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Wo ist Solomon Gursky? Der versoffene Schriftsteller Moses Berger macht sich auf die Suche nach dem legendären Spross einer jüdischen Immigrantenfamilie, der angeblich bei einem Flugzeugunfall ums Leben kam, just als er sich vor Gericht verantworten musste. Jeder weiß, dass das milliardenschwere Firmenimperium der Gurskys auf den Alkoholschmuggel zurückgeht. Und niemand wird leugnen, dass der Aufstieg der Familie Bestechung, Lügen und Intrigen geschuldet ist. Aber warum ist es so schwer, Genaueres über den Verbleib von Solomon Gursky herauszufinden, obwohl dieser auch nach seinem…mehr

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Produktbeschreibung
Wo ist Solomon Gursky? Der versoffene Schriftsteller Moses Berger macht sich auf die Suche nach dem legendären Spross einer jüdischen Immigrantenfamilie, der angeblich bei einem Flugzeugunfall ums Leben kam, just als er sich vor Gericht verantworten musste. Jeder weiß, dass das milliardenschwere Firmenimperium der Gurskys auf den Alkoholschmuggel zurückgeht. Und niemand wird leugnen, dass der Aufstieg der Familie Bestechung, Lügen und Intrigen geschuldet ist. Aber warum ist es so schwer, Genaueres über den Verbleib von Solomon Gursky herauszufinden, obwohl dieser auch nach seinem vermeintlichen Tod bei vielen Ereignissen von historischer Tragweite markante Spuren hinterlässt? Mordecai Richlers fulminante Familiensaga setzt mit den Abenteuern von Großvater Ephraim Gursky ein, der 1851 als Gründer einer millenarischen Sekte bei den Eskimos zu Ruhm und Ehre kommt, und spannt den Bogen über mehrere Generationen hinweg in die heutige Zeit, wo sich seine Enkel um das Familienerbe balgen. Mit 'Solomon Gursky war hier' liegt Mordecai Richlers berühmtester Roman endlich wieder auf Deutsch vor.
Autorenporträt
Mordecai Richler, als Sohn eines Schrotthändlers 1931 in Montreal geboren, ist einer der meistgelesenen Gegenwartsautoren Kanadas. Nach einem abgebrochenen Literaturstudium lebte er einige Jahre als freier Schriftsteller und Kolumnist in Paris, bevor er sich in London niederließ. Anfang der siebziger Jahre kehrte er in seine Heimatstadt zurück, wo er bis zu seinem Tod im Jahre 2001 lebte. Zu seinen Werken zählen neben »Die Lehrjahre des Duddy Kravitz« die Romane »Der Traum des Jakob Hersch« und »Wie Barney es sieht«. Für »Solomon Gursky war hier« wurde Mordecai Richler 1990 mit dem renommierten Commonwealth Writers Prize ausgezeichnet.
Rezensionen
"Ein großartiges Werk und das kühnste Buch, das Richler schrieb." -- Brigitte Helbling, WELT AM SONNTAG

"Ein furioser Roman, eine ausgreifende, hochkomische Satire." -- Thomas Leuchtenmüller, NEUE ZÜRCHER ZEITUNG

"Endlich wurde Mordecai Richlers göttlicher Roman wieder aufgelegt." -- Mathias Schnitzler, BERLINER ZEITUNG

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.05.2011

Warum gehst du nicht in dein Büro und löst Kreuzworträtsel?

Was Jakob und Esau noch zu klären hatten: Mordecai Richlers hinreißendes Porträt eines kanadischen Spirituosen-Clans "Solomon Gursky war hier" ist wiederzuentdecken.

Wer nach Kanada will, muss Punkte sammeln. Die Einwanderungsbehörden schätzen Hochschulabschlüsse, hervorragende Englischkenntnisse, Berufserfahrung und eine sichtbare Integrationsbereitschaft. Zwischen neunzehn und 49 Jahren sollte der Bewerber sein, jedoch keinesfalls älter als 53, damit ihn sein Land der unbegrenzten Aufstiegschancen willkommen heißt, kurz: im produktions-, reproduktions- und konsumfähigen Alter. Das in europäischen Einwanderungsdebatten regelmäßig angeführte kanadische Punktesystem gilt vielen schon deshalb als vorbildlich, weil die Kanadier pragmatisch festlegen, wen ihr Land gebrauchen kann und wen nicht. Ephraim Gursky zum Beispiel hätte man wohl nicht hereingelassen.

"Der Mann behauptete, Amerikaner zu sein, redete jedoch in der Mundart eines Cockney und lebte wie ein Eingeborener, obwohl er Latein beherrschte und eine Bibel mit sich herumtrug." Als illegaler Passagier und angeblich einziger Überlebender der legendären Franklin-Expedition von 1845, die auf der Suche nach der Nordwestpassage im Packeis verschollen ging und der Forschung bis heute Rätsel aufgibt, ist Ephraim der Urahn einer einflussreichen kanadischen Schnaps-Dynastie. Für sie dürfte schlüsselromanhaft die bekannte Familie Bronfman Pate gestanden haben, Herrscherin über die real existierende Whiskey-Marke Seagram's. Vom Aufstieg und Fall einer Spirituosen-Mischpoke handelt "Solomon Gursky war hier".

Das Buch erschien 1989 zuerst in Kanada, kurz darauf in Deutschland und ist jetzt im Rahmen einer Gesamtausgabe bei Liebeskind neu erschienen. Es lohnt sich, den 2001 verstorbenen Kanadier wiederzuentdecken. Zum einen, weil dieser nördlich von Philip Roth und Jonathan Franzen gelegene Standpunkt selten genug in der zeitgenössischen Literatur vertreten wird. Zum anderen, weil sich dem Leser eine Welt auftut, die so schrill und neurotisch ist wie sonst nur bei Woody Allen. Es ist eine Welt, die von den verpassten und ergriffenen Chancen der Immigranten handelt, von Montreals ärmlichem Stadtteil St. Urbain, in dem auch der Autor Mordecai Richler als Sohn orthodoxer Juden aufwuchs und von wo aus er mit Ende zwanzig die Flucht nach Europa ergriff. Doch irgendwann kam er zurück und wurde zum Chronisten des jüdischen Lebens in der Provinz Quebec. Berüchtigt für seine gallige Kritik an sämtlichen Bevölkerungsgruppen machte er sich gleichzeitig unbeliebt bei Frankokanadiern, deren Unabhängigkeitspläne er verurteilte, anglophonen Snobs, deren Reichtum er geißelte, sowie der Orthodoxie, die ihm jüdischen Selbsthass vorwarf. Und gerade weil er sich bei so vielen unmöglich gemacht hatte, begann die literarische Gemeinde ihn umgekehrt proportional zu seiner Skandalisierung zu lieben.

In "Solomon Gursky war hier" entwirft Richler die ins Satirische verzerrte Genealogie des kanadischen Judentums. Ephraim, wie sich herausstellen wird, ein englischer Kleinkrimineller, Hochstapler und falscher Prophet der selbst gegründeten Millenarier-Sekte, hinterlässt auf seinem Weg von den Liverpooler Kohlengruben bis zu den kanadischen Eskimo jede Menge außereheliche Nachkommen. Vor allem die Söhne des Krämers Aaron - Ephraims Enkel Solomon, Bernard und Morrie - werden die späteren kanadischen Filialstämme Israels anführen und ihre Mitglieder mit sagenhaftem Reichtum an die Spitze des Landes führen. McTavish Distillers heißt das milliardenschwere Unternehmen, dessen Leitung sich seit der Prohibitionszeit die drei Gursky-Brüder teilen - bis zum Tag, an dem Solomon auf Nimmerwiedersehen verschwindet. Stellvertretend für den Gursky-Clan wurde ausgerechnet dem Sonnyboy der Familie der Prozess gemacht: wegen Alkoholschmuggels, Beamtenbestechung, und weil Solomon jemanden umgebracht haben soll. Kurz darauf stirbt er selbst beim Absturz eines Flugzeugs, in das er zuvor von seinem Bruder Bernard gesetzt wurde. Oder etwa nicht?

Richler erzählt die alttestamentarische Geschichte von Jakob und Esau noch einmal neu. Sie handelt von Eifersucht und Bruderverrat, davon wie Solomon zwar nicht das Familienvermögen für ein Linsengericht verkauft, es jedoch beim Pokern als Pfand einsetzt. Morrie ist der notorische Loser des Trios, der sich nach Solomons Verschwinden vom hundsgemeinen Bruder Bernard demütigen lässt: "Hör zu, warum gehst du nicht in dein Büro und löst ein Kreuzworträtsel, mit dem ich doppelt so schnell fertig wäre wie du?" Keiner wird glauben, dass ausgerechnet der geschundene Kesselflicker am Ende der lachende Dritte ist.

Doch dies sind nur die Probleme einer Generation. Bereits deren Kinder, die in den sechziger Jahren jung sind, verheben sich an ihrem Erbe. Dekadenz und Fanatismus sind die Folgen eines unfassbaren Reichtums, der die junge Generation zu nichts inspiriert und sie neben dem sagenhaften Werdegang ihrer Väter in jeder Hinsicht banal erscheinen lässt. Macallan Single Highland Malt, Glenfiddich, Glenlivet, Labatt und Greysac-Cognac: So heißen die besten Freunde des in jeder Hinsicht unzuverlässigen Erzählers. Moses Berger ist besessen von der Idee, das Mysterium um den verschollenen Solomon zu lösen, der - tot oder lebendig - in alle weltpolitischen Ereignisse der Zeit verstrickt zu sein scheint, von Maos Langem Marsch bis hin zu Watergate. Bergers Vater hatte seine eigenen literarischen Ambitionen einst an Bernard Gursky verkauft, indem er dessen serviler Redenschreiber wurde. Die schriftstellerische Karriere seines eigenen Sohns weiß er, eifersüchtig wie ein griechischer Gott, zu verhindern. Auch Moses steht nun im Bann des kapitalistischen Monsters, dabei stets auf der Suche nach einer belastbaren Vaterfigur.

Frauen kommen in diesem Generationenporträt nur als Souffleusen ihrer ehrgeizigen Männer vor. "Die Moffats schauen zu unserem Tisch herüber. Bestell Kaviar", befiehlt Becky ihrem Harvey, der es bei McTavish zu einem erklecklichen Vermögen gebracht hat. Nun kann man dem Roman aufgrund der merkwürdigen Abwesenheit der Frauen einen Mangel an psychologischer Einfühlung vorwerfen. Alle kommen in diesem Fegefeuer der Eitelkeiten gleich schlecht weg, wirken in ihrer Flegelhaftigkeit grotesk überzeichnet und es scheint, als sei das genau so gewollt. Richler trägt nach dem Vorbild jüdischer Anekdotenkunst so dick auf wie jemand, der einen Witz zum Besten gibt. Mit wenigen expressionistischen Pinselstrichen gelingen ihm Charakterisierungen, die einen fast alles über die Figur verstehen lassen, obwohl man kaum etwas über sie erfahren hat.

Dass alle ihr Fett abbekommen dient nur der satirischen Abrundung des aberwitzigen Generationenporträts, an dessen Ende der einzige Enkel in einem kannibalischen Akt den eigenen Vater verspeist. Womöglich wird er ihn eines Tages auch verdauen. Richler lässt uns mit dieser Aussicht und einem Buch allein, das von schwachen Männern handelt und dem Versuch, ihr heikles Erbe an die Söhne weiterzugeben. Es ist eine alte jüdische Geschichte.

KATHARINA TEUTSCH

Mordecai Richler: "Solomon Gursky war hier". Roman.

Aus dem Englischen von Hartmut Zahn, Carina von Enzenberg. Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München 2011. 644 S., geb., 24,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Eine alte jüdische Geschichte nennt Katharina Teutsch Mordecai Richlers Generationenporträt einer kanadischen "Spirituosen-Mischpoke", in der tatsächlich kaum Frauen vorkommen, dafür jede Menge (Über-)Väter und (missratene) Söhne. Typisch jüdisch ist für sie auch die Anekdotenkunst, die Kunst der Übertreibung, die Richler vorzüglich zu beherrschen scheint. Satirisch und mit wenigen Strichen gelingen dem Autor Figurencharakterisierungen, die Teutsch staunen lassen und deren Neurosen so sonst nur bei Woody Allen wuchern. Schon in dieser Hinsicht, meint Teutsch, lohnt es sich, den 2001 verstorbenen Autor in diesem neu aufgelegten Roman wiederzuentdecken.

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