem Leser als Generations- und Lebensgeschichte auslegt wird, verliert Mittenzwei die Gegenwart und das Ziel seiner Darstellung aus den Augen. Seine Erinnerungen an Projekte, Aufgaben und Pläne sind akribisch, doch treten das Biographische und Autobiographische hinter das wissenschaftlich Erreichte zurück.
Literaturproduktion und Literaturwissenschaft werden bis in die Jahre der Wende immerhin als Prüfsteine deutlich, die erkennen lassen, wie weit Politik, Wissenschaft und Kultur sich wechselseitig in den Dienst nahmen und zugleich begrenzen konnten. Hier werden noch Differenzierungen deutlich, aber Mittenzwei gibt sie auf, sobald er die Schwelle der neunziger Jahre erreicht. Statt des Neuen steht das Alte im Mittelpunkt, nun unter dem Vorzeichen des Verlusts.
Der geringe Stellenwert, den Mittenzwei dem Heute beimisst, offenbart sich in dem Platz, den er ihm im Buch einräumt. Ist die Zeit der zwei Jahre zwischen den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs und seinem Eintritt in die SED 1946 auf mehr als fünfzig Seiten behandelt, erhält die Darstellung der letzten Jahre der DDR bis hin zur Gegenwart knappe zwanzig Seiten mehr. Hier dominiert eine Faszination für den Mythos der guten Anfänge der DDR, die bereits in „Die Intellektuellen” zur Schieflage der Gesamtdarstellung beitrug.
Hauptsache Akademiemitglied
Die Akribie der Darstellung, mit der „Zwielicht” beginnt, weicht pauschalen Charakterisierungen der Situation ostdeutscher Intellektueller in den Jahren nach der Wende. Für Mittenzwei wird der gesamtdeutsche Diskurs über die DDR vor allem in einer unsachlichen „Diskriminierungsliteratur” geführt, die Vergangenheitsbewältigung blockiert. Neuere Richtungen in der DDR-Biographik und Autobiographik, die west- und ostdeutsche Leser gleichermaßen zu einem Nachdenken über ihre unterschiedlichen Lebensläufe vor und nach der Vereinigung anregen, scheint er nicht zur Kenntnis genommen zu haben. DDR-Literatur sieht er in die „Schmuddelecken” gestellt. Die neunziger Jahre sind sein „Winter der Enttäuschung”. Mittenzwei reicht dieses Urteil, er schaut beim Schreiben nicht mehr auf.
Wäre Mittenzweis Buch zehn Jahre früher erschienen, nicht nur optisch hätte es kaum unterschieden werden können von den Selbstdarstellungen anderer Vertreter der DDR-Eliten. Der Diktion und den Deutungsmustern dieser Texte ist er so verbunden, dass er ohne zu Zögern Gorbatschow als „Marionette der westlichen Diplomatie” bezeichnet. Dieses Detail zeigt, wie wenig Mittenzwei für diejenigen seiner ehemaligen Mitbürger und heutigen Leser schreibt, die nicht Teil der Elite waren. Verbindet sich diese Bewertung in den Selbstrechtfertigungen von Honecker und politischen Getreuen doch stereotyp mit der Implikation, die DDR sei nicht von ihrem Volk aufgegeben worden, sondern vom Westen gescheitert worden. Da sieht es rasch so aus, als müssten sich kritische Ostdeutsche, die 1989 für eine Veränderung der Gesellschaft auf die Straße gingen, fragen, ob sie vor Mittenzweis Hohn nur dann sicher sind, wenn sie Mitglieder der Akademie der Wissenschaften waren.
Es wäre nicht Werner Mittenzwei, würde er sich begnügen, das eigene Leben zum Gegenstand seines Schreibens zu machen. Es geht bei ihm nicht unter dem Anspruch eines großen kulturkritischen Entwurfs und vor allem geht es nicht unter fünfhundert Seiten. Doch wo werden Erinnerungen, die gerade einmal so in der Gegenwart ankommen, zum zukunftsoffenen Projekt? Wo stiftet der sprachliche Wechsel vom „Ich” zum „Wir”, wenn Mittenzwei tatsächlich einmal über seine Generation schreibt, eine Gemeinschaft mit den Lesern?
Man liest ein Buch von höchster inhaltlicher Genauigkeit, und doch beschleicht einen das Gefühl, man würde etwas versäumen. Nach dem Kontroversen um „Die Intellektuellen” hat sich Mittenzwei mit dieser Veröffentlichung etwas Ruhe verordnet.
Dieses Buch ist Dokument und Ausdruck einer Wahrnehmung, die keine Anknüpfung mit der Gegenwart mehr sucht und kein Publikum mehr einfordert. Betroffen beobachtet man eine tragische Selbstumkreisung, die man sich und dem Autor gerne ersparen würde. Es ist bitter, dass Mittenzwei nichts Neues und Streitbares anzubieten hat. Ein kulturkritischer Entwurf ist es nicht geworden, dazu fehlt ihm die Distanz zu seiner Zeit. So bietet er nur Miniaturen von Menschen, die Literatur und Theater gemacht haben. Von Leuten, die wie er am Hebel saßen. Die Generation aber, die sich im Räderwerk der Zeitgeschichte aufgerieben hat, bleibt von ihm unbeachtet.
Doch da setzt sich seine Frau Ingrid an den Computer und schreibt ein lebendiges Kapitel, ein Fremdkörper inmitten dieser pedantischen Festschrift. Sie schreibt über die Familie und ihre eigenen beruflichen Kämpfe und Erfolge. Von Mittenzwei zur Abrundung seiner Darstellung aufgenommen, zeigen diese lesenswerten Seiten, wie sehr der restliche Text die Distanz zum Leser wahrt. Ingrid Mittenzwei umreißt in wenigen temporeichen Abschnitten ein Leben, das einen Menschen zeigt, eine Persönlichkeit. Da ist ein Puls spürbar, der einen Einklang ermöglicht, die Leser am Geschehen beteiligt. Man wünscht sich, dass die Biographin von Friedrich II. das Leben ihres Mannes beschrieben hätte. Ein Buch dieser Art hätte der vollmundige Klappentext besser gekleidet.
STEFAN ZAHLMAN
WERNER MITTENZWEI: Zwielicht. Auf der Suche nach dem Sinn einer vergangenen Zeit. Faber und Faber, Leipzig 2004, 486 Seiten, 29,70 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Stefan Zahlmann findet die Lebenserinnerungen des ehemals "bekanntesten Literatur- und Theaterkritikers" der DDR, Werner Mittenzwei, enttäuschend und sieht das Versprechen des Klappentexts, hier werde gleichzeitig ein "großer kulturkritischer Entwurf" vorgelegt, nicht eingelöst. Während der Autor über seine berufliche Entwicklung nach 1945 und über berufliche "Projekte, Aufgaben und Pläne" geradezu "akribisch" Auskunft gibt, behandelt er historische Zäsuren wie den 17. Juni oder den Mauerbau nur aus Pflichtschuldigkeit, meint der Rezensent. Auch das Ende der DDR wird eher knapp beschrieben und hier stehen die Erinnerungen vor allem unter den "Vorzeichen des Verlusts", so Zahlmann, der findet, dass spätestens hier die anfängliche Genauigkeit der Biografie allzu pauschalen Urteilen über die "Situation ostdeutscher Intellektueller" nach der Wende weicht. Mittenzwei scheint die "neueren Richtungen in der DDR-Biografik und Autobiografik" gar nicht wahrgenommen zu haben, beschwert sich der Rezensent. Er kritisiert, dass dieser Band weniger ein "kulturkritischer Entwurf" als eine "tragische Selbstumkreisung" geworden ist, in der der Autor "nichts Neues und Streitbares" präsentiert. Und so lässt das wie ein "Fremdkörper" in diesen Erinnerungen erscheinende, äußerst "lebendige" Kapitel, das Mittenzweis Frau Ingrid über die Familie und ihren eigenen beruflichen Werdegang geschrieben hat, den unzufriedenen Rezensenten wünschen, Ingrid Mittenzwei hätte es übernommen, die Biografie ihres Mannes zu schreiben.

© Perlentaucher Medien GmbH
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