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Christine Angot findet Briefe ihres Vaters wieder, die der "Vernichtung" entgangen sind. Voller Bewunderung heißt es dort: "Warum Brasilien? Vielleicht weil dies ein Land ist, dessen ganzer Reichtum in der Zukunft liegt, wie auch für Dich, der Dir die Erde gewidmet wurde." Ein Versprechen, das das Leben nicht eingelöst hat. "Warum Brasilien" erzählt das Zusammentreffen der Schriftstellerin Christine Angot mit dem jüdischen Journalisten Pierre Louis Rozyns. Ist er es, der das große Versprechen der Liebe einzulösen vermag? Behutsam wird der Leser in das Leben zweier Außenseiter geführt, die mit…mehr

Produktbeschreibung
Christine Angot findet Briefe ihres Vaters wieder, die der "Vernichtung" entgangen sind. Voller Bewunderung heißt es dort: "Warum Brasilien? Vielleicht weil dies ein Land ist, dessen ganzer Reichtum in der Zukunft liegt, wie auch für Dich, der Dir die Erde gewidmet wurde." Ein Versprechen, das das Leben nicht eingelöst hat.
"Warum Brasilien" erzählt das Zusammentreffen der Schriftstellerin Christine Angot mit dem jüdischen Journalisten Pierre Louis Rozyns. Ist er es, der das große Versprechen der Liebe einzulösen vermag? Behutsam wird der Leser in das Leben zweier Außenseiter geführt, die mit größtmöglicher Sorgfalt ihre aufblühende Liebe zu behaupten versuchen.
Aber alltägliches Leben, gesellschaftliche Zwänge, eigene biographische Erfahrungen und das historische Erbe des Judentums lassen in dieser Liebe die immer wieder drohende Zerstörung und stets erhoffte Utopie des väterlichen Versprechens gleichermaßen zu Tage treten. Vor den Augen des Lesers entsteht das Protokoll einer Liebe, das in seiner Offenheit, Klarheit und Unbedingtheit von mehr als dieser einen Liebe zeugt.
Autorenporträt
Christine Angot, geboren 1959 in Chateauroux, musste nach dem Erscheinen ihres Buches "Inzest" ihren Wohnort Montpellier verlassen. Sie lebt heute zusammen mit ihrer Tochter Leonore in Paris.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Packend zu lesen findet Rezensent Jürg Altwegg diesen "zeitgenössischen Liebes- und Gesellschaftsroman in eigener Sache". Auch sei er - "im Widerspruch zum Ruf, den die neue französische Frauenliteratur hat" - weder freizügig, noch schamlos. Die Geschichte spielt, lesen wir, in der Wohnung des Starautors Frederic Beigbeder: eine Abendgesellschaft mit abgeklärten Vierzigjährigen und Prominenz des Pariser Kulturbetriebs. Protokollartig sieht der Rezensent die Autorin Gesprächsfetzen dieser Salonkonversation rekapitulieren und dazwischen ein Porträt von Paris und seiner unerträglichen sozialen Kälte zeichnen. Insgesamt dreht sich im Buch dann aber doch alles ein bisschen im Kreis, findet Altwegg. Deshalb müsse am Ende auch die geschilderte Liebesgeschichte der Autorin Scheitern, zumindest literarisch. Zwar betrachtet die Autorin "mit geschärfter Intelligenz" sich wie auch die Stadt Paris durchaus schonungslos, erklärt Altwegg, doch sie entwickelt sich nicht, stellt er fest, ihre Krisen wiederholen und gleichen sich.

© Perlentaucher Medien GmbH"

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.01.2004

Stadtneurotiker und Zeitungssüchtige
Das Buch zum Buch über das Buch: Die Realität der französischen Autorin Christine Angot ist ein einziger Roman - oder auch zwei

Ob sie am Ende zusammenbleiben, ist nicht ganz so klar. Der Schluß von "Warum Brasilien?" spielt in der Wohnung des Pariser Starschriftstellers Frédéric Beigbeder. Heftig hatte er sich mit Christine Angot, die jetzt mit ihrem Freund Pierre Rozynès und anderen bei Beigbeder zum Nachtessen eingeladen ist, gestritten. Protokollartig rekapituliert Christine Angot die Gesprächsfetzen der Salonkonversation. Klatsch und Sex. Namentlich nennt die Schriftstellerin die Geladenen - abgeklärte Vierzigjährige, Prominente des Pariser Kulturbetriebs. Christine und Rozynès gehen getrennt nach Hause. Am andern Tag fährt sie mit der Bahn in die Provinz. Es ist kein Aufbruch. Das Ende mündet in die Erinnerung an eine Begegnung mit dem Vater im Bahnhof von Nancy zwanzig Jahre zuvor.

Pierre Rozynès trat gleich zu Beginn durch eine Hintertür in Christine Angots Leben und Buch: Er ist Redakteur von "Livres Hebdo", dem Börsenblatt für den französischen Buchhandel, und interviewt die Schriftstellerin. Madame Angot hat ein neues Werk publiziert: "Die Stadt verlassen". Darin schreibt sie über die feindlichen Reaktionen auf "Inzest", die sie veranlaßten, von Montpellier nach Paris zu ziehen. "Warum Brasilien?" beginnt mit dem Erscheinen und handelt von den ersten Kritiken, einer Lesung und den Fernsehauftritten: Es ist das Buch zum Buch über das Buch.

Bei Christine Angot dreht sich alles ein bißchen im Kreis - auch zwischen dem Leben und der Literatur. Im Roman heißen alle Figuren wie im bürgerlichen Alltag. Rozynès, der den gleichen Namen trägt wie Christine Angots Vater, kam auch zu einer Fernsehsendung. Zwischen den beiden ungezähmten Einzelgängern entwickelt sich eine Beziehung. Ist es Liebe? Ist es Abhängigkeit? Rozynès ist ein mondäner, verhaltensgestörter "Jude, der sich in Friedenszeiten versteckt. Und auch das war erotisch, natürlich, die Rasse." Er hatte im Milieu den Ruf eines heimlichen Homosexuellen. Rozynès ergreift meist sehr schnell die Flucht auch vor ihr. Dennoch beziehen sie eine gemeinsame Wohnung. Er holt sie mit dem Roller ab und denkt nur an seinen Job. Die Zeitungen sind seine Droge. "Sein Streß war ein Dauerzustand, ich war an einen Kranken geraten und ich liebte ihn." Noch ein Kreis schließt sich: Rozynès ist nur der letzte in der Galerie ihrer Geliebten, die sie - wohl zu Recht - ausnahmslos als "Kranke" schildert.

Mit geschärfter Intelligenz, viel psychologischem Verstand und blanken Nerven analysiert Angot ihre Beziehungsprobleme. Aber ohne jedes Selbstmitleid. Sie liebt sich nicht, sie ist sich selber unerträglich. Angot und Rozynès bleiben sich fremd, Neurotiker in einer Stadt, in der es keine normalen Menschen gibt. "Im Haus von Catherine Millet und Jacques Henric wohnen auf gleicher Etage Denis Roche", der ihr Verleger ist, und ein paar Journalisten des "Monde", die ihre Bücher hochgejubelt haben. Jean-Luc Godards Nachbarn sind prominente Regisseure und ein Philosoph.

Christine Angot zeichnet ein Porträt von Paris: Der Kälte der Stadt, die ihr unerträglich ist, stellt sie auf geradezu karikaturistische Weise die menschliche Wärme von Montpellier entgegen, das sie im Schrecken hat verlassen müssen und wohin sie auch gar nicht zurückkehren möchte. Sie bleibt überall heimatlos, und in Brasilien war sie eh nie. Aus dem exotischen Land, das außer im Titel gar nicht mehr vorkommt, hatte ihr der Vater, als sie noch ein Mädchen war, rührende Briefe geschickt. Man liest sie und denkt unweigerlich daran, daß sie mit ihm schlafen wird. Um dieses Ereignis dreht sich Christine Angots gesamte Literatur, "Inzest" war der Skandal, der sie bekannt machte und mit dem sie den Durchbruch auch hierzulande schaffte.

Christine Angot gehört zu den bekanntesten Schriftstellern der französischen Gegenwartsliteratur - nicht nur als Stilistin. "Warum Brasilien?" ist ein zeitgenössischer Liebes- und Gesellschaftsroman in eigener Sache. Nicht ihr bestes Werk, aber packend zu lesen - und im Widerspruch zum Ruf, den die neue französische Frauenliteratur hat, weder freizügig noch schamlos. Christian Ruzicska hat "Warum Brasilien?" in eine sehr lesbare deutsche Fassung gebracht. Manchmal allerdings stockt der Lesefluß angesichts des Bemühens um eine leicht gestelzt wirkende Authentizität: Warum darf "entkoffeinierter Kaffee" nicht einfach koffeinfrei sein?

Die unmögliche Liebesgeschichte scheitert - zumindest literarisch: Sie entwickelt sich nicht. Die Krisen wiederholen und gleichen sich. Es kann gut sein, daß Christine und Pierre nicht auseinandergegangen sind. Der Fortschritt ist anderer Art; langsam zeichnet sich ein Ausweg aus der Schreibkrise ab. Das Buch zum Buch über das Buch erfüllt seinen Zweck: Es eröffnet den Weg zum nächsten Buch. Wir atmen auf. Größere Sorgen muß man sich um Pierre-Louis Rozynès machen. Aus dem wirklichen Pariser Leben hören wir, kaum haben wir die Übersetzung von Christine Angots autobiographischem Roman zur Seite gelegt, daß er zum Ende des vergangenen Jahres als Redakteur von "Livres Hebdo" entlassen wurde.

Christine Angot: "Warum Brasilien?" Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Christian Ruzicska. Tropen Verlag, Köln 2003. 203 S., geb., 17,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"'Warum Brasilien?' ist der Liebesroman unserer Zeit. Eine erschöpfte Frau verliebt sich. Sie hofft für einen Moment, bei diesem Mann, mit dem sie bald schon zusammenlebt, Zuflucht zu finden, aber die ersehnte Ruhe bleibt aus." (Liberation)