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Beigefügt sind eine CD-ROM mit Materialien und Dokumenten und eine DVD mit dem Film "Die Akadier - Odyssee eines Volkes" von Eva und Georg Bense.

Produktbeschreibung
Beigefügt sind eine CD-ROM mit Materialien und Dokumenten und eine DVD mit dem Film "Die Akadier - Odyssee eines Volkes" von Eva und Georg Bense.
Autorenporträt
Ingo Kolboom ist Professor für Frankreich-Studien und Frankophonie an der TU Dresden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.06.2006

Kein Zuckerschlecken in den dichten Wäldern
Akadien in Amerika: Eine umfangreiche Geschichte der frankophonen Kolonie zeigt Flagge

"This is the forest primeval. The murmuring pines and the hemlocks, / Bearded with moss, and in garments green, indistinct in the twilight, / Stand like Druids of eld, with voices sad and prophetic, / Stand like harpers hoar, with beards that rest on their bosoms", und so rollt das fort und fort in Longfellows "Evangeline" von 1847, so zwingend und mächtig, daß man es laut lesen möchte und sich die hohe Zeit der Versepik zurückwünscht.

"A tale of Acadie" ist das Werk überschrieben, und das hat mehr mit dem antiken Sehnsuchtsland zu tun, als das herausgefallene "r" vermuten läßt: "Arcadia" taufte der Italiener Giovanni da Verratano die Nordostküste Amerikas im sechzehnten Jahrhundert, als er die Region für die französische Krone erkundete. In der Folge wechseln halbherzige Kolonisierungsversuche mit Störfeuer aus dem Mutterland, und als sich dann tatsächlich neben der frankophonen nordamerikanischen Kolonie um Québec die historisch ältere im Gebiet der heutigen Regionen Nova Scotia, New Brunswick und Prince Edward Island behauptet, ist das der Zähigkeit der Kolonisten ebenso geschuldet wie den unleugbaren Reizen des Landes, dessen zwar rauhe Winter mehr als eine Siedlung entvölkerten, dessen gesegnete Sommer aber die Überlebenden bestärkten, es doch noch ein weiteres Jahr zu versuchen.

"This is the forest primeval", hebt Longfellows zweite Strophe wieder an, "but where are the hearts that beneath it / Leaped like the roe, when he hears in the woodland the voice of the huntsman? / Where is the thatch-roofed village, the home of Acadian farmers"? Die Antwort ist 1400 Verszeilen lang und trägt eine Heldin im Titel, deren Schicksal ersichtlich das ihres Volkes symbolisieren soll. Denn der mächtige Wald der Vorzeit, der jetzt so menschenleer daliege (tatsächlich aber zu Longfellows Zeit durchaus schon wieder oder immer noch bevölkert war), wurde 1755 zum Schauplatz einer gewaltigen Deportation der Siedler durch die Briten, die das zwischen England und Frankreich umstrittene Gebiet im achtzehnten Jahrhundert in Besitz genommen hatten.

Viele Akadier starben, andere wurden in die Alte Welt oder nach Neuengland gebracht, wieder andere zogen ins französischsprachige Louisiana, wo sie immerhin die spezifische Küche und Musik der Cajuns entwickelten; einige schlugen sich zu den freundlichen Micmac-Indianern in die Wälder der Heimat und warteten ab, bis der britische Druck nachließ. Und eine letzte Gruppe der Deportierten machte sich auf den langen Marsch nach Hause - Antonine Maillets goncourtpreisgekrönter Roman "Pélagie-la-Charrette" von 1979 erzählt diese Geschichte und versieht auch sie mit einem düsteren Ende.

Immerhin gab es seitens der Akadier schon früh Bemühungen, die unter- und vielfach abgebrochene Tradition der frankophonen Kolonie wieder aufzunehmen. Wer heute die Westküste Nova Scotias bereist, wird an den historischen Siedlungsorten die akadische Flagge gehißt finden, während die Mehrheit der Provinz längst englisch spricht und sich auch das Verhältnis zu den übrigen frankophonen Kanadiern nicht immer einfach gestaltet. So findet sich etwa in Klaus-Dieter Ertlers "Kleiner Geschichte des franko-kanadischen Romans" (Narr Verlag, Tübingen) gerade mal ein kurzer Abschnitt zur akadischen Literatur.

Abhilfe schafft mittlerweile ein gut tausend Seiten starker Band, der im vergangenen Jahr erschienen ist, während man in Nova Scotia das vierhundertjährige Bestehen der Kolonie feierte und sich der großen Vertreibung vor 250 Jahren erinnerte. In diesem Gemeinschaftswerk sticht Ingo Kolbooms ausführliche Darstellung der akadischen Geschichte heraus, die das Geschehen in der Neuen Welt überaus nachvollziehbar an die Verhältnisse in der Alten knüpft und höchstens seine Sympathie für die versprengten Akadier etwas allzu deutlich macht. Roberto Mann entwirft auf wenigen Seiten eine kurze Geschichte der akadischen Literatur; gut den zehnfachen Umfang macht dann eine kommentierte Anthologie zu diesem Thema aus, die freilich manches Verzichtbare enthält.

Und weil der Band es nicht dabei beläßt, weil er sich dem akadischen Film ebenso widmet wie den sehr aufschlußreichen sprachlichen Differenzen zwischen dem am Atlantik gesprochenen Französisch und dem der kanadischen Inlandprovinzen, weil er überdies, als wäre all das noch nicht genug, in seinen Deckelklappen eine prallvolle CD-Rom mit weiterem Material und eine DVD mit einer filmischen Dokumentation zu Exilakadiern bietet, scheint sich hier ein Wille zur Vollständigkeit auszutoben, wie er selten geworden ist. Schon weil eine solche prächtige Realisierung die meisten Verlage oder Mäzene überfordert.

Vor allem aber spricht der Band auf jeder Seite von einem kleinen Volk, das sich partout nicht ewig als Opfer sehen möchte und das die Zeit nach der Katastrophe von 1755 mindestens so betont wie jene. Die Hoffnung auf ein Fortleben der Tradition jedenfalls findet sich schon in Longfellows Epos, ganz am Ende: "Still stands the forest primeval; but under the shade of its branches / Dwells another race, with other customs and language. Only along the shore of the mournful and misty Atlantic / Linger a few Acadian peasants, whose fathers from exile / Wandered back to their native land to die in its bosom."

TILMAN SPRECKELSEN

Ingo Kolboom, Roberto Mann (Hrsg.): "Akadien: Ein französischer Traum in Amerika". Synchron Wissenschaftsverlag der Autoren, Heidelberg 2005. 1014 S., geb., 1 CD, 1 DVD, 58,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Tilman Spreckelsen wählt den lyrisch-schweifenden Einstieg ins Thema, zitiert Longfellow und sagt zum Buch selbst nicht allzu viel. Immerhin scheint er froh über die Aufmerksamkeit, die dem kleinen Volk der Akadier mit diesem Werk entgegengebracht wird. Manchmal wird ihm das Wohlwollen gegenüber dem Völkchen der Akadier aber zu viel: im Aufsatz über die akadische Geschichte und in der überdimensionierten Sammlung akadischer Literatur. Die Klärung sprachlicher Besonderheiten der kleinen frankophonen Kolonie in Amerika sowie das umfangreiche digitale Begleitmaterial aber stimmen ihn milde. Und respektvoll angesichts dieses "seltenen Willens zur Vollständigkeit".

© Perlentaucher Medien GmbH