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In seinem Roman "Die schwarze Wand" schildert Carl-Henning Wijkmark ein bedrohliches Schweden im Jahre 2009, das den Hintergrund für seine persönliche Erkundungsreise bildet. Leo Kyllén ist auf der Suche nach seinem Ursprung. Dabei stößt er auf Ereignisse seiner Kindheit, die die Grundlage seiner Existenz erschüttern. Die Erzählung ist von einer mythischen Schicht untermalt. Zukunft und Vergangenheit begegnen sich in einem Maskenspiel alter und neuer Götter: Ragnarök und Disneyland.

Produktbeschreibung
In seinem Roman "Die schwarze Wand" schildert Carl-Henning Wijkmark ein bedrohliches Schweden im Jahre 2009, das den Hintergrund für seine persönliche Erkundungsreise bildet. Leo Kyllén ist auf der Suche nach seinem Ursprung. Dabei stößt er auf Ereignisse seiner Kindheit, die die Grundlage seiner Existenz erschüttern. Die Erzählung ist von einer mythischen Schicht untermalt. Zukunft und Vergangenheit begegnen sich in einem Maskenspiel alter und neuer Götter: Ragnarök und Disneyland.
Autorenporträt
Carl-Henning Wijkmark, geboren 1934 in Stockholm, studierte Literaturgeschichte und Philosophie in München und Lund. Er arbeitete zunächst als Kulturjournalist und übersetzte u.a. Benjamin, Nietzsche und Lautréamont. Seit den siebziger Jahren ist ein umfangreiches Prosawerk entstanden, das international große Beachtung findet. Auf deutsch wurden bei Gemini folgende Romane veröffentlicht: Der du nicht bist, Schwarze Wand und Letzte Tage. Seine Satire Der moderne Tod erregte wegen seines prophetischen Zynismus großes Aufsehen in Deutschland.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.09.2004

Der letzte Schären-Cowboy
Fjord im Futur: Carl-Henning Wijkmark sieht für Schweden schwarz

Eigentlich ein idyllisches Bild, wie man es am schwedischen Südstrand bei Simrishamn alle Tage erleben kann: Ein Mann paddelt mit seinem Kajak durch die schwache Brandung zur Küste und geht an Land. Carl-Henning Wijkmarks Roman "Die schwarze Wand" beginnt so friedlich, daß man schon gleich ahnt: Hier stimmt etwas nicht.

Seine Hauptfigur, der aus Kanada kommende Leo Kyllén, hat diese unorthodoxe Art der Einreise in seine alte Heimat gewählt, weil das Schweden des Jahres 2009 nur noch wenig gemein hat mit dem kontrollierten, ordentlichen Staat von heute. Vom der Demographie ermuntert und durch den Verfall des spätkapitalistischen Staates der Verfolgung ledig, suchen osteuropäische Piratenbanden mit schweren Motorbooten die Küsten heim. Plünderungen, illegale Einreise, Drogenschmuggel haben die verbliebenen Schweden zur Flucht oder zum Verbarrikadieren gezwungen. Die Gemütlichkeit der wilden Küstenlandschaft Schonens war also nur Fassade - ganz wie in Henning Mankells Wallander-Krimis, die auch im vermeintlich satten und langweiligen Schonen angesiedelt sind.

Wijkmark, Jahrgang 1934 und renommierter homme de lettres aus Stockholm, räumt in diesem Science-fiction-Roman über die nahe Zukunft gründlich mit dem sozialdemokratischen "Volksheim" auf: Das Schweden, in das Kyllén kommt, ist vom hergebrachten Politiker- und Industriellenklüngel, der sich im Rumpf-Stockholm immer noch gemütlich einrichtet, zugrunde gerichtet worden. Die verängstigten Bürger tragen als neueste Mode Mickey-Mouse-Masken und sprechen nur mehr ein amerikanisiertes Rumpfschwedisch. Es gibt nicht mehr genug Strom, und die Menschen auf dem Land fallen notgedrungen auf die Selbstversorgung zurück. Und doch hat der Auswanderer gute, urmenschliche Gründe für die Rückkehr zu den Wurzeln: Er sucht seine Identität, seine unbekannte Mutter, die Wahrheit über seine Herkunft aus den Wirren des Zweiten Weltkriegs, die ihm sein inzwischen verstorbener Vater, ein griechischer Diplomat, vorenthalten hat.

Wijkmark schildert diese Heimkehr wie eine lange Kamerafahrt, mit ruhigen, lakonischen Beschreibungen der Müll- und Schrottplatzlandschaft, die sich auch ein filmender Mystiker wie Tarkowski als Kulisse hätte suchen können. Der todkranke Krebspatient Kyllén, der auf einen zerlumpten Sonderling, auf die attraktive und geheimnisvolle Nachbarin Paula trifft, landet bald über Vermittlung eines nicht minder sinistren Journalisten, eines Schulfreundes, in Stockholm. In der Pension Sirell in der Tyskbagargata hat sich vor über sechzig Jahren sein Vater aufgehalten, hat hier sogar noch für den Sohn geheime Botschaften hinter den Türbeschlägen hinterlassen. Hier liegt das Geheimnis von Kylléns Herkunft verborgen.

Für Uneingeweihte wird die Geheimdienstintrige aus der Nazizeit spätestens dann etwas verwirrend, als sich unser Held zu letzten Zeitzeugen nach Finnland aufmacht, wo die Verhältnisse etwas gemütlicher geblieben sind. Als wäre nicht schon diese Verklärung Finnlands für das schwedische Publikum Provokation genug, rüttelt Wijkmark mit alttestamentarischer Wucht an den Fundamenten des Volksheims: "Der Urvater Per Albin, der langjährige Landesvater Erlander, der Sozialreformator Möller dürfen nicht bloßgestellt werden durch die Kriegspolitiker gleichen Namens, die den Juden die Tür verschlossen und norwegische Widerstandskämpfer ausgeliefert haben."

So gerät der Roman zu einer eigentümlichen Mischung aus gleichzeitiger Historien- und Zukunftsphilippika. Dazu kommt dann noch ein Touch von Strindberg, wenn die sehr schwedische Psycho-Abrechnung mit dem Bruder - naturgemäß ein bigotter Protestanten-Bischof - und der Mutter - naturgemäß niemand anders als die uralte, reichlich desinteressierte Betreiberin der Pension - naht. Solchen sehr intimen Verwicklungen eignet lange nicht der Reiz der kargen wie unerbittlichen Gesellschaftskritik Wijkmarks, die angesichts der bedrohten europäischen Idylle durchaus bedenkenswert wäre. Was die Suche nach den Wurzeln im Appeasement-Schweden der Nazizeit angeht, so wäre das vielleicht besser Stoff für einen anderen Roman gewesen, der sich zwischen Zukunft und Vergangenheit klarer hätte entscheiden können.

Am Ende hat Kyllén seine biographische Wirrnis geklärt und ist, wie immer in solchen Fällen, durch das Schließen des Kreises auch nicht glücklicher geworden. Die Herbheit der persönlichen Erfahrung von Vergeblichkeit und die mitleidlose Landschaftsschilderung lassen den Leser unwillkürlich an Ingmar Bergman denken, nur daß Wijkmark die kollektive wie individuelle Katastrophendosis mit diesem schroffen Buch vielleicht etwas zu hoch bemessen hat.

Mit seinem einstmals so schönen Schweden, das nun auch noch von einem havarierenden dänischen Kernkraftwerk verseucht wird, ist unser Held - man kann nur hoffen: anders als der zürnende Autor - gründlich fertig. Die Prophezeiung, daß es irgendwann die wurschtigen Dänen sein werden, die dem Vaterland den Rest geben, dürfte die schwedische Leserschaft beinahe wieder versöhnen. Zur Ausreise nimmt unser einsamer Schären-Cowboy, wie könnte es anders sein, das Kajak Richtung offenes Meer: "Das Ende", so lautet der letzte Satz, "wird gut."

DIRK SCHÜMER

Carl-Henning Wijkmark: "Die schwarze Wand". Roman. Aus dem Schwedischen übersetzt von Alken Bruns. Gemini Verlag, Berlin 2003. 318 S., geb., 24,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Für Dirk Schümer stellt sich der Roman des schwedischen Autors Carl-Henning Wijkmark als "eigentümliche Mischung aus gleichzeitiger Historien- und Zukunftsphilippika" dar und so ganz überzeugt ist er von dem Ergebnis nicht. Geschildert wird die Rückkehr des schwedischstämmigen Kanadiers Leo Kyllen ins Schweden von 2009, wo er nach seiner ihm unbekannten Mutter und damit nach seiner "Identität sucht", fasst der Rezensent zusammen. Dabei hat dieses Schweden der nächsten Zukunft nichts mehr mit dem "sozialdemokratischen Volksheim" unserer Tage zu tun, sondern zeigt sich als politisch, sozial und ökologisch vollkommen zerrüttetes Land, erklärt der Rezensent. Bei ihm evoziert das Buch viele Vergleiche, von den endzeitlichen Kulissen eines Tarkowski bis zu einem "Touch Strindberg". Allerdings findet er die "Geheimdienstintrige aus der Nazi-Zeit", die sich in dem Roman nach und nach entrollt, ziemlich verwirrend. Außerdem ist für seinen Geschmack die "kollektive wie individuelle Katastrophendosis" doch etwas heftig und Schümer hätte sich gewünscht, der Autor hätte sich zwischen Historien- und Science-Fiction-Roman klarer entschieden. Vielleicht wäre es überhaupt "besser" gewesen, Wijkmark hätte aus diesem Buch zwei Romane gemacht, denn die "Gesellschaftskritik", die so vielleicht etwas untergeht, findet der Rezensent "durchaus bedenkenswert".

© Perlentaucher Medien GmbH
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