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Kaum ein Medium ist in seiner Geschichte ähnlich häufig durch experimentelle Situationen zu Veränderungen motiviert worden wie das auch im digitalen Zeitalter (noch dominierende Leitmedium unserer Gesellschaft: das Fernsehen. Und wenngleich sich die Geschichte des Fernd Praktikern zur Vergangenheit, Gegensehens aus unterschiedlichen Perspektiven zurecht als Technik-, Programm-, Format-, Gesellschafts- oder Zuschauergeschichte schreiben lässt, verspricht der Blick auf innovative Experimente mit dem Medium der Television grundlegende Auskünfte über die Fortschrittsdynamik des meistgenutzten…mehr

Produktbeschreibung
Kaum ein Medium ist in seiner Geschichte ähnlich häufig durch experimentelle Situationen zu Veränderungen motiviert worden wie das auch im digitalen Zeitalter (noch dominierende Leitmedium unserer Gesellschaft: das Fernsehen. Und wenngleich sich die Geschichte des Fernd Praktikern zur Vergangenheit, Gegensehens aus unterschiedlichen Perspektiven zurecht als Technik-, Programm-, Format-, Gesellschafts- oder Zuschauergeschichte schreiben lässt, verspricht der Blick auf innovative Experimente mit dem Medium der Television grundlegende Auskünfte über die Fortschrittsdynamik des meistgenutzten Mediums unserer Zeit. Herausgeber: Michael Grisko/Stefan Münker.
Der Band eröffnet eine übergreifende und zugleich integrative Perspektive auf die Geschichte des Fernsehens in Deutschland. In seinen Beiträgen befragt der Band exemplarische Fernsehexperimente im Bereich des Formats, der Rezeption, der Technik und des Programms auf ihre paradigmatischen Folgen für das gesamte Feld des Systems "Fernsehen". Jeder Beitrag dokumentiert den Entstehungskontext des jeweiligen Experiments, benennt das experimentelle und innovative Potential und erörtert deren paradigmatische ästhetische und technische. Interviews und Essays von Wissenschaftlern unwart und Zukunft des Fernsehens in Deutschland. -- Mit Beiträgen u.a. von Wiebke von Bonin, Dieter Daniels, Lorenz Engell, Sabine Flach, Gundolf Freyermuth, Michael Grisko, Peter Christian Hall, Knut Hickethier, Peter Paul Kubitz, Gottfried Langenstein, Wolfgang Menge, Lothar Mikos, Stefan Münker, Klaus Neumann-Braun, Stefan Münker, Christian Schulte, Reinhold Viehoff, Susanne Vollberg, Klaudia Wicke, Peter Zimmermann
Autorenporträt
Stefan Münker - Studium der Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte in Hamburg und Berlin. Tätig als Kulturredakteur für das Fernsehen. Veröffentlichungen zur Gegenwartsphilosophie und zu neuen Medien.Michael Grisko, 1971 in Kassel geboren, Studium der Germanistik, Politik und Europäischen Medienwissenschaften in Kassel und Dijon. Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Universitäten Kassel und Halle, seit 2003 beim ZDF/3sat in Berlin. Zahlreiche Publikationen zur Literatur-, Kultur- und Mediengeschichte des 20. Jahrhunderts.-
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.06.2009

Drei Minuten Kaminfeuer
Wann ist Fernsehen experimentell? Ein Aufsatzband versucht sich an einer Bestandsaufnahme
Buchtitel, von Sachbüchern zumal, drängen bisweilen zum Appell, ihr Aussagemodus kommt dann als Aufruf daher (wen hatten einst „Die Grenzen des Wachstums” nicht aufrütteln sollen?). Häufig aber auch sind sie ein Eingeständnis. Als solches liest sich der Titel eines Aufsatzbandes, den seine Herausgeber, Michael Grisko und Stefan Münker, zu einer „ersten Bestandsaufnahme einer Kulturgeschichte des Experiments im deutschen Fernsehen” erklären. „Fernsehexperimente” heißt das Buch. Nicht Experimentalfernsehen — ein Begriff, den die Autoren offenbar nicht ins Auge fassen wollen. Vermutlich liegt zwischen beidem ein gewaltiger Abgrund. Oder eher ein immenses, strukturell kaum überwindbares Massiv. Deutlich wird dies im Blick auf andere Disziplinen: Man stelle sich nur vor, es gäbe keinen Experimentalfilm, sondern allein Filmexperimente, es gäbe keine Experimentalphysik, sondern nur eine lose Reihe physikalischer Versuche, und es gäbe keinen roman expérimental, wie ihn Emile Zola eingeführt hatte, sondern allenfalls Romane, die von der Norm abweichen. Das Fernsehen hingegen eignet sich nicht fürs Kategoriale: Die experimentelle Television bleibt im Großen und Ganzen eine Leerstelle.
Einzelne Experimente mit dem Medium Fernsehen hat es allerdings durchaus gegeben. Zunächst, technisch bedingt, in den Pionierphasen seit der Nipkowschen Scheibe und den legendären Funk-Ausstellungen, die der Band mit gutem Recht den Medienarchäologen überlässt. Später dann, das ist nun sein Interesse, erfolgte das Experiment im und mit dem Programm. Vor allem in den siebziger Jahren scheinen einige Grenzen des Möglichen erprobt worden zu sein. Das Genre des Fernsehspiels — das zeigen die Beiträge von Knut Hickethier und Gundolf S. Freyermuth an einer Reihe von WDR-Produktionen, deren Drehbuch Wolfgang Menge geschrieben hatte — bediente sich damals einer ganzen Bandbreite von Camouflagen und Travestien: Es galt, mittels der Fiktionalisierung fernsehgenuiner Formate eine selbstreflexive und letztlich höchst distanzierte Position zum Medium einzuschmuggeln. So diskutierte in „Die Dubrow-Krise” (1969), eine sogenannte Expertenrunde im Fernsehstudio, über die vorübergehende Eingemeindung eines Grenzdorfs der DDR in westdeutsches Hoheitsgebiet (rückblickend ist das Spiel eine Art vorweggenommener Wiedervereinigung en miniature). In „Smog” (1972) berichtete eine fiktive Ausgabe der Regionalnachrichten über den Ernstfall einer Umweltkatastrophe. Und „Das Millionenspiel” (1970) simulierte die Treibjagd auf einen Show-Kandidaten mit potentiell tödlichem Ende als quotensteigernde Inszenierung eines auf Werbeeinnahmen erpichten TV-Senders. Wenn das Fernsehen „die Tendenz hat, alles, was nicht Fernsehen ist, umzubringen”, so seien Fernsehspiele, hatte sich Günter Rohrbach, seinerzeit Redaktionsleiter in Köln, gewünscht, im besten Falle das Gegenteil von Fernsehen.
„Innovationen”, die keine sind
Dergestalt wäre das Experiment eine hypothetische Versuchsanordnung mit kulturkritischem Ausgang. Nicht zufällig bezeichnete sich Tom Toelle, der Regisseur des „Millionenspiels”, im Gespräch mit dieser Zeitung einmal als „ganz wesentlich” von Theodor W. Adornos Thesen zur Kulturindustrie beeinflusst. Was jedoch ansonsten unter dem Begriff Experiment im Fernsehen firmiert, hätten die Herausgeber gut und gerne auch Programmerweiterung unter Reformvorzeichen oder heimische Adaptation ausländischer Formate nennen dürfen. Letztere ist, wie Lothar Mikos in seinem Beitrag über vermeintliche „Innovationen” im deutschen Unterhaltungsfernsehen feststellt, meistenteils kostengünstiger und vor allem einfacher als die Entwicklung eigener Programmexperimente. Vor allem gilt dies für das Format der Talkshow, das sich hierzulande 1974 explizit auf das Modell der „Dick Cavett Show” von ABC berufen hatte und seither eine zunehmende Anzahl an Minuten (um nicht zu sagen: Wochenstunden) auf nahezu allen hiesigen Sendern beansprucht. Inwieweit hier der Auftritt von Romy Schneider und Burkhard Driest bei Dietmar Schönherr in „Je später der Abend” als eigentliche Initiation der Talkshow in Deutschland gelten darf, wie Klaudia Wick behauptet, bleibe dahingestellt.
Möglicherweise waren bei der Konzeption des Bandes die Kriterien dessen, was Experiment ist, ungenügend umrissen. Warum sonst fehlen die experimentellen Konstellationen, die in den Sendeanstalten um 1969 durch Tranfers aus der bildenden Kunst (kurzzeitig) gefördert wurden und die mit der Fernsehgalerie Gerry Schums oder der von Jan Dibbets initiierten allabendlichen Wiederholung eines dreiminütig ausgestrahlten Kaminfeuers Mediengeschichte geschrieben haben? Für sie wäre die Rede von den „televisiven Laborsituationen” zutreffend, von denen Lorenz Engell einmal in seinen an den Anfang des Bandes gestellten „Überlegungen” spricht, sein eigenes Reflexionsinteresse aber ins Bedenkliche abgleiten lässt. Denn Engell will den Leser in eine angeblich telegene Welt von Versuchsaufbauten führen, die hinter seinen „epistemischen Objekten” das jeweilige Opfer aus den Augen verliert. Angesichts der Golfkriege auf dem Bildschirm spricht der Medienwissenschaftler von einem „experimentellen Krieg”: eine ungeheuerliche Zusammenstellung zweier Wörter, die mit dem Forschungs- und Avantgarde-Nimbus des einen die vernichtende Gewalt des anderen überdeckt. HENDRIK FEINDT
MICHAEL GRISKO/STEFAN MÜNKER (Hrsg.): Fernsehexperimente. Stationen eines Mediums. Kulturverlag Kadmos, Berlin 2009. 188 Seiten, 22,50 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Problembewusst nähert sich Hendrik Feindt diesem Band. Schnell gelangt er zu der Überzeugung, dass die Herausgeber Michael Grisko und Stefan Münker schon im Titel darauf hinweisen, was der Band belegt: Dass es das experimentelle Fernsehen nämlich nicht gibt, stattdessen allenfalls TV-Experimente. Wenn die Autoren ihre Beobachtungen wesentlich auf das (verdienstvolle) Genre des Fernsehspiels a la Wolfgang Menge beschränken und ansonsten die schnöde Talkshow als Experiment abfeiern, findet Feindt das zu wenig. Was ist etwa mit Gerry Schums Fernsehgalerie?, fragt er und tippt auf eine unscharfe Begriffsbestimmung ("Experiment") als konzeptionelle Fehlerquelle.

© Perlentaucher Medien GmbH
Problembewusst nähert sich Hendrik Feindt diesem Band. Schnell gelangt er zu der Überzeugung, dass die Herausgeber Michael Grisko und Stefan Münker schon im Titel darauf hinweisen, was der Band belegt: Dass es das experimentelle Fernsehen nämlich nicht gibt, stattdessen allenfalls TV-Experimente. Wenn die Autoren ihre Beobachtungen wesentlich auf das (verdienstvolle) Genre des Fernsehspiels a la Wolfgang Menge beschränken und ansonsten die schnöde Talkshow als Experiment abfeiern, findet Feindt das zu wenig. Was ist etwa mit Gerry Schums Fernsehgalerie?, fragt er und tippt auf eine unscharfe Begriffsbestimmung ("Experiment") als konzeptionelle Fehlerquelle.

© Perlentaucher Medien GmbH