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Egal, welche statistischen Maßstäbe man verwendet, Fußball ist der weitaus populärste Sport der Welt. In den Vereinigten Staaten hingegen rangiert er als eine weit abgeschlagene Marginalie hinter American Football, Baseball, Basketball und Eishockey, die zu viert den "Sportraum" der USA als Kultur durch das gesamte 20. Jahrhundert dominierten und dies noch weiter tun. Warum sind die Vereinigten Staaten eine Ausnahme? Und warum wiederum sind - trotz der hegemonialen Rolle der amerikanischen Kultur im 20. Jahrhundert - die vier Ingredenzien der amerikanischen Sportkultur so unbedeutend in den…mehr

Produktbeschreibung
Egal, welche statistischen Maßstäbe man verwendet, Fußball ist der weitaus populärste Sport der Welt. In den Vereinigten Staaten hingegen rangiert er als eine weit abgeschlagene Marginalie hinter American Football, Baseball, Basketball und Eishockey, die zu viert den "Sportraum" der USA als Kultur durch das gesamte 20. Jahrhundert dominierten und dies noch weiter tun. Warum sind die Vereinigten Staaten eine Ausnahme? Und warum wiederum sind - trotz der hegemonialen Rolle der amerikanischen Kultur im 20. Jahrhundert - die vier Ingredenzien der amerikanischen Sportkultur so unbedeutend in den meisten Ländern der Welt?
Im Abseits ist das erste Buch, das diese Besonderheiten mit einer historisch informierten und systematisch angewandten politischen Soziologie erklärt, in dem es auch andere amerikanische Besonderheiten vergleichend beleuchtet. Somit ist diese Arbeit - weit über den Sport hinaus - ei n Beitrag zur vergleichenden Analyse der industriellen Gesellschaftssysteme Europas und Nordamerikas.
Die Sportpolitologen Markovits und Hellerman argumentieren, daß die entscheidenden Weichen zu unseren jeweiligen heutigen Sportkulturen, bereits zwischen 1860 und 1920 gelegt wurden, und daß somit Strukturen geschaffen wurden, die durch ihre Alltäglichkeit Traditionen und Kulturen aufbauten, die sich im Laufe des 20. Jahrhunderts unerhörter Resistenz erfreuten, und Neuankömmlingen einen vollen Erfolg mehr oder minder erfolgreich verwehrten. In den Vereinigten Staaten, wo sich als einzigem Land der Erde sogar vier Mannschaftssportarten - im Gegensatz zu den üblichen maximal zwei in anderen Ländern - zur Kultur etablierten, verwehrten als Erstankömmling Baseball, danach American Football, gefolgt von Basketball und Eishockey dem Fußball eine kulturell erfolgreiche Präsenz. Natürlich wurde Fußball in den USA ohne Unterbrechung immer gespielt, sogar als zweitem Land auf der Erde nach de n Britischen Inseln, zeitgleich mit Argentinien und um einiges vor Europa. Aber im Gegensatz zu Europa, Lateinamerika und einem großen Teil der Welt, wurde Fußball in den USA niemals zu einer Leidenschaft. Man spielte eben Fußball, man verfolgte es jedoch nicht. Fußball blieb stets eine körperliche Betätigung, wurde jedoch niemals Teil der hegemonialen Sportkultur. Im Abseits erörtert die Gründe hierfür, in dem es - neben detaillierten historischen Studien des Fußballs in den USA und seiner amerikanischen Besonderheiten, wie z. B. der Prominenz des Damenfußballs, in dem die USA zu den Besten der Welt gehören - auch die vier Vertreter amerikanischer Sportkultur genau beleuchtet.
Autorenporträt
Andrei S. Markovits, Jg. 1948, ist Professor für Politikwissenschaft und Soziologie an der University of Michigan, Ann Arbor. Er lehrte häufig auch an verschiedenen deutschen Universitäten und Instituten, zuletzt 1998/99 als Fellow am Wissenschaftskolleg in Berlin; Steven L. Hellerman, Jg. 1958, ist Doktorand für Politikwissenschaft an der Claremont Graduate University.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.01.2003

Die Lücke in der Vorherrschaft
Zwei Fans wollen den Fußball in Amerika aus dem Abseits kicken

Kurz vor den Viertelfinalspielen der Fußballweltmeisterschaft in Südkorea und Japan erschien in der "International Herald Tribune" ein Kommentar mit der reichlich unpatriotischen Überschrift: "Gott schütze Amerika - laß die Vereinigten Staaten verlieren!" Der Autor, John Vinocur, lästerte darin, die amerikanische Nationalmannschaft spiele zwar erstaunlich erfolgreich, aber viel zu häßlich, um den Turniersieg zu verdienen. Ein Vorwurf, dem der Leitartikler William Safire in der "New York Times" grimmig widersprach. Wie die "US boys" spielten, ob schön oder unansehnlich, sei ganz gleich, brummte der Kolumnist. Es gehe nicht um Ästhetik, sondern um Politik. Und aus diplomatischen, nicht aus geschmacklichen Gründen solle Amerika scheitern. "Hier stehen wir: die Lokomotive der Weltwirtschaft, der übermächtige Bär, eine Hypermacht, rittlings auf dem Globus thronend wie ein Koloß - müssen wir denn immer siegen, wirklich jeden Pokal einheimsen, alle Gegner überrunden?" schrieb Safire voll perfider Sorge um ein Anschwellen des Antiamerikanismus. "Lassen wir doch wenigstens im Fußball mal die anderen triumphieren."

Nun ist der von Safire beschworene Ernstfall bekanntlich nicht eingetreten. Die amerikanische Mannschaft scheiterte programmgemäß an Rudi Völlers Elf, die Fußballdenkmale Brasilien und Deutschland machten das Finale unter sich aus, und die symbolischen Hierarchien blieben intakt - was freilich auch nicht verhindern konnte, daß die transatlantischen Beziehungen vereisten; doch das ist eine andere Geschichte. Wie ein Blitz erhellt die ironische Überheblichkeit des Kolumnisten allemal einen bemerkenswerten Umstand. Mit dem Großmut eines allmächtigen Potentaten weist er auf das kleine, sagenhaft störrische Dorf hin, das sich der Amerikanisierung bislang entzogen hat: Der Fußballplatz scheint tatsächlich der einzige Ort auf der Erde zu sein, der nicht unter amerikanischer Vorherrschaft steht. Warum um alles in der Welt ist das so? Anders formuliert: Wieso ignorieren die Amerikaner hartnäckig einen Sport, den Milliarden Menschen auf allen anderen Kontinenten mit frenetischer Begeisterung verfolgen?

Dieser eigenartige Isolationismus ist um so irritierender, als die Vereinigten Staaten eigentlich das Zeug zur Fußball-Supermacht hätten. Millionen Einwanderer haben das Spiel aus ihrer Heimat in die Neue Welt mitgebracht, und dementsprechend hat der Fußball eine lange Tradition in Amerika. Die erste professionelle Liga wurde 1894 gegründet, also bereits sechs Jahre nach der Professionalisierung des Spiels im Mutterland des Fußballs, in England. In den zwanziger Jahren lockten die Begegnungen der "American Soccer League" regelmäßig mehr Zuschauer als die Veranstaltungen der "National Football League". Und zu dieser Zeit, behaupten Andrei S. Markovits und Steven L. Hellerman in ihrem famosen Buch über "Fußball in der amerikanischen Sportkultur", sei nirgends auf der Welt besserer Fußball gespielt worden als in den Vereinigten Staaten. Standesgemäß erreichte die amerikanische Mannschaft bei den ersten Weltmeisterschaften 1930 in Uruguay das Halbfinale.

Heute spielen Millionen Jungen und Mädchen in den wohlhabenden Vororten "soccer" als Freizeitvergnügen, nur eben ohne Starsystem, Fernsehübertragungen und sündhaft teure Werbeverträge. Weshalb steht Fußball in Amerika - und Amerika im Fußball - dennoch "im Abseits", wie das Buch im Titel konstatiert? Welche historischen, kulturellen, ökonomischen und massenpsychologischen Faktoren, so versuchen die Autoren herauszufinden, haben diesen "amerikanischen Sonderweg" geebnet? Eine Frage, die übrigens in ehrfürchtiger Analogie zu Werner Sombarts Klassiker "Warum gibt es in den Vereinigten Staaten keinen Sozialismus?" gestellt ist.

Die Autoren geben keine einfache Antwort. Die beiden Politikwissenschaftler und Kultursoziologen machen sich die Sache angemessen schwer; schwer genug jedenfalls, um eine gewichtige Untersuchung vorlegen zu können, in der die Entstehungsgeschichte des Baseball ähnlich faktenverliebt geschildert wird wie das - erbärmliche - Abschneiden der amerikanischen Nationalmannschaft bei der WM 1998. Denn natürlich ist die Fußballfrage nur Anlaß und Ansatzpunkt für eine soziologische Bohrung in die Tiefen des amerikanischen und europäischen Gemüts, in jene üblicherweise verborgenen Sphären, in denen Massenkultur, kollektives Gedächtnis und nationaler Zeitvertreib verschmelzen. Was dabei zutage tritt, ist erhellender als viele orthodox-politikwissenschaftliche Vergleiche der Kontinente und ihrer Lebenswelten.

Daß der Fußball in den Vereinigten Staaten nie derart populär geworden ist wie überall sonst auf der Welt, liegt nicht am Spiel selbst, so die These, sondern an äußeren Umständen. Was es wiederum nicht völlig ausschließt, daß "soccer" eines Tages auch in Amerika zum Massensport mit kulturprägender Kraft wird. Diese Hoffnung ist neben dem akademischen Erkenntnisinteresse die Antriebsfeder der Untersuchung: nachzuweisen, daß auch Amerika dem Fußball verfallen könnte, wenn nur die Gelegenheit günstig wäre.

"Im Abseits" ist offenkundig von leidenden Liebhabern geschrieben. Ihre Geschichte des Fußballs in Amerika ist eine Geschichte von verpaßten Gelegenheiten und unglücklichen Zufällen, korrupten Managern und zerstrittenen Funktionären, deren Dilettantismus den Aufstieg des Fußballs in Amerika gebremst, wenn nicht verhindert hat. Und wie allen Verliebten trübt sich auch Markovits und Hellerman bisweilen ein wenig der Blick auf das Objekt ihrer Zuneigung. Einen der historischen Momente, da Fußball auch in Amerika zum dominierenden Mannschaftssport hätte aufsteigen können, jedenfalls neben Baseball, legen die Autoren auf die Zeit um 1870 - jene Epoche, da auch in Europa die Weichen Richtung Fußball gestellt wurden. Damals war an den führenden Universitäten Amerikas ein Mannschaftsspiel verbreitet, bei dem der Ball getreten wurde - ihn zu werfen, zu fangen oder zu tragen verstieß gegen die Regeln. Kurz, die Colleges spielten Fußball. Nur Harvard weigerte sich. Dort frönte man einer Rugbyvariante, aus der sich später der "American Football" entwickelte, und verschloß sich allen Einladungen der anderen Hochschulen, es auch mal mit Fußball zu versuchen. So stur blieb Harvard, daß am Ende die anderen Universitäten klein beigaben und den Ball in die Hand nahmen - eine Entscheidung, von der sich der "soccer" in den Vereinigten Staaten nie wieder erholt hat. Warum aber die Harvard-Studenten sich so standhaft der Fußarbeit verschlossen, das erklären die Autoren leider nicht. So bleibt die Fehlgeburt des amerikanischen Fußballs von einem merkwürdigen Schleier umfangen.

Einmal an den Eliteschulen der Ostküste etabliert, stieg Football neben Baseball zum schlechthin amerikanischen Sport auf. Später kamen noch Basketball und, weniger allgegenwärtig, Eishockey hinzu. Damit war besetzt, was Markovits und Hellerman etwas schemenhaft den "Sportraum" einer Nation nennen; die kollektive Aufmerksamkeit Amerikas war erschöpft in der Begeisterung für die eingeführten Sportarten; für Fußball schien einfach kein Platz mehr. "Soccer" wurde zu einem Sport für Randgruppen, die sich meist ethnisch definierten, es galt als britisch oder europäisch, jedenfalls dezidiert unamerikanisch, und wer sich von den Einwanderern aus Irland, Italien oder Deutschland in der neuen Heimat wirklich integrieren wollte, der tat gut daran, die Freistoßregeln zu vergessen und rasch zu verstehen, was ein "home run" oder "touchdown" ist. Fußball war definitiv nicht schick, lockte keine Zuschauermassen, brachte keine Stars hervor, produzierte keine profanen Legenden und interessierte deshalb auch die Medien kaum. Als die amerikanische Nationalmannschaft bei der Fußball-WM 1950 wundersamerweise das hochfavorisierte England besiegte, blieb das in den Vereinigten Staaten völlig unbemerkt, denn unter den vierhundert akkreditierten Sportjournalisten war nur ein einziger aus Amerika. Und der hatte die Reise nach Brasilien aus eigener Tasche bezahlt.

Ausführlich beschreiben Markovits und Hellerman die immer neuen, mitunter fast verzweifelten Versuche, "soccer" doch noch in Amerika durchzusetzen: durch Schauturniere mit berühmten Mannschaften aus Europa oder Südamerika, durch den Einkauf alternder Stars wie Pelé, Beckenbauer oder Matthäus und vor allem durch die Organisation der Fußball-Weltmeisterschaft 1994 in den Vereinigten Staaten. Erstaunlich an diesem Leidensweg, der bislang zwar Fortschritte gebracht, aber noch nicht zum Ziel geführt hat, ist vor allem das Beharrungsvermögen in dem einmal aufgeteilten "Sportraum". Wer drin ist, bleibt drin, wer draußen ist, kommt kaum hinein - ein Phänomen, das natürlich ebenso für Deutschland gilt: Schwer vorstellbar, daß hierzulande die Vormachtstellung des Fußballs je bedroht sein könnte. Selbst der Tennisboom der achtziger Jahre und die wachsende Begeisterung für Basketball und Volleyball werden daran so schnell nichts ändern. Und ähnlich konservativ ist die Rollenverteilung in Amerika - zu Lasten des Fußballs.

Aber Markovits und Hellerman wären nicht die Liebenden, die sie sind, würden sie sich nicht auch Hoffnungen machen. Am Ende ihres Buches skizzieren sie ein "optimistisches Szenario", wie dem "soccer" doch noch der Ausbruch aus seiner Abseitsstellung gelingen könnte. Sie verweisen auf das wachsende Gewicht der Zuwanderer aus Mittel- und Südamerika, die so fußballverrückt sind wie der Rest der Welt, betonen die Popularität des Fußballs als Freizeitsport, dem gleichsam nur der professionelle Überbau fehlt. Sie erinnern an die enormen internationalen Erfolge der amerikanischen Fußballspielerinnen, und vor allem hoffen sie auf weitere gute Leistungen der (männlichen) Nationalauswahl - wie zuletzt in Japan und Südkorea. Tatsächlich scheint die Lage nicht hoffnungslos. Daß sich William Safire in der "New York Times" über "soccer" ausläßt, kommt allemal einer Kulturrevolution gleich.

HEINRICH WEFING

Andrei S. Markovits, Steven L. Hellerman: "Im Abseits". Fußball in der amerikanischen Sportkultur. Aus dem Amerikanischen von Werner Roller und Heike Schlatterer. Hamburger Edition, Hamburg 2002. 416 S., geb., 35,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Während König Fußball nahezu die ganze Welt regiert, stehen ausgerechnet die USA fußballerisch "im Abseits". Über dieses Phänomen haben Andrei S. Markovits und Steven L. Hellerman zur Freude von Rezensent Heinrich Wefing ein "famoses Buch" vorgelegt, in dem sie den historischen, kulturellen, ökonomischen und massenpsychologischen Faktoren des "amerikanischen Sonderwegs" in Sachen Fußball auf den Grund gehen. Allerdings bilde die Fußballfrage für die beiden Politikwissenschaftler und Kultursoziologen nur Anlass und Ansatzpunkt "für eine soziologische Bohrung in die Tiefen des amerikanischen und europäischen Gemüts", stellt Wefing klar. Was dabei zutage tritt, ist für den Rezensenten "erhellender als viele orthodox-politikwissenschaftliche Vergleiche der Kontinente und ihrer Lebenswelten". Wie Wefing ausführt, versuchen Markovits und Hellerman zu zeigen, dass es die äußeren Umstände waren, nicht das Spiel selbst, die verhinderten, dass der Fußball in den Vereinigten Staaten nie so populär wurde wie überall sonst auf der Welt. Ihre Geschichte des Fußballs in Amerika sei eine Geschichte von verpassten Gelegenheiten und unglücklichen Zufällen, korrupten Managern und zerstrittenen Funktionären, deren Dilettantismus den Aufstieg des Fußballs in Amerika gebremst, wenn nicht verhindert habe.

© Perlentaucher Medien GmbH
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