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In der internationalen Gegenwartsphilosophie vollzieht sich derzeit eine Renaissance der klassischen Autoren des angelsächsischen Pragmatismus. Charles S. Peirce, William James, George H. Mead, Ferdinand C. S. Schiller und John Dewey werden unter den Bedingungen des linguistic turn neu gelesen und als demokratietheoretisch gehaltvolle Alternativen zu Dekonstruktivismus und Postmodernismus empfohlen. Zugleich dienen pragmatische Denkfiguren dazu, das begriffliche Instrumentarium des modernen Denkens für ein wirklichkeitsnahes und handlungsbezogenes Philosophieren nutzbar zu machen.
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Produktbeschreibung
In der internationalen Gegenwartsphilosophie vollzieht sich derzeit eine Renaissance der klassischen Autoren des angelsächsischen Pragmatismus. Charles S. Peirce, William James, George H. Mead, Ferdinand C. S. Schiller und John Dewey werden unter den Bedingungen des linguistic turn neu gelesen und als demokratietheoretisch gehaltvolle Alternativen zu Dekonstruktivismus und Postmodernismus empfohlen. Zugleich dienen pragmatische Denkfiguren dazu, das begriffliche Instrumentarium des modernen Denkens für ein wirklichkeitsnahes und handlungsbezogenes Philosophieren nutzbar zu machen.

Die Hoffnung auf eine pragmatische "Erneuerung der Philosophie" (Putnam), die sich damit verbindet, führt zu einer Rückbesinnung auf Grundpositionen der kontinentalphilosophischen Moderne. So fällt neues Licht auf pragmatische Aspekte, die sich bei Kant, Hegel oder Nietzsche, bei Derrida, Gadamer oder Habermas finden.

Das Buch führt vor Augen, daß die Vorstellung von einer scharfen Trennung zwischen den philosophischen Traditionen des analytischen und des kontinentalen Denkens zu einem Anachronismus geworden ist. Im Zeitalter der Globalisierung kann die Gegenwartsphilosophie einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die autonomen Einzelwissenschaften zu einem transdisziplinären Fächernetzwerk zu verbinden, das sich bei der Gestaltung der menschlichen Zukunft auf einen philosophisch fundierten Pragmatismus stützt.

Inhalt:
- Mike Sandbothe: Einleitung
- Robert Brandom: Pragmatik und Pragmatismus
- Arthur Fine: Der Blickpunkt von niemand im besonderen
- Richard Rorty: Die moderne analytische Philosophie aus pragmatistischer Perspektive
- Mike Sandbothe: Die pragmatische Wende des linguistic turn
- Bjørn Ramberg: Rorty und die Werkzeuge der Philosophie
- Wolfgang Welsch: Richard Rorty - Philosophie jenseits von Argumentation und Wahrheit?
- Barry Allen: Ist das Pragmatismus? Rorty und die amerikanische Tradition
- Ludwig Nagl: "Reality is still in the making". Die Zukunftsorientierung des Jamesschen Pragmatismus
- Hilary Putnam: Philosophie als umgestaltende Tätigkeit. William James über Moralphilosophie
- Albrecht Wellmer: Der Streit um Wahrheit. Pragmatismus ohne regulative Ideen
- Antje Gimmler: Aspekte pragmatischen Denkens bei Hegel
- Joseph Margolis: Der cartesianische Realismus und die Wiedergeburt des Pragmatismus

Autorenporträt
Mike Sandbothe ist Professor für Kultur und Medien an der Ernst-Abbe-Fachhochschule Jena. Zuvor hatte er Professuren für Medienphilosophie an der Universität der Künste in Berlin und der Aalborg Universität in Kopenhagen inne.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.01.2001

Nichts ist gegeben
Aufsätze zur Renaissance des amerikanischen Pragmatismus
Der Pragmatiker ist ein Mensch, der mit dem Machbaren rechnet. Er betrachtet die Welt nicht unter dem Aspekt des Möglichen, sondern des Wirklichen. Sein Metier ist der gesunde Alltagsverstand, der die Dinge so nimmt, wie sie sind. Nicht die ewige Wahrheit, sondern der praktische Erfolg bildet das Ziel seines Handelns. Es ist dieser Sinn für den Realismus, der den Pragmatiker verdächtig macht. Man wirft ihm eine opportunistische Haltung gegenüber den Aufgaben der Zeit vor und bezichtigt ihn der instrumentellen Handhabung der Vernunft, die er zur Durchsetzung seiner Interessen benutzt, ohne auf geltende Normen und Regeln Rücksicht zu nehmen.
So gesehen passt die gegenwärtige Konjunktur des Pragmatismus in das Bild derjenigen, die schon lange vor dem Bankrott der Aufklärung und der Tyrannei eines postmodernen Relativismus gewarnt haben, dem alles einerlei ist – Hauptsache, die Bilanzen, Quoten und Wahlergebnisse stimmen. Insbesondere in der Philosophie stellt das pragmatische Denken seit Ende des 19.  Jahrhunderts eine Bedrohung der objektiven Rationalität dar, als deren Quelle nicht das lebenspraktische Handeln, sondern die gusseisernen Gesetze der kategorischen Vernunft gelten. Auch wenn diesbezüglich Hegel schon einige kluge Einwände gegen Kant vorgebracht hat, wird der Pragmatismus in Deutschland immer noch als allzu unsicherer Kandidat betrachtet, um zu verlässlichen Aussagen über die Welt zu gelangen.
Daran hat auch die bisherige Rezeption der amerikanischen Gründerväter des philosophischen Pragmatismus, zu denen vor allem Charles S. Peirce, William James, Ferdinand C. S. Schiller, George H. Mead und John Dewey zählen, nicht viel geändert. Es hat zwar unter dem Einfluss dieser Autoren eine Öffnung der Vernunftkategorien für sinn- und sprachkritische Fragen stattgefunden, durch die das Eingebundensein unserer Wahrheitskriterien in lebensweltliche Bedeutungshorizonte in den Blickpunkt gerückt ist. Einsichten, die auch auf Heidegger und Wittgenstein zurückgehen und etwa bei Apel und Habermas zur universal- und transzendentalpragmatischen Konsenstheorie der Verständigung geführt haben. Insgesamt dominiert jedoch in der deutschen Universitätsphilosophie ein Begründungsfundamentalismus, der auf normative Legitimation pocht und keinen spezifischen Sinn für situative Problemlösungen und kontextuelle Rechtfertigungen besitzt.
Erst in letzter Zeit hat es der Pragmatismus geschafft, ins Rampenlicht der intellektuellen Öffentlichkeit zu treten. Dies ist vor allem Richard Rorty zu verdanken, der neben Donald Davidson, Hilary Putnam und Richard Brandom zu den Vorreitern einer neopragmatischen Abkehr von den traditionellen Bewusstseins- und Realitätsmodellen gehört, in denen davon ausgegangen wird, dass die Wirklichkeit ein inneres Wesen besitzt, das sich unabhängig vom Standpunkt der Beobachtung und der verwendeten Darstellungsmittel erfassen lässt. Bei allen Unterschieden (und Streitigkeiten) eint die Neopragmatiker eine antirepräsentationalistische Haltung, wonach unsere Bezugnahmen auf die Welt immer schon durch Sprache, Absichten und Interpretationen vermittelt sind, so dass es weder eine deutungsfreie Wirklichkeit noch absolute Maßstäbe des Richtigen gibt.
Es ist das Verdienst des von Mike Sandbothe herausgegebenen Bandes, diese Debatte mit neueren Aufsätzen von Brandom, Putnam und Rorty über Wolfgang Welsch und Albrecht Wellmer bis zu Barry Allen und Joseph Margolis zu dokumentieren. Freilich liegt auch darin die Grenze des Buches – es bleibt beschränkt auf die Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Positionen der analytischen Tradition, ohne darüber hinaus die Relevanz pragmatischer Fragen für ein verändertes Verständnis der kontinentalen Philosophie deutlich zu machen. Die Texte sind nicht nur größtenteils Kommentare zu Rortys „transformativer” und „experimenteller” Neubeschreibung herkömmlicher Erkenntnis- und Handlungsprobleme. Sie demonstrieren auch den inzestuösen Charakter der postanalytischen Schule, in der sich die Autoren wie beim Tischtennis die Begriffsbälle zuschlagen, um mit neuen Etikettierungen und Differenzierungen auf Einwände zu parieren, die zu weiteren Korrekturen und Akzentverlagerungen führen, ohne dass das Spiel selbst eine andere Gestalt annehmen würde.
Entsprechend bekannt sind die Resultate. Sie erschöpfen sich in der wiederholten Bekräftigung, dass wir in einer semantisch vorstrukturierten Welt leben, dass zwischen Wahrheit und Rechtfertigung ein unauflöslicher Zusammenhang besteht und es keinen „view from nowhere” (Thomas Nagel) gibt, mit dem wir wie der liebe Gott das Sein der Dinge erkennen können. Das Problem des Neopragmatismus besteht darin, dass er sich mit Fragestellungen beschäftigt, deren Beantwortung – in Anlehnung an ein bekanntes Wort von William James – für den Lauf der Welt keinen praktischen Unterschied macht. Es mag immer noch einige philosophische Geister geben, für die es wichtig ist, ob unsere Vorstellungen von der Wirklichkeit „natürlichen” Ursprungs sind, „mentale” Bilder darstellen oder „soziale” Konstrukte bilden. Hinter derartigen Überlegungen verbirgt sich ein ontologisches Erbe, das genau zu der Kluft zwischen dem Ich und seiner Welt geführt hat, die sich nur durch komplizierte reflexive Manöver wieder schließen lässt. Der Neopragmatismus ist der letzte Nachfahre der großen metaphysischen Entzweiungstheorien, deren Zweifel an einer verlässlichen Wirklichkeit er fortsetzt, je stärker er die Selbstverständlichkeit unseres Involviertseins in die Lebenspraxis betont.
Ohne die Leistungen des Neopragmatismus und der analytischen Philosophie schmälern zu wollen, der wir die Klärung zahlreicher Scheinprobleme und eine größere Exaktheit im Umgang mit Begriffen verdanken: Wer weiterhin glaubt, den „Mythos des Gegebenen” (Sellars) widerlegen oder auf implizite normative Elemente in unseren Sprachhandlungen (Brandom) hinweisen zu müssen, bewegt sich auf Pfaden, über die zahlreiche Vertreter der kontinentalen Philosophie schon gegangen sind. Man muss nur an die philosophische Anthropologie oder Hermeneutik erinnern, für die der „Holismus” menschlicher Welterfahrung – unsere Vernetzung mit einer vorgängigen, gleichwohl begrifflich einholbaren Realität – ein altes Thema ist.
Soll ein fruchtbarer Dialog zwischen analytischer und kontinentaler Philosophie zustande kommen, bedarf es einer genaueren Beschäftigung mit dem, was die andere Seite an Wissen, Erkenntnissen und Methodologien hervorgebracht hat. Auch wenn der Band den Anspruch, die „scharfe Trennung” zwischen den Lagern zu überwinden, nicht einlöst, zeigt er doch die Richtung an, in die ein derartiges Unternehmen gehen müsste.
Die pragmatische Haltung bildet, richtig verstanden, kein Einfallstor für schnödes Nützlichkeitsdenken, keinen Freifahrschein ins Reich funktionalistischer Willkür, sondern die Grundlage einer wirklichkeitsaufmerksamen Philosophie, die sich auf Augenhöhe der Probleme befindet, um deren Lösung es geht. Die pragmatische Vernunft schlägt sich nicht mit Konstitutionsfragen und philologischen Details herum, sondern präsentiert Handlungsmodelle für eine zunehmend komplexer werdende Welt, in der Entscheidungen unter Unsicherheitsbedingungen gefällt werden.
Weil unser Leben befristet und unsere Sichtweise begrenzt ist, müssen wir uns mit vorletzten Einsichten zufrieden geben, die unserer aufgeklärten Alltagsrationalität entspringen. Sie stellt uns Gründe zur Verfügung, die nicht immer verallgemeinerungsfähig, wohl aber plausibilisierbar sind. Der Pragmatiker beherrscht die Kunst der inventiven Begründung – er findet Argumente auch dort, wo Rechtfertigungen versagen. Eine Philosophie, die ihre Zeit auf den Begriff bringen will, sollte sich einer Theorie der praktischen Klugheit widmen, die mit dem Machbaren rechnet, um das Mögliche zu verwirklichen.
LUDGER HEIDBRINK
MIKE SANDBOTHE (Hrsg. ): Die Renaissance des Pragmatismus. Aktuelle Verflechtungen zwischen analytischer und kontinentaler Philosophie. Verlag Velbrück Wissenschaft, Weilerswist 2000. 335 Seiten, 39 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ludger Heidbrink sieht Verdienste aber auch die "Grenze" dieses Buchs, das verschiedene Beiträge zur gegenwärtigen Debatte über Wirklichkeitsauffassung versammelt. Der Band "dokumentiere" diese Auseinandersetzung mit Aufsätzen "neopragmatischer" Philosophen wie Brandom, Putnam, Welsch u. a.. Allerdings kritisiert der Rezensent, dass sich die Autoren die Begriffe zuspielen wie "beim Tischtennis" und um Nuancen streiten, ohne dass der philosophische Ansatz an sich diskutiert werde. Und so findet er das Ergebnis dieser Debatten auch nicht besonders spannend, er äußert gar den Verdacht, dass die Lösung der aufgeworfenen Fragen für die Welt keinen "praktischen Unterschied" macht und dass häufig "Scheinprobleme" verhandelt werden. Auch moniert er, mit der Gegenseite - der kontinentalen Philosophie - werde sich gar nicht richtig auseinandergesetzt. So bleibe das Ganze eine etwas einseitige Sache.

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